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Des Kreuzträger's Geschichte.

(Fortsetzung.)

Der Zauberer, an und für sich von einem gehässigen tückischen Charakter und durch die letzten Vorgänge noch mehr gereizt, hatte bei dem plötzlichen Tode seines Bundesgenossen nur seiner Bosheit und Rachsucht Gehör gegeben und sich auf Windenblüte, die junge Comanchin gestürzt, deren mutiges Einschreiten ihm sein Opfer entzogen hatte.

Mit der linken Faust ihr volles flatterndes Haar erfassend, riß er sie zu Boden und schwang den Tomahawk, den er aufgerafft, über ihrem Haupt.

Das arme Mädchen vermochte dem Bösewicht keinen Widerstand zu leisten, Diaz, der einzige Freund, der bereits in ihrer Nähe war, kämpfte selbst um sein Leben, und ihr Bruder wand sich gefesselt an dem Marterpfahl, ohne weder ihr noch dem Weibe, dem im geheimen seine Liebe geweiht war, Hilfe bringen zu können.

Ihr verzweifelter Blick suchte in diesem schrecklichen Moment einen Dritten; er war leider noch entfernt von ihr, und das Eisen des Tomahawks blitzte über ihrem Haupt.

Dennoch war ein Beistand ihr nahe von einer Seite, woher er wohl kaum zu erwarten gewesen. An dem blutdürstigen Zauberer empor fuhr gedankenschnell eine Gestalt; da die gefesselten Hände den Feind nicht zu fassen und zu entwaffnen vermochten, packte sie mit den Zähnen seine Gurgel und biß sich in ihr fest wie ein wildes Tier.

Es war Meredith, der Kentuckier, der Skalpierte! das Mitleid der jungen Indianerin hatte seine Früchte getragen; wie eine Bulldogge, mit der überhaupt sein Charakter und sein Wesen viel Ähnlichkeit gehabt, hing er an der Kehle seines Feindes, mit der eigenen Vergeltung der furchtbaren Leiden die Dankbarkeit für das Mädchen verbindend. Vergebens versuchte der Wahrsager ihn abzuschütteln, vergebens schlug er, sein zweites Opfer loslassend, mit dem Tomahawk nach ihm, die Zähne des Kentuckiers waren fest verbissen, seinem Feinde begannen Luft und Sinne auszugehen, und mit der Wucht seines ganzen Körpers sich auf ihn werfend, stürzte John ihn und sich mitten in die Flammen.

Dies waren die beiden dunklen Körper, die Kreuzträger sich in der Glut wälzen sah, als er dem jungen Vaquero zu Hilfe eilte.

Es waren von den Wächtern des Lagers jetzt noch vier übrig, von denen zwei dem Kreuzträger und dem Vaquero gegenüber standen, während die beiden anderen nach indianischer Weise sofort bei Beginn des Kampfes eine Deckung gesucht, und die Weiber sich heulend und schreiend in einen Haufen zusammengedrängt hatten.

In Mitten dieser Gruppen stand unbeweglich der Lord mit seinen beiden Begleitern, einen Angriff erwartend.

Ein Schuß von der Seite her, wo die beiden Apachen ihr Versteck genommen, eröffnete aufs neue den Kampf. Die Kugel galt dem jungen Offizier, der, ohne sich um die Gefahr oder selbst die Gefährten zu kümmern, zu Comeo geeilt war und sich bemühte, sie aufzurichten.

Die Kugel durchbohrte seine linke Seite. Trotzdem versuchte er, sich schützend vor das Mädchen zu stellen und sich gegen den Angriff des zweiten Apachen, der, sein Versteck verlassend, mit dem Speer auf ihn zurannte, mit dem Revolver zu wehren, denn seine Flinte hatte er, Comeo umfassend, fallen lassen.

» Parbleu! auf sie, Freund Diaz!« schrie der Kreuzträger. »Keinen Pardon den mörderischen Schurken!«

Die Worte waren von der That begleitet. Der Wegweiser stürzte sich auf einen der beiden Apachen, die vorhin den Vaquero bedrängt und bei der Wendung des Kampfes einen Augenblick gezögert hatten, ob sie ihn fortsetzen oder fliehen sollten, und stieß ihm sein Messer ins Herz. Mit dem zweiten kämpfte der Jüngling, wacker und geschickt seine abgeschossene Büchse brauchend, während Kreuzträger sich dem Offizier zuwandte.

