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Auf dem Zauberberg

1. Das Zaselihaus und der Immenstein.

Es war eine von dunklen Gruppen alter Fichten, von moosigen, vielzerklüfteten Felsen und dornig buschigen Schluchten durchbrochene Gebirgshöhe und hieß bei den benachbarten Bewohnern der Zauberberg.

Nicht sowohl ihrer lichten, zauberhaften Schönheit verdankte die weltferne, hoch über der unabsehbaren Waldflut still, inselhaft emporragende Einsamkeit ihren Namen, als vielmehr dem Umstand, daß die spärlich umwohnenden Wäldler: Hirten, Holzbauern und Köhler, alles was sich von Urvater- oder vielmehr Urmütterzeiten her an altem Märchenhort, Geisterspuk und Hexenwesen in Lied und Sage fortvererbt hatte, mit dem Zauberberg und seinen Felsspalten, Schluchten und Brombeerhecken in Verbindung brachten.

Der größte und zerklüftetste Felsen des Zauberberges heißt der Immenstein.

Hart unter dem Absturz desselben liegt das einsamste Haus des ganzen Gebirges; man mag Stunden weit fortgehen, um ein Nachbarhaus zu treffen.

Zunächst um das einsame Haus liegt ein eingezäuntes Gärtchen, dann zwei Fleckchen Ackerland mit Kartoffeln, Gerste oder Hafer bepflanzt, dann weite, grüne Matten und die rotblühende Heide und das Felsgeklüft des Zauberberges, dann der schwarze Wald, der die nächsten Höhen und eine in blauen Duft weithin sich verlierende Hochmulde überkleidet, dann weiter, den Horizont gen Südosten begrenzend, in erhabener Majestät hoch hereinschauend, die massige, elefantenrückig sich vom Himmel abhebende Hochkuppe des Gebirges.

Mitten in diesen weiten großen Verhältnissen wird das stille, sonnige Häuschen unmittelbar unter dem Immenstein mit seinem silberglänzenden Schindeldach wie zu einem winzigen Nestchen, das ein Buchfink von silbergrauem Baummoos zwischen zwei Gipfelzweiglein eines weitläufigen, uralten Birnbaumes baut.

Nach zwei Seiten legt sich das tiefherniedergehende, breite Schindeldach an den Bergabhang an, so daß man vom Immenstein herunter nichts als dieses von dem Hause gewahr zu werden vermag.

Gegen Osten und Süden dagegen ist es ein anderes Bild, hier läuft rings um die weißen, sonnigglänzenden Wände eine wettergraue Holzaltane, auf welche zwei Gruppen kleiner, leuchtender Fenster hinausgehen.

So mochte man sagen, das einsiedlerische Häuschen sei ein unförmliches, schuppiges Tierwesen der Einöde, das nur der Sonne entgegen, in welcher es sich in wohliger Faulheit gut thut, seine kleinen, blinzelnden Äuglein aufschlagen mag.

Dieses einsame Haus heißt das »Zaselihus« oder »Zaselihaus«, warum, wissen seine Bewohner selber nicht.

Es ist Hochsommerzeit.

Wie traumverloren liegt das Zaselihus in der heißen Nachmittagsonne, deren Strahlen auf den Silberschuppen des Daches wie kleine durchsichtig leuchtende Koböldchen lustigen Reigen zu tanzen scheinen.

Auf einem Kuhdüngerhaufen scharren und glucksen von Zeit zu Zeit ein paar alte Hennen, die in der umgebenden Märcheneinsamkeit sich wie verirrt und verloren ausnehmen.

An den kleinen Fensterchen der Vorderseite, von roten Nelken, Geranien und Levkojen umblüht, sind zwei Schieberchen zurückgeschoben, aber kaum dringt von Zeit zu Zeit ein Laut hervor, der auf innewohnendes Leben schließen läßt: ein ächzendes Tick-tack einer alten Schwarzwälderuhr, ein leises Surren und Summen, hier und da auch ein gedämpfter tiefer Stimmenlaut, als ob eine alte Wald- und Zauberfrau mit Gnomen drinnen Hause und heimlich hin und her rumore.

Noch andere Töne klingen leiser oder stärker in diesen Mittagstraum der Einöde hinein. Bald ist es tausendfacher Wiederhall der Holzaxt, bald ein jäher, schriller Aufschrei des Adlers aus der sonnigen Höhe, bald fern durch den Wald hinziehendes, dumpfes Brausen – und dazwischen vom Zauberberg herunter die sanften Klänge einiger Herdenglocken.

Nur wenige rot- und weißfleckige Kühe, dazwischen zwei schwarzzottige Ziegen, grasen zerstreut auf den Heiden des Zauberbergs, von ihnen kommt das feine Läuten.

Während die Tiere lässig den wohlschmeckenden Kräutern nachgehen, unterhalten sich die Hirten derselben auf ihre Weise.

Es sind deren drei, alle noch kleine Kinder. Bei einem Felsen, etwa drei Steinwurfweiten vom Immenstein entfernt, kauert die Gruppe; die beiden jüngsten, Bub und Mädchen, haben Himbeeren gepflückt und spielen damit, in Erwartung, daß sie dieselben essen werden; das dritte, ein Knabe von etwa zwölf Jahren, sitzt auf dem Gipfel des Felsens.

Der Junge ist barfüßig, und hat nichts am Leib als ein grobleinenes, graues Hemd, ein noch gröberes, blaues Zwilchhöschen und auf dem Kopfe ein rundes, weißgraues Filzhütchen, tief nach hinten gedrückt.

So sitzt er auf seinem Felsen und aus seinem intelligenten Gesichtchen schauen zwei tiefschwarze Augen träumerisch in die große, weite Welt hinein; diese Augen und der Mund dazu mit den knospenhaften, frischen Lippen scheinen tiefgeheimnisvolle, liebliche Rätsel.

Die kleinen Geschwister am Fuße des Felsens spielen »Kochen«, sie verteilen ihre Himbeeren auf grüne, durch Lindenblätter dargestellte Teller, schütten sie zusammen, verteilen sie wieder; Steine stellen die Gäste vor. Ahnungslos und ihnen unbewußt liegt die unendliche Welt vor ihren hellen, lebhaften Augen; sie sind sich ihrer selbst nicht bewußt.

Anders Johannes, der ältere Bruder. Er ist ein Geschichtennarr, wie ihn die Mutter heißt; er hat der alten Muhme Zilli schon hundert und aber hundertmal alte Märchen, die sie weiß, entlockt und mag sie immer wieder hören, denn er trägt, so klein er ist, ein heißhungrig Ungetüm, Phantasie geheißen, in sich, immer nach Nahrung gierig, aber auch alles wieder aus sich heraus gebärend und dabei das Gewöhnlichste und Armseligste ins Ungeheuerliche, Riesengestaltige, Urwaldüppige vergrößernd und umformend.

Von seiner Mutter und dem alten Schulmeister drunten am Ausgang der Schlucht weiß Johannes unzusammenhängende Sagen und Geschichten vom Anfang der Welt, der Menschen Verkehr mit den Göttern; er weiß von Ägypten und Babylon, von Sydon und Tyrus, von den Sterndeutern Chaldäas, von Patriarchen und Propheten und wahrsagenden Sibyllen – für sein kindliches Denken eine weite wunderbare Welt, nicht weniger fremd und seltsam als die Märchen der Muhme Zilli und das Sagen der Leute vom Zauberberg. Und wie jedes Menschengehirn, sucht auch das des kleinen Johannes die in ihm liegenden Vorstellungen außer sich im Raume.

