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Ihr Mädchen, dieses Werk hab ich für euch bestimmt.
Was, euch zum besten, jetzt mein Eifer unternimmt,
Ist mir bezalt genug, wofern ihr meine Leren
Nur in der Stille wollt durch euern Beifall eren.
Ich sehe, daß euch oft der Mütter Grausamkeit,
Mit List und Tirannei die schönste Lust verbeut:
Ihr folget und entbert, drum sollt ich euch verlachen,
Allein ich will euch jetzt viel lieber klüger machen.
Zwar weiß ich, glaubt es mir, daß oft, durch eure List,
Die klügste Mutter schon genug betrogen ist;
Jedoch ich will auch nur die Leren denen geben,
Die unter euch vielleicht noch in der Unschuld leben.
Euch bitt ich noch einmal, ihr Mädchen, hört mir zu,
Was ich erzälen will befördert eure Ruh.
Was euch kein Vater sagt, sollt ihr von mir erfaren;
Wo kann euch, denket nach, ein Freund mer offenbaren?
Corinne war, von ihrer Jugend an,
Der Liebe niemals feind gewesen.
Was manches Mädchen erst muß aus den Büchern lesen,
Das hatte Chorilas ihr selber kund getan,
Aus Liebe ward sie oft von ihm geküsset.
Aus Liebe blickten sie einander zärtlich an.
Ihr Schönen, sagt ob ihr schon wisset,
Was sie aus Liebe mer getan?
Ihr schweigt, drum hört von mir die euch so fremden Sachen:
Aus Liebe ließ sie sich von ihm zur Mutter machen,
Doch fragt nicht um die Art, wie dieses wol geschehn.
Corinne war zu schlau, kein Mensch hat zugesehn.
Gnug dies bewies die kleine Lesbia;
Von ihrer Zärtlichkeit war diese Tochter da.
Die Mutter schonte kein Bemühen
Die kleine Nimfe zu erziehen.
Sie wuchs, die Schönheit nam mit ihrem Körper
Ihr junges Herz voll mütterlicher Triebe.
Blieb für der Macht der jungen Liebe
Noch überdieß nicht lang in Ruh.
Das, was die Dichter Liebe nennen,
Empfand sie on es recht zu kennen.
Denn daß ihr Auge stets an Tirsis haften blieb,
Dieß macht ein zärtlicher ob gleich noch fremder Trieb.
Hier wirkte schon der Stamm zur Wollust das Gefüle;
Allein die Unschuld war doch stets dabei im Spiele:
Was kluge Mädchen gut verstehn,
Der Mutter Wachsamkeit geschickt zu hintergehn;
Den Gegenstand verstolen anzublicken,
In dieses konnte sich die Nimfe noch nicht schicken.
Corinne war zu klug,
Zur strengen Mutter alt genug,
Drum durfte sie hier gar nicht lange raten:
Die jungen Töchter tun, was ihre Mütter taten.
Ihr meinet nun, sie sah dieß mit Gelassenheit?
O nein, der Mütter Strengigkeit
Pflegt selten dieß den Töchtern zu verstatten,
Was sie doch selbst vor dem am liebsten hatten.
Sie sprach zu Lesbien: Der frommen Töchter Pflicht
Vereret was der Rat getreuer Mütter spricht.
Ein Kind muß stets den Ungehorsam hassen
Und seiner Aeltern Leren fassen.
Nimm jetzt von mir die kluge Regel an,
Die dir die beste Mutter geben kann:
Ein junges Mädchen muß, mit eifrigem Bemühen,
Den Umgang junger Hirten fliehen.
Auf ihr Gespräche folgt ein Blick
Hierauf bleibt nie der Kuß zurück,
Und lassen sich die Mädchen einmal küssen,
So wisse daß sie alle sterben müssen.
Gespräche, Blick und Kuß
Sind dieß wofür sich stets ein Mädchen hüten muß.
Die junge Lesbie gehorchte diesen Leren.
Vom Tode kan kein junges Mädchen hören;
Oft werden sie, aus blosser Furchtsamkeit,
Schon krank, wenn nur die Katze schreiht.
Ihr Mütter, wollt ihr eure Töchter hüten,
So jaget ihnen nur ein blindes Schrecken ein,
Sie mögen noch so wilde sein,
Sie lassen sich hierdurch, was ihr nur wollt, verbieten.
Jedoch, ihr Schönen, gebt auf alles fleißig Acht,
Vielleicht das Lesbia den Satz zu Schanden macht.
Die junge Schäferinn ging einst spazieren.
Die Liebe wußte gleich den Tirsis herzufüren.
