Johann Christoph Rost
Schäfererzälungen
Johann Christoph Rost

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Die eilfertige Schäferinn.

                        Der junge Schäfer Titirus
Empfand, was jeder fülen muß.
Er ward der Macht der schönen Schäferinnen,
An mancher unruhvollen Nacht,
Die er mit Wünschen zugebracht,
Und die ein Traum, sonst nichts, oft wargemacht,
Zu seiner schönsten Marter innen.

Er räumte Silvien allein
An Schönheit und an Witz den größten Vorzug ein.
Erst wünscht er, sie nur immer zu erblicken.
Doch dieser Wunsch ist viel zu leer:
Wer zärtlich liebt, der wünschet bald noch mer;
Die Liebe weiß ein Herz weit stärker zu berücken.
Er wünschte, sie zu sehn.
Und seine Zärtlichkeit, mit bitten und mit klagen,
Der jungen Silvie zu sagen.
Doch dieß war leichter noch gewünschet, als geschehn:
Sie und Likoris trieben beide,
Als Schwestern, stets zugleich die Herden auf die Weide.

Oft schleicht sich Titirus zu ihren Triften hinn,
Vielleicht ist sie allein, die schöne Schäferinn?
O nein! Er kömmt und irrt und bleibt ganz traurig stehen.
Man fragt ihn, was er will?
Er weiß es wol, doch schweigt er still,
Und weil er gar nichts sagt, heißt man ihn wieder gehen.

So kert der Schäfer oft zurück,
Und one Kuß und one Blick;
Nur mit Verdruß; nur mit vergeblichem Bemühen.
So ist die Zeit, So ist das Glück und die Gelegenheit,
Kein Mensch sieht sie so starck als ein Verliebter fliehen.

Man nennt oft, übereilt, die Liebe seine Last.
So hatte Titirus auch den Entschluß gefaßt,
Erst Silvien und denn die Liebe zu vergessen.
Jedoch wer dieses will, der hat es nicht ermessen.
Kaum hat er einen Augenblick gesessen,
So rauscht der Zefir durch den Wald.
Dieß hört der junge Schäfer bald.
Er horcht, warum? Er springet auf, weswegen?
Vielleicht, weil sich die Blätter stark bewegen?
O nein! Er meint es käme Silvia,
Er meint noch mer, er meint, sie sei schon da.

Weg, armer Titirus, mit dem verhaßten Triebe!
Vergiß erst Silvien, vergiß hernach die Liebe.
Hast du den Augenblick nicht diesen Schluß gefaßt?
Wie kommt es, daß du ihn zu erst vergessen hast?
Man nennt oft, übereilt, die Liebe seine Last.

    Doch weil sein schmeichelhafter Sinn
Ihm schon von seiner Schäferinn
Oft viel gesagt, und oft gelogen,
So streckt er sich nun ganz verdrießlich bei seinem Baume wieder hinn.
Er dachte.
Vielleicht was Silvie bei ihrer Herde machte?
O nein! dieß dacht er nicht.
Was aber sonst? Wer liebt, wird dieß von mir nicht fragen.
Was ein verliebter denkt, kann er oft selbst nicht sagen.

Itzt springt er noch einmal von seinem Lager auf.
Doch nun betrügt der Zefir ihn nicht wieder,
Kein rauschend Blatt ermuntert seine Glieder:
Er siehet Silvien, in vollem Lauf,
Die nichts als ihren Hilax mitgenommen,
Von ihrer Flur nach seinen Triften kommen.
Er siehet sie, drum springt er hurtig auf.

Ach! Silvie, geliebte Schäferinn,
Du läufst, wo kömmst du her! Du eilst, wo willst du hinn?
O mache mir einmal die Freude,
Und bleib ein wenig hier wo ich die Herde weide.
So redet sie der junge Schäfer an:
Allein sie sagt, daß sie nicht bleiben kann.
Nein, spricht sie, Titirus, mir ist befolen
Ein Schaf von Dafnens Trift zu holen.
Likoris hütet itzt die Schafe ganz allein,
Deswegen muß ich nun bald wieder bei ihr sein.
Ja, wenn du mir sogar die Herde schenken wolltest,
So glaube, daß du mich doch nicht bereden solltest.
Er bittet nur um einen Augenblick.
Umsonst, sie gehet fort. Er hält sie gar zurück.
Sie schreiht und fänget an mit ihm zu ringen;
Ihr Hilax will auf den verwegnen Schäfer springen.
Allein sie sieht es noch zu grossem Glück,
Drum stösset sie den bösen Hund zurück.
Dieß fodert auch das Mitleid von den Schönen.
Ihr Mädchen, nemt dieß allemal in Acht,
Den kleinen Hund, der eure Schoß bewacht,
Müßt ihr zum beissen nie gewönen.

Der Schäfer färt mit bitten fort.
Ach! spricht er, Silvie, so höre nur ein Wort.
Sie hört. Er fänget an zu klagen:
Mich quälen Zeit und Glück seit mer als sechszehn Tagen.
Kaum hat er dieß gesagt, so will sie wieder gehn.
O da dich Zeit und Glück seit sechszehn Tagen quälen,
So, spricht sie, kann ich zum Voraus verstehn,
Du hast mir allzuvieles zu erzälen.
Er bittet noch um einen Augenblick.
Er küsset ihre Hand. Hält sie nicht dieß zurück?
Sie bleibt. Die Liebe läßt ihn itzt viel kürzer sprechen.
Er blickt sie zärtlich an;
Wie viel hat nicht ein Blick oft kund getan.
Er drückt die schöne Hand;
Ein sanfter Druck macht oft das ganze Herz bekant.
Ihr Auge fängt nun schmachtend an zu brechen.
Nein, spricht sie, laß mich gehn!
Sie sprichts und dennoch bleibt sie stehn.
Ach! liebst du mich? fängt er recht zärtlich an zu fragen.
Wie nun betroffne Silvia?
Der Eigensinn verbeut dir, ja,
Und die Empfindung, nein zu sagen,
Doch für ein Mädchen sind auch dieß die schwersten Fragen.
Gieb Acht, verliebter Titirus,
Ich wette drauf daß sie nun wieder eilen muß.
Ein Mädchen läßt sich nicht so leicht gewinnen,
Und wenn es halb gewonnen ist,
So sucht es doch, mit angeborner List,
Zu fliehn und dem Bekenntniß zu entrinnen.

Auch Silvie will sich davon befrein,
Drum fället ihr das Schaf auf einmal wieder ein,
Und dieser Vorwand heißt sie fliehen,
Sich den Triumf der Liebe zu entziehen,
Sie geht, doch nein, sie sagt erst, daß sie gehen will.
So, spricht der Schäfer, kannst du mich verlassen?
So willst du mich, weil ich dich liebe, hassen?

O schweig doch, Titirus, mit diesen Klagen still!
Sie geht ja nicht, sie sagt nur, daß sie gehen will.

    Ein Kuß,
Den ihr nur Titirus,
Und sonst kein andrer reichen muß,
Zieht ihre flüchtigen und schönen Glieder
Ganz kraftlos und in den Schatten nieder.
Hier sank die Überwundne hinn.
Was war der Sieg? dieß hat mir niemand wollen sagen.
Genug es war die schönste Schäferinn,
Drum schämt ich mich, hier mer zu fragen.

 


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