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Um elf Uhr nachts wurde es still oben in den Schützengräben und drüben beim Feind. Das Instrument klickte leise und perlte in eiligen Punkten und Strichen Wort auf Wort und Satz auf Satz hervor – Anfragen vom Hauptquartier, ob über die Bedeutung des Feuerscheins etwas bekanntgeworden sei: Befehle, die Vorposten zu verstärken und in keinem Fall die Schützengräben zu verlassen.
»Leg dich hin! In drei Stunden wecke ich dich!« brummte Souder.
In wenigen Minuten war ich eingeschlafen – und dann weckte mich der Sergeant – und dann träumte ich vor mich hin und die Stunden vergingen, ohne daß wir angerufen wurden – und dann weckte ich wieder ihn – und so trieben wir es bis in den hellen Morgen hinein, glückselig, endlich einmal gründlich schlafen zu können. Die Ordonnanz hatte uns Kaffee und gebratenen Speck und Zwiebäcke vom Kochfeuer des Stabs geholt. Die unteren Wände unseres kleinen Zelts schlugen wir hoch, Luft und Sonne hereinzulassen, denn prachtvolles Tropenwetter hatte dieser Sonntag Morgen gebracht, hell und sonnenfroh mit kräftigem Wind, der das Feuchte und Dumpfige der Hitze wie zaubernd hinwegfegte.
» Hr hr hr!«
Wir beugten uns beide über den Apparat und lasen staunend die Depesche vom Hauptquartier, die kurz befahl, die Feindseligkeiten einzustellen, da der Höchstkommandierende Santiago zur Kapitulation aufgefordert und das Bombardement der Stadt angedroht habe! – Souder rannte nach dem Zelt des Generals.
Nun verging Stunde auf Stunde in gespanntem Warten. Da, Mittag mochte es sein, klickte es scharf und eilig – S O 4 – S O 4 – –
» hr – hr – rrrrrssssss – – hr!«
Und die Augen traten uns fast aus dem Kopf, denn das surrende Sausen im Magneten bedeutete, daß der Geber drüben auf S O 3 in fieberhafter Ungeduld den Taster tanzen ließ, und es sagte so deutlich, als hätte er es uns in die Ohren geschrien: Wichtig – aufpassen, aufpassen – wichtig über alle Maßen!
»Sie haben kapituliert!« flüsterte Souder.
Ganz langsam und klar kam es:
»General Bates. – Flottenmeldung. Das spanische Geschwader ist vernichtet. Cervera gefangen. Sämtliche feindlichen Schiffe sind zerstört. Die amerikanischen Geschwader haben weder Schiff noch Mann verloren. – Shafter.«
Wir starrten uns an und waren sekundenlang wie gelähmt von dem gewaltigen Eindruck der wenigen gewaltigen Worte. Dann riß der Sergeant das Telegrammformular an sich und sprang in mächtigen Sätzen zum Hügel, zum General, der kurz zuvor das Quartier verlassen und sich in die Schützengräben begeben hatte. Ich blieb im Zelt und wartete krampfhaft auf den nächsten Anruf. Aber der Klopfer rührte und regte sich nicht. Da erklang es leise wie fernes Brausen in dumpfem, undeutlichem Klang und doch machtvoll und stark, daß es einen im Innersten packte und klopfenden Herzens lauschen ließ. Lauter wurde der Schall und immer näher kam er. Und mit einem Male ergellte es droben auf unserem Hügel in furchtbar schrillendem Stimmenklang aus Tausenden von Männerkehlen in hellem Jubel – das wilde amerikanische Hurra, den Indianern abgelauscht in seinem schrillen Klang:
Ji – iii – iih...
Urgewaltig. Furchtbar. Minutenlang dauerte das Gellen und das Gebrause. Der Siegesjubel der Männer in den Schützengräben. Ich stand vor dem Zelt und brüllte mit, wie betrunken, was Brust und Kehle nur hergeben wollten. Die Einfahrt zum Hafen von Santiago de Cuba ist einer der schönsten Flecke der Welt. Ungeheure Felsenmassen ragen aus tiefblauem Meer in tiefblauen Himmel empor, steil abfallend, und spalten sich in winziger Enge, einem Meeresarm Durchlaß zu gewähren, so schmal, daß zwei große Seeschiffe nicht nebeneinander die Einfahrt wagen können. Es sieht aus, als hätte das Meer einst in Arbeit von Jahrhunderten seinen Weg hineinfressen müssen in die Felsen und sich die lange schmale Wasserstraße bahnen, die erst nach vier Seemeilen sich zu der gewaltigen Bucht weitet, an deren Ostrand Santiago de Cuba liegt. Droben auf den Felsen bei der Einfahrt klebt in schwindelnder Höhe ein uraltes, spanisches Festungswerk, das Castillo del Morro, mit altertümlichen Bastionen und Felsentreppen und verwitterten Mauern.
