Christian Reuter
Schelmuffsky
Christian Reuter

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Den andern Tag drauf, als ich mich nun erkundiget, wo der Kerl wohnete, welcher mir die Ohr-Feige gegeben, schickte ich des Gärtners Jungen an ihn und ließ ihn sagen. Ich hielte ihn vor keinen braven Kerl, sondern vor dem allerelendesten Bärenhäuter auf der Welt, wenn er nicht die und die Zeit draussen auf der grossen Wiese mit ein paar guten Pistolen erschiene, und da wolte ich ihn weisen, daß ich ein braver Kerl wäre. – Was geschieht, als des Lust-Gärtners Junge den Nobel diese Worte nun so unter die Nase reibet und von Pistolen schwatzt? Ey Sapperment! wie erschrickt der Kerl, daß er nicht weiß was er den Jungen antworten soll! Wie nun der Junge spricht: Was er denn den vornehmen Herrn zur Antwort hierauf wieder bringen solte? fänget er endlich an: Er müste gestehen, ja, daß er mir den Hut von Kopffe geschmissen und es hätte ihn so verdrossen, daß ich Jungfer Damigen als seine zukünfftige Liebste bey der Hand geführet, und dasselbe hätte er gar nicht leiden können. Daß ich ihn nun wegen der gegebenen Ohrfeige flugs auf Pistolen hinaus forderte, würde er wohl schwerlich kommen, denn es wäre so eine Sache mit den schüssen! Wie leichtlich könte er oder ich was davon bekommen! Was hätten wir denn hernach davon! Und darauf käme er nicht. Wolte ich mich aber mit ihn auf druckene Fäuste schlagen, so wolte er seine Mutter erstlich drum fragen, ob sie solches zugeben wölte. Wo sie aber ihn solches auch nicht verwilligte, könte er mir vor die Ohrfeige keine revange geben.

O Sapperment! als mir der Junge solche Antwort von den Nobel wiederbrachte, hätte ich mich der Tebel hohlmer flugs mögen zu stossen und zu reissen! Ich war her und besann mich, wie ich ihn wieder tractiren wollte? Erstlich hatte ich ihn willens auf der Gasse übern Hauffen zu stossen und fortzugehen. So dachte ich aber, wo wird dich dein Damigen hernach suchen! Endlich resolvirte ich mich, ich wolte ihn in öffentlicher Compagnie die Presche gedoppelt wiedergeben und mit einen Spanischen Rohre wichtig abschmeissen. Das hätte ich auch gethan, wenn der Kerl nicht wegen des Pistolen hinausforderns so ein groß Wesen flugs gemacht hätte, daß ich also von hoher Hand gebethen wurde, ich möchte es nur gut seyn lassen – gnug, daß sie alle wüsten, daß ich ein brav Kerl wäre, desgleichen wohl wenig in der Welt würde gefunden werden. Als ich dieses hörete, daß von hoher Hand man mich bath, daß ich ihn solte zu frieden lassen und mich alle vor den bravsten Kerl auf der Welt aestimireten, hätte ich mir hernach wohl die Mühe genommen, daß ich wieder an ihn gedacht hätte.

Allein mein Damigen kriegte ich doch auch nicht! Ihr Vater ließ mir zwar sagen, Er sähe wohl, daß ich ein brav Kerl wäre, desgleichen man wenig findete, allein seine Tochter hätte er einen Nobel versprochen und wer kein Nobel wäre, der dürffte sich auch nicht die Gedancken machen, daß er sie kriegen würde. Ich ließ ihn aber hierauf artig wieder sagen, wie daß er nemlich alle recht geredet, daß ich ein brav Kerl wäre, desgleichen wohl wenig in der Welt anzutreffen wäre und ich hätte ja seine Tochter noch niemahls verlanget, sondern sie hätte mich haben wollen! Wie das der alte Nobel seinen Damigen vorhält, spricht sie: ja, es wäre wahr, und sie nehme doch den nicht, welchen man ihr aufdringen wolte. Wenn sie mich nicht haben solte, nehme sie gar keinen, und sie wolte lieber was anders thun, als einen heyrathen, den sie nicht liebhaben könnte. Damigens Hr. Vater aber war ihr hierauf sehr scharff auf den Dache und verboth ihr bey seiner höchsten Ungenade, nicht wieder zu mir zu fahren, denn er hatte auch in allen Thoren bestallt, daß niemand sie hinaus lassen sollte. Bekam ich also dazumahl Damigen nicht wieder zu sehen, hernach so gings den guten Menschen gar unglücklich, daß also Ihren gestrengen Herrn Vater es alle Leute vor übel hielten, daß er sie mir versaget hatte.

