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Der Astronom.

Dieses himmlische Märchen ist leider ein Fragment geblieben ...

Es ist noch nicht lange her, da reichten die Sterne eine Beschwerde ein bei Luna, ihrer Königin, weil sie sich durch die Aufmerksamkeit des berühmten Astronomen Gallimathias, Professor der unentdeckten Wissenschaften an der Universität Oxford, belästigt fühlten.

»Wir sind der Anschauung,« sagten sie, »daß es eine große Unverfrorenheit ist, uns ständig anzustarren, noch dazu mit Ferngläsern. Und mit was für einem Fernrohr! Einen zierlichen Operngucker, mit Perlmutter und Gold ausgelegt, könnte man sich im Welttheater ja noch gefallen lassen, obwohl diese oder jene irdische Schönheit sich auch bedanken würde, jahraus-jahrein das Beobachtungsobjekt irgend eines platonischen Schwärmers, noch dazu eines solchen mit einer Glatze auf dem Kopf zu sein. Und dieser alte Esel entblödet sich nicht, mit einem Tubus, so groß wie eine Schiffskanone, uns Tag und Nacht zu begaffen. Ja selbst bei Tage, da wir schlafen und nicht auf den Glanz hergerichtet sind, so daß unsere Sommersprossen, Leberflecken und Komedonen sofort in das Auge springen müssen! Und der Flegel ist ungalant genug, solche unbedeutende Schönheitsfehler als Gebirge und Krater zu bezeichnen! Wir bitten dich, liebe Luna, stelle den Unfug ab, wir wissen sonst vor Verlegenheit nicht mehr, wohin wir strahlen sollen. Sieh nur, Miß Beteigeuze und Lady Aldebaran sind so tief errötet, daß ihre Brillanten die Glut ihres Busens spiegeln und Baronesse Wega ist ganz bleich, vor Entrüstung!«

»Es ist wahr,« erwiderte Luna, »die Zudringlichkeit dieses Menschen schreit zum Himmel, aber wir müssen sie uns gefallen lassen. Ja, wenn ich noch auf Erden wandelte, wie einst, als mich die Menschen wegen meiner Passion für die Jagd Diana nannten. Jetzt heißen sie ihre Vorstehhunde so, ein Beweis, wie sehr wir Götter auf den Hund gekommen sind. Aber damals war es mir ein Kinderspiel, dem Aktäon ein Geweih aufzusetzen zur Strafe dafür, daß er mich nackt im Bade sah. Wenn der alte Bursch wenigstens verheiratet wäre! Dann könnte ich mich hinter seine Frau stecken, damit sie das besorgt. Aber da liegt eben, weidmännisch gesprochen, der Hase im Pfeffer und der Hund begraben! Hätte Gallimathias eine Gemahlin, so verginge ihm die Lust daran, uns himmlische Schönheiten zu belästigen.«

Da wurden die Sterne sehr traurig, daß Luna nicht helfen konnte und gingen mit ihrer Beschwerde zum Könige Sol, dem Sonnengott.

»Ich wüßte wohl, wie dem abzuhelfen wäre,« sagte dieser, nachdem er die Beschwerde angehört. »Ich könnte ihn blenden, daß er das Augenlicht verlöre, dann stünde er da mit seinem Tubus und seinem Talent. Aber dann könnte er mich nicht mehr sehen und das wäre doch gar zu traurig! Ich könnte ihm so heiß machen, daß er aus dem Bierkeller nicht mehr herauskäme. Aber abgesehen davon, daß darunter die ganze Menschheit, also auch die Unschuldigen zu leiden hätten, denn der Alkohol ist ein schreckliches Gift, würde er im Rausche die diskreten Geheimnisse der Sphären verkehrt ausplaudern und euren Ruf und meinen Ruhm gefährden.«

Der Sonnengott überlegte. Plötzlich verbreitete sich ein mutwilliges Lachen über sein glänzendes Gesicht.

»Heureka!« rief er. »Wir wollen ihm ein X für ein U vormachen!« Die Sterne sahen sich gegenseitig an. War die eigene Hitze ihm zu Kopf gestiegen?

»Ich will mich deutlicher erklären,« fuhr der Sonnengott fort. »In der Rumpelkammer habe ich ein Bündel Strahlen, die ich nur selten benütze, weil ich nichts Rechtes damit anzufangen weiß, da sie jeden Körper durchdringen, anstatt ihn nur zu beleuchten. Die Menschen nennen sie X-Strahlen. Von diesen werde ich ein Dutzend in seinen Tubus verstecken. Wird er ihn dann auf euch richten, so werden weder eure Vorzüge, noch eure Fehler mehr für ihn sichtbar sein. Er wird durch eure Körper hindurch sehen, als wären sie aus Glas.«

Sprachs und errötete vor Vergnügen über den Spaß, als er am Horizont unterging und zugleich mit den letzten Tagesstrahlen, die die Glatze des Gelehrten beleuchteten, das Bündel X-Strahlen in den Tubus schmuggelte. Und als die Nacht anbrach, da waren die Sterne außer sich vor Jubel und im Übermut warf gar mancher seine goldne Mütze in die Luft oder machte dem Gelehrten einen feurigen Kratzfuß. Leider nahm der Astronom von diesen Erscheinungen nicht das Mindeste wahr. Das Auge an das Glas gedrückt, starrte er in die silberblaue Nacht hinaus und verwunderte sich sehr, auch nicht einen einzigen Stern am Firmament zu erblicken. Ach! für die X-Strahlen waren die Himmelskörper ja durchlässig, als wären sie aus Glas! Er putzte bald die Brille, bald den Tubus, er drehte bald an dieser bald an jener Schraube; er griff sich verzweifelt an den Kopf, ob nicht etwa da eine Schraube losgeworden sei – aber das Resultat war immer das gleiche: wohin er auch das Glas richtete, überall statt strahlender Sterne – Löcher in der Luft, Löcher mit rosigen, violetten oder azurnen Rändern, gerade als ob das optische Instrument nicht mehr achromatisch wäre.

Da flog ein seltsames Lächeln über die Züge des Astronomen. Er bog die Mündung des Fernrohres herab zur Erde, so daß sie fast auf dieser aufstand. War er kindisch geworden? Wollte er die Sterne durch das Glas blicken lassen?

Er rückte ein hohes Postament heran und bestieg es. Und die Sterne waren sehr erstaunt und entrüstet über die tiefe Verbeugung, die der Gelehrte ihnen machte und in der er lange beharrte.

Die Wahrheit ist, Gallimathias dachte gar nicht mehr an die Himmelskörper. Er hatte andere Sterne entdeckt, schönere.

Die X-Strahlen reichten nämlich gerade so weit, um die ganze Erdkugel zu durchdringen, als ob sie aus Glas wäre. Damit war aber ihre Kraft erschöpft. Darüber hinaus reichten sie nicht. Und der Astronom blickte auf die Erde hinab, bis sein Rückgrat steif wurde. Was er da sah – bei unsern Antipoden sah – niemand hat es erfahren, aber das Lächeln in seinem Antlitz bekundete, daß es mehr war, als nur ein Loch in der Luft.

Auf den Inseln des Stillen Ozeans wandeln die Nachfolgerinnen der Königin Pomare, die schönsten Frauen der Erde. Und er sah sie von einer verführerischen Seite ...

Nun konnten ihn die Sterne ...


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