Johann Kaspar Riesbeck
Briefe über das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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Dreyzehnter Brief.

Den 5ten. Jun. 1770.

Ich weiß noch nicht, ob mir heute die Zeit erlauben wird dir nach meiner Neigung einen langen Brief zu schreiben; und gleichwohl weiß ich auch nicht, wie ich mich von meinem Schreibtisch wegmachen soll, wenn ich einmal die Feder ergriffen habe, dir unsere Unterredungen abzuschreiben. Wenn mir der gnädige Herr Zeit läßt, der Morgen nach M** reiset, so sollst du viel erfahren. Die älteste Fräulein soll nach Johannis den Herrn Hauptmann von *** heyrathen. Meine l. Mutter muß die Reise mitmachen. Da habe ich also noch Abschied zu nehmen, paken zu helfen, und eine Menge Kleinigkeiten von ihr in mein Haus übertragen zu lassen. Doch ich will keinen Botengang versäumen, ohne dir wenigstens ein Stück meiner neuerworbenen Kenntniß mitzutheilen.

Herr Gutmann, bey welchem ich gestern meinen Abend mit abermaligem Vergnügen hingebracht, fangt nun erst recht an, mir seine Gedanken unverholen zu entdecken. Und eben gestern hat er mir versprochen, daß er, nach des gnädigen Herrn Abreise, so oft es seine Gesundheit zulassen wird, mir über eine Menge wichtiger Gegenstände Wahrheiten erklären wolle.

Ich habe wirklich, sagt er, nach Rom geschrieben, um Ihnen eine Licenz zu Lesung der so genannten verbotenen Bücher kommen zu lassen. Sie werden sehen, daß man ums Geld keine Mühe, ohne Prüfung oder Umsicht, gleich so einen Flederwisch erhalten kann. Allein, wenn wir einen rechten und nützlichen Gebrauch davon machen wollen, so muß ich Ihnen vorläufig erklären, was dieser Index sey, was darzu Anlaß gegeben, wer die Censores sind, und wie dabey zu Werk gegangen werde? Sind wir damit fertig, so müssen Sie den römischen Hof, und die Intriguen, womit man daselbst den H. Geist an der Schnur fliegen läßt, auch näher kennen lernen. Es giebt sich hernach die schönste Gelegenheit, von der päbstlichen Unfehlbarkeit das weitere zu sprechen. Wir wollen ferner die Lehrsätze von der Kirchenzucht scheiden, und etwas von allgemeinen und Provincialconcilien reden. Darauf müssen wir die Geschichte der Geistlichkeit in mehreres Licht sezen, und dabey sehen, was Tradition und H. Schrift für zwey besondere Schicksale gehabt. Es sollen hernach Betrachtungen folgen, über die gegen den ächten Sinn unsers Heilandes und seiner Apostel entsprossene Mißdeutungen. Bischöfliche und priesterliche Gewalt, Abartungen der Mönche, und dergleichen Betrachtungen mehr, sollen uns zu dem mannigfaltigen Aberglauben, zu dem unnüzen Moos, durch welches die fruchtbare Pflanze des wahren Glaubens erstikt wurde, hinleiten. Andächtlereyen, eigennüziger Betrug und die übrige geheime Handwerksvortheile sollen von uns nicht überschlagen werden. Wir können die Art unserer geistlichen Studien, die absichtliche Untreue der Professoren, die Sophisterey unserer Lehrbücher, und hundert andere Mängel unserer entstalteten und nicht mehr kennbaren Religion mit durchgehen. Ich wette, mein l. Herr Pfarrer, Sie sollen bis auf den Herbst einen wahren catholischen Lehrbegrif haben, und alsdann erst die Würde und Pflichten ihres Amts lieben, zu schäzen und auszuüben wissen. Ihrer Seele soll es Ruhe, Ihrem Verstand Erleuchtung und Ihrer Gemeinde ein reines Christentum verschaffen. Ich habe dabey keine andere Absicht, als meine erlangte Kenntnisse und Erfahrung einem Mann mitzutheilen, an welchem ich die Grundlage eines redlichen Herzens nicht ohne Freude verspüre. Es wäre Schade, wenn ein so guter Acker ungepflügt wüst liegen bliebe, oder aus Mangel des guten Samens nur durch das gewöhnliche Unkraut zur Haide werden sollte. Damit sie mich aber nicht für den inimicus homo halten qui zizaniam unter den Waizen einstreuet, so wollen wir unsere Waaren alle aus den rechten Behältnissen holen. Die Kirchengeschichte, die bewährteste gut catholische Schriftsteller sollen unser Leitfaden, und meine Erfahrung die Beyhülfe seyn. Wenn Sie zweifeln, so bitte ich mir Ihre Fragen und Einwürfe aus; und wenn ich alsdann kein Genügen thun kann, so bin ich bereit so gleich meine Begriffe zu ändern. Ich habe ohnehin noch die von Ihnen aufgeschriebenen Ausstellungen über mein catholisches Christenthum zu beantworten. Wir wollen unsere Gedanken von Hexereyen, Gespenstern, Jubiläum, Ablässen, Bruderschaften und Wallfahrten, in so weit als sie gewinnsüchtig und übertrieben sind, zusammentragen. Sie sollen dabey sehen, daß ich die Gränzen zwischen dem löblichen Gebrauch und schändlichen Mißbrauch nicht ausser Augen seze.

Unsere Glaubensgegner haben in vielen einzelnen Fällen und Ländern gegründete Ursachen zu spotten, weil sie vielleicht nur zu geneigt sind, von einem Theil auf das Ganze zu schliessen. Es ist auch nicht zu läugnen, daß man viele vernünftige Veränderungen unter unsern catholischen Haufen treffen könnte: Allein welchem Pabst ist zuzumuthen, daß er z. B. das was der vergötterte dem Brevir einverleibte H. Gregorius VII. mit einer seligen Wuth herausgedonnert, nun als unrecht erklären soll? Ich finde den Weg und das politische Betragen, welches unser jeziger H. Vater einschlägt, als ein Muster der feinen Staatskunst. Er läßt die aufwachende Fürsten gewähren, und siehet nicht, was er nicht sehen will. Er ist nachgiebig, weil er nicht mehr trozen kann, und der Donnerstrahl nicht mehr zünden will: Geben Sie acht, Herr Pfarrer, damit gelanget er viel leichter zu dem gemäßigten Zweck als sein weinender und unbiegsamer Vorfahrer, der umsonst bis an sein Lebensende mit häufigen Thränen auf ein Wunderwerk gewartet, das seine Vicegottheit gegen die Verlezungen der Gewaltigen auf Erden beschüzen soll.

Gleich bey dem Antritt seiner Regierung war die Frage von der Wahl eines Staatssecretarii. Bis daher hat man aus dem Cardinalscollegio arbeitsame, ernsthafte, der Geschäften und päbstlichen geheimen Absichten wohlkündige Männer darzu gewählet. Wenn ich Ihnen einst von den Consistoriis, Congregationen und andern Stellen der römischen Curia reden werde, so sollen Sie sehen, wie diese Monarchie nicht so viel durch den H. Geist als durch alle seine Kunstgriffe des Verstandes und Wizes ausgesuchter Minister auf die höchste Stufe des Despotismus gestiegen ist. Allein der regierende Pabst, welcher zwar ein Kind des seraphischen Ordens, aber kein klein denkender Heuchler noch enthusiastischer Mönch ist, hat zu seinem Staatssecretario einen Cardinal gewählet, dem Gesundheit und Kräfte fehlen. Er war so redlich sich den Dienst zu verbitten, und bekannte, daß eine solche Last seinen mürben Schultern zu schwer sey. Das hat nichts zu sagen, antwortete der Pabst; traget nur den Namen, geniesset die Besoldung, und – seyd meine Freunde; die Arbeit soll euch nicht schwer fallen; denn ich will sie selbst thun, und ich versichere, daß ihr müßige Stunden genug haben werdet eurer Gesundheit zu pflegen und sonst nach euerm Gefallen zu leben. Bis daher hat auch der heiligste Vater sein Wort gehalten. Er arbeitet mit einigen sich ausgesuchten vertrauten Männern seines Ordens unermüdet, aber in der Stille. Er weiß, daß das Geheimniß die Seele der Geschäften ist. Er läßt die Cardinäle sich wundern, klagen, und gegen diese Neuerung, die sie von Intriguen und eigenem Gewinn entfernet, sagen was sie wollen.

Es scheint, als wolle er geflissen nicht wahrnehmen, was die Könige, die Fürsten in ihren Ländern zur Staats- und Kirchenverbesserung vorkehren. Seine Einsicht lehret ihn, daß man mit der entdeckten Unwahrheit der falschen Decretalen auch den Stuhl Petri untergraben, und daß damit gewissen Traditionen, der darauf gegründeten Hoheit, Großmacht und unterwürfigem Gehorsam die Stüzen gebrochen werden können. Er weiß, daß die Grundsäze des dogmatischen Theils unserer Religion nicht angegriffen, sondern nur die Materien der Hierarchie und Disciplin auf bessere Wege geleitet werden wollen. Er hat den grossen Schritt gewagt, schon dieses Jahr die berühmte Bullam in Coena DominiBullam ... – s. Dictionnaire Sachen nicht mehr zu publicieren. Die feyerliche Verwahrung de non proejudicando [praejudicando ?]de ... – Ungültigkeit für seiner Nachfolger hat nichts zu bedeuten. Denn, wenn man einmal von dem majestätischen Stolz abläßt, und nicht ein ausserordentliches Wunder den jezo reifer gewordenen Geist der Menschen, eben so wie dort die Sprachen bey Babels Thurmbau, bis zum Unverstand verwirret, so darf sich niemand mehr für einer künftigen Wiederholung dieser sonst so fürchterlichen, und jezt – Bulle graue Haare wachsen lassen: Indessen ist doch dieser Entschluß des heil. Vaters eine Folge der feinen welschen Politic. Man kennet daran den auf einen demüthigen Ordenspater oculirten Weltmann. Er siehet ein, daß man grosse Fürsten und Höfe nicht mit Gewalt und päbstlichen Soldaten, wol aber mit einer sanften Nachgiebigkeit zu Gegengefälligkeiten führen muß. Und wenn er so fortfährt einen Hof um den andern schmeichelnd beyzufangen; wenn er das Mittel findet nach und nach Mißhelligkeiten unter die Grossen auszustreuen; und wenn er endlich die Gabe besitzet, mit Aufschub und schmeichelnden Hofnungen Zeit zu gewinnen, so kömmt leicht ein Zwischenauftritt, der die seiner Machtverminderung gewidmete Aufmerksamkeit auf einen andern Gegenstand leitet, und ihm Luft macht. Ich mag es ihm gerne gönnen.

Wenn ich ihnen, Herr Pfarrer, einmal die geheime Triebfedern unsers deutschen Reichssystems ein wenig deutlich zu machen Gelegenheit finde, so sollen sie sehen, daß unter die Grundpfeiler des jezigen Gebäudes unumgänglich für den catholischen Haufen ein Pabst, ein Vorsteher der Geistlichkeit, ein Band der Vereinigung, und ein – obschon nicht allmächtiges – Oberhaupt der Kirche, eben sowol als ein Kaiser, erfordert werden. Es schlägt hiebey ein, was ich ihnen mehrmalen gesagt habe. Die Zeiten der ersten Kirche hatte den Glauben, und durch ihn den Weg der Seligkeit. Der Gesetze waren wenig. Viele Bruderliebe und wenig Macht. Mehr, als Christus und seine Apostel gelehret, muß zur Seligkeit nicht nöthig seyn; sonst wäre es für die Urväter unserer Religion in den ersten Jahrhunderten übel gesagt. Wenn dann auch schon die Tradition, die Concilien, in tausend Jahren, viele Verzierungen und Gebote uns nachbefohlen, so können und sollen wir als gehorsame Kinder einer lieben Mutter gerne folgen, eben so wie wir den landesfürstlichen Gesetzen der Provinz, die uns Schutz und Nahrung giebt, zu gehorchen verbunden sind. Allein, wenn uns unsere übergelehrte geistliche Gewissensbeherrscher Soto, Felinus, Bellarminus, Fagnanus, Diana etc. sagen: Quod lex poenalis in temporalibus, nin obliget in cinscientia,Quod ... – wie das Strafgesetzbuch im Zeitlichen, so gilt das Wort der Kirche im Ewigen so wünsche ich mir, falls es ohne Excommunication so freundschaftlich geschehen könnte, daß mir ein vernünftiger Theolog, aber kein Bandel, kein Schulzen=Stoffel, kein – – in Vertrauen mit Gründen,die dem gelehrigen Verstand eines redlichen Mannes überzeugend eingehen müssen, zeigete, warum ich im Gewissen verbunden sey, den Poenalgesetzen des Pabstes in ausserdogmatischen Disciplinsachen mehr als landesfürstliche Folge zu leisten. Denn, daß man den Prügel gleich zum Hund leget, und mich dem Satan zum neuen Jahre in Handen und Banden liefert, daß heißt den Proceß von der Execution anfangen, und petitionem principii zum Entscheidungsgrund machen. Und dieses ist wahrhaftig keinem Dorfsgericht erlaubt. Ich will gerne nicht mit dem John des D. Swifts in dem Mährgen von der Tonne alle Stickereyen und Zusätze meines Kleids in der Wuth abzerren und damit mein stoffenes Tuch in Stücken zerreissen; denn es gefällt mir selbst, wenn eine mässige Verzierung, eine verschönernde Pracht beybehalten wird. Aber wann ich Flecken und Unrath sehe, womit mich Zeit und Mode beflecket hat, so wünschte ich nur die Erlaubniß zu haben mit der Sammetbürste ganz sachte darüber zu fahren, und so viel es ohne Aufsehen geschehen kann durch den Schneider selbst es wieder gereiniget zu haben. Das ist gleichwohl nur ein Wunsch, Herr Pfarrer. Ich bin, wie sie, zu Gehorsam geboren; und wir wollen es unter unsere von Gott auferlegte Pflichten rechnen. Doch wird es hoffentlich keine Sünde seyn, wenn wir nach dem allgemeinen Gebet wider Pest, Hunger, Krieg, Hagel und Ungewitter auch zu Gott unsere gute Meynung richten, daß er die Gedanken unserer Bischöffe und catholischen Fürsten, samt deren Minister, ferner zum Besten der Religion und Wohlstand ihrer Länder lenken, und ihren löblichen Eifer nicht erkalten lassen wolle.

Der Gelehrte auch in dem grossen Buch der Welt nicht unbelesene gefürstete Abbt zu St. Blasien, Martinus Gerbert, dem Gott viele gute Stunden und Glück darfür verleihen wolle, hat in seinem Traktat de dierum festorum numero minuendo, celebritate amplianda meinen obigen Wunsch gerechtfertiget. Er sagt S. 2. »Alle menschliche Gesetze, welche sich mit dem gesellschaftlichen Band und löblicher Ordnung beschäftigen, können nicht in allen Orten, zu allen Zeiten und Umständen gleich seyn. Und dieser Satz erstrecket sich nicht allein auf den bürgerlichen und weltlichen Staat, sondern auch auf die Kirche; nicht zwar in jenen Dingen welche von Gott selbst eingesetzt sind, sondern welche von ihren Vorstehern erfunden und geboten werden. Denn, wenn sie in ehemaligen Zeiten heilsam und nützlich gewesen, so hat es doch geschehen können, daß sie nachher schädlich werden oder wenigstens den ursprünglichen Nutzen nicht mehr gewähren.« Ich habe unterdessen schon oft den Worten dieses einsichtlichen und billigen Theologen nachgedacht, und gefunden, daß bey den mittlern Zeiten des Christentums viele heidnische, jüdische, römische und griechische Ceremonialstücke mit in unsere Kirche übertragen worden, weil man mit derley Kleinigkeiten, denen man einen mystischen Verstand geben konnte, den immer auf das Aeusserliche sehenden Pöbel beyzuziehen hofte; eben wie die Jesuiten in China den Confucius in öffentlichen Umgängen gleich unsern Heiligen mittragen liessen, da sie sahen, daß die Chineser auf die Verdienste dieses Gesetzgebers Vertrauen setzten, und ein solches Nachgeben eine wirksame Vorbereitung zu willigerer Aufnahme des Christentums seyn würde. Allein, was bey der Jugend ein ergötzendes Spielwerk und Raritätenkasten abgegeben, sollte nun bey der männlichen Reife unsers Verstandes nicht mehr zu einem unter zeitlicher und ewiger Strafe gebotenen Zwang uns aufgenöthiget werden. Dieses, Herr Pfarrer, ist die eigentliche Ursache der Lauigkeit in dem Christentum, und warum der grosse Haufen nur aus Noth und Scham sich den vielfachen äusserlichen Kleinigkeiten unterwirft, und die wahren christlichen Tugenden am wenigsten ausübet. Wann er nur alle Sonn- oder Feyertage seine Meß höret, auf die gewöhnliche gebottene Festtäge das Fleischessen meidet, fleissig bey Processionen erscheint und seinen Rosenkranz melket, Weyhwasser im Haus hat, wallfahret, und den Mönchen opfert, so mag er übrigens die sieben Todsünden begehen so oft er will. Man siehet nicht auf den innern Werth des redlichen zur Gottesfurcht und Menschenliebe gebauten Herzens, wann nur die äussere Decke glänzet und der Schnitt vergoldet ist. Da unsere lehrende Geistlichkeit gröstentheils selbst übertünchte Grabmäler sind, die Hoffart, Herrschsucht, Eigennutz, Wollust und eine Menge lasterhafter Neigungen im Busen hegen, (denn der priesterlichen Weyhung ungeachtet, sind und bleiben sie doch Menschen) so heften sie die Religion um so lieber an die äusserliche Kleinigkeiten, als manchen sehr schwer fallen würde, wenn er seiner Gemeinde den alleinseligmachenden Grund des Glaubens erklären, oder nur zu dessen Bestärkung mehr als die sinnlosen Worte des Catechismus vortragen müßte.

Sie können dereinst, wenn wir von diesem Punkt reden werden, aus bewährten Büchern lesen, was das scholastische Gezänk, und die bald platonische, bald aristotelische Spinnenfüsse für ein Gewirre gemacht, und, gleich leuchtenden Irrwischen, ignibus fatuis, den nach dem Lande der Seligkeit reisenden Christen von der geraden Landstrasse in Sümpfe und steile Abgründe verführet haben. Wir Catholische sind es zwar nicht allein, die sich über solche Gebrechen zu beklagen haben; die von dem hällischen Professor Hausen Ao. 1767. geschriebene Pragmatische Geschichte der Protestanten in Deutschland klaget mit bittern Vorwürfen über den nämlichen Unfug. Nur bleibet uns, als den erstgebornen Kindern des Christentums, leider ein merkliches voraus, mit welchem unsere Mönche unter päbstlicher Authorität wuchern, und, wenn man sie fortgewähren lisse, bald die buntscheckigte Harlekinsmaske fertig haben würden.

Ich rede gar nicht viel, und gewiß nicht uncatholisch. Die H. Väter, die Kirchenversammlungen sind in ältern Zeiten, in neuern aber ein Sarpi, Fleury, Baillet, Dubin, Muratori, Van Espen, Barthel, Zallwein, Neller,der gelehrte Febronius, die Bayrische Schriftsteller und andere Eiferer der Kirche und des Staats meine Gewährsmänner. Wenn ich ihnen lauter geistliche Zeugen und Urtheilssprecher aufführe, so hoffe ich den Verdacht auszuweichen, als ob ich weltlicher sündiger Mensch, dem der H. Geist seine Einsprechungen nicht so wie den Kirchengliedern mitzutheilen sich anheischig gemacht hat, instigante Diabolo in das Eingeweide meiner seligmachenden Mutter ketzermässig wüthen wolle. Ich habe Augen und das göttliche Geschenk der Vernunft, auch eine bezahlte Erlaubniß verbottene Bücher zu lesen; da ist es mir unmöglich, ich kann mich nicht so beschwazen lassen, daß ich schwarz für weiß ansehe.

Doch man ist auf gutem Weg. Nach und nach kann mein Wunsch erfüllet wergen [werden]. Ich zwar glaube es nicht zu erleben. Aber ungefehr in zwanzig Jahren, erinnern sie sich und prüfen sie ob ich einen prophetischen Geist gehabt habe. Wir haben einen Kaiser der denkt, und, was sie wohl merken müssen, mit eigenen klaren Augen siehet. Er hat ein von Vorurtheilen befreytes Ministerium, und bildet sich seine Nachzöglinge. Wir haben einen Pabst der nachgiebt; der den Stein, den er nicht heben kann, liegen läßt, ihn aber nicht mit Pulver sprengt, aus Furcht, es möchten einige Stücke davon auf ihn selbst zurückfliegen. Einsichtliche Erz- und Bischöffe haben bereits das Herz gefaßt, ihre eigene Macht zu üben. Mit Verminderung der Feyer- oder Faullenzertäge geben sie den Beweis, daß sie arbeitsame Bienen lieben, und unnütze gefrässige Wespen hassen. Unsere weltliche Fürsten fangen an, wie die Franzosen sagen à penser tout haut, überlaut zu denken. Die Philosophie gewinnt auf unsern Hohen=Schulen bessere Oberhand. Sie wird allgemeiner. Man unterstehet sich schon nach Ursachen zu fragen, oder nachzusinnen. Unsere Gelehrten errichten ihre Lehrgebäude nicht mehr, gleich Aesops Vögeln, in der Luft. Die Altertümer werden aufgesucht. Die Critik forschet nach dem unterschobnen Betrug. Und wann es so fortgehet, so – – aber meine Uhr schlägt Mitternacht! Ich wünsche ihnen wohl zu schlafen, Herr Pfarrer? Nächstens das mehrere.


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