Er kam und grüßte sie
Und fragte sie nur was sie machte,
Doch da sie gleich an ihre Mutter dachte,
So lief sie fort und schrieh.
Wer aber sagt, warum sie jetzt schon schreihen wollte?
Vielleicht weil sie hernach nicht schreihen sollte.
Doch wenn ein Mädchen läuft, so läuft ein Kluger nach;
Auch Tirsis holte sie gar hurtig ein und sprach:
Eh wirst du nicht von diesem Flecke kommen,
Bevor ich nicht den Ursprung deiner Flucht vernommen.
Weil nun die Schäferinn hier keine Hülfe sah,
So war auch ihr Entschluß gleich zu der Antwort da.
Fleuch, sagte sie, sonst bist du mein Verderben,
Denn wo du reden wirst, so blickst du mich auch an,
Drauf folgt dein Kuß den ich dir nicht verweren kann,
Alsdenn muß ich vor deinen Augen sterben.
Dieß ist der Rat, den mir oft meine Mutter giebt,
Sie hat mir diß vertraut weil sie mich treulich liebt.
Drei Dinge sind mein Tod: Gespräche, Blick und Kuß.
Fleuch, Tirsis, denn ich weiß, was ich vermeiden muß.
Dieß sagte sie mit Furcht und Zittern.
Ihr Mädchen merkt ihr bald die List von euren Müttern?
Doch gut, gebt auf den Tirsis Acht,
Ein Schäfer hat gar oft ein Mädchen klug gemacht.
Er sprach, es ist, als wenn ich ihn itzt reden hörte:
Wenn deine Mutter dir nicht alle Lust verwerte
So glaubt ich, daß sie dich dieß nur aus Einfalt lerte.
Doch siehe, Lesbie, jetzt ihre Falschheit ein,
Sie gönnt dir nicht vergnügt zu sein,
Du mußt dich mer für ihr als für den Küssen hüten,
Wofür sie dich gewarnt, das will sie dir verbieten.
Ich spreche ja mit dir geliebte Schäferinn,
Und also fällt die Furcht für dem Gespräche hinn.
Nun laß uns noch zur Lust probieren
Ob dich mein Blick wol wird zum Tode näher füren.
Dieß aber wollt die junge Nimfe nicht,
So gehts, wer alles glaubt, was eine Mutter spricht.
Sie schrieh, sie bat, die Tränen halfen bitten;
Ach, sprach sie, soll ich unsre Schäferhütten
Denn niemals wiedersehn?
Blickst du mich einmal an, so ists um mich geschehn.
Gut, sagte Tirsis drauf, willst du mir gar nicht glauben,
So mag die Probe mir zu erst das Leben rauben.
Wenn man durch einen Blick verdirbt,
Wenn man von einem Kusse stirbt,
So will ich beide von dir leiden.
Ich weiß gewiß ich sterbe nicht,
Du glaubst es darum nur, weils deine Mutter spricht.
Ein kleiner Vorwitz bleibt doch stets den Mädchen eigen;
Wie konnte Lesbia sich leichter überzeugen,
Ob auch so viel Gefar
Hierbei zu fürchten war?
Sie dachte, Tirsis will doch dieß an sich probiren,
Ja, dachte sie, er wagt, sein Leben zu verlieren;
Jedoch, sie dachte wieder, nein,
Er würde doch nicht so verwegen sein.
Sie blickt ihn an, doch ihn zu küssen,
Konnt ihre Furchtsamkeit sich lange nicht entschlüssen.
Doch endlich ward er auch von ihr geküßt
Er hielt mit Großmut still und bat sie, fortzufaren.
So stark auch ihre Küsse waren,
So starb er dennoch nicht. Wo bleibt der Mutter List?
Die Tochter war betrogen,
Drum fand sie sich gar bald, jedoch recht schön belogen.
Sie ließ mit Lust an sich die zwote Probe machen.
Die Tochter half nun selbst der Mutter List verlachen.
Sie küßten sich, und wie viel mal?
Wer dieses fragt,
Der sage mir vorher die größte Zal.
Allein, bald hätt ich noch das wichtigste verschwiegen:
Die Mutter sollte sie doch nicht zu stark belügen,
Denn da sie sich zu zärtlich küssen ließ,
Und, wenn er aufgehört, ihn wieder küssen hieß;
So überfiel die Onmacht ihre Glieder,
Sie sank mit starren Augen nieder.
Man sagt, daß sie hier starb, jedoch hat man geirrt,
So sprach sie wenigstens: Ich weiß nicht wie mir wird.
Doch da ich wieder weiß, daß man sie nicht begraben,
So muß die junge Schäferinn,
Wenn ich der Liebe kundig bin,
Die Onmacht überstanden haben. |