Es war die höchste Zeit, daß diesem Beistand kam. Drei Schüsse des Revolvers, in der Hast und mit unsicherer Hand gethan, hatten nur wenig Wirkung gehabt, und nur eine Kugel leicht den Apachen gestreift, ein Lanzenstoß dagegen den jungen Mann in den Schenkel getroffen. Aus zwei Wunden blutend war er in die Kniee gesunken und deckte noch immer mit seinem Körper das neben ihm knieende Indianermädchen, als Kreuzträger ihm zu Hilfe kam.

In dem Moment, wo der Apache mit einem zweiten Speerstoß den Preußen durchbohren wollte, schleuderte der Wegweiser, der noch etwa sechs oder sieben Schritte von ihm entfernt war und kein anderes Mittel des Angriffs besaß, die Büchse des Yankee, mit der er bewaffnet, gewesen, gegen ihn. Der Apache war ein tapferer Krieger; der mit der linken Hand gethane Wurf hatte ihn nur leicht getroffen, wenn er auch den Stoß glücklich verhindert hatte. Er wandte sich sofort gegen den neuen Feind und hob seine gefährliche Waffe.

Der alte Mann blieb stehen, er hatte nur noch das Messer, das gegen die lange Lanze des Wilden eine schwache Verteidigung war. Er begnügte sich, mit der Linken das silberne Kreuz auf seiner Brust zu fassen und es dem Apachen entgegen zu halten.

Die Macht dieses gefürchteten Zeichens, das dem indianischen Krieger bewies, daß er es mit dem schrecklichen Dämon seines Volkes zu thun habe, war so groß, daß sofort Arm und Lanze schlaff an seinem Körper niedersanken und er mit gebeugtem Haupte stehen blieb, ohne Widerstand den Tod erwartend.

Kreuzträger schritt langsam auf ihn zu, setzte dem Wilden die Spitze seines Messers auf die nackte Brust und zeichnete zwei blutige Schnitte kreuzweise darüber. »Geh, Apache,« sagte er finster, »und sage den Mescaleros, daß El Crucifero auf ihren Fersen ist! Du trägst ein Zeichen, und ich werde Dich wiederfinden!«

Der Apache wandte sich um, seine Waffe am Boden schleifend, entfernte er sich zitternd langsam, bis er im Schatten der Nacht am Eingang der Schlucht verschwand.

Unterdes war auch Diaz mit seinem Gegner fertig geworden. Seine Wange blutete von einem Tomahawkhieb, der von seiner Büchse nur ungenügend pariert worden war, aber er hatte zur Vergeltung den Indianer zu Boden geschlagen und war jetzt beschäftigt, dem Betäubten mit seiner eigenen Bogensehne die Arme zusammen zu schnüren.

Von den zehn Kriegern, welche die Schlucht bewacht, war jetzt nur noch einer übrig, denn die Wache, die der erschossene Häuptling an der anderen Seite des Zugangs aufgestellt hatte, war bei dem Überfall gleichfalls entflohen. Außer dem Gefangenen deckten sechs Tote den Boden der Schlucht; denn als der junge Vaquero sich dem von dem schrecklichen Ringkampf zerstreuten Feuer näherte, fand er nur zwei halb verkohlte Leichname: den Kentuckier und seinen Peiniger!

Während Kreuzträger und die Indianerin, die sich mit einem Blick überzeugt hatte, daß ihr Bruder frei und gerettet war, sich mit dem verwundeten Offizier beschäftigten und Eisenarm den heulenden Weibern befahl, sich nicht von der Stelle zu rühren und ruhig zu verhalten, war es dem Toyah gelungen, auch ohne den Beistand der vor Entsetzen über die schreckliche Scene zu jeder Hilfsleistung ganz unfähigen Zofe der jungen Haciendera, diese wieder zum Bewußtsein zu bringen.

Sie saß jetzt aufrecht auf dem Stein unter der Korkeiche, und ihre Blicke irrten noch verstört umher, während ihre Hand unbewußt krampfhaft den Arm des Toyah umklammert hielt.

Wonodongah stand unbeweglich, eine dunkle Rote bedeckte sein Gesicht.

Plötzlich schien die Señoritta zum Bewußtsein des Geschehenen und ihrer Lage zu kommen. Sie heftete die dunklen schwarzen Augen auf den jungen Indianer, dessen Arm sie noch immer festhielt.