Jenseits des großen Waldes, der ringsum seine heimatliche Einsamkeit und den sonnigen, blühenden Zauberberg weithin einschließt, bald in stiller majestätischer Ruhe, bald mit gewaltigem Wogen und Brausen, jenseits dieses blauschwarzen Oceans, wohin von der blühenden Zaseliinsel aus nie das Auge zu dringen vermag, dorthin verlegt Johannes mit Hilfe seiner Phantasie die Welt, die in seinem Kopfe ruht. Und dieses niegeschaute Jenseits bevölkert er mit Patriarchen und Sterndeutern, mit Propheten in schneeigweißen Gewändern, mit Königen in Purpurmänteln und goldenen Kronen.

Über der Hochkuppe drüben ist der Anfang dieser Herrlichkeiten, drum blitzt es auch hinter dem himmelhohen Rücken von Zeit zu Zeit wie außerweltlicher goldener Schein herauf, drum steigt auch von da unsere Sonnenkugel am morgendlichen Himmel empor, denn in der andern Welt drüben sind viele solcher flammender Kugeln und sind nahe bei den Menschen, deren Kindern sie zum Spielzeug dienen wie goldene Kegelkugeln.

Ganz deutlich und bis ins einzelne vermag Johannes die ungeschaute Welt zu schauen, besonders seit ihm der alte Schulmeister in der Schlucht eine Bilderbibel gezeigt, worin all das wundersame Leben abgeschildert war. So ungestüm drängen sich die Gestalten in seine Phantasie, daß er meint, er müsse sie malen, wie er Bäume und Bauern, Kühe und Ziegen abmalte, oder vielmehr abzeichnete, und oft genug kritzelt er ein gar seltsames, unverständliches Gestaltendurcheinander auf eine alte, große Schiefertafel.

 

2. Die Erscheinung am Immenstein.

Wie Johannes so saß und sann und mit seinem Kinderauge über den dunklen, geheimnisvollen Wald und die schweigende Hochkuppe hinweg in eine andere, fremde, wundersame Welt hinübersah, oder hinüberzusehen meinte, erschrak er plötzlich.

Am Immenstein droben zwischen hohen, rotleuchtenden Weidenröschen, flimmerndem Nelkenhafer und schwankenden Fingerhutstengeln war eine Erscheinung aufgetaucht. Eine Menschengestalt, groß wie Johannes, mit langfaltigem, rosafarbig-leuchtendem Kleid, mit breitem, gelbem Hut in der Hand, und einem nach hinten geschobenen – kleinen goldenen Krönlein auf dem Kopfe. So schien es, es war das lichtblonde, in Wirbeln aufgesteckte Haar. Einige losgegangene, feine Strähnen flimmerten wie Fäden um das schmale weiße Gesichtchen.

Ein Ausruf des Entzückens mit einer Sprache und Stimme, wie Johannes nie etwas gehört – und dann, nacheinander emportauchend, noch fünf Gestalten, höher, größer als die erste.

Johannes kannte zwei Arten Menschen, einmal die Bauern und Holzhauer ringsum, von denen auch der alte Schulmeister in der Schlucht, trotz seiner silbernen Brille nicht viel abwich, und dann die Menschen seiner Phantasiewelt: Propheten in weißen Kleidern, Könige mit goldenen Kronen und goldbeschlagenen Purpurmänteln, schöne leuchtende Jungfrauen.

Die am Immenstein glichen keiner der zwei Arten ganz, aber doch eher der letztern als der erstern.

Waren sie aus der geträumten Welt von jenseit des Weltoceans heraufgestiegen oder waren es Feen und schöne Riesen aus dem Zauberberg?

Eine hohe Frauengestalt in dunkelpurpurnem Kleid und zwei andere in hellblau leuchtenden Gewändern standen um zwei noch höher ragende Männer.

Mit höchstem Erstaunen und unverwandten, weitaufgerissenen Auges betrachtete Johannes die Erscheinung, während seine Geschwister, nichts ahnend, mit Himbeeren, Blatttellern und steinernen Gästen weiter spielten. Nachdem die Gruppe, gegen den Hochkamm des Gebirges schauend, eine Zeit lang fast bewegungslos gestanden, wie man in stummem Erstaunen vor einem Wunder stehen mag, trennten sie sich nach und nach in einzelne Partieen, und immer häufigere und lautere Stimmen drangen zu Johannes herüber, deren Klang ihm jedesmal durch die Seele ging, wie ein Ton aus einer anderen Welt.

Die zuerst erschienene Gestalt, die mit der Rosenfarbe des Kleids und dem goldenen Krönlein auf dem Hinterkopf, sonderte sich zuerst ab und schien Blumen und Beeren zu pflücken. Dann stieß sie plötzlich von neuem einen leisen Ruf des Erstaunens aus, indem sie Johannes und seine kleinen Geschwister gewahrte, und kam darauf langsam, zögernd näher.

Als die Kleinen, welche harmlos bei ihrem Spiel saßen, die fremde Gestalt gegen sie herankommen sahen, fuhren sie erschrocken auf und rannten Hals über Kopf den Abhang hinunter ihrem Hause zu. Das Schwesterchen blieb dabei in einer Brombeerranke hängen und fiel in die Dornen, worüber es ein mörderisches Geschrei erhob.

Die Fremde sprang hin und zog die arme Kleine mit vieler Sorgfalt und unter tröstenden und liebkosenden Worten aus ihrer Verstrickung heraus, sah dem aufs neue davon fliehenden Kinde einen Augenblick traurig nach und ging dann auf Johannes zu. Nachdem sie den stummen, innerlich vor Aufregung bebenden Knaben lächelnd und kopfnickend begrüßt, aber keine Antwort erhalten hatte, fragte sie, warum die Kleinen so liefen.

Johannes, der außer seinem heimischen Gebirgsdialekt noch kein menschliches Sprachidiom durch sein Ohr ausgenommen hatte, verstand keine Silbe von ihrer Frage und schaute in diesem Augenblick nicht zum intelligentesten aus.

Aber wenn er sie auch verstanden hätte, würde er vor Angst, oder besser, vor heiliger Scheu und innerlichem Zittern doch nicht geantwortet haben, denn er war überzeugt, einer Fee des Zauberwaldes begegnet zu sein und hatte nur deshalb nicht auch die Flucht ergriffen, weil ihr Anblick so gewaltig auf ihn gewirkt, daß er wie an die Stelle gebannt war.

Bei der hartnäckigen, finstern Verschlossenheit des Knaben zog sich ein düsterer Schatten auch über das sonnige Antlitz der Feenerscheinung, als ob sie selber ängstlich verlegen würde. Doch faßte sie noch einmal Hoffnung, und mit dem herzlichsten Lächeln, womit je ein schönes, jugendliches Antlitz ein Menschenherz entzückt und beglückt hat, nickte sie Johannes zu, um ihm, wenn kein Wort, doch vielleicht ein leises Mitlächeln abzugewinnen. Aber der Knabe blickte so finster, so scheu wie zuvor.