Jetzt dröhnten um Felsennest und alte Burg und blaues Meeresgestade seit Wochen schwere Schiffsgeschütze.
In der Bucht von Santiago hatte das spanische Geschwader des Admirals Cervera Anker geworfen und ergänzte krampfhaft seine Kohlenvorräte aus den kümmerlichen Hilfsmitteln der verlotterten spanischen Hafenverwaltung, während in den Maschinenräumen die Ingenieure fieberhaft klopften, hämmerten, reparierten. Draußen aber vor der Felsenenge lagen Tag und Nacht die Panzer des amerikanischen Geschwaders – wartend, lauernd – lauernd, wartend ... Denn jeden Augenblick konnte die spanische Flotte zwischen den Felsenwänden hervorbrechen. Noch war die Gespensterflotte eine ständige Drohung und eine stete Gefahr.
Die Hafeneinfahrt zu erzwingen schien unmöglich. Wenn auch die altmodischen Geschütze des alten Kastells nicht viel taugten, so schützten die Einfahrt doch zwei moderne Batterien auf den Felsen und zahllose Seeminen. Die Amerikaner begnügten sich damit, die dicken Mauern des alten Forts und die Batterien immer wieder zu bombardieren, aber ohne viel Schaden anzurichten. Freilich machten sie schon in den ersten Tagen der Blockade einen tollkühnen Versuch, die schmale Hafeneinfahrt so zu versperren, daß dem spanischen Geschwader ein Passieren unmöglich würde.
Der Plan wurde von dem Marineleutnant Hobson erdacht und durchgeführt. Ein großer Kohlendampfer, der »Merrimac«, ein hundertundzwanzig Meter langes Schiff, sollte der Türriegel des Felsentors werden. Seine Unterwasserventile und besonders gebohrte Löcher unter der Wasserlinie wurden nur leicht geschlossen und durch hölzernes Hebelwerk so schwach gestützt, daß die Erschütterung einer schweren Explosion die Verschlüsse wegfegen und das Schiff sofort zum Sinken bringen mußte. Im Schiffsraum am Bug wurden Sprengladungen angebracht, die von der Brücke aus elektrisch entzündet werden konnten. Hobson wollte den »Merrimac« mitten in die Felseneinfahrt steuern, wenden, und das Schiff in der nur hundert Meter breiten und wenig tiefen Einfahrt sinken lassen. So daß es wie ein Querdamm die schmale Wasserstraße sperrte. Das Unternehmen mußte aller Voraussicht nach das Leben der Männer kosten, die diesen schwimmenden Türriegel lenkten.
Am 3. Juni kam der waghalsige Plan zur Ausführung. Der »Merrimac« mit Leutnant Hobson und sieben Freiwilligen bemannt, fuhr in voller Fahrt der Felsenenge zu und erhielt furchtbares Feuer von Morro, den Batterien auf den Felsen und dann, als er die Einfahrt erreichte, auch von zwei spanischen Kreuzern, die in einer Krümmung der Wasserstraße verborgen waren. Nur ein einziger Schuß traf. Aber dieser eine Schuß zerschmetterte das Steuerruder des »Merrimac« in dem Augenblick, als Hobson die Mine springen ließ. Die Wendung, die das sinkende Schiff ausführen sollte, wurde dadurch unmöglich, der »Merrimac« trieb noch ein Stück weit dem Felsenufer zu und sank dicht am Strand, die Fahrtrinne freilassend. Der Plan war mißglückt. Leutnant Hobson und die Mannschaft waren wie durch ein Wunder unverletzt geblieben und konnten in das Boot springen, das der »Merrimac« mit sich schleppte. Aber ein Entkommen war unmöglich, und sie mußten sich der Pinasse eines spanischen Kriegsschiffs gefangen geben.
Wieder begann das Warten und das Lauern – das Lauern und das Warten ...
Nach der Schlacht vom San Juan-Hügel wurde die Lage des spanischen Admirals unerträglich. Siegten die amerikanischen Truppen zu Lande, so mußte die Kapitulation von Santiago de Cuba die unrühmliche Uebergabe seines starken Geschwaders nach sich ziehen, ohne daß es sich ernstlich mit dem Gegner gemessen hatte. Admiral Cervera beschloß den Durchbruch.