»Ich war dem Tode nahe, wie damals in der Hacienda del Cerro!« sagte sie mit leisem, aber deutlichem Ton. »Du hast mir zum zweitenmal das Leben gerettet!«

»Tausendmal hatte ich das meine dafür geopfert, erwiderte leidenschaftlich der Toyah, »aber der große Geist hat es nicht gewollt, daß diese Hand den Feind erschlug. Die Hand der Feuerblume wurde schwach, als sie die Bande Wonodongahs durchschneiden wollte. Ein Freund hat ihr Leben erkauft!«

»Caramba, Junge, Du bist zu bescheiden!« meinte Eisenarm, sich ins Mittel legend. »Ich denke, Dein Wort gilt so viel wie das meine in der Wüste, und der Halunke kann sicher genug darauf pochen! Aber ich denke, unsere Arbeit hier ist getan, und es ist Zeit, daß wir uns aus dem Staube machen, wenn wir das heulende Gewürm hier zur Ruhe gebracht haben; da kommt unser Kamerad und wird gewiß meiner Meinung sein.«

In der That näherte sich Kreuzträger der Gruppe. Das Gesicht des alten Mannes hatte eine schwer bekümmerte Miene, denn er schätzte in der That den jungen Offizier hoch, und dessen schwere Verwundung betrübte ihn.

»Wir müssen aufbrechen, Compañeros, sagte er, »denn wir wissen nicht, was unterdes in der Hacienda geschieht, und haben die Pflicht, diese Frauen in Sicherheit zu bringen. Ich wünsche Ihnen Glück, Meister Eisenarm, daß Sie Ihren jungen Gefährten glücklich aus den Händen dieser Schurken befreit haben, und freue mich, einen wackeren Mann zu sehen, auch wenn seine Haut rot ist.«

Damit reichte er dem Indianer die Hand, die dieser mit leichtem Anstand und mit einer gewissen Ehrerbietung berührte.

»Mein weißer Vater ehrt einen armen Indianer,« sagte er bescheiden. »El Crucifero hat viele Winter gesehen, und sein Name ist der Schrecken in den Wigwams der Apachen. Ohne seine Hilfe würde Eisenarm einen Freund vermissen.«

» Parbleu! es ist wahr, wir haben alle das Unsere gethan,« meinte der Wegweiser. »Aber Deiner wackeren Schwester ist es hauptsächlich zu danken, daß wir einen so leichten Sieg errungen. Schade nur, daß er durch den Verlust eines so braven Mannes erkauft wurde, der gewiß bei einiger Erziehung eine Zierde der Prairie geworden wäre.«

»Ist der Offizier tot?« fragte der Trapper, indem er Miene machte, nach der anderen Gruppe zu gehen.

»Nicht doch, Compañero!« sagte der Alte, »er ist nur tüchtig verwundet und die Möglichkeit vorhanden, daß er davon kommt, wenn es uns nur gelingt, ihn gut fortzubringen und ihm bessere Hilfe zu verschaffen. Vor der Hand ist er gut genug aufgehoben unter der Sorge Deiner Schwester, Comanche, die so gut ist, wie der beste Doktor in den Städten. Aber fort müssen wir und zwar so bald als möglich. Was meinen Sie, Eisenarm, daß mit jenen heulenden Hexen geschehen soll?«

»Es wird am besten sein, sie insgesamt zu knebeln und hier zurück zu lassen, bis ihre saubern Männer und Brüder mit blutigen Köpfen wieder zurückkommen,« meinte der Jäger. »Aber was soll mit jenen Weißen geschehen, die so trotzig dreinschauen, als wollten sie noch einmal mit uns anbinden!?«

»Ich will mit Leuten nichts zu thun haben, die ihre eigene Farbe verleugnen, um mit roten Dieben und Mördern Genossenschaft zu machen,« murrte giftig der Wegweiser. »Es wäre besser gewesen, der General hätte dem bleichgesichtigen Engländer und seinem Krüppel den Hals umgedreht, statt sie wieder auf seine Fersen zu hetzen. Indes, das ist seine Sache, und wir haben uns nicht drein zu mischen! So Unrecht hatte der Mann ohnehin nicht; ich werde Ihnen ein anderes Mal die Geschichte erzählen, Kamerad. Aber wir haben sie hier als Bundesgenossen unserer Feinde gefunden, und deshalb dürfen wir sie nicht hier lassen, bis wir in Sicherheit sind, da man Christenmenschen doch nicht zusammenschnüren soll, wie einen apachischen Wolf! Parbleu! ich wenigstens hätte es nicht gethan! Erzeigen Sie uns den Gefallen, Señor Eisenarm, gehen Sie zu dem Lord und verkünden Sie ihm, daß er seine Waffen hier zurücklassen und uns begleiten muß, bis wir die Hacienda in Sicht haben, dann mag er meinetwegen gehen, wohin er will! Ich suche indes etwas, um unseren kranken Freund und die Señora zu transportieren.«

Während des Gespräches der beiden älteren Männer war der Toyah mit der ernsten Bescheidenheit zurückgetreten, die einen Grundzug seines Charakters bildete.