»Gehören diese Kühe und Ziegen dir?« fragte sie, nach den Tieren deutend. Diesmal hatte er den Sinn ihrer Frage verstanden und nickte stumm und ängstlich mit dem Kopfe.

»Wo wohnst du?« fragte sie wieder.

»Im Zaselihus«. Es war das erste Wort, das ihm über die Lippen kam.

Sie fuhr noch lange fort, alles mögliche zu fragen, bekam bald eine Antwort, bald keine, und weil sie nicht eher abließ, brachte sie es endlich dahin, daß Johannes zutraulicher wurde.

Er war keineswegs davon überzeugt, daß die Fremde ein Wesen seinesgleichen sei; aber er spürte ihre Freundlichkeit und ihr Wohlwollen bis ins Herz hinein, und so wurde ihm selber immer wohler in ihrer Gegenwart.

Sie hatte ihn gebeten, sie in das Haus hinunterzuführen und ihr Wasser zu geben. Unterwegs verließ ihn vollends wenn nicht alle Schüchternheit, so doch alle Angst. Aber noch erschrak er über seine eigene Kühnheit, als es auf einmal, »wie heißt du?« aus seinem Munde gekommen war.

»Käthe,« sagte sie freundlich; »Kätchen, Kätterle, Katharine,« fügte sie ebenso freundlich hinzu, als er sie verständnislos anblickte; »du kannst sagen wie du willst.« Als Käthe im Zaselihaus Wasser getrunken und noch einmal einen Versuch gemacht hatte, sich auch die zwei Kleinen anheimelich zu machen, welche sich aber schreiend und weinend unter die Schürze ihrer Mutter versteckten, nahm sie Abschied.

Johannes gab sie die Hand und als derselbe die seinige, welche rot und schrundig war, in der weichen, weißen des schönen fremden Kindes fühlte, durchzuckte etwas gar seltsam sein ganzes Wesen.

Er getraute sich nicht Käthe zu begleiten und blieb scheu zurück.

»Das war gewiß die schöne Frau aus der Hollerschlucht,« sagte die alte Zilli, die spinnend am Rocken saß, »gebt acht, ihr dummen Kinder, diese mächtige Fee schickt euch nichts gutes, weil ihr so unfreundlich und unhöflich gegen sie gewesen seid; sie kann das nicht leiden und schon mancher hat seine Unfreundlichkeit teuer bezahlen müssen.

»Da war auch einmal, wie mir meine Großmutter erzählt hat, ein Holzhauer von der Winterhalde, der wollte, an einem Freitag Abend war's, vom Weißtännich über das tote Meer und den Zauberberg zur Winterhalde hinüber und nahm den Weg trotz der späten Zeit durch die engverwachsene Hollerschlucht, von der er wohl wußte, daß es nicht richtig darin sei. Da sah er plötzlich vor sich auf einem Haselbusch eine große, weiße Maus sitzen, so groß, wie er noch nie eine Maus gesehen hatte, und worüber er erschrocken stehen blieb.

»Noch mehr erschrak er, als die weiße Maus zu singen anfing, aber nicht wie eine Maus pfeift, sondern wie eine Nachtigall singt. Und der Holzhauer, man nannte ihn den langen Haldenjörg, meinte nicht anders, als ob es die Melodie von einem Lied sei, das er schon einmal gehört habe, nur konnte er sich nicht erinnern wo, und dann klang es immer seltsamer, daß es dem Jörg sonderbar zu Mute wurde, fast als ob er weinen müsse. Darüber schämte er sich und wurde zornig, daß er seine Axt aufhob und die Maus niederschlagen wollte. Da stand eine hohe, weißleuchtende Frau vor ihm und streckte ihm wie abwehrend die Hand entgegen. Am andern Morgen wußte der lange Haldenjörg selber nicht mehr, wie er aus der Hollerschlucht herausgekommen; aber er fühlte auf einmal, daß ihm der Arm weh that, wenn er ihn in die Höhe heben wollte, und zuletzt konnte er den Arm überhaupt nicht mehr heben, sein ganzes Leben lang behielt er den schwachen Arm.«

Die Kinder sahen in unbeholfen ängstlicher Beklommenheit zu der alten Muhme hin.

»Hört, Muhme Zilli, Ihr seid doch immer gleich mit einer von Euren dummen Geschichten bei der Hand,« sagte die Mutter vom Webstuhl her, »und habt sie doch alle schon hundertmal erzählt. Und du, Johannes, solltest, statt auf das dumme Zeug zu hören, schon lang wieder bei deinen Kühen sein.«

»Die Jugend will nichts mehr glauben,« brummte die Muhme Zilli unwillig.

Johannes schlich sich stumm hinaus, vor der Hausthür aber blieb er plötzlich wie angewurzelt stehen.

Droben am Immenstein sah er die fremden Gestalten, Käthe darunter, wieder in derselben Gruppierung, wie er sie zuerst erblickt, und es konnte scheinen, als ob es keine leibhaftigen Wesen wären, sondern ein plötzlich hingezaubertes, wunderbares Bild. Die untergehende Sonne warf die letzten, roten Strahlen auf die Gruppe, daß die einzelnen Gestalten, wie von überweltlichem Licht umstrahlt, auf der goldenen Luft des Hintergrundes standen.

Käthe bemerkte Johannes und winkte ihm mit einem weißen Tuche, auch die hohe, schöne Frau im Purpurkleid nickte ihm zu. Dabei kam es mit Seligkeit und Bangigkeit zugleich über den stummen Knaben.

Noch einmal winkte es oben, dann tauchten die Gestalten im Hintergrunde langsam unter, und der Immenstein wurde immer dunkler; er war wieder wie alle Tage, und der Zauber war verschwunden.

»Hannesle, Hannesle,« rief die Mutter aus der Stube, »was hast du, ums Himmels willen. Geh gleich nach dem Vieh, es ist Zeit zum Eintreiben; wenn der Anton kommt, wird er schelten.«

Johannes ging, aber es war ihm wie einem Taumelnden, das Herz war ihm so voll; er wußte nicht, was er that. Als die Kühe zusammengetrieben waren, merkte er, daß noch eine fehle, die Weißbleß. Er mußte lange suchen und es wurde schon dunkel, endlich hörte er ihre Glocke hinten in der Hollerschlucht. Ein Schauer überfiel ihn, aber es half alles nichts, er mußte hinein und das Tier heraustreiben; als er zu Hause ankam, war er totenblaß und von der Abendsuppe konnte er mit aller Anstrengung kaum ein paar Löffel voll hinunterbringen.

»Ihr dürft dem Johannes wahrlich keine Geschichten mehr erzählen,« sagte die Mutter zur Muhme Zilli, »der glaubt Euch Euer tolles Zeug aufs Wort. Ihr glaubt's ja selber, aber Euch schadet's nichts und verdirbt's keinen Appetit.«

»Der Unglaube glaubt nicht, und wenn er mit den eigenen Augen daraufgestoßen wird,« brummelte die alte Zilli, während sie die Milchsuppe über ihre Hängelippen hineinschlürfte, »nicht meine Geschichte, die schöne Frau aus der Hollerschlucht hat das Kind so blaß gemacht, und sie thut das nicht zum erstenmal.«

 

3. Johannes der Stillschweiger.

Am andern Tage mußte Johannes allein auf die Weide ziehen, seine kleinen Geschwister hatten nicht den Mut dazu, ihr gestriger Schrecken war noch zu neu.

