Christian Reuter
Schelmuffsky
Christian Reuter

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Das vierte Capitel.

Als wir von Stockholm abfuhren, war es gleich um selbe Zeit, da die Kirschen und Weintrauben sich anfingen zu färben. Sapperment! was war da vor ein Gekrübele und Gewübele auf den Schiffe von so viel Leuten! Ich und meine Liebste Charmante wie auch der Herr Bruder Graff – weil der Schiffmann sahe, daß wir Standes-Personen waren – hatten ein eigenes Zimmer auf den Schiffe zu unserer Bequemlichkeit inne. Die andern 6000 aber musten der Tebel hohlmer alle nach der Reihe auf einer Streue schlaffen.

Wir schifften etliche Wochen sehr glücklich fort und waren alle brav lustig auf den Schiffe. Als wir aber an die Insel Bornholm kommen, wo es so viel Klippen gibt, und wenn ein Schiffmann die Wege da nicht weiß, gar leichtlich umwerfen kan, ey Sapperment! was erhub sich im Augenblick vor ein grosser Sturm und Ungestümm auf der See! Der Wind schmiß der Tebel hohlmer die Wellen die höchsten Thürme hoch über das Schiff weg und fing an, kohl-bech-raben-stockfinster zu werden. Zu dem allergrösten Unglücke noch hatte er zu Stockholm in Wirthshause den Compaß auf den Tische stehen lassen und vergessen, daß er also gantz nicht wuste, wo er war und wo er zufahren solte. Das Wüten und Toben von den grausamen Ungestümm wärete 14 gantzer Tage und Nacht! Den funffzehenden Tag, als wir vermeinten, es würde ein wenig stille werden, so erhub sich wieder ein Wetter und schmiß der Wind unser Schiff an eine Klippe, daß es der Tebel hohlmer flugs in hundert tausend Stücken sprang! Sapperment! was war da vor ein Zustand auf der See! Es ging Schiff, Schiffmann und alles, was nur zuvor auf den Schiffe war, in einen Augenblick zu Grunde und wenn ich und mein Herr Bruder Graf nicht so geschwinde ein Bret ergriffen hätten, worauf wir uns flugs legten, daß wir zu schwimmen kamen, so wäre kein ander Mittel gewesen – wir hätten gleichfalls mit den 6000 Seelen müssen vor die Hunde gehen! O Sapperment! was war da von den Leuten ein Gelamentire in den Wasser! Nichts mehr dauret mich noch die Stunde, als nur meine allerliebste Charmante! Wenn ich an dasselbe Mensche gedencke, gehen mir der Tebel holmer die itzige Stunde die Augen noch über. Denn ich hörte sie wohl 10 mahl noch im Wasser »Anmuthiger Jüngling« ruffen – allein was kunte ich ihr helffen! Ich hatte der Tebel hohlmer selbsten zu thun, daß ich nicht von den Brete herunter kipte, geschweige daß ich ihr hätte helffen sollen. Es war immer und ewig Schade um dasselbe Mensche, daß es da so unverhofft ihr Leben mit in die Schantze schlagen muste. Es kunte sich auch der Tebel hohlmer nicht eine eintzige Seele retten als ich und der Herr Graf auf dem Brete.

Als ich und mein Herr Bruder Graf diesen Trauer-Spiele auf unsern Brete in der Ferne nun so eine Weil zugeschauet, plätscherten wir mit unsern Händen auf demselben fort und musten wohl über hundert Meilen schwimmen, ehe wir wieder an Land kamen. Nach Verfliessung dreyer Tagen bekamen wir die Spitzen und Thürme von Amsterdam zu sehen, worauff wir gleich zu marchireten und den vierten Tag früh um 10 Uhr hinter des Bürgermeisters Garten mit unsern Brete nach viel ausgestandener Gefährlichkeit allda anländeten. Damit gingen wir durch des Bürgemeisters Garten durch und immer nach desselben Hausse zu. Der Hr. Bruder Graff der muste nun das Bret tragen und ich ging voran. Wie wir nun die Garten-Thüre aufklinckten, welche in des Burgmeisters Hof ging, so stund der Burgmeister gleich in der Haus-Thüre und sahe uns da angemarchiret kommen! Mit was vor Verwunderung uns auch der Mann ansahe, will ich wohl keinen Menschen sagen, denn wir sahen wie die gebadeten Mäuse so naß aus, denn Hn. Grafen lief das Wasser immer noch von seinen samtnen Hosen herunter, als wenn einer mit Muhlen gösse. Ich erzehlete den Herrn Burgemeister aber flugs mit zwey drey Worten gantz artig wie daß wir Schiffbruch gelitten und auf den Brete so weit schwimmen müssen, ehe wir an Land gekommen.