Als im Morgengrauen des 3. Juli das Morrokastell meldete, daß das amerikanische Schlachtschiff »Massachusetts« verschwunden sei und der Panzer »New York«, das Flaggschiff des amerikanischen Admirals Sampson, nach Osten dampfe, hielt er die Gelegenheit für günstig.
Das spanische Geschwader bestand aus den vier großen Schlachtschiffen »Infanta Maria Teresa«, »Almirante Oquendo«, »Biscaya« und »Cristobal Colon«, sowie den beiden schnellen Torpedobootzerstörern »Pluton« und »Furor«. Die beiden amerikanischen Geschwader der Admirale Sampson und Schley aus den großen Schlachtschiffen »Massachusetts«, »New York«, »Iowa«, »Indiana«, »Oregon«, »Texas«, »Brooklyn« und einer Reihe von Hilfsschiffen. Die »Massachusetts«, die nach Guantanamo gedampft war, um ihre Kohlenvorräte zu ergänzen, und die »New York«, die Admiral Sampson zu einer Besprechung mit General Shafter in Siboney landen sollte, kamen für den Kampf vorläufig nicht in Betracht.
Vor der Felseneinfahrt lagen, zwei Seemeilen entfernt, in ungeheurem Bogen die amerikanischen Schlachtschiffe. Um halb zehn Uhr morgens erschien die »Maria Teresa«, das Flaggschiff des spanischen Admirals, in der Felseneinfahrt. In Abständen von 800 Metern folgten die übrigen spanischen Schlachtschiffe und viel später erst, aus irgend einem unerklärlichen Grunde, die beiden Torpedobootzerstörer. Sie brachen in rasender Fahrt hervor. Der Kesseldruck war vor dem Auslaufen durch künstliche Mittel aufs äußerste gesteigert worden, während die amerikanischen Schiffe unter kleinen Feuern dalagen, wie sie gelegen hatten seit vielen Wochen. In langer Linie wandte sich die spanische Flotte nach Westen und eröffnete sofort das Feuer. Der Kampf, der sich nun abspielte, liest sich in unseren Zeiten der Dreadnoughts und des sorgfältigen Abwägens von Schiff gegen Schiff, Geschütz gegen Geschütz, Gefechtswert gegen Gefechtswert wie ein schwer zu glaubendes Märchen. Mag der Kriegswissenschaftler auch einwenden, daß die spanischen Schlachtschiffe vom Maschinenraum bis zu den Geschützen sich in einem Zustand schlimmer Vernachlässigung befanden, das Märchen bleibt. In seiner Gesamtheit war das Ende des Kampfes vielleicht vorherzusehen – in seinen erstaunlichen Einzelheiten niemals.
Die spanische Flotte ließ das amerikanische Geschwader bald weit hinter sich zurück, und nur ein einziges amerikanisches Schiff, die »Brooklyn«, hatte Dampf genug, zu folgen. Eine Viertelstunde lang schien es, als sei der waghalsige Durchbruch geglückt. Die »Brooklyn« ertrug das gesamte Feuer der vierfachen Uebermacht allein, und die Schüsse der anderen amerikanischen Schiffe mußten auf so große Entfernungen abgegeben werden, daß sie sehr wenig wirksam waren. Aber der künstlich gesteigerte Dampfdruck der Spanier ließ bald nach, während in den amerikanischen Maschinenräumen fieberhaft gearbeitet wurde. Langsam verringerten sich die Entfernungen, und die Schlacht begann. Die »Oregon« kam an die feindliche Linie heran, dann die »Texas«, und ein furchtbarer Granatensturm fegte über die spanischen Schiffe. »Maria Teresa« und »Almirante Oquendo«, die von ihren Genossen, der »Biscaya« und dem »Colon«, überholt worden waren und nun als letzte in der Linie dampften, standen in zwanzig Minuten lichterloh in Flammen, schwer getroffen, kampfunfähig. Treffer in den Geschütztürmen hatten ein entsetzliches Blutbad unter ihren Mannschaften angerichtet. Die beiden Schiffe waren verloren.
Langsam wandten sie sich der Küste zu und liefen auf den Strand, zerfetzt, zerschossen, brennend.
