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Motto
Nations, mot pompeux pour dire
barbarie,
L'amour s'arrête-t-il ou s'arrêtent vos pas?
Dechirez ces drapeaux! une autre voix vous crie:
L'égoisme et la
haine ont seuls une Patrie:
La Fraternité n'en a pas.
Seit der französischen Revolution läuft die Geschichte nun über ein halbes Jahrhundert, und wir haben es nur wieder dahin gebracht, daß fast überall die Freiheit Hochverrath und die Wahrheit Ketzerei ist. Die Welt muß die Freiheit gegen die Herren und die Wahrheit gegen die Unwissenden wieder zu Ehren bringen.
Wird sie es vermögen? Wer sollte nicht zweifelhaft werden in Zeiten, wie die unsrigen? Aber die Menschheit hat schon genug geleistet, um unser Zutrauen zu verdienen. Was jetzt unmöglich scheint, ein Reich freigebildeter, unbeherrscht lebender Menschen, war einst wirklich, und die damalige Wirklichkeit beherrscht die jetzige, sie hat in jedem edlen Herzen ihre Wohnung, in jedem denkenden Kopfe ihren Anhänger. Oder gab es für die Menschheit eine andere Zeit der Größe, der Schönheit, des geistigen Aufschwungs, als die Zeit der Republik? Sind die wenigen Jahrhunderte der griechischen und römischen, sind die wenigen Jahre der französischen Republik nicht mehr werth, als die ganze übrige Geschichte? Sie sind die Zeiten wirklicher Menschen und beweisen dem gemeinen Troß, daß nur in seinen Schädeln, allerdings einer verdrießlichen Realität, das Utopien der Freiheit und Wahrheit liegt.
Das trübe Land und das wüste Volk der Germanen hat ein Jahrtausend Zeit gebraucht, um sich einigermaßen, wenn nicht politisch, doch religiös aufzuklären. Die Griechen in beiden Sphären zu erreichen, dahin haben sie noch weit, und wenn Goethe die Romantik los ist, so verehren ihn viele Tausende, die es nicht merken. Noch hat kein deutscher Dichter Goethes religionsfreie Humanität wieder erreicht, ein sicheres Zeichen, wie weit wir seit fünfzig Jahren – gekommen sind. Es ist sehr natürlich. Die Religion ist die Philosophie des unversöhnten, des unterdrückten, des unglücklichen, des ungebildeten, des verzweifelnden Menschen. Nur freie Männer haben keine Religion. Sucht bei Sokrates, bei Platon, bei Perikles, bei Aristoteles, ja, sucht bei den Schülern der Griechen unter uns, die es wirklich sind, sucht bei Goethe und Hegel Religion: ihr sucht den Geist, den ihr begreift.
Aber desto mehr, werdet ihr sagen, liebten die alten und die neuen Republikaner ihr Vaterland. Sie liebten es, denn ihr Vaterland war die Republik. Nur der alte und der neue Republikaner kann das Vaterland an seinen Sohlen nicht mit sich nehmen; denn draußen ist die Barbarei. Der tyrannisirte Mensch hat kein Vaterland, denn draußen ist die Menschheit; und der Mensch der civilisirten Welt, der Civilmensch, hat keine Ursache zur Vaterlandsliebe. Die Zeit des civilisirten Industriemenschen bricht die antike Periode des Aufschwungs, den die französische Republik freilich mehr in den Gedanken Einzelner, als in der Durchbildung Aller nahm, wieder ab, und hebt damit auch den Patriotismus wieder auf, der nur Sinn hat als Begeisterung für ein freies humanes Gemeinwesen, das von den Barbaren gefährdet ist.
Der civilisirte Mensch hat keinen Patriotismus, alle klassischen Erinnerungen erzeugen ihn nicht. Sein Vaterland ist überall, wo er seine Interessen findet, UBI BENE IBI PATRIA ist sein Spruch. Der Mensch der wirklichen Humanität, so lange sie nicht in ein bevorzugtes Volk constituirt ist, hat sein Vaterland überall, wo er die Freiheit findet; sein Spruch ist HOMO SUM, HUMANI NIHIL A ME ALENUM ESS PUTO:
Fassen wir einen Augenblick die Civilisation ins Auge. Der Patriotismus fällt in ihr nicht als freie Gesinnung, sondern als Handwerkstic ganz allein dem Militair zu; alle Civilstände sind frei von ihm.
Zuerst die Gelehrtenwelt. AB JOVE PRINCIPIUEM. Sie ist die allgemeine. Die Thaten des Denkens und des Wissens geschehn für alle Völker. Der Humanismus des Gelehrten ist aber sehr abstract. So gewiß die Thaten, die der Gelehrte vollbringt, human sein, zum wenigsten einen allgemeinen Charakter haben müssen, so roh kann der Gelehrte und selbst der Philosoph in Sitte und Charakter sein. Aber es ist Sitte aller Gelehrten, Weltbürger zu sein.
Eben so allgemein, wie die Gelehrtenwelt, ist die des Glaubens, das Christenthum, das kosmopolitische Christenthum; es ist der transcendente Humanismus. Nimmt man ihm die Transcendenz, so ist es wahr.
