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Die Todten begraben ist eines von den 7 leiblichen Werken der Barmherzigkeit; aber wenn es auch kein Werk der Barmherzigkeit wäre, so würde es schon ein Werk der Nothwendigkeit seyn; es müßte nur jemand an der faulen Ausdünstung todter Körper ein besonders Vergnügen finden.
In den ersten Zeiten der Menschheit (so weit nämlich die Geschichte reicht) begrub ein Freund den andern, der Vater den Sohn, der Sohn den Vater. Das Bewußtseyn, daß uns eine liebende Hand diesen letzten Dienst erweisen werde, mußte gewiß eine angenehme Empfindung erregen.
Vermuthlich wählten sie zu ihren Gräbern einen beschatteten Hügel vor ihrer Hütte. – So ein Begräbniß war also anständig, rührend, und ruinirte keine Familie.
Nachdem sich das Menschengeschlecht ausgebreitet hatte, und die Menschen in Städte zusammen gezogen waren, wurde das Begraben den einzeln Familien zu beschwerlich, öfters auch unthunlich, daher ist es sehr wahrscheinlich, daß sie eigends einigen Gliedern, die vielleicht auf keine andere Art zum allgemeinen Wohl beytragen konnten, das Begraben ihrer verstorbnen Mitbürger aufgetragen haben – und so mögen Todtengräber entstanden seyn – – – 40
Wie es aber zugieng, daß eine Handlung, die an sich eine blosse Polizeysache zu seyn scheint, in die geistliche Gerichtsbarkeit gezogen wurde, wie und wann die Mäuthen, die wir beym Eingang in dieses Jammerthal, und besonders der drückende Esitozoll, den wir beym Ausgang entrichten mußten, eingeführet worden, davon wären wohl die Spuren in den spätern Jahrhunderten der Christenheit aufzusuchen.
Wir wissen wohl, daß die Geistlichen als Seelsorger dem sterbenden Christen unentbehrlich sind. Sie müssen ihn stärken, seinen Geist durch Trostgründe zu diesem grossen Schritt aufrichten, und seine Seele gleichsam in die Ewigkeit hinüber begleiten; aber sobald die Seele vom Leibe geschieden ist, sollte man glauben, daß auch ihre Sorge ein Ende habe; denn sie sind ja nur Seelsorger.
Wir glauben auch fest, daß die Geistlichen in den ersten christlichen Jahrhunderten ihre Funktion mit der Aussegnung der Seele beschlossen, und wenn sie doch den Begräbnissen beywohnten, solches aus wahrer christlichen Liebe und unentgeltlich geschah.
Daß es aber schon damals einige Christen mag gegeben haben, die aus Frömmigkeit die Begleitung des Priesters verlangten, und ihn für seine Mühe belohnten, ist wahrscheinlich, so wie es wahrscheinlich ist, daß dieses Beyspiel viele und endlich die meisten Christen nachahmten, und daß eine Abgabe, die gleichsam nur ein Donum gratuitum war, endlich zu einer permanenten Steuer anwuchs.
Wir sollten also die Entstehung der Begräbnißtaxen nicht so sehr der armen Geistlichkeit, als uns selbst zur Last legen. Die Begleitung eines einzelnen Priesters konnte gewiß keine Familie zu Grund richten: allein das eitle Herz des Menschen verleitete auch hier auf schädliche Abwege. Man war nicht zufrieden in seinem Leben eine grosse Rolle gespielet zu haben, 41 man wollte auch noch nach dem Tod Aufsehen erregen, und von sich reden machen.
Ein einziger Geistlicher, dachte man, wäre wohl für einen Bauer hinlänglich; allein ein Edelmann bedarf einer kräftigern Einsegnung. Es entstanden also ganze, halbe und Viertelkondukte – Um den Zug zu vergrössern, mußten Waisenkinder, Bruderschaften, und geistliche Orden von allen Farben dabey erscheinen; der Sarg wurde mit Kruzifixen, Marienbildern, Statuen verschiedener Heiligen, mit Lämmern und Pelikanen besetzt – Das Geläute der Glocken mußte diesen Auftritt verherrlichen, und endlich prächtige Todestropheen und Exequien die Feyerlichkeit beschliessen. Daher beschäftigte manche auf ihrem Todtenbette die Sorge für ihr Begräbniß mehr als die Sorge für ihre Seele; ja ein gewisser Kaiser war eitel genug, sich bey gesundem Leib seine künftige Leichenbegängniß vor seinen Augen halten zu lassen, und bey den Exequien für ihn, selbst mit zu singen.
Aber nicht alle katholische Christen führten bey Leichen aus Eitelkeit den Luxus ein; viele wollten durch diese letzte Handlung ihren Mitbürgern, die es vielleicht sonst nicht glauben dürften, begreiflich machen, daß sie als gute Christen gestorben sind – andere, deren Gewissen nicht gar zu rein war, glaubten den Einsprüchen des Teufels auszuweichen, wenn hinter und vor ihrem Sarg recht viele Geistliche giengen – sie glaubten, daß sichs über die vielen Labra und GeheimnißstäbeWo eigentlich das Geheimniß dieser Geheimnißstäbe steckte, ist noch bis itzt ein Geheimniß. leichter in den Himmel steigen ließ, und daß der heilige Petrus, wenn sie eine Bruderschaftskutte anhatten, den Schelm unter der Kapuze nicht erkennen würde. 42
Wenn sich nun die geistlichen Herren die Eitelkeit und übel angebrachte Gewissenhaftigkeit der Layen brav bezahlen liessen, so wären sie nur in dem Falle zu verdenken gewesen, wenn sie solche dazu angereizt und beredet hätten.
Aber traurig war es immer, daß auch würdige Männer, die weder eitel noch abergläubisch waren, und die sich gern mit einem Geistlichen begnügt hätten, vermög des Karakters, in dem sie standen, dieses Begräbnißetiquette mitmachen mußten.
Da ereignete es sich dann oft, daß ein Mann, der seine Familie durch sein ganzes Leben schuldenfrey erhielt, sie durch seinen Tod in Schulden stürzte. Die Begräbnißtaxen waren wirklich so überspannt, daß sie auch für die niedrigste Klasse drückend seyn mußten, und wenn man dann so eine unglückliche Familie sah, wo hier der Vater todt auf dem Brett lag, dort die verwaisten unmündigen Kinder um Brod schrien, indessen die hilflose Mutter ihre letzte Habschaft dem Versatzamt zuträgt, um mit den wenigen Gulden den Pfarrer, der, weil er diese wenigen Gulden weiß, den Mann nicht gratis begraben will, zu befriedigen, und wenn man dann bey dem Anblick so einer Scene in edeln Unwillen auffährt, und diese Priester harte, gefühllose Menschen nennet, so ist es gewiß sehr verzeihlich. –
Wir wissen zwar, daß sie diejenigen gratis begruben, die sie gratis begraben mußten; aber die Verleumdung sagt ihnen nach, daß sie es ungern thaten, und daß man es ihnen immer am Gesicht ansehen konnte, ob der Todte die Taxe bezahlt habe, oder nicht.
Diese Misbräuche konnten aber gleich vielen andern dem Vateraug unsers Beherrschers nicht entgehen – Er setzte diese Taxen herab, und befreyte sein Volk wenigstens grossen Theils von diesem drückenden Joche –
Was können wir uns nicht noch ferners von seiner Liebe versprechen? Der Schranken, an dem wir beym Eintritt in 43 die Welt bezahlen mußten, ist aufgehoben – Man kömmt nun wieder gratis auf die Welt, und wir hoffen auch einst wieder gratis hinausgehen zu dürfen.
Die ächten Seelsorger werden in ihren Herzen den Monarchen segnen, der die ungewissen Stollrevenüen in einen sichern festgesetzten Gehalt verwandelt, und ihnen dadurch so viele weltliche Sorgen, die mit Eintreibung dieser Taxen verbunden waren, vom Hals nimmt.
Sie werden sich mit mehr Musse auf den wesentlichen Unterricht des Volkes verlegen können, überhaupt ein ruhigers Leben führen, und da ihnen unser Tod nichts einträgt, für die Erhaltung unsers Lebens bethen. 44