Das war fünfzehn Minuten nach zehn Uhr. Fünfunddreißig Minuten hatten den gewaltigen Kriegsmaschinen den Garaus gemacht. Fünfunddreißig Minuten in einer Hölle von Flammen und Verderben. Viele der spanischen Matrosen sprangen in ihrer Todesangst über Bord und versuchten, an Land zu schwimmen. Doch kubanische Insurgenten, die in der Nähe des Strandes kampierten, waren herbeigelaufen und feuerten erbarmungslos auf die Unglücklichen im Wasser, bis ein amerikanisches Schiff Mannschaften landete und die Bestien mit dem Bajonett vertrieben wurden.
Zwanzig Minuten nach den vier spanischen Schlachtschiffen waren die beiden schnellen Torpedobootzerstörer »Pluton« und »Furor« zwischen den Felsenwänden erschienen und von den amerikanischen Schlachtschiffen »Iowa« und »Indiana« beschossen worden, die aber ihr Hauptaugenmerk auf die großen spanischen Panzer richten mußten. Die Zerstörer wurden schwer beschädigt, waren aber nicht kampfunfähig. Vernichtet wurden sie durch – ein winziges, ungepanzertes, amerikanisches Schifflein, eine kleine Yacht, die eine einzige Granate zerfetzt hätte.
Admiral Plüddemann schreibt in seinem Werk » Der Krieg um Kuba«:
»Immerhin lag die Gefahr vor, daß sich die Zerstörer vermöge ihrer großen Schnelligkeit dem Feuerbereich der Schiffe bald entziehen würden. Da trat die »Gloucester« in Aktion. Dieses Fahrzeug war vor dem Kriege eine Privatyacht mit Namen »Corsair« gewesen, es hatte eine hohe Geschwindigkeit und war durch Armierung mit Schnell-Lade-Kanonen in einen, sozusagen, Hilfstorpedobootszerstörer verwandelt worden.
Als die ersten Schiffe in der Hafeneinfahrt erschienen, dampfte »Gloucester« mit mächtiger Fahrt darauf zu und ließ den Dampfdruck hoch gehen, da das Erscheinen auch der Zerstörer mit Sicherheit zu erwarten war. Als diese etwa zwanzig Minuten später herauskamen, dampfte sie mit 17 Knoten Fahrt darauf zu, engagierte die schon durch die Panzerschiffe schwer Beschädigten dann auf nahe Entfernung und zerschoß sie, ohne selber getroffen zu werden, dermaßen, daß der »Furor« 15 Minuten nach dem Auslaufen bei einem letzten Versuch, die Hafeneinfahrt wieder zu gewinnen, in sinkendem Zustande auf den Strand gesetzt wurde, während der »Pluton« wenige Minuten später in tiefem Wasser sank. »Gloucester« rettete, was noch an Menschenleben zu retten war und mit den Wellen kämpfte, und folgte dann den Panzerschiffen.«
Das Wunder war geschehen. Eine kleine ungeschützte Jacht, die trotz ihrer Schnellfeuerkanonen den Namen eines Kriegsschiffs nicht verdiente, und von der niemals mehr erwartet worden war, als das Aufbringen von Handelsschiffen mit Kontrebande, hatte zwei spanische Zerstörer in den Grund geschossen, die ihr einzeln schon in jeder Beziehung weit überlegen waren.
So hatte eine kleine halbe Stunde zwei Schlachtschiffe des spanischen Geschwaders und zwei schnelle Zerstörer von hohem Gefechtswert vernichtet. Uebrig blieben die Schlachtschiffe »Viscaya« und »Cristobal Colon«.
Der »Cristobal Colon« schien als einziges spanisches Schiff dem Verderben zu entrinnen, denn seine Geschwindigkeit wurde immer größer, und bald war er außer Gefechtsweite weit draußen auf dem Meer. Auf die unglückliche »Viscaya« aber konzentrierte sich nun das Feuer von drei amerikanischen Panzern: »Brooklyn«, »Oregon« und »Texas«.