Der Herr Burgemeister, welcher der Tebel hohlmer ein wackerer braver Mann war, der hatte groß Mitleiden mit uns. Er führete uns in seine Stube, hieß warm einheitzen, damit musten ich und mein Herr Bruder Graf in die Hölle hintern Ofen treten und uns wieder trucknen. So bald uns nun ein wenig der warme Ofen zu passe kommen war, fing der Herr Burgemeister an und fragte, wer wir wären. Ich fing hierauf gleich an und erzehlte denselben gantz artig meine Geburth und wie es mit der Ratte damahls wäre zugegangen. O Sapperment! was sperrete der Mann vor ein paar Augen auf, als ich ihm von der Ratte solche Dinge erzehlte! Er nahm hernach allemahl, auch wenn er mit mir redete, sein Mützgen unter den Arm und titulirete mich Ih. sehr Hoch-Wohlgebohrne Herrlichkeiten.

Nach dieser Erzehlung wurde der Herr Burgemeister hinaus geruffen und blieb wohl eine gute halbe Stunde draussen, ehe er wieder hinein kam; ich und mein Herr Bruder Graf waren sehr hungrich, weil wir in 4 Tagen keiner keinen Bissen gefressen hatten. Sahen derowegen – weil niemand in der Stube war – was in des Burgemeisters Röhre in der Hölle guts paßirete. Der Hr. Graf fühlte hinein und brachte der Tebel hol mer einen grossen Topff voll Sauer-Kraut da heraus geschlept, welches vielleicht den Gesinde seyn mochte. Sapperment! wie erbarmeten wir uns über das Sauerkraut und frassen es der Tebel hohlmer reine aus! Es wärete hierauf nicht lange, so wurde mir und den Hn. Bruder Grafen davon erschröcklich übel, weil wir solches ohne Brodt in den nüchtern Magen hinein gefressen. Ey sapperment! wir fingen an zu speyen und spyen der Tebel hohlmer den Burgemeister die Hölle geschissene voll, daß es auch so ein Gestanck in der Stube wurde, daß wir fast selbst nicht drinnen bleiben kunten! Hierauf kam der Herr Burgemeister wieder in die Stube hinein und als er solches roche, fing er zu mir an: Ih. sehr Hochwohlgebohrne Herrl. haben sich gewiß am Ofen versänget, daß es so darnach riecht. Sapperment! was solte ich den vornehmen Mann flugs wiederauf antworten? Ich war her und erzehlete ihn flugs mit so einer artigen Manier, wie daß wir nemlich wären hungrich gewesen und den Topff mit den Sauer-Kraute in der Röhre zu fassen gekriecht und hineingefressen, und als uns das Zeug nicht bekommen wäre, so hätten wir solches wieder müssen von uns speyen und davon würde es nun wohl so übel stincken. Sapperment! wie horchte der Mann, daß ich solches mit so einer geschickten Manier vorbringen kunte! Er rufft alsobald seiner Hauß-Magd, daß sie die Hölle ausreumen solte und in der Stube ein wenig räuchern. Wie solches geschehen, so ließ er alsobald den Tisch decken und tractirete mich und den Herrn Grafen der Tebel hohlmer recht delicat.

So bald als wir nun gespeiset hatten, kamen etliche von denen vornehmsten Staaden in des Burgemeisters Haus und gaben mir und meinen Herrn Bruder Grafen eine Visite. Sie baten uns auch zu sich zu Gaste und erwiesen uns grosse Ehre, daß ich also wohl sagen kan, daß Amsterdam der Tebel hohlmer eine vortreffliche Stadt ist. Es wurde zu derselben Zeit bald eine vornehme Hochzeit, worzu man mich und meinen Herr Bruder Grafen auch invitirete. Denn es heyrathete ein Lord aus Londen in Engelland eines vornehmen Staadens Tochter zu Amsterdam, und wie es nun da gebräuchlich ist, daß die vornehmen Standes-Personen, welche zur Hochzeit gebethen werden, allemahl zu Ehren Braut und Bräutigam ein Hochzeit-Carmen drücken lassen und sie damit beehren, als wolte ich hierinnen mich auch sehen lassen, daß ich ein brav Kerl wäre. Es war gleich um selbe Zeit bald Gertraute, daß der Klapperstorch bald wiederkommen solte und weil die Braut Traute hieß, so wolte ich meine invention von den Klapperstorche nehmen u. der Titul sollte heissen:

Der fröliche Klapper-Storch etc.