»Bedarf die Feuerblume noch meiner?« fragte er. »Das Ohr einer Schwester wartet, daß ein Häuptling der Toyahs ihm Dank flüstert für ihre Liebe, und ein Freund harrt, daß er seine Wunden untersuche.«

Die Haciendera kannte bisher die Schwester ihres roten Bruders nicht, da Windenblüte das Lager der Apachen bald verlassen hatte, nachdem sie von dem Grauen Bären und seiner Streifschar eingebracht worden. Sie kannte daher auch das aufopfernde und mutige Verhalten des jungen Mädchens nicht, war aber sehr geneigt, das Gefühl der Dankbarkeit gegen den Toyah, dessen ihr Stolz nach der ersten Aufwallung sich bereits wieder zu schämen begann, auf die Schwester zu übertragen.

»Wenn es Deine Schwester ist, Jaguar, von der Du mir, glaube ich, schon früher einmal gesprochen,« sie errötete unwillkürlich bei dieser Erinnerung, denn es war bei jener Gelegenheit, welche die Entfernung der beiden Tigreros aus ihrem Hause veranlaßt hatte, »so bringe sie zu mir. Ich will alles für sie thun, was ich vermag, um Dir meinen Dank zu beweisen.«

Der junge Mann entfernte sich gehorsam und trat zu Windenblüte, die noch immer nächst dem Vaquero mit dem Verwundeten beschäftigt war.

Leutnant von Kleist war durch den schweren Blutverlust ohnmächtig geworden; aber das Mädchen hatte ihn mit dem frischen Wasser der Quelle wieder zum Bewußtsein gebracht, und Kreuzträger, dessen Leben ihn manche ärztliche Hilfsmittel gelehrt hatte, durch Anlegung einer Art von Tourniquet, wozu Diaz seinen Gürtel hergab, die Blutung aus dem Schenkel gestillt.

Wonodongah legte die Hand auf die Schulter seiner Schwester. Das Mädchen erhob sich sofort und blieb in der gewöhnlichen demütigen Haltung der Indianerinnen vor ihm stehen.

»Was befiehlt der Jaguar der Toyah?« fragte sie.

»Der Geist unseres Vaters, der auf den ewigen Jagdgründen der Gerechten weilt, sieht mit Wohlgefallen auf Windenblüte herab. Sie ist wert, das Weib eines tapferen Kriegers zu sein.«

Eine tiefe Röte überzog Antlitz und Hals des Mädchens; sie beugte den Kopf noch tiefer auf den Busen, wie um sie zu verbergen. Ihr Auge haftete unwillkürlich auf dem verwundeten Offizier, und ein leichter Seufzer schwellte ihren dunklen Busen.

»Wonodongah wird der Windenblüte niemals vergessen, daß sie sich um seinetwillen in die Höhle der Wölfe gewagt,« fuhr der Toyah fort. »Der Jaguar ist stolz auf seine Schwester. Komm! Die glänzende Feuerblume der Prairie wünscht die bescheidene Windenblüte an ihrer Seite zu haben, es ist Platz für sie neben der weißen Frau.«

»Aber der Fremdling dort,« erinnerte zögernd die Indianerin. »Wenn ihm keine Sorge gewidmet wird, dürfte er bald bei dem großen Geist der Weißen sein. Er ist in der Verteidigung einer armen Indianerin verwundet worden.«

»Der Jaguar wird der Bruder des weißen Kriegers sein. Es ist gut! Windenblüte möge ihre Kräuter sammeln, wenn wir in Sicherheit sind, sie hat die Kenntnisse weiser Frauen. – Komm!«

Das indianische Mädchen folgte ihrem Bruder zu der Haciendera, die auf den Rat des Kreuzträgers einige Vorbereitungen zum schleunigen Aufbruch traf. Dolores, die dem Bruder gegenüber sich mit allem Stolz ihrer Abkunft waffnete, konnte dem Mädchen jede Freundlichkeit erweisen und suchte darin gleichsam eine Entschädigung für den Zwang, den sie sich in anderer Richtung auflegte.

