Joseph Richter
Bildergalerie klösterlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Fünfzehntes Kapitel.

Ueber Klosterschmäuse, und Prälatentafeln.

Es steht zwar von Schmausereyen kein Wort in den Ordensregeln; da die Mönche nun aber schon einmal in der Hauptsache von der Vorschrift ihrer Stifter abgewichen sind, so wollen wir ihnen auch diesen Absprung gern verzeihen. Es wäre wohl auch fruchtlose Arbeit, sie wieder auf ihr erstes frugales Leben zurückführen wollen; denn die meisten Mönche liessen sich gleich so lieb die Kutte, als ihre Tafeln nehmen.

So lang sie also noch die eine am Leibe tragen, wollen wir ihnen gern auch die andern gönnen. Es geschieht auch gar nicht aus Neid, oder andern unedeln Absichten, daß wir dieses Bild hier aufstellen, sondern bloß um unsere Nachkömmlinge durch ein Monument zu überzeugen, wie prächtig in unsern Zeiten die armen Leute geschmauset haben.

Das Gemälde einer Prälatentafel mag hinlänglich seyn. Man kann aus dieser auf alle übrige Klostertafeln schliessen; denn der ganze Unterschied mag etwan darin bestehen, daß man in Prälaturen die Fasanen, Rebhühner u. s. w. auf Gold und Silber aß; in Bettelmönchsklöstern aber auf Erde oder Zinn damit bedienet wurde, und den Wein stat kostbarer Pokale aus irdenen Suppenschalen zu sich nahm. Ueberhaupt ist in der Welt nichts einförmiger als Klosterschmäuse. Das Hauptaugenmerk ist, wie bey allen starken Essern und ungesitteten Völkern, die Vielheit der Speisen; daher guckt sogar aus der Zubereitung ihrer sogenannten Leckerbissen der rohe geschmacklose Mönch heraus. Doch wir versprachen ja das Bild einer Prälatentafel! 105

Sobald es Zeit zur Tafel ist, werden die Gäste vom Liebling des Prälaten, der sie unterhalten und sondiren mußte, in die Wohnzimmer des Prälaten geführet, um ihn von dannen in den Speisesaal zu begleiten.

Die Klosterbeamten, und die wenigen Kapitularen, die das Glück haben, zur Tafel gezogen zu werden, stehen im Vorzimmer, bis der Pater Küchenmeister mit vorunter geschlagenen Augen, und nach Morgenländerart bis zum Bauch geneigten Haupte dem Prälaten andeutet, daß die Tafel bereitet sey; wo sie dann zu beyden Seiten Spalier machen.

Ist das Etiquette im Stift mittelmässig, so geht der Prälat mitten unter seinen Gästen, damit er ja nichts von seiner Hoheit vergebe; hält aber das Stift auf grosses Etiquette, so treten die mindern Beamten vor; darauf folgen Seine Hochwürden und GnadenDer Nachkömmlinge wegen müssen wir anmerken, daß unter diesen prächtigen Titeln niemand verstanden werde, als der Herr Prälat. mit ihren Gästen, und dann erst die übrigen Geistlichen und Beamten.

Beym Eintritt des Prälaten stehen drey Beamte mit gebognen Knien da. Der eine hält eine silberne oder goldene Tasse, der andere ein eben so kostbares Waschbecken, und der dritte ein mit den feinsten Spitzen besetztes Handtuch. Der Prälat wascht sich die Hände, und giebt dann nach im Stillen herumgemurmelten Tischgebeth mit der gewaschenen Hand den Segen über die Speisen.

Nun sitzt man. Der Prälat wie natürlich oben an, und zwar in einem Pontifikal- oder Armstuhl, sonst möchte man nicht wissen, daß er der Prälat ist. Sein Kouvert ist ganz von Gold; er nimmt auch nicht sein Salz, wo es die andern nehmen, sondern hat eine besondere goldene Salzbüchse vor sich stehen. Hinter seinem Stuhl stehen 106 der Kammerdiener mit einer silbernen Kredenze, zwey oder drey Kammerlackeyen (o heiliger Benedikt!) und in einigen Reichsprälaturen wohl auch ein Hellepardier, ein Husar oder ein Mohr. Die übrigen Gäste werden von in Liverey gekleideten Schneidern, Schustern, Kutschern, Stallputzern und dergleichen bedienet, deren Geruch freylich manchem Fremden allen Appetit benimmt.

Ist es gerade eine Aderlaßtafel, so werden die im sechshundertjährigen Kuchelbüchchen eingeschriebene Speisen aufgetragen, sonst aber findet man, was die Jahrszeit giebt.

Es geschehen gemeiniglich drey Trachten, deren jede wenigstens in sechs Schüsseln ohne die Teller und Prälatenspeischen besteht. Sobald die erste Tracht hinunter gearbeitet ist, müssen sich die Trenschirmeister vom Tisch erheben, und vom Prälaten den Wink erwarten, bis sie wieder sitzen dürfen.

Das Gesundheittrinken ist zwar in den meisten Mönchsklöstern aufgehoben; indessen wird doch bey Hof, hie und da wohl auch unter Trompeten- und Pauckenschall und Abfeurung der Böller, dreymal auf die Gesundheit Sr. Hochwürden und Gnaden getrunken; zwar im Grunde nur einmal auf Gesundheit und frisches Blut; denn das zweytemal trinkt man auf eine langwierige beglückte Regierung, wozu zwar auch Gesundheit gehört, und am Ende der Tafel endlich zur unterthänigst-gehorsamst-devotest-schuldigsten Danksagung.

Die Gläser und Flaschen, die man zwischen diesen drey Gesundheiten ohne Trompeten- und Pauckenschall leert, gehen auf eigne Gesundheit.

Hat man nun so durch zwo Stunden unter verschiedenen auferbaulichen Gesprächen über böses Wetter und noch bösere Zeiten, über Unterdrückung der Geistlichkeit, gottlose Broschüren, künftige Aerndte und Weinlese, und dergleichen wichtige Gegenstände, im heiligen Klostereifer 12 bis 107 16 Speisen zu sich genommen, so läßt der Prälat endlich bey der dritten Tracht seine Hoftonkünstler aufrreten, die aus den braven Konventualen bestehen, von ihrem hochwürdigen Gebieter aber oft kaum eines gnädigen Blicks gewürdiget werden, wenn sie sich gleich alle Mühe geben durch oft wirklich gut exekutirte Symphonien, Konzerte, Solo und Kantaten das Herz, oder wenigstens die hochwürdigen Ohren zu vergnügen.

Nach der dritten Tracht kömmt endlich ein eben so prächtiger Nachtisch von allen möglichen Gattungen Obstes, Gefrornen, Zuckerbackereyen, und fünf- bis sechserley fremden Weinen.

Hat nun die Musik eine Stunde gewährt, und man durch drey bis vier Stunden den Bauch, so viel nur ein menschlicher Körper vermag, von unten bis oben vollgestopft, so hebt man sich endlich, um in einem besondern Zimmer in Gesellschaft des Herrn Prälaten durch einige Schalen levantischen Kaffe oder einige Gläschen Rosoglio dem armen Magen beym Verdauungswerke zu Hilfe zu kommen. Bey manchen wartet der Magen die Hilfe nicht ab, und hilft sich selbst, wo dann von Seiten der Mönche herzlich gelacht wird; denn diese Art Herren scheinet sichs zum Gesetz gemacht zu haben, uns Layen um den Verstand zu bringen, und können es nicht einmal lassen, wenn sie uns Wein vorsetzen.

Dergleichen Schmausereyen giebt es aber nicht etwan eine im Jahr; man könnte in manchen Klöstern wohl dreyßig und vierzig zählen, und in den meisten Prälaturen ist, wenigstens für den Prälaten, jeder Tag – – ein Festtag.

Die Hauptküchenfeste aber begeht man in den übrigen Klöstern: am Fest des heiligen Ordensstifters, der ihnen die strengste Abstinenz empfahl; am Jahrstag der glücklichen Wahl der Klosterobrigkeiten, und ihren Namensfesten, 108 und sogar an dem Namensfest des Landsherrn; bald geben die verschiedenen Bruderschaften einen Schmaus; bald traktirt man die Gutthäter für ihr eignes Geld – doch wer mag die Freßtäge alle herzählen, und welcher vernünftige Mann wird die guten Mönche im Ernst um ihre Tafeln beneiden, wo nichts als Zwang herrscht, und die treflichsten Weine vergebens arbeiten, das Herz zu erfreuen?

Bey der ungeheuren Menge von Speisen fehlt den Mönchen die beste Würze: Witz und Scherz. Ohne diese ist selbst des Fürsten Tafel geschmacklos und todt; und nur der fühlt den wohlthätigen Einfluß des erheiternden Rebensafts, der ihn mit Verstand trinkt. 109

 


 


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