Ich war her und satzte mich drüber und saß wohl über vier Stunden. Daß mir doch wäre eine Zeile beygefallen! Der Tebel hohlmer, nicht ein Wort kunte ich zu Wege bringen, das sich zu den frölichen Klapper-Storche geschickt hätte! Ich bath meinen Hn. Br. Grafen, er solte es versuchen, ob er was könte zur Noth herbringen, weil mir nichts beyfallen wolte. Der Hr. Graf sagte nun, wie er vor diesen wäre in die Schule gegangen, so hätte er ein Bißgen reimen lernen. Ob ers aber würde noch können, wüste er nicht, doch müste ers versuchen, obs angehen wolte. Hierauf satzte sich der Graf nun hin, nahm Feder und Dinte und fing da an zu dichten. Was er damahls nun aufschmierete, waren folgende Zeilen.-

Die Lerche hat sich schon in Lüfften praesentiret
Und Mutter flora steigt allmehlich aus den Neste;
Schläfft gleich die Maja noch in ihren Zimmer feste,
Daß also ietzger Zeit viel Lust nicht wird gespürt.
Dennoch so will...

Als er über diesen Zeilen nun so wohl eine halbe Stunde gesessen, so guckte ich von hinten auf seinen Zeddel und sahe, was er gemacht hatte. Wie ich nun das Zeug laß, muste ich der Tebel hohlmer recht über den Herrn Bruder Grafen lachen, daß es solch albern Gemächte war! Denn an statt, da er den Klapperstorch hätte setzen sollen, hatte er die Lerche hingeschmiret und wo Traute stehen solte, hatte er gar einen Flor genommen; denn der Flor schickt sich auch auf die Hochzeit? und darzu hätte sichs auch hintenaus reimen müssen! Denn praesentiret und Neste, das reimt sich auch der Tebel hohlmer wie eine Faust aufs Auge! Er wolte sich zwar den Kopff weiter darüber zu brechen, allein so hieß ichs ihn nur seyn lassen und dafür schlaffen. Ob ich nun wohl auch selben Tag gantz nichts zu wege bringen kunte, so satzte ich mich folgenden Tag früh doch wieder drüber und wolte von Gertrauten und den Klapper-Storche der Braut ein Carmen machen. O Sapperment! als ich die Feder ansetzte, was hatte ich dazumahl vor Einfälle von den Klapperstorche, daß ich auch der Tebel hohlmer nicht länger als einen halben Tag darüber saß, so war es fertig und hieß wie folget also:

Der fröliche Klapper-Storch etc.

Gertrautens-Tag werden wir balde nun haben,
Da bringet der fröliche Klapper-Storch Gaben.
Derselbe wird fliehen über Wasser und Graß
Und unsrer Braut Trauten verehren auch was.
Das wird Sie der Tebelhohlmer wol sparen
Und keinen nicht weisen in 3 vierthel Jahren.
Worzu denn wündschet bey dieser Hochzeit
Gesunden und frischen Leib biß in Ewigkeit,
Auch langes Leben spat und früh
Eine Standes-Person von

Schelmuffsky.

So bald als nun die Hochzeit-Tage herbey rückten, wurde ich und der Herr Bruder Graff von der Braut Vater gebethen, daß wir doch seiner Tochter die grosse Ehre anthun möchten und sie zur Trauung führen. Ich antwortete dem Hochzeit-Vater hierauf sehr artig: wie daß ichs vor meine Person solches gerne thun wolte, aber ob mein Herr Bruder Graf dabey würde erscheinen können, zweiffelte ich sehr, dieweil der arme Schelm das kalte Fieber bekommen hätte und gantz bettlägrig worden wäre. Den Hn. Hochzeit-Vater war solches sehr leid, und weil es nicht seyn kunte, muste der Hr. Burgemeister indessen seine Stelle vertreten.