Johannes war gern allein, so konnte er sich um so besser seinem Nachdenken, oder vielmehr seinem Nachträumen hingeben. Die fremde Erscheinung hatte nichts mehr schreckendes für ihn; er empfand im Gegenteil immer deutlicher, daß er sie sehr gerne Wiedersehen möchte, und wurde unbewußt traurig, wenn er denken und glauben sollte, daß alles nun für immer vorbei sei.

Von seinem Felsen aus sah er stundenlang unverwandten Auges nach dem Immenstein hinüber.

Wenn der Wind ein Weidenröschen, einen Fingerhutstengel oder einen Hollunderzweig bewegte, befiel ihn fast ein freudiges Erschrecken; denn er meinte nicht anders, als ein goldenes Krönlein und ein lichtlächelndes Gesicht müßten unter der bewegten Blume oder Staude auftauchen, und feine weiße Hände ihm winken.

Das Bild des plötzlich erschienenen und wieder verschwundenen blonden Feenkindes wurde in Johannes' Seele mit der Zeit nicht schwächer; je länger er in schauernder Erwartung nach dem Immenstein sah, desto deutlicher, heller und höher wuchs die fremde, lichte Erscheinung darauf empor. Wenn er sich nun wieder jenseit des schwarzen Waldoceans und der Hochkuppe die phantastische Welt von Propheten, Königen und Königstöchtern dachte, sah er darunter eine jungfräuliche Gestalt, die ihm vor allen vertraut und bekannt war, die klarer und deutlicher Umrissen vor ihm stand, als die übrigen.

Johannes war in einem eigentümlichen Zustand, sein Herz war voll von der Fülle seines seltsamen Phantasielebens, aber sein Kopf, sein Denken fanden sich nicht darin zurecht.

Die Muhme, die ihm über die schöne Frau in der Hollerschlucht noch manche Geschichte erzählte, hätte er in seiner Seelenverfassung am besten verstanden; aber da die Mutter verächtlich von diesen Geschichten und dem Glauben der Muhme Zilli sprach, getraute sich Johannes nicht, ihr vollen Glauben entgegenzutragen, und vermied sie. Mit der Mutter aber konnte er über seine eigenen, heimlichen Gedanken nicht reden, sie sah ihn zu klug dabei an. So wurde der wortkarge Junge noch verschlossener und stiller als er's schon war.

Die Muhme Zilli nannte ihn nur noch »St. Johannes den Stillschweiger«, und unterließ nicht, die Legende dieses sonderbaren Heiligen zu erzählen. Sie hatte ein dickes Buch, worin für jeden Tag des Jahres eine oder mehrere solcher Geschichten vorrätig waren.

»Aber bei dir, Hannes,« fügte sie ihrer Erzählung hinzu, »bei dir, fürcht' ich, ist das Stillschweigen nicht eine Frucht der Heiligkeit, sondern die Wirkung eines bösen Zaubers; ja, sehr befürcht' ich, daß die schöne Frau aus der Hollerschlucht dir's angethan hat; wenn du nur nicht unselig darüber wirst.«

Die blonde Fee ließ sich nicht wieder sehen, dafür kam der Winter ins Land, der Winter, der hier oben sechs Monate dauert. Das Zaselihaus war bald eingeschneit, niemand konnte mehr vor die Thüre, kaum, daß man zu den obern Fensterchen gerade hinauszuschauen vermochte. Davor saß nun Johannes oft, wenn die Eisblumen weggeschmolzen waren, und sah über die starre Winterwelt hin. Da war alles eins, Schneefelder reihten sich an Schneefelder und am Rand der blendenden Einöde stand, durch den weißschimmernden Glanz ihres Kleides näher gerückt, die Hochkuppe in kalter, schweigsamer Größe; es war ein weites Bild, aber es war das gleiche wochen- und monatelang.

Ein stumpfer Geist muß dem unbeweglichen, toten Einerlei gegenüber noch stumpfer werden; vielleicht aber, daß eine aufgeregte, reiche Phantasie angesichts dieser stillen, stummen Größe, dieser toten Unendlichkeit sich erst recht in ihrer schöpferischen Kraft fühlt.

Johannes saß tagelang vor dem kleinen Fenster und dachte sich in die selbsterschaffene Wunderwelt jenseits der Kuppe, hinter welcher seit dem Schneefall noch blitzendere Lichter aufzuckten als zuvor.

Die Muhme Zilli spann am Rocken, die Mutter und der »Vetter« Anton saßen am Webstuhl und woben; in Johannes' Seele aber spannen sich die wunderlichsten Gedanken und woben sich zu phantastisch bunten Bilder durcheinander.

Dann brach der Frühling wieder an, der Mai kam, die Herden wurden wieder auf die Berge getrieben.

Johannes saß wieder täglich auf seinem Felsen und schaute nach dein Immenstein. Aber vom Mai bis zum August ist es eine lange Zeit, und da Johannes nicht wußte, daß die blonden Feen erst im August aus diesen Bergen zu spuken pflegen, verlor er nach und nach den Mut des Wartens, und Glauben und Hoffen wurden schwach in ihm.

Dann saß er eines Tages und zeichnete auf seiner Schiefertafel; es war eine Gestalt mit langen Kleiderfalten und einer Krone auf dem Haupt; ein vorgestreckter Arm schien zu winken.

Er zeichnete, ohne recht an seine Zeichnung zu denken, oder sich klar zu sein, was er damit wolle; plötzlich hörte er nahe bei sich seinen Namen rufen. Und er war noch starr vor Schrecken, als Käthe, wie sich die blonde Fee im letzten Jahr selber menschlich genannt hatte, ihm schon ganz nahe stand, mit den freundlichsten Worten, mit dem bezauberndsten Lächeln ihn grüßend. Wahrlich, die Beklommenheit und der heimliche Schauer des kleinen Johannes waren nicht geringer als das Jahr zuvor, obwohl er diesen Augenblick sehnlichst erwartet hatte. Als die Bekanntschaft einigermaßen wieder erneuert war, forderte Käthe ihren Freund auf, mit ihr hinüber auf den Immenstein zu den andern zu kommen: »Mama« wolle ihn auch kennen lernen. Zitternd und lautklopfenden Herzens folgte Johannes. Unterwegs erzählte ihm die blonde Fee, die noch immer ihr goldenes Haarkrönlein auf dem Haupte trug, wie auch ihr Kleid wieder rosenfarbig war, daß sie ihn nicht vergessen, sondern oft an ihn gedacht hätte.

Im Winter habe sie hundertmal gesagt, was wohl der kleine Johannes im Zaselihus jetzt machen werde; dabei lächelte, sie ihn immerfort an.

Johannes wußte gar nicht, wie ihm zu Mute war; nur der Angst, die, je näher sie dem Immenstein kamen, desto wuchtiger auf ihm lastete, wurde er sich recht bewußt; daß seine kühnsten und schönsten Winterträume sich in diesem Augenblicke erfüllten, dachte er nicht.

