Joseph Richter
Bildergalerie katholischer Misbräuche
Joseph Richter

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Achzehntes Kapitel.

Ueber Weihung der Palmbüsche, und andrer leblosen Dinge.

Christus zog, wie das Evangelium sagt, auf einer Eselin in Jerusalem ein. Das Volk schrie sein lautes Hosanna, und streute Palmzweige vor ihm her, u. s. w.

Die Kirche suchte nun auch diese Handlung sinnlich vorzustellen, und dieß geschah am Palmsonntag. Hier wurde Christus am Kreuz von einem Frater oder Klerikus vor die Kirchenthüre getragen.

Diese war nun, so wie der Tempel in Jerusalem, bey seiner Ankunft geschlossen; allein auf dreymaliges Pochen und auf das Geschrey der Chorknaben wurde Christus eingelassen; darauf gieng der feyerliche Zug in der Kirche herum, und die Begleiter und Begleiterinnen trugen nebst Waxfackeln Oelzweige in den Händen.

Es war eine Zeit, wo sogar der Eselritt in Kirchen und Klöstern förmlich gehalten wurde; allein dieser Misbrauch ist seit mehr als 30 Jahren eingestellt; indessen verdient er immer als eine Reliquie in unsrer Galerie aufbewahrt zu werden.

Die Funktion gieng immer Vormittag vor sich, und der sie einführte, war gewiß kein Esel. Es standen in verschiedenen Kirchen grosse und kleine Eseln, theils von Erz gegossen, theils aus Holz geschnitzt. Diesen Eseln waren Kirchenbuben, und andere Kirchenthiere vorgespannt. In Klöstern verrichteten Nonnen und Layenbrüder diesen Dienst.

Der Zug gieng rund in der Kirche herum. Der Ritt auf einem kleinen Esel kostete 10 kr., auf einem grössern 20 kr. 96 und wer den ErzeselMan nannte ihn deswegen den Erzesel, weil er aus Erz gegossen war. reiten wollte, mußte wohl auch einen halben Gulden zahlen; und so waren diese Kircheneseln gewiß sehr einträglich.

Väter und Mütter eilten mit ihren hoffnungsvollen Söhnchen hauffenweis herbey, setzten sie auf die Eseln, liefen wohl auch selbst neben und vor dem Esel mit Oelzweigen her, und wähnten in ihrer frommen Einfalt an ihrem geliebten Sprößling wirklich einen kleinen Christus zu erblicken.

Die meisten Jungen wurden auch zu diesem Ritt nach und nach so gut dressirt, daß er ihnen nicht mehr schwer ankam, wenn sie sich späterhin in den vorigen Jesuitenschulen damit produziren mußten.

Aber dieses Spiel wurde nicht bloß von Kindern getrieben, sondern es fanden sich auch Erwachsene und wohl gar Beamte dabey ein, die in einfältiger Demuth den Oelzweig in der Hand den Eselritt mitmachten, und da war es dann kein Wunder, daß sie dann auch in ihren Amtsgeschäften aus blosser Vergessenheit öfters den Esel ritten – – Doch lassen wir diese Eseln im Frieden ruhen!!!

Wir haben noch ein Bild von wirklich existirenden Misbräuchen zu verfertigen, und dieß ist die Weihung der sogenannten Palmbusche, und der Kalbsschlegel u. s. w. Ostertag.

Man legt wider den Geist der Kirche den geweihten Palmbuschen eine geheime Wunderkraft bey. So hat man z. B. das Volk zu bereden gesucht, daß diese geweihten Palmbuschen und Oelzweige den Blitz abhalten, wenn man sie vor die Fenster steckt, oder einige Blätter davon in das Feuer wirft. 97

Daher wird man wenig sogenannte gut katholische Häuser finden, die nicht einen oder mehrere solcher geweihten Büsche vor ihren Fenstern hätten. Allein ungeachtet dieser häufig angebrachten Wetterableiter lehrt uns die Erfahrung, daß der Blitz eben so wenig Ehrfurcht für sie habe, als für die geweihten Glocken – und doch fährt man noch immer fort, diesem abergläubischen Gebrauche zu folgen.

