Johann Kaspar Riesbeck
Neue Briefe, für und wider das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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III. Brief.

B – g. Den 24 Sept. 1781.

Ich sollte nur alles wieder zurücknehmen, was ich Ihnen über Ihre Gütigkeit, mir die neuen Schriften, über das Mönchswesen etc. zuzusenden, vor 3 Wochen Schönes gesagt habe. Hören Sie, was mir begegnet ist. Ich verschloß sie sorgfältig in meinem Schreibtisch, und las sie immer nur verstohlener Weise, wenn ich vor den forschenden Blicken meiner Frau, und eines meiner Söhne, der, um seiner unaufhaltbaren Begierde zu den Büchern willen, zum Studieren bestimmt ist, sicher seyn konnte. Allein, wenn der Unstern kommt, so hilft nichts dawider. Ein Besuch von einem benachbarten Beamten, der mir, da ich an nichts weniger dachte, über den Hals kam, riß mich so zur ungeschickten Stunde von meinem Stuhle weg, daß ich die Bücher zu verschließen vergaß. Kurz, ein Bändchen von den Briefen über das Mönchswesen, und die Briefe aus dem Noviziat geriethen dem Knaben, dessen Falkenaugen nichts, was gedruckt ist, entgehen kann, in die Hände, und während der Unruhen im Hause wußte er sich der Gelegenheit, allein zu seyn, meisterlich zu bedienen. Er setzte sich in eine Ecke, und las in gar weniger Zeit mehrere Bogen mit solcher Gierigkeit, daß ich, wie Sie im Erfolg hören werden, es nicht genug bedauern kann, nicht vorsichtiger gewesen zu seyn. Hätte ich damals, als ich mich mit dem Fremden den Nachmittag über ganz artig unterhielt, vorausgesehen, was meinem Hause für ein Sturm bevorstünde, welche Angst würde sich meiner Seele bemächtigt haben! Der Junge legte das Buch, nachdem er sich satt gelesen hatte, wie ich nachher erfuhr, unter dem Abschiednehmen des Beamten, wieder so fein an seinen Ort, daß mir nichts Böses träumte, als ich mich meinem Schreibtisch wieder näherte. Aber ich bemerkte, so bald wir wieder allein waren, Dinge in seinem Gesicht, die mich genug von dem unterrichteten, was geschehen war. Bey dem Abendessen fand ich ihn bald trotzig, bald aufgeräumt. Die ihm sonst natürliche Stille und Einkehr in sich selbst, die mich auf den Entschluß gebracht hatte, ihn dem Kloster zu widmen, war weg; er drang sich recht zu Gesprächen über dieß und jenes mit mir, wornach er vorher niemals das mindeste gefragt hatte. Wäre der Wein nicht eine so große Seltenheit in meinem Hause, ausser, wenn mich die Patres von O – h etwa besuchen, da ich dann erst eine Partie anderswoher muß bringen lassen: so wäre ich auf den Gedanken gekommen, der Bube habe sich besoffen. Aber leider, das war es nicht. Papa, fieng er plötzlich an. Die Reise ins Kloster nach R – wird doch noch einige Wochen Verzug haben? Oder nehmen Sie meinen andern Bruder mit, ich bleibe gern zu Hause. Es ist mir ohnehin nicht mehr recht wohl in meinem Innwendigen, seitdem ich erfahren habe, was alles in den Klöstern passirt. Geben Sie mir lieber, wenn Sie dahin abreisen, einige von den neuen Büchern, wovon ich Sie ein paarmal mit guten Freunden habe sprechen hören; ich küsse Ihnen die Hände, ich thue alles, was Sie haben wollen, lassen Sie mich nur auch etwas anders lesen, als die Geschichten von den Heiligen, die ich immer auswendig lernen muß; von dem Bilde des gekreuzigten Gottes, dem erst kurz der Bart sichtbarlich gewachsen seyn soll; von den Kreuzpartikeln, wodurch Kranke gesund werden, und was dergleichen mehr ist, das ich eben jetzt nicht mehr glauben kann, ich weiß nicht warum? Verzeihen Sie mirs, wenn es gottlos ist, daß ich so rede; aber ich kann nichts dafür. Ich wurde roth, und meine Frau, die über die Aeusserungen ihres Lieblings, deren sie sich in Ewigkeit nicht versehen hätte, fast in Unmacht gefallen war, erblaßte. Mir fiel in der Schnelle ein, die Briefe über das Mönchswesen, und anderes möchte ihm den Kopf verrückt haben, und sie könnten ihm gerade zu der Zeit, da ich aus meiner Amtsstube abgerufen wurde, in die Hände gerathen seyen. Ich tröstete mich wieder, da ich geschwind nachsah, und alles an seinem rechten Ort in bester Ordnung fand. Aber, Freund, geschehen war doch geschehen. Mein Trost war bodenlos. Und das Schlimmste kommt jetzt erst. Die Verlegenheit, in die mich der Junge setzt, kommt mit dem, was ich nun mit meiner Frau auszustehen habe, in keine Vergleichung. So gehts, fieng sie an, nachdem sie sich von dem tödtlichen Schrecken über die sauberen Vorschläge ihres Kindes wieder erholt hatte, so gehts mit den kezerischen Büchern, die du ins Haus bringst. Jetzt ist der arme Xaveri verführt, und der Pursche, der meiner Augen Lust war, fährt gewiß zur Hölle, wenn er nicht ins Kloster kommt; und wenn du ihn darein zwingst, so springt er über Nacht wieder heraus, und ich muß meine grauen Haare mit Schmerzen in die Grube bringen. Es wird nicht fehlen, so wirst du auch noch verderbt. Wenn nur die Gottesverläugner, die solche teuflischen Dinge über die Geistlichen und Klöster schreiben, bey ihre gleichen blieben, und wenigstens uns christkatholische Seelen nicht mit ihren Gottlosigkeiten ärgerten. u. s. w. Rathen Sie mir, was sollte ich sagen? – – Den weitern Erfolg erfahren Sie in meinem nächsten Brief. Beten Sie für mich, für meine aufgebrachte Frau, für mein armes verirrtes Schaf.

Ich bin etc.


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