Nach diesen hatte ich mir auch gäntzlich vorgenommen, Stockholm wieder zu verlassen, weil ich in dem 2 gantzer Jahr schon da mich umgesehen. Indem ich mich nun resolviret, den andern Tag wieder auf das Schiff zu begeben, ging ich vorigen Tag noch einmal in des Gärtners Lust-Garten und sahe, ob die Pflaumen bald reiff waren. Indem ich einen Baum so nach den andern beschauete, kam des Gärtners Junge Sporenstreichs wieder auf mich zugelauffen und sagte: Daß iemand draussen vorn Thore mit einen schönen Schellen-Schlitten hielte, der wolte mich gerne sprechen. Er hätte einen grossen grünen Fuchspeltz an. Nun kunte ich mich nicht flugs besinnen, wer es seyn müste. Endlich besann ich mich auf meinen Hr. Br. Grafen, ob der es etwa seyn müste und lief geschwinde mit den Jungen aus den Garten vor. Wie ich vor kam, so wars der Tebel hohlmer mein Hr. Br. Graf, welchen ich zu Hamburg in Stiche gelassen! O Sapperm., wie erfreuten wir uns alle beyde, daß wir einander wieder sahen! Ich nahm ihn gleich mit in des Gärtners Stube und ließ ihn flugs was zu essen und zu trincken geben, denn er war der Tebel hohl mer bald gantz verhungert und sein Pferd sahe auch gantz mager aus! Das muste des Gärtners Junge flugs hinaus auf die Wiesen in die Weide reiten, aufdaß sichs wieder ausfressen solte. Damit erzehlete er mir nun allerhand, wie es ihm in Hamburg noch gegangen wäre und wie die Dame Charmante mich so betauret, als ich die Flucht nehmen müssen und sie so unverhofft verlassen. Er brachte mir auch einen Brieff mit von ihr, welchen sie nur verlohren an mich geschrieben, daß er mir denselben doch zustellen möchte, denn sie hatte vermeinet, ich wäre schon längstens todt, weil ich ihr gar nicht geschrieben, wo ich wäre. Der Inhalt des Briefes war wie folget also und zwar Verß weise:

Anmuthger Jüngling,
 
lebst du noch? oder liegst du schon verscharret?
Weil du weder Brieff noch Gruß deiner Liebsten schickest ein?
Ach! so heist es leider! wohl recht umsonst auf das geharret,
Was man in Gedancken küst und muß längst verweset seyn.
Biß du todt! so gönn ich dir dort die höchst vergnügten Freuden;
Lebst du noch, anmuthger Schatz? und erblickest dieses Blat,
Welches die Charmante schickt, die dich muste plötzlich meiden,
Als dein tapffrer Helden-Muth dich verjagte aus der Stadt.
Lebst du noch? so bitt ich dich, schreib mir eiligst doch zurücke,
Wo du bist – es mag der Weg auch sehr höchst gefährlich seyn,
So will ich dich sprechen bald mit des Himmels guten Glücke,
Wenn du hierauf nur ein Wort erst Charmanten lieferst ein.