Sie empfing daher das junge, bescheidene Indianermädchen, dessen Äußeres sofort ihre Neigung gewann, fast wie eine Freundin, wenigstens wie einen lieben Schützling und suchte sie in jeder Weise aufzumuntern, ihre demütige Haltung aufzugeben.

Während Kreuzträger die Transportmittel für die Frauen und die Verwundeten zusammensuchte, machten sich Eisenarm und sein indianischer Freund daran, die Weiber der Apachen außerstand zu setzen, der abziehenden Gesellschaft zu schaden. Es ging dies freilich nicht ohne Lärm und Widerstand ab, einige Drohungen und bei den Widerspenstigsten selbst einige derbe Püffe brachten die Sache jedoch endlich in Ordnung, und die sämtlichen Weiber, sieben an der Zahl, wurden an die Marterpfähle oder an Bäume angeschnürt, so daß sie von allen ihren Gliedern nur den freien Gebrauch ihrer Zungen behielten. Als dies Geschäft beendet war, näherte sich der Kanadier dem Zelt des Lords.

»Monsieur,« sagte er, »ich bin ein schlichter Jäger und will mir kein Urteil darüber erlauben, daß ein Mann unserer Farbe sich mit den schuftigsten Rothäuten in den Prairien verbündet gegen Christen und Landsleute. Ein jeder muß wissen, was er zu thun hat! Da wir aber diesmal die Sieger sind, müssen wir darauf bestehen, daß Sie uns mit Ihren beiden Gefährten oder Dienern so weit begleiten, wie wir es für unsere Sicherheit nötig halten. Sie werden Ihre Waffen hier zurücklassen und sollen, sobald wir unser Ziel erreicht haben, hierher zurückkehren, oder gehen können, wohin Sie sonst wollen.«

»Und wenn wir uns weigern?«

»Dann, Monsieur,« erwiderte der Trapper einfach, »werde ich keinen Anstand nehmen, Sie als unsern Feind zu betrachten und Ihnen eine Kugel durch den Kopf zu schießen. Entschließen Sie sich also kurz, denn wir haben keine Zeit zu verlieren.«

Dieser ernsten Logik und dem ruhigen, aber entschlossenen Wesen des Mannes gegenüber blieb dem Lord allerdings nichts übrig, als sich nach kurzer Beratung mit seinen beiden Dienern zu fügen. Volaros versuchte zwar, unter allerlei Vorwänden und Beteuerungen sich der Begleitung zu entziehen; Eisenarm machte diesem jedoch ein kurzes Ende mit der Erklärung, daß er dann gebunden mitgeführt werden würde.

Es war jetzt alles zum Abmarsch bereit. Auf den Rat Wonodongahs, der die Tiere des Engländers und seiner Begleiter zum Gebrauch für die Haciendera, deren Zofe und den Krüppel herbeigeholt hatte, bediente man sich eines ähnlichen Mittels, den verwundeten Offizier zu transportieren, wie es die Apachen bei dem Jaguar angewendet hatten: d. h. man legte den Leidenden, nachdem seine Wunden von der kundigen Hand des Kreuzträgers verbunden worden waren, auf eine Büffelhaut, die der Toyah und der junge Vaquero trugen. Kreuzträger, der sich möglichst fern von der Gesellschaft des Engländers hielt, eröffnete den Zug und leitete das Maultier der Haciendera, der ihre Zofe und der Malaye folgten. Dann kamen die Träger des Verwundeten, neben dem Windenblüte herging, der Lord und der Courier zu Fuß, und den Schluß bildete der Trapper.

Wonodongah hatte absichtlich nur die nötigsten Tiere von denen, welche die Apachen auf dem Weideplatz zurückgelassen, geholt, um den Marsch der flüchtigen Gesellschaft nicht zu erschweren, und drei Maultiere genommen, die in den Felsen und Bergen bessere Kletterer sind, als die an die Prairie gewöhnten Pferde. Ihre Absicht war natürlich, wenn dies noch möglich, die Hacienda zu erreichen oder wenigstens das am Abend gewählte Versteck, wo sie ihre Pferde zurückgelassen hatten, und von wo sie dann von dem Ausgang des Überfalls sich Nachricht verschaffen konnten.