Die auf dem Immenstein waren unendlich freundlich gegen ihn, streichelten ihm die Wangen, griffen ihm unter das Kinn, schauten ihm lächelnd in die großen, schwarzen Augen, alle sagten ihm etwas freundliches.

Derjenige, der beiden Männer, dem ein mächtiger flachsgelber Bart vom Kinn über die Brust herniederfloß und welcher, wie es Johannes dünkte, einen langen befransten Mantel um hatte, während er vor einem seltsamen Dreigestell unter einem hohen, weißen Zelte, wie unter einem riesenförmigen, durch Zauber emporgeschossenen Parasolpilz saß, rief ihm freundlich zu und ließ ihn auf das Bild schauen, das er mit tausend Farben zu malen schien. Dann hatte die blonde Fee Johannes zurückbegleitet und ihm mancherlei erzählt, auch unten im Haus freundlich mit allen gesprochen und seine kleinen Geschwister mit Spielzeug und Backwerk beschenkt. Und mit Scheu betrachtete Johannes das schöne rot eingebundene Buch, welches ihm Käthe hinterlassen.

Außer der heimlichen Sehnsucht zu dem lieblichen, fremden Kinde war noch ein anderer Funke in Johannes' junge Seele gefallen.

Bei dem Maler mit dem langen Bart und fransenbesetzten Mantel, welcher ein Plaid war, hatte der Knabe zum erstenmal in seinem Leben ein gemaltes, farbiges Bild gesehen. Da er die Gegenstände, die es darstellte, tausendmal in der Natur geschaut, war es ihm gleich verständlich gewesen, und er wußte von nun an, daß es keine höhere Kunst geben könne, als all die Herrlichkeiten der Welt umher nicht nur in ihren Umrissen, sondern in all ihren Farben wie lebendig nachzubilden.

Er war seither nur auf die Gestalt der Gegenstände aufmerksam gewesen, weil er nur diese mit seinem Griffel zu zeichnen vermocht, gewahrte jetzt zum erstenmal die farbigen Lichter und geriet, während er über die blühende Heide hin schleuderte, von einem Entzücken ins andere. Wer auch hier oben in den Bergen Farben bekommen könnte, seufzte er dann. Wo er ging und stand, träumte er von Farben; wenn er etwa in der Ferne eines Mannes mit Sack oder Kasten ansichtig wurde, meinte er, der müsse Farben darin haben. Wo er flechtenüberwucherte rot und gelbleuchtende Steine von weitem sah, hoffte er, eine Fee aus dem Zauberberge werde ihm ein Füllhorn mit Farben hingeschüttet haben und eilte herzklopfend darauf zu.

Eine wahre Farbensehnsucht, ein rechtes Farbenheimweh kam über ihn und ward eine Schwester der andern Sehnsucht seines jungen Herzens.

Einstweilen vertröstete er sich auf ein Wiedersehen im nächsten Sommer. Aber dieser ging hin, ohne daß eine blonde »Fee« oder »schöne Frau« etwas von sich hören und sehen ließ, und ebenso der andere nächste Sommer.

Um diese Zeit wurde Johannes kränklich.

Die Muhme Zilli schüttelte geheimnisvoll bedenklich den Kopf, sie ließ es sich nicht nehmen: »Das thut die schöne Frau aus der Hollerschlucht.«

 

4. In der großen Stadt.

Es war eine eigene Art, auf die Johannes gesund wurde. Kam da eines Tages der alte Schulmeister aus der Schlucht zum Zaselihaus herauf, und nachdem er sich ausgeschnauft und seine silberne Brille geputzt und aufgesetzt hatte, über welchen Anstalten ihn alles verwundert angesehen, zog er ein Zeitungsblatt aus der Tasche, und suchte lange und unbeholfen darauf hin und her; dann deutete er mit dem Finger auf die endlich gefundene Stelle, wie der alte Blücher auf die Generalstabskarte und wie der noch ältere Archimedes im Bad, rief er: »Heureka, ich hab's.«

»Was habt Ihr, Schulmeister,« fragte die Mutter.

»Da steht's, Base Christine, da schaut her, für Euern kleinen Johannesle ist's, da!«

»Aber um Gottes willen, Schulmeister, was ist es denn,« fragte die Mutter ängstlich gespannt.

Auch Johannes sprang erregt auf und trat herzu.

»Habt doch nur Geduld, Base Christine,« ermahnte der Alte, »wenn Ihr Schulmeister geworden wäret, hättet Ihr schon Geduld gelernt; da steht's, ich will's Euch vorlesen.« Dann las er's. »Wißt Ihr, was das ist, Base,« fragte er und schaute die Frau überlegen an, »seht, das heißt man eine Annonce, oder auch ein Inserat, Wörter, die Ihr freilich aus Mangel an Gelehrsamkeit nicht versteht. Aber was damit gemeint ist, begreift ihr vielleicht, daß nämlich ein Maler aus der Residenz einen Lehrling sucht, der unentgeltlich bei ihm eintreten kann; unentgeltlich, hört Ihr, und habe ich gedacht, weil Euer Johannes von jeher alles voll gemalt hat, das sei für ihn wie ein Ruf des Himmels. Wenn aber der Johannes bis jetzt auch nur ein Schmierer ist und kein Künstler, so kann er mit Gottes Hilfe doch wohl einer werden, wenn er ernstlich will; der Mensch kann alles was er will; hat ein großer Mann gesagt, also willst du, Johannes, Johannes Evangelista, und ist es dir ein angenehmes Evangelium und eine frohe Botschaft?«

Der Johannes wollte freilich, von ganzem Herzen wollte er, seine Wangen röteten sich zum erstenmal wieder seit Wochen; er dachte an den Mann mit dem mächtigen Bart und dem Fransenmantel und den tausend Farben, er dachte noch an viel mehr.

Die Mutter schwur zwar, sie wollen ihren Hannesle nicht in die große Stadt und Fremde lassen; aber der Schulmeister redet ihr das aus; »er kenne den Meister und wolle den Johannesle empfehlen, daß er gut aufgehoben sei.«

Die Mutter wurde herumgestimmt, der Vetter Anton hatte auch nichts dagegen und also wurde ausgemacht, daß der Schulmeister schreiben und wenn alles richtig sei, den Johannes in die Residenz bringen solle.

So geschah's. Nur die alte Muhme Zilli brummelte dagegen. Es sei gottlos, ein so junges Kind allein in die böse Welt hineinzuschicken, zumal man deutlich sehe, daß der Johannes bereits von der »schönen Frau« verhext sei, ansonst er sich nicht von seinem Elternhaus fort wünschen würde, das sei der Zauber.

»Ihr müßt noch alle an die schöne Frau aus der Hollerschlucht glauben lernen,« schloß sie ihr Gebrummel, um es gleich wieder von vorne anzufangen.

Niemand hörte darauf, wie sie es gewohnt war, obwohl Johannes die Alte ihrer Geschichten halber mehr liebte als er zeigte. Die Mutter ließ die Muhme ihrer Gewohnheit gemäß brummeln und weinte bloß, auch Johannes mußte weinen, als es ernst wurde.