Mit der Liebe, die doch jedem civilisirten Menschen beim Glauben in den Sinn kommt, ist noch weniger anzufangen, als mit dem Denken und Glauben, um sie für den Patriotismus zu gewinnen. Die Blutsunterschiede sind nur die Pole des Magnets, die Wahlverwandtschaft der Liebe, die in dem fremden ihr anderes Ich entdeckt. Die Liebe und das Princip der Familie ist so unpatriotisch, wie die ganze Civilisation, die darauf gegründet ist. Die Civilisation, indem sie das Privatleben zum Zweck macht, hat die öffentliche Freiheit vernichtet und dagegen die heimliche Praxis der Liebe – die Erzeugung des Fürsten, zur höchsten öffentlichen Angelegenheit erhoben. Die Civilisation, die sich seit der Auflösung des Staates oder der Republik, die Familie zum Zweck und zum Herrn gesetzt, sie stellt die Dynastieen so entschieden weltbürgerlich, daß sie von Vater und Mutter immer zweien Nationalitäten angehören. Sind die Völker noch nicht verbrüdert, so sind es wenigstens ihre Herren.
Der Dynastie folgt der Adel. Er wohnt überall, er heirathet überall hin. Der Adel aller Culturvölker hängt fest zusammen. Er regiert mit den Dynastieen die jetzige Welt, er sucht selbst Dynastieen im Kleinen zu gründen, durch Autonomie und Majorate, das bindet ihn aber an keine Grenze, wenn er weiter greifen kann, und er hat – kein Vaterland.
Der Handelsstand, wenn er sein Ideal erreicht, führt Welthandel, und das Haus ist um so größer, je mehr Comptoire es in aller Fremde hat.
Ja, sogar der Handwerker, wenn man ihn nicht festbindet an die Grenzpfähle der Polizeistaaten, wandert, so weit der Himmel blau ist, denn seine Arbeit braucht man überall, und er wird sich nie besinnen, dort zu arbeiten, wo er es am vortheilhaftesten findet.
Der Bauer dagegen, der es nicht zum Edelmann gebracht hat, der Handwerker, dem es an Kühnheit, und der Krämer, dem es an Ausbreitung fehlt, sind die verkümmerten Gestalten der civilisirten Stände. Für sie ist die Heimath ihr Dorf, aber das Heimweh ist keine Vaterlandsliebe, es ist keine politische Gesinnung, es ist ein Naturtrieb. Gegen ihn ist nichts zu sagen. Er gehört aber auch nicht in die Epoche der Civilisation, sondern in die Vorzeit. Wer aber am entschiedensten aus der Civilisation entspringt, die Handels- und Fabrikbevölkerung ist überall die entschiedenste Gegnerin des Patriotismus. Sie fühlt sich sowohl mit ihrer Noth, als mit ihren Erfolgen ganz außer der Staatssphäre. Sie kennt nur die bürgerliche Gesellschaft, die überall ist und nirgends abschließt.
Erst die Revolution, welche einen Anlauf nahm, die ganze Weltordnung der Civilisation aufzuheben, vom Privatwesen zum öffentlichen, und durch die Republik zum Humanismus zu gelangen, brachte der Welt das Recht zum Patriotismus zurück. Nur wo man die Freiheit zu vertheidigen glaubte, war man patriotisch. Gönne man daher jetzt, wo die Freiheit aufgehört hat zu existiren, auch dem Patriotismus seine Ruhe.
Man hat gemeint, wir befänden uns mit unserer Kritik in einer ganz besondern Lage. Dies ist nach dem eben angeführten ein Irrthum, welcher nur den verführen kann, der die allgemeine Lage der gegenwärtigen Welt nicht begreift. Die Civilisation hat Recht, den Patriotismus aufzuheben, aber sie hat Unrecht, nicht den Humanismus an seine Stelle zu setzen. Sie will den Staat nicht zum Zweck, sondern zum Mittel: das ist richtig, sie will aber auch den Einzelnen nicht zum Zweck, sondern zum Mittel; das ist unrichtig, und sie verliert darüber alle vernünftigen Zwecke und verfolgt lauter unvernünftige. Die politischen Fragen, welche jetzt in Frankreich unter dem Namen des Socialismus verhandelt werden, und vor allen Dingen als Kritik der Civilisation bedeutend sind, haben für Deutschland ein großes Interesse. Diese praktischen Probleme müssen bei uns nationalisirt werden; und vielleicht wird es sich zeigen, daß die französische Politik bei aller Phantastik der sogenannten Utopisten doch mehr fruchtbare Gedanken enthält, als die deutsche Theologie. Mit dieser Rettung französischer Denker, die schon begonnen hat, ist zugleich die Rettung des politischen Denkens in Deutschland gewonnen. Umgekehrt ist es nirgends nöthiger, als in Frankreich, die Theologie auch theoretisch zu überwinden, und es ist leicht zu erkennen, daß die regsamsten Geister der Nation auf den Punkt hingedrängt werden, wo das Wort des Räthsels hervorspringt. Merkwürdig sind in dieser Hinsicht Herrn Comtes Bücher zu Vorlesungen; auch Quinet rückt der radicalen Kritik des Christianismus unaufhaltsam entgegen.
Wir werden mit den Franzosen zusammenkommen so oder so.