Die kleine Gesellschaft hatte etwa zehn Minuten die Schlucht verlassen, deren Stelle jetzt nur durch das Geschnatter der Weiber unterbrochen wurde, als die Gebüsche in der Nähe des Sturzes des Bergbaches sich nochmals teilten und eine dunkle Gestalt erscheinen ließen.

Es war der zehnte der Krieger, denen die Bewachung des Lagers anvertraut worden war, derselbe, der bei dem Beginn des Kampfes mit einem Gefährten ein Versteck gesucht und aus diesem den Schuß nach dem Offizier abgegeben hatte.

Obschon der Kreuzträger durch seine Beobachtung des Abzugs der Apachen von der Höhe der Felswand her die Zahl der zurückgelassenen Wächter sehr wohl kannte, hatte er in der Eile des Aufbruchs auf das Fehlen dieses einen in der Zahl der Besiegten nicht geachtet oder wahrscheinlich geglaubt, daß gleich der zweiten Schildwache am Eingang der Schlucht sein Heil in der Flucht gesucht haben mochte.

Der Apache glitt, nachdem er sich nochmals vorsichtig auf dem Kampfplatz umgeschaut, die Flinte in der Hand, gleich einem Schatten zwischen den Bäumen, den Leichen und den verglimmenden Feuern hindurch, ohne auf den Zuruf der gefesselten Weiber und ihr Verlangen, sie zu befreien, irgendwie zu achten, und verschwand im Ausgang der Schlucht, die Spur seiner Feinde verfolgend.


Der Zug Kreuzträgers und seiner Gefährten setzte unterdes mit möglichster Hast, aber auch mit der größten Vorsicht seinen Weg weiter fort. Mehrmals machte der durch die steten Gefahren der Wildnis erprobte alte Führer Halt, um mit dem Ohr auf dem Boden zu lauschen, und einmal rief er sogar Wonodongah herbei, auf dessen scharfe Sinne er großes Vertrauen setzte, um sich über ein vernommenes fernes Geräusch oder den einzuschlagenden Weg mit ihm zu verständigen, da er wußte, daß er als Tigrero einige Zeit mit seinem Freunde in der Umgegend der Hacienda verweilt hatte.

Während dieses Haltes hatte Eisenarm die Stelle seines jungen Freundes an der improvisierten Sänfte des Verwundeten eingenommen, und als bei dieser Gelegenheit der Courier glaubte, sich seiner Aufmerksamkeit entziehen zu können und dazu einen Versuch machte, zurückzubleiben, ihn sehr ernst bedeutet, daß er bei der geringsten Wiederholung auf jede Gefahr hin eine Kugel durch den Kopf bekommen oder einen Messerschnitt durch die Kniesehnen erhalten würde.

Jedem weiteren Versuch machte übrigens der Lord auch dadurch ein Ende, daß er dem Mestizen befahl, mit Wonodongah und Diaz in dem Tragen des Offiziers abzuwechseln.

Kreuzträger und Eisenarm hatten anfangs gehofft, die Hacienda del Cerro noch vor dem Anbruch des Tages, also vor der Zeit des Angriffs der Apachen erreichen zu können, und da sie sehr richtig vermuteten, daß der Angriff von der Seite der Ebene her erfolgen werde und wußten, daß man in der Hacienda auf jedes Zeichen aufmerksam sein würde, wollten sie den Versuch wagen, den östlichen Eingang zu gewinnen. Dies wäre auch vielleicht geglückt, wenn nicht zwei Umstände sich vereinigt hätten, diesen Plan zu durchkreuzen.

Der erste und schlimmste war die Verzögerung ihres Marsches durch den Transport des Verwundeten.

Eisenarm hatte allerdings einmal den Vorschlag angedeutet, ihn in einem sicheren Versteck zurückzulassen, bis man ihm von der Hacienda aus Hilfe senden könne, aber der Kreuzträger und Wonodongah erklärten sich aufs bestimmteste dagegen, und so mußte man sich in die Verzögerung finden.

So war die Zeit kurz vor Anbruch des Tages herangekommen und die Gesellschaft noch eine volle Legua von der Hacienda entfernt, als man in der Richtung von ihr her eine feurige Garbe in die Wolken schießen und in der Höhe zu hundert Sternen sich auflösen sah. Gleich darauf brachte der von der Ebene herkommende Wind den dumpfen Schall entfernten Büchsenfeuers.