*

Nun war Johannes mitten in den Farben. Die Werkstatt des Meisters Glattfeger strotzte davon, so stattlich und weitläufig sie war. Der Boden, die Decke und die Wände, die Werkzeuge und die Kleider, Hände und Gesichter der Gesellen, alles war voll Farbe und Johannes mitten darunter. An seinem eigenen Schurzfell und an seinen Hosen klebten zum wenigsten ein Paar Pfund von dem Wunderding.

Sechs Gesellen und der Meister arbeiteten in der stattlichen Werkstatt, d. h. so lange sie nicht in der Stadt ihrer Kunst pflogen. Zu thun gab's über und über, denn da man gerade anfing, die Häuser, selbst in den dumpfigsten Winkeln, altdeutsch bunt anstreichen oder bemalen zu lassen, so hatte ein Maler wie der Meister Glattfeger eine gute Zeit, und der Lehrling Johannes hätte zu keiner glücklicheren Epoche in die Kunst einrücken können. Bessere Gelegenheit, seine Sehnsucht nach Farbe zu stillen, hätte er nicht haben können; selbst die Gesellen, wiewohl älter als er, waren in diesem Stück nicht so glücklich, denn er hatte mit allen Farben immer zuerst zu thun; er durfte alle neuen Päckchen aufmachen und die Farben in ihrer Unberührtheit und Jungfräulichkeit schauen, wenn sie noch leichtfliegender, beschwingter Staub waren.

Wie ihm da Kremserweiß, Malerzinnober und Mennige, Berliner-, Pariser- und Neapelrot und -Blau, Chromgelb und Neugelb, Gummi gutti und caput mortuum, Sepia und Mumie, Umbra und Ultramarin aus den Papierumschlägen so verlockend entgegenschimmerten! Er durfte sie auf den Reibstein schütten, mit Öl tränken und einreiben, was schon im alten Testament als schönster Liebesdienst bezeichnet wird, durfte sie verdünnen, in Töpfe und Scherben füllen. Zur Abwechselung, um nicht zuletzt selber zu Farbe zu werden, war's Johannes verstattet die Stiefel des Meisters zu wichsen, was überhaupt sein erstes Mal- und Anstreichgeschäft gewesen, als er in die Stadt gekommen. Er durfte ferner des Meisters kleine Kinder wiegen, der Meisterin Holz kleinspalten, Feuer anmachen, Eier, Gemüse, Salz und Zucker und den Gesellen Bier holen. Ein klein wenig hatte er sich die Malerkunst anders vorgestellt.

Er hatte gemeint, oder wenigstens leise gehofft, er werde als Jünger zu dem angestaunten Zauberer kommen, der ihn auf dem Immenstein gegen seine breite Brust gedrückt, dem er in sein Bild geschaut, das ihm wie Zauberkunst und Wunder vor den Augen gestanden, zu jener schönen Menschenerscheinung mit der mächtig hohen Gestalt, mit den sanften blauen Augen, dem langen blonden Bart, wie ihn nur ein Zauberer haben kann, mit dem seltsamen fransenbesetzten Mantel. Statt dessen war der Meister Glattfeger ein zwerghaftes, fast buckliges Männchen mit katzengrauen, stechenden Augen, grauborstigem Gesicht und hatte statt des Fransenmantels ein schmutziges Hemd und ein noch schmutzigeres Schurzfell an; dazu fluchte und keifte er den ganzen Tag, und seine Gesellen machten es ihm nach.

Es waren eben Menschen, und die anderen, die vom Immenstein – Johannes hatte sie für Zauberwesen gehalten.

Wenn sie das wirklich waren, konnten sie freilich nicht in der Weit leben, in die sich Johannes versetzt sah, denn das war eine sehr unzauberische Welt, in welcher es noch mehr menschelte, als in der von Johannes früher bewohnten.

Von der großen Stadt hatte sich der Wälderbub ein anderes Bild gemacht.

Wenn mancher Luxus, manches Prächtige und Reiche derselben ihn wohl überraschte, weil er nicht vermocht hatte, es sich so vorzustellen, so hatte er sich doch das Ganze edler, würdiger, ja größer gedacht. Daß es in der Stadt, die er sich mit seiner kindlichen Phantasie ausgemalt hatte, so viel offenen und verdeckten Schmutz, so viel gemeine Werkeltagsarbeit, so viel Ärmliches, Verlumptes und Elendigliches gäbe, hätte er sich nicht einfallen lassen. Er war sehr enttäuscht und fühlte sich von tausend Dingen abgestoßen, ja angeekelt; das Heimweh ergriff ihn, er wurde traurig und unglücklich.

Wo blieben nun seine schönen Träume?

Je länger Johannes in der Stadt lebte, destoweniger glaubte er, daß seine blonde Fee sich auch darin aufhalte; er sah zu viel gemeines an dem Ort, nur sie sich darin denken zu können. Er war sicher, daß sie irgendwo ein Schloß bewohne, vielleicht ein Zauberschloß – daß es auch Luftschlösser gebe, wußte er noch nicht, sie hätte sonst in einem solchen wohnen müssen.

Wenn Johannes den Tag über Farbe angerieben, Kinder gewiegt, Holz gesägt und Bier und Limburger Käse heimgeholt hatte, mußte er abends mit andern Lehrbuben in die Zeichenschule gehen. Dies hätte er sich gern gefallen lassen, denn die dortige Beschäftigung hing weit mehr als Farbenreiben und Kinderwiegen mit seinem Lieblingszeitvertreib und Wunsch vom Walde her zusammen; leider sagte man ihm, daß er nichts könne und es auch wahrscheinlich nie zu etwas bringen werde, weil er unerhört ungeschickt und dumm wäre.

Später ging es jedoch besser; man erkannte, daß er nicht ganz unbrauchbar sei, man lobte seinen Fleiß.

Der Lehrer beschäftigte nun sich lieber und mehr mit ihm, als sonst, sagte ihm sogar, daß er Talent habe, und Johannes mußte ihm die Sachen zeigen, die er in freien Stunden und Augenblicken verstohlen für sich allein verfertigt. Der sonst unwirsche Mann war erstaunt darüber, gab seitdem Johannes abgesonderte Anleitung und ermunterte ihn, seinem Hange, soviel er nur könne, nachzugehen und von der Natur abzuzeichnen, was ihn immer reize.

So oft er etwas neues von Johannes sah, drückte er seine Bewunderung aus und versicherte zuletzt täglich, Johannes sei für den Meister Glattfeger zu gut und könne etwas besseres werden.

Das merkte sich Johannes wohl und es gefiel ihm sehr; denn die Farben des Meisters Glattfeger wurden in solcher stofflicher Überfülle angerieben und ausgeschmiert, daß sie längst ihren Reiz für ihn verloren hatten.

Einmal ging Johannes im Lehrbubenkostüm, mit Bier und Käse schwer beladen, an einem Buchladen vorbei und blieb, was er sich trotz seiner sonstigen Pflichteifrigkeit nie versagen konnte, stehen und musterte die ausgestellten Bücher. Plötzlich zuckte er zusammen.