Als ich diesen Brief gelesen, ging mir die Charmante so zu Gemüthe, daß ich mich des Weinens nicht enthalten kunte, sondern hieß meinen Hr. Bruder Grafen essen und ging hinaus vor die Stubenthür und gransste der Tebel hohlmer da wie ein kleiner Junge. Als ich nun ausgegransst hatte, sagte ich zum Lust-Gärtner, er solte mir doch Feder und Dinte geben, ich wolte eiligst diesen Brieff beantworten. Der Lust-Gärtner sagte hierauf: Es stünde alles zusammen oben in der Sommer-Stube und wenn ichs verlangete, so wolte er solches herunter hohlen lassen. Beliebete mir aber, droben zu schreiben, alwo ich nicht von Reden gestöret würde, könte ichs auch thun. Ich ließ mir solches gefallen, bath dem Hn. Bruder Grafen, ob er mir verzeihen wolte, daß ich ihn ein wenig alleine liesse, und ich wäre nur gesonnen, den Brieff wieder zu beantworten und fortzuschicken. Der Hr. Bruder Graf sagte hierauf nur, daß ich doch mit ihm kein Wesens machen solte und ich möchte so lange schreiben als ich wolte. Er würde mich daran nicht hindern.

Damit so wanderte ich zur Stubenthür hinaus und wollte eiligst die Treppe hinauf lauffen. Ich werde es aber nicht gewahr, daß eine Stufe ausgebrochen ist und falle da mit den rechten Beine hinein in die Lücke, wo die Stufe fehlt, und breche der Tebel hohlmer das Bein flugs mursch entzwey! O Sapperment! wie fing ich an zu schreyen! Sie kamen alle, wie auch der Hr. Graf, darzu gelauffen und fragten, was mir wäre. Allein es kunte mir keiner helffen – das Bein war einmahl in Stücken! Der Lust-Gärtner schickte flugs nach den Scharffrichter, daß der kommen muste und mich verbinden, denn es war der Tebel hohlmer ein wackerer Mann in Bruch heilen. Derselbe brachte mirs sehr artig wieder zu rechte, ob er gleich 12 gantzer Wochen an denselben docterte. Als ich nun so ein Bißgen drauf wieder fussen kunte, so muste ich hernach allererst der Charmante ihren Brieff beantworten, welcher folgender massen auch Verßweise sehr artig eingerichtet war:

Mit Wündschung zuvor alles Liebes und Gutes,
Schelmuffsky lebet noch und ist sehr gutes Muthes!
Hat Er gleich vor zwölff Wochen gebrochen das rechte Bein,
So wird dasselbe doch vom Scharffrichter bald wieder geheilet seyn.
Der Herr Bruder Graf ist mit seinen Schlitten bey mir glücklich ankommen
Und einen Brieff mitgebracht, woraus ich vernommen:
Das meine liebe Charmante gerne wissen möchte: ob ich lebendig oder todt?
Es hat aber mit mir der Tebel hohlmer noch keine Noth.
Ich lebe itzunder in den Lande Schweden,
Wenn nun du, hertzes Kind, wilst gerne mit mir reden?
Zu Stockholm bey den Lust-Gärtner in der Vorstadt hab ich mein Quartier,
So must du bald kommen her zu mir;
Denn ich werde nicht gar lange mehr da bleiben.
Das ists nun, was ich dir zur Antwort hiermit habe wollen fein geschwinde schreiben.
Indessen lebe wohl, gesund, frisch spat und früh
Und ich verbleibe allezeit dein

anmuthiger Jüngling
Schelmuffsky.

Ob ich mich nun wohl aufs Verß machen nicht groß geleget hatte, so war mir doch der Tebel hohl mer dieser Brief Verßweise sehr artig gerathen. Denselben schickte ich nun durch des Gärtners Jungen zu Stockholm ins Posthauß, damit er citò möchte nach Hamburg bestellet werden.

Hierauf giengen kaum vier Wochen ins Land, so kam meine Liebste Charmante auch anmarchiret. Wie sie mich nun sahe, Sapperment! fiel mir das Mensche nicht um den Halß und hertzte mich! Sie fraß mir vor Liebe der Tebel hohlmer bald die Schnautze weg. Sie erzehlete mir hernach auch, wie mich die Rädelwache zu Hamburg 3mahl in ihren Bette gesucht hätte, weil ich so viel Kerl hätte zu schanden gehauen, und wie mich die Compagnie auf den Tantzboden so ungerne verlohren, weil ich einen vortrefflichen Springer abgegeben. Ich solte ihr auch erzehlen, wie mirs die Zeit über gegangen wäre, als ich von Hamburg die Flucht nehmen müssen. Damit erzehlete ich ihr, und auch wie wir auf der See hätten Sturm gehabt u. was ich vor allerhand Fische gesehen. Aber wie mirs in Stockholm mit der Ohrfeige wegen Jungf. Damigen gegangen wäre, davon sagte ich ihr der Tebel hohlmer kein Wort.

Ob ich nun wohl, wie mein Bein völlig wieder curiret war, mich wolte zu Schiffe wieder setzen und die Welt weiter besehen, so ließ ich mich doch auf der Charmante ihr Bitten überreden, daß ich ein halb Jahr noch in Stockholm blieb und ihr dieses und jenes zeigete. Nun ist eben nichts sonderliches da zu sehen, als daß Stockholm eine brave Stadt ist, sehr lustig lieget und um dieselbe herum schöne Gärten, Wiesen und vortreffliche Weinberge angebauet seyn und daß der Tebel hohlmer der schönste Necker-Wein da wächset. Allein von Fischwercke und solchen Sachen giebts eben so wenig als in Hamburg! Forellen hat man zwar gnug auch da, allein wer kan einerley Fische immer essen! Aber unerhörte Viehzucht gibts da wegen der Gräserey. Es giebt der Tebel hohlmer Kühe dort, da eine wohl auf einmal 40 bis 50 Kannen Milch gibt! Sie machen im Winter auch flugs Butter, die sieht der Tebel hohlmer wie das schönste gewundene Wachs.

Nachdem ich meine Charmante nun überal herum geführet und ihr dieses und jenes in Stockholm gezeiget, machte ich mich mit ihr benebst den Hn. Bruder Grafen wieder Reisefertig, bezahlete, was ich da bey den Lust-Gärtner verzehret hatte und dingeten uns auf ein Schiff, welches uns mit solte nach Holland nehmen. Wie wir nun mit den Schiffer richtig waren, packte der Hr. Graf seinen Schellen-Schlitten mit seinen Pferde auch auf das Schiff, dann er, wenn er zu Lande käme, wieder kutschen könte. Als es bald Zeit war, daß das Schiff fortseegeln wolte, nahmen wir von den Lust-Gärtner Abschied und bedanckten uns nochmahls vor allen guten erzeugten Willen. Da fing der Tebel hohlmer der Mann an zu weinen wie ein klein Kind, so jammerte ihn unser Abschied! Er beschenckte mich auch zu guter letzt mit einer wunderschönen Blume; ob dieselbe gleich kohlbech-schwartze Blätter hatte, so kunte man sie doch der Tebel hohlmer auf eine gantze Meil wegs riechen! Er nennte sie nur Viola Kohlrabi. Dieselbe Viola Kohlrabi nahm ich nun auch mit. Damit marchireten wir nun fort und nach den Schiffe zu.

Als wir nun dahin kamen, Sapperment! was sahe man da vor Volck, welches mit nach Holland gehen wolte! Es waren der Tebel hohlmer wohl auf sechstausend Seelen, die setzten sich nun alle auch mit zu Schiffe und hatten in willens, Holland zu besehen. Wie es uns aber dasselbe mahl auf der See erbärmlich gieng, werden einen die Haare zu Berge stehen, wer folgendes Capitel lesen wird.


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