Der Wegweiser machte sogleich Halt. » Parbleu!« sagte er hastig, »die tückischen Teufel haben bereits ihr Spiel begonnen, aber unsere Freunde haben sich zum Glück nicht überraschen lassen, wie jene Feuerkugel beweist. Legt den Offizier sanft nieder, Bursche, wir müssen beraten, was wir zu thun haben, um dem Senator zu Hilfe zu kommen. Ich denke, vier gute Büchsen im Rücken der Schurken würden nicht übel wirken.«

Es erfolgte eine kurze Beratung, die mit dem Resultat schloß, daß Kreuzträger und der Indianer vorwärts gehen und einen Versuch machen sollten, den Verteidigern Beistand zu bringen, während Eisenarm mit Diaz, den Frauen und den Gefangenen vorläufig zurückblieb. Die beiden älteren Männer waren noch in der Besprechung des Planes begriffen, als der Toyah die Hand auf den Arm seines Freundes legte.

»Hugh!«

Der Trapper wandte sich sogleich zu ihm. »Was meinst Du, Jaguar, was giebt's?«

Der Comanche stand in der Stellung eines aufmerksam Lauschenden und begnügte sich ein Zeichen des Schweigens zu machen.

In der That hörte man auch nach einigen Augenblicken das Wiehern eines Pferdes, zwar in ziemlicher Entfernung, aber doch deutlich genug, um zu begreifen, daß es von einer Stelle zwischen ihnen und der Hacienda herkommen mußte.

Gleich darauf antwortete der gleiche Laut von mehreren Tieren.

»Caramba!« flüsterte der Trapper, »der Bursche hat recht. Die Indianer müssen zwischen uns und dem Hause Posten aufgestellt haben, und zwar nicht wenige, nach den Pferden zu schließen.«

»Die weißen Freunde mögen sich kurze Zeit gedulden,« sagte der Toyah, »ich werde ihnen Nachricht bringen.« Ohne ihre Einwilligung abzuwarten, lehnte er seine Büchse an einen Felsblock und verschwand im Dunkel.

Das Schießen in der Ferne dauerte fort, ebenso ließen sich die Pferde vor ihnen noch mehrmals hören. Dem Ton nach zu schließen konnten sie wohl eine Viertelstunde weit entfernt sein.

Nach der doppelten Zeit etwa tauchte der Comanche so plötzlich und geräuschlos wieder aus dem Schatten auf, wie er verschwunden war. Ohne ein Wort zu sagen, ergriff er den Zügel des Maultieres, das die Sennora trug, und wandte es zurück.

»Zum Henker, was giebt es, Jaguar? sprich?«

Der Comanche hielt sich mit einer Antwort nicht auf, sondern setzte mit einer gewissen Eile den Rückweg fort. Erst als sie zwischen den Bergen und Steinblöcken außer Hörweite waren, blieb er einen Augenblick stehen und erwartete die anderen Mitglieder der Gesellschaft, die ihm mit Besorgnis gefolgt waren.

»Mein weißer Vater,« sagte der Toyah zu dem Kreuzträger, »hat von einem Versteck gesprochen, in das er die Pferde gebracht hat und wohin er sich bei einer Bedrohung zurückzuziehen gedachte. Will er mir sagen, ob wir weit davon sind?«

»El Crucifero meint das Thal der Verdammten, Jaguar,« antwortete für den Wegweiser der Trapper.

»Gut! Dann ist unsere Absicht dieselbe. Kommt!«

»Aber warum uns zurückziehen, ehe wir die Ursache wissen?«

»Mechocan, der Fliegende Pfeil, mit zweihundert Reitern der Mimbrenos ist zwischen uns und der Hacienda; er bewacht den Weg.«

In der That hatten, gegen die sonstige Gewohnheit der Indianer, Wis-con-tah und der Graue Bär die Vorsicht gehabt, in den Kriegern der Mimbrenos sich eine Art Reserve zwischen der Hacienda und dem Gebirge aufzustellen, die zugleich den Zweck hatte, jeden Fluchtversuch der Besatzung nach dieser Seite zu hindern.

»Aber mein Vater?« bat voll Angst die Señora. »Um der heiligen Jungfrau willen, Männer, verlaßt meinen Vater nicht in der Gefahr!«

»Der große Gott der Weißen wird den Mann mit den hundert Häusern schützen. Er hat die Mauern von Stein zwischen sich und den Apachen, und seine Augen sind offen. Wir haben nichts zu dem Schutz der Feuerblume, als unsere Vorsicht.«

Diese entschiedene Erklärung, wie die stolze Spanierin wohl fühlte, hauptsächlich von der geheimen Leidenschaft des jungen Häuptlings diktiert, beendete jede weitere Erörterung, und die Gesellschaft, an deren Spitze jetzt Wonodongah, das Maultier der Dame führend, ging, setzte eilig ihren Weg fort.