Er hatte auf einem reicheingebundenen neuen Buch den nämlichen sonst nie vernommenen Namen gelesen, den ihn: die blonde Fee vor Jahren in das rote Märchenbuch geschrieben, wo er noch stand; nur die Vornamen waren verschieden. Johannes griff in seine Tasche und fühlte an ein Beutelchen, das darin stak und welches ein kleines Sümmchen enthielt, das ihm die Mutter Christine gestern zu einem neuen Rock mit Hose für den Winter geschickt hatte. Wenn ich daheim bleibe und lese, brauche ich keinen neuen Rock, dachte Johannes, und trat ohne weiteres Besinnen in den Buchladen.

Klopfenden Herzens eilte er dann mit dem erstandenen Buch nach Hause. Am Abend kaufte er sich von dem Rest seines Geldes ein Paar Unschlittlichter, und die Nacht that er kein Auge zu.

Je tiefer er sich in das Buch hineinlas, destomehr überzeugte er sich, daß der Urheber desselben niemand sein könne, als jener andere Mann vom Immenstein, der mit dem weißlichen Bart, denn wer anders als ein gewaltiger Magier konnte ein Buch aus sich hervorbringen, das dem einsamen Leser in der Dachkammer eine reiche, große Welt vor die Seele zauberte! Und nur auf dem Immenstein spukten solche gewaltige, wundersame Wesen. Nichts natürlicher auch, als daß seine blonde Fee eines solchen Zauberers und Hexenmeisters Kind war. Zwei, dreimal las Johannes das merkwürdige Buch, das ihm über manches gar seltsam die Augen öffnete. Bald erfuhr er nun, daß der vom Immenstein noch mehr Bücher hervorgebracht, und daß sie jeder, wenn auch nicht kaufen, doch wenigstens lesen könne, weil ein Mann in der Stadt sie zu diesem Zweck um ein Paar Pfennige verleihe. Johannes las alles, was er bekommen konnte, und seitdem sah er die Welt mit anderen Augen an.

Er hatte vorn Baume der Erkenntnis gegessen; aber er fühlte sich nicht, wie die Schlange verheißen, den Göttern gleich.

Er wußte nun, daß jene Erscheinungen am Immenstein, die blonde Fee nicht ausgenommen, Menschen waren und hatte es wohl lange gewußt; aber er war dafür nur um so tiefer überzeugt, daß er immer recht gehabt, dieselben im Vergleich zu sich und des Menschenvolkes rundum für Wesen höherer Art zu halten. Je deutlicher ihm seine Lage und sein Zustand ward, je tiefer er sich im »Staube« fühlte, desto weiter und unüberbrücklicher erschien ihm auch die Kluft, die ihn von »jenen« trennte. Er wußte nur, sie wohnten nicht in der Stadt, sondern in der That auf einem Schloß, wie er es sich in seiner kindlichen Einfalt gedacht, wenigstens in einem Haus, das man ein Schloß nennen konnte; denn es lag inmitten prachtvoller Gärten, nicht weit von der Stadt. Johannes hatte sich einmal in die Nähe gestohlen, seither aber ängstlich jene Gegend vermieden.

Eines Tages stand er mit einem Gesellen des Meisters Glattfeger in einer der Hauptstraßen der großen Stadt auf einem Gerüste, wo sie ein neues altdeutsches Schild malten. Sie trugen beide über ihrer gewöhnlichen Kleidung lange weiße Hemden, und auf den Kopf hatten sie sich Papierdüten gestülpt, was recht phantastisch-künstlerisch aussah. Eben schalt der große, schnauzbärtige Gesell' den Johannes, der ihm das Muster und den Farbentopf vorzuhalten hatte, einen dummen Tölpel, der nirgends zu gebrauchen sei, der bald zu tief, bald zu hoch halte, bald zu nah, bald zu fern, alles, nur nicht recht. In diesem Augenblick warf Johannes zufällig einen Blick auf die Straße hinunter, wobei er so erschrak, daß er fast vom Gerüst gefallen wäre. Zwei hohe weibliche Gestalten gingen über die Straße, die schöne Frau, welche Johannes am Immenstein, im dunkelroten Kleid gesehen hatte und zu ihrer Seite die »blonde Fee«.

Johannes fiel nicht vom Gerüst, wie ihm auch schwindelte, nur den Farbentopf ließ er fallen, doch zu seinem größten Glück nicht der »blonden Fee«, auch nicht der schönen hohen Frau, aber einem andern stolz in Samt und Seide gekleideten Frauenwesen mitten auf den Rücken, vielmehr auf den » Cul de Paris«, worüber ein großes Geschrei entstand, während der Gesell dem Johannes einstweilen eine Ohrfeige gab, die derselbe verhältnismäßig gern verschmerzte. Er hatte Geistesgegenwart genug behalten, zu beobachten, daß die vom Immenstein, ohne ihn oder den ärgerlichen Unfall weiter zu beobachten, längst weiter gegangen waren.

In der Nacht darauf träumte Johannes, er sei Schornsteinfeger und ginge in rußigem Antlitz und Anzug, mit Leiter, Besen und Kugel ausgerüstet, über eine sonnige Aue; da kam ihm zu seinem größten Schrecken plötzlich die blonde Fee entgegen, und wie sie ihn erblickte, erkannte sie ihn, stieß einen gellenden, herzzerreißenden Schrei aus und fiel in Ohnmacht; darüber wachte Johannes auf.

Wie er über den seltsamen Traum nachdachte, wurde er immer trauriger. Etwas besseres bin ich auch in Wirklichkeit nicht, dachte er. Drei Tage brachte er traurig hin, fühlend, daß es so nicht mehr weiter gehen könne. Dann überwand er endlich seine Schüchternheit und entschloß sich, dem Rate seines Zeichenlehrers zu folgen und mit seinen Arbeiten zu einem Professor der Akademie zu gehen, den ihm jener als sehr menschenfreundlich gepriesen und den er um Rat bitten solle. Der Schritt kostete Kühnheit und war für das Johannesle vom Zaselihus keine Kleinigkeit. Der Akademiediener, der ihn zu dem Professor führen sollte, war auch nicht die Freundlichkeit selber, so daß Johannes, von neuem eingeschüchtert, fast wieder umgekehrt wäre.

Dann stand er an der Thür und klopfte an. Eine tiefe Baßstimme rief herein.

Johannes drückte auf die Klinke und – stand vor dem Mann vom Immenstein, dem mit dem mächtigen, flachsblonden Bart.

 

5. Der Zauberberg und ein vierblätteriges Kleeblatt.

Es war wieder August. Aus dem Gasthof eines einsamen, unberühmten, nur von wenigen Gästen besuchten Luftkurorts trat eine Gesellschaft und stieg einen dunklen Tannenwald, der sich bis auf wenige Schritte zum Gasthof hin erstreckte, unter mancherlei Reden langsam empor. Sie gelangten oben auf eine grüne Hochmatte, wo sie einen Augenblick stehen blieben und Umschau hielten.

»Wenn Sie am Immenstein malen wollen, trennen wir uns hier,« wandte sich die ältere von den beiden Frauen an einen noch sehr jungen Mann aus der Gesellschaft; »wir möchten unterdessen die Felsen am »toten Meer« drüben uns ansehen und vielleicht zeichnen, später werden wir Sie am Immenstein treffen.«

Die Sprecherin hatte ein dunkelrotes Kleid an, und ein breitkrämpiger einfacher Rembrandthut beschattete ihr von goldbraunem, sanftwelligem Haar umrahmtes Gesicht; nichts verriet, daß ein ganzes Jahrzehnt hingegangen, seit sie und die Ihrigen am Immenstein drüben dem kleinen Johannes vom »Zaselihus« als Zaubererscheinung vorgekommen. Doch im ganzen hatte sich manches verändert, die beiden ältesten Töchter waren verheiratet und fehlten; Papas Bart war noch um eine Nüance weißer geworden und Fräulein Käthe, die »blonde Fee« zu einer hohen, schlanken Dame herangewachsen.

Auch der Maler, der Mann mit dem »Fransenmantel« und dem Barbarossabart, war nicht bei der Gesellschaft, dafür hatte sich ein neues Mitglied eingefunden, der junge Künstler, welcher am Immenstein malen wollte. Derselbe war den anderen noch ziemlich fremd, aber da er auf alle einen sehr angenehmen Eindruck gemacht, hatten sie ihn, als den einzigen Pensionär neben ihnen, seit gestern in ihre Gesellschaft gezogen.

»Auf Wiedersehen!« sagten alle, und der junge Maler setzte rechts hin seinen Weg, der ihn über den sogenannten Zauberberg führte, allein fort.

Oft stand er still und sah sich um, noch öfter schaute er lange und nachdenklich zu der Hochkuppe des Gebirges hinüber.

Die unendliche Einsamkeit, die Größe der Umrisse gegen Osten und Süden, die stolze stille Majestät der höchsten Kuppe, die Formen und Farben, und alle die Sonnenherrlichkeit ringsum schienen auf den langsam hinwandernden, mit Malergerät ausgestatteten Jüngling einen überwältigenden Eindruck zu machen.

Bei seinem Ziel angekommen, suchte er sich einen Standpunkt aus, von dem er den Immenstein, den anderen Felsen, auf dem einst der kleine Johannes gesessen und das »Zaselihaus« zu einer malerischen Gruppe zusammenfassen konnte, in welcher der erwähnte kleinere Fels in den Vordergrund zu stehen kam; dann malte er nicht, sondern zeichnete.

Am wenigsten merkte man dem Zaselihaus an, daß es zehn Jahre älter geworden. Wie traumverloren lag es in der heißen Nachmittagssonne, deren Strahlen auf den Silberschuppen des Daches, wie kleine, durchsichtig-leuchtende Koböldchen einen Zauberreigen zu tanzen schienen. Auf einem Kuhdüngerhaufen scharrten und glucksten von Zeit zu Zeit ein paar alte Hennen, die in der umgebenden Märcheneinsamkeit sich wie verirrt und verloren ausnahmen.

An den kleinen Fensterchen der Vorderseite, von roten Nelken, Geranien und Levkojen umblüht, sind zwei Schieberchen zurückgeschoben, aber kaum dringt von Zeit zu Zeit ein Laut hervor, der auf innewohnendes Leben schließen läßt, ein ächzendes Tick-tack einer alten Schwarzwälderuhr, ein leises Surren und Summen, hier und da auch ein dumpfer Stimmenklang, als ob eine alte Wald- oder Zauberfrau mit Gnomen darin Hause und heimlich hin und her rumore.

Noch andere Töne klingen leiser oder stärker in diesen Mittagstraum der Einöde hinein, bald tausendfacher Wiederhall der Holzaxt, bald ein jäher, schriller Aufschrei des Adlers aus der sonnigen Höhe, bald wie fern den Wald hinziehendes Brausen, dazwischen, vom Zauberberg herunter, die sanften Klänge einiger Herdenglocken.

So war es vor zehn Jahren, so jetzt. Nur sein Inneres war verändert, die Muhme Zilli, wie auch die Mutter Christine seit Jahren tot, der Johannesle längst fort in die weite Welt und die beiden jüngeren Geschwister mit dem Vetter Anton nach Amerika gezogen. Das Haus war verkauft und von Fremden bewohnt.

Nach einigen Stunden fleißigen Arbeitens hatte der junge Maler sein Bild so viel wie fertig, als die andere Gesellschaft, die leise herangekommen war, plötzlich hinter ihm stand und ihn recht überraschte. Alle wollten die Zeichnung sehen und konnten nicht genug sagen, wie gelungen sie sei.

»Aber was ist das,« rief Fräulein Käthe erstaunt aus. »Sieh doch, Mama, Papa – hier, das bin ja ich, und das ist der kleine Johannes.«

»Es ist wahr, man erkennt dich,« sagte die Mutter. Alle sahen den Maler an.

»Und der kleine Johannes bin ich,« sagte der junge Mann errötend; dann zog er aus seiner Rocktasche ein roteingebundenes Buch. »Kennen Sie das,« wandte er sich an Fräulein Käthe, »ich bin Ihnen immer noch ein Gegengeschenk dafür schuldig und gebe ihnen meine Zeichnung, wenn Sie dieselbe nicht verschmähen wollen?«

Dann war man auf dem Rückweg über den Zauberberg. Als sie gegen die angebaute Region herunterkamen, gingen sie eine Zeitlang an einer aus Holzscheiten gebildeten Einhegung hin. »Ist das dort nicht ein vierblättriges Kleeblatt?« fragte die Mutter, mit ihrem Sonnenschirm über den Hag deutend.

Johannes stieg über die Einfriedigung hinweg.

»Wahrhaftig,« rief er, »es ist eins.« Er pflückte das Blatt und wollte den Fund der Entdeckerin bringen. »Ich habe nie in meinem Leben eins gefunden,« bemerkte er.

»So behalten Sie es doch, ich habe mein Glück schon.«

»Da Sie es gefunden haben,« sagte Johannes zögernd und nachdenklich, »wird es mir nichts nützen.« Sie lächelte.

»Wenn ich es Ihnen von Herzen gebe und gönne, vielleicht doch.«

Johannes sah Fräulein Käthe an, die »blonde Fee« errötete leis, als ob sie seine geheimen Gedanken gesehen hätte, und er legte das Klee-Vier in das rote Märchenbuch.

Auf den schönen Tag verbrachte der junge Maler eine unruhige, qualvolle Nacht. »Armer Teufel, der du bist, unbekannt, ohne Namen, ohne Familie, du wirst niemals um ihre Hand anhalten dürfen.« So sagte er sich hundertmal und eine unsägliche Traurigkeit schnürte ihm das Herz zusammen und machte ihn so sehr kleinmütig, daß er am andern Tag abzureisen beschloß. Als er aber am Morgen Fräulein Käthe begegnete, wurde er wankend in seinem Vorsatz; denn er spürte aufs neue in seiner Seele einen Zauber von wundersamer Kraft und Wirkung und meinte, daß der ein Elender sein müßte, welcher, von ihm berührt, nicht alles vermöchte; dessen aber war Johannes gewiß, daß, so arm und einsam er auch sein Leben hingeschmachtet, er doch kein Elender sei.

Und also blieb er und hatte es nicht zu bereuen.

Das vierblättrige Kleeblatt, das Lächeln der Mutter, das Erröten der »blonden Fee« hatten nicht gelogen ... auch nicht die Künstlerhoffnungen seiner Brust.

Der Feenzauber war ein guter gewesen, kein böser, wie es die Muhme Zilli befürchtet.


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