Binnen wenigen Minuten kam das Ende, wie es kommen mußte. Das schwer verwundete Schiff schleppte sich brennend dem Strande zu und lief auf. In diesem Augenblick erfolgte eine furchtbare Explosion, die das vordere Drittel der »Viscaya« in Fetzen zerriß. Ein Torpedo entweder, der schußbereit im Lancierrohr lag, oder eine Munitionskammer war von einer amerikanischen Granate getroffen worden. Die gräßlichen Szenen beim Stranden der »Infanta Maria Teresa« und des »Almirante Oquendo« wiederholten sich. Halbverbrühte, schwerverwundete Männer, die beinahe wahnsinnig geworden waren in der Todesangst dieser Minuten in der Hölle, kämpften zu Hunderten in den Fluten – und aus den amerikanischen Feinden wurden warmherzige Lebensretter, die Hals über Kopf die Boote bemannten. Nicht nur fischten sie die Unglücklichen in den Wellen auf, sondern sie holten unter schwerster Lebensgefahr die armen Verwundeten aus den brennenden spanischen Schiffsräumen, deren Munitionskammern jeden Augenblick in die Luft fliegen konnten. Admiral Cervera, schwer verwundet, wurde unter feierlicher Stille an Bord eines amerikanischen Panzers geleitet und mit militärischen Ehren empfangen. Mannschaften und Offiziere salutierten stumm, als er seinen Degen dem Sieger hinreichte. Sämtliche Kommandeure der spanischen Schlachtschiffe waren verwundet worden: zwei, der Kommandant der »Maria Teresa« und der Chef der Zerstörerflottille, hatten den Tod gefunden.
Unterdessen war in jagender Fahrt die »New York« mit Admiral Sampson auf dem Kampfplatz erschienen. Sie folgte der »Brooklyn«, der »Oregon«, und der »Texas«, die Oel feuerten und in immer größerer Geschwindigkeit dem »Cristobal Colon« nachjagten. Ueber zwei Stunden dauerte die Verfolgung. Um 12 Uhr 50 Minuten waren die »Brooklyn« und die »Oregon« so nahe an den Feind herangekommen, daß das Feuer eröffnet werden konnte. Der Kapitän des »Colon« sah, daß das Schicksal seines Schiffes besiegelt war. Um den »Colon« dem Feind zu entziehen, ihn zu vernichten und doch die Mannschaft zu retten, wandte auch er und lief in sausender Fahrt auf den Strand. Der »Cristobal Colon« sank in sieben Meter tiefem Wasser.
So war die Seeschlacht von Santiago de Cuba geschlagen und das spanische Geschwader bis auf das letzte Schiff zerstört.
Hunderte von Menschenleben und Millionen und Abermillionen an schwimmendem Kriegsmaterial hatten die wenigen Minuten dem spanischen Königreiche gekostet. Die Tabellen der Verluste der beiden Flotten lesen sich wie eine Fabel. Vier gewaltige Panzer und zwei Zerstörer hatte der Tag Spanien geraubt – von den amerikanischen Schlachtschiffen war kein einziges schwer beschädigt oder auch nur so verletzt worden, daß es seine Gefechtsfähigkeit beeinträchtigt hätte! Sechshundert spanische Matrosen waren im Kampf getötet worden oder in den Fluten ertrunken, hundertfünfzig Schwerverwundete und vierzehnhundert Gefangene, von denen viele verwundet waren, nahmen die amerikanischen Schiffe auf.
Die Amerikaner aber hatten nur einen einzigen Toten und einen einzigen Verwundeten, beide auf der »Brooklyn«! Ein Märchen. Ein Wunder. Eine kaum glaubliche Merkwürdigkeit in der Geschichte des Seekriegs, die gar nachdenklich stimmen mag. Nicht Panzerwerte und Geschützzahl allein sind es, die eine Seeschlacht entscheiden, sondern der Mann im Kommandoturm und der Mann hinter der Kanone.
Zwei Monate später, als ich an Bord eines der letzten Truppendampfer, die Santiago de Cuba verließen, staunend die Schönheit von Felsennest und alter Burg und blauem Meeresgestade bewunderte, sah ich am Strand des Felsentors den »Furor«. Wenige Minuten später kamen die Wracks der »Biscaya« und des »Almirante Oquendo« in Sicht. Der »Cristobal Colon« war einige Tage nach der Schlacht völlig gekentert. Die »Infanta Maria Teresa« hatten die Amerikaner zwar gehoben und notdürftig ausgeflickt, aber während des Transportes nach den Vereinigten Staaten war sie bei den Bahamas gestrandet und gesunken.
Tropenfeuchtigkeit und Tropensonne hatten die armen Reste von zerschossenem Stahl und zerfetztem Eisen, die nur wenige Meter über das Wasser hervorragten, mit einem leuchtendroten Kleid von Rost überzogen. Spitzige, zackige Stahlfetzen und Eisentrümmer überall. Unförmliche verbeulte Stümpfe, die einst Schornsteine gewesen waren.
Schlechtes altes Eisen. Das war übrig geblieben von der Gespensterflotte.