Zweimal während der beschwerlichen Windungen durch Schluchten und Felsmassen hin, immer bergauf, hielt Eisenarm, der wie zu Anfang den Nachtrab bildete, an, um auf ein Geräusch zu lauschen, das an sein aufmerksames Ohr gedrungen war; da es sich aber nicht wiederholte, gab er bald jede Besorgnis auf und bemerkte also nicht, daß der Krieger, den sie bei dem Kampf auf dem Lagerplatz unbeachtet zurückgelassen hatten, noch immer wie ein Spürhund unverdrossen bis zu dem gewählten Versteck ihnen folgte.

In etwa einer halben Stunde hatten sie dies erreicht, zur selben Zeit etwa, wo der Haciendero mit der Entladung seines kleinen Geschützes den zweiten Sturm der Apachen abschlug.

Der Knall desselben drang, von dem Echo der Felsen getragen, bis zu ihren Ohren, und als sie von Dolores von dieser neuen Vermehrung der Verteidigungsmittel der Haciendera hörten, die erst nach der Zeit des Dienstes Wonodongahs und Eisenarms angeschafft worden war, hofften sie mit Bestimmtheit auf den Sieg der Besatzung.

Das von dem Wegweiser bei seiner Rekognoscierung am Tage vorher aufgefundene, Diaz und den beiden Tigreros wohlbekannte Versteck bestand, wie erwähnt, in dem Krater eines vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden ausgebrannten Vulkans. Der Weg dahin war schwierig genug, und der Ort selbst der Art, daß er leicht die Verteidigung einiger entschlossener Männer gegen eine große Übermacht gestattete.

Die steilen, hoch aufstrebenden und glatten Wände des geräumigen Kraters erlaubten nur an einer Stelle, wo sich wahrscheinlich bei einem letzten Ausbruch des unterirdischen Feuers die Lava durch den von den Konvulsionen des Berges zerrissenen Felsenring den Ausweg gebahnt hatte, den Zugang in die Tiefe. Diesem Zugang gegenüber in der ihm entgegen liegenden Wand hatte das Erdbeben oder das Feuer eine tiefe Höhlung in der Kraterwand gebildet, die durch die wild umher gestreuten aus der Tiefe des jetzt von ihnen geschlossenen Schlundes geschleuderten Steinblöcke noch mehr gedeckt war. Kein Baum, kein Strauch, kein Halm unterbrach die grausige Öde des Kessels, da die starke Schwefeltränkung des Bodens jede Vegetation unmöglich machte. In dem wachsenden Lichte des Morgens, unter dem Wogen des der Erde entsteigenden Nebels bot der Felsenkessel einen phantastischen geisterhaften Anblick, der wohl seinen Namen unter den Hirten der Umgegend rechtfertigte, und selbst bei dem vollen Lichte der Sonne durch die schauerliche Öde und das Ungeheuerliche seinen Eindruck nicht verfehlte.

Wie schwierig auch der Zugang zu finden war, Wonodongah, der mehr als einmal mit seinem älteren Freunde hier verweilt hatte, schritt ohne Zögern vorwärts, und bald befand sich die kleine Gesellschaft in dem Kessel, wo sie von dem Schnauben und Wiehern der dort angepflöckten Pferde begrüßt wurde. Hier machte man einen kurzen Halt, bis der Indianer und Diaz in der Höhle selbst ein Feuer angezündet hatten, was schon der Frauen wegen bei der Kälte, die selbst in den Tropengegenden in den Gebirgen bei Nacht herrscht, und um den giftigen Einwirkungen des Morgennebels zu begegnen, dringend notwendig war. Bei der Tiefe der Höhle, der Höhe der Wände des Kessels und der Abgelegenheit desselben war keine Gefahr, daß Flamme oder Rauch zu dieser Zeit ihr Versteck verraten sollten.

Als das Feuer, zu dessen Unterhaltung der Jaguar und sein Gefährte auf dem Wege Holz und Reiser gesammelt hatten, lustig brannte, wurden der Verwundete, die Frauen und die Gefangenen dorthin geführt, während der Wegweiser die Tiere zu ihren