Als ich nun die Braut zur Trauung mitführete, O Sapperment! was war vor ein Aufgesehe von den Volcke! Sie drückten der Tebel hohlmer bald ein ander gantz zu nichte, nur daß ein iedweder mich so gerne sehen wolte. Denn ich ging sehr artig neben der Braut her in einen schwartzen langen seidenen Mantel mit einen rothen breiten Samt-Cragen. In Amsterdam ist es nun so die Mode, da tragen die Standes-Personen auf ihren schwartzen Mänteln lauter rothe Samt-Cragen und hohe spitzige Hüte. Ich kans der Tebel hohlmer nicht sagen, wie ich das Mensche so nette zur Trauung führete und wie mir der spitzige Hut und lange Mantel mit den rothen Samt-Cragen so proper ließ.

Da nun die Trauung vorbey und die Hochzeit anging, muste ich mich fluchs zur Braut setzen, welches nechst den Bräutigam die oberste Stelle war. Hernach sassen erstl. die andern vornehmen Standes-Personen, welche mich alle – zumahl die mich noch nicht groß gesehen hatten – mit höchster Verwunderung ansahen und wohl bey sich dachten, daß ich einer mit von den vornehmsten u. bravsten Kerlen müste auf der Welt seyn (wie es denn auch wahr war), daß man mir die Oberstelle eingeräumt hätte.

Wie wir nun so eine Weile gespeiset hatten, kam der Hochzeit-Bitter vor den Tisch getreten und fing an, wer unter den Hnn. Hochzeit-Gästen von Standes-Personen den Hn. Bräutigam oder der Jfr. Braut zu Ehren ein Carmen verfertiget hätte, der möchte so gut seyn und solches praesentiren. Sapperm., wie griffen sie alle in die Schub-Säcke und brachte ein iedweder einen gedruckten Zeddel heraus geschlept und waren willens, solches zu übergeben. Weil sie aber sahen, daß ich auch immer in meinen Hosen herum mährete und auch was suchte, dachten sie gleich, daß ich ebenfalls was würde haben drucken lassen und wolte mir keiner vorgehen. Endlich so brachte ich mein Carmen, welches ich auf rothen Atlas drücken lassen, aus den Hosen-Futter herausgezogen. O sapperment! was war vor aufsehens da bey den Leuten! Dasselbe übergab ich nun zu allererst der Braut mit einer überausartigen Complimente. Als sie nun den Titul davon erblickte, Sapperm., was machte das Mensche vor ein Gesichte! Da sie aber nun erstlich solches durchlaß, so verkehrete sie der Tebel hohlmer die Augen in Köpffe wie ein Kalb und ich weiß, daß sie wohl dasselbe mahl dachte, wenn nur der Klapperstorch schon da wäre! Die andern mochten nun Lunte riechen, daß mein Hochzeit-Carmen unter ihren wol das beste seyn müste und steckten der Tebel hohlmer fast ein iedweder seines wieder in die Ficke. Etliche übergaben zwar ihre allein, weder Braut noch Bräutigam sahe keins mit einem Auge an, sondern legten es gleich unter den Teller. Aber nach meinen war der Tebel hohlmer ein solch Gedränge, daß sie es alle so gerne sehen und lesen wolten. Warum? Es war vor das erste von ungemeiner invention, und vor das andere über aus artig und nette Teutsch, da hingegen die andern Standes-Personen zu ihren Versen lauter halbgebrochene Worte und ungereimt Teutsch genommen hatten. – Ey Sapperment! was wurde bey den Leuten vor Aufsehens erweckt, als sie mein Carmen gelesen hatten! Sie stackten in einen die Köpffe zusammen und sahen mich immer mit höchster Verwundrung an, daß ich so ein brav Kerl war, und redeten immer heimlich zu einander: daß was sehr grosses hinter mir stecken müste. Hierauf währete es nicht lange, so stund der Bräutigam auf und fing an, meine Gesundheit zu trincken. Sapperment! was war da vor ein aufgestehe flugs von den andern Standes-Personen und machten grosse Reverenze gegen mich. Ich blieb aber immer sitzen und sahe sie alle nach der Reihe mit so einer artigen Mine an. Der Hr. Burgemeister, bey welchen ich mit meinen Bruder Grafen in Quartire lag, der lachte immer, daß ihn der Bauch schutterte, so eine hertzliche Freude hatte er drüber, daß mich alle mit einander so venerirten. Warum? Es war den Manne selbst eine Ehre, daß so eine vornehme Person als nemlich Ich, sein Haus betreten hatte.


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