Ein anderes vielleicht mehr schädliches Vorurtheil ist der unter dem Volke ausgebreitete Aberglaube, daß drey sogenannte Palmkätzchen am Palmsonntag, weil die Weihe noch frisch ist, in nüchtern Magen verschluckt, ein unfehlbares Präservativmittel wider das Fieber wären.

Es werden auch an diesem Tage besonders von der gemeinern Klasse ungemein viel solche Präservativmittel genommen, und wenn sie dann das Fieber auf diese Kur nicht bekommen, so haben sie es zweifelsohne nicht der Weihe, sondern ihren Straussenmägen zuzuschreiben, die diese unverdauliche Palmkätzchen meistern konnten; obwohl aber auch manche, deren Magen für Kätzchen nicht gemacht ist, gerade von diesem Präservativmittel das Fieber bekommen haben.

So wie am Palmsonntag die Oelzweige und Palmbuschen geweiht werden, so pflegt die Kirche am Ostertag Eyer, Lammfleisch, Kalbsschlegeln, und weil sie nun schon einmal im Korbe liegen, auch Schweinschünken zu weihen, bey welcher Zeremonie sich vorzüglich die Hunde einzufinden pflegen.

Wir wollen nicht untersuchen, ob es anständig sey, dem Fleisch von Lämmern, Schweinen und angehenden Ochsen die Weihe zu ertheilen, sondern nur beym Aberglauben, dem diese Art von Weihe Nahrung giebt, stehen bleiben.

Der gemeine Mann ist nun einmal der Meynung, daß alles, was geweiht ist, nicht schaden könne. 98

Daher verschluckt er ohne Skrupel Lukaszettel, hartes Fieberbrod, Palmkätzchen u. s. w.; was wird er nicht erst in Ansehung eines geweihten Kälberschlegels oder einer Osterschünke thun, die ihm schon ungeweiht so gut schmeckt, und die er gegen 14 Täge entbehren mußte?

Es erscheint also kaum der sehnlich gewünschte Ostertag, so muß die Magd (die bey dieser Gelegenheit wohl auch mit geweiht wird) die Leckerspeise, in reinliches Tuch gehüllet, in einem Korbe zur Weihe tragen. Viele können der Versuchung nicht widerstehen noch vor der Weihe ein klein kleines Schnitzchen davon zu versuchen, und wir kennen verschiedene recht brave Mönche, die sich am Vorabend unter verschiedenem Vorwand in der Klosterküche einfinden, um sich ad interim an dem göttlichen Geruch der am Spieß bratenden kostbaren Kalbsbraten zu laben.

Ist nun die Magd zurück, so geht die Zergliederung vor sich, und da muß vom größten bis zum kleinstenAuch im politischen Gesichtspunkte betrachtet, ist dieser Misbrauch schädlich; denn er verursachet besonders der arbeitenden Klasse unnöthige Ausgaben, die für viele zugleich drückend sind. (oft sogar die unmündigen Kinder) von dem Geweihten ein Frühstück nehmen; welches aber gemeiniglich in so grosser Portion genommen wird, daß für das Mittagsmahl kein Raum übrig bleibt.

Es giebt aber dann auch wenige Familien, aus denen an diesem Tag der Herr, die Frau, die Kinder oder die Bedienten nicht kleine Unverdaulichkeitsaccidenzien bekämen, ja wenn wir den Aerzten glauben dürfen, so sind schon viele deswegen so frühzeitig eingesegnet worden, weil sie zu viel Weihe zu sich nahmen.

Doch eine Reformation der Fasten könnte diese Misbräuche bald verschwinden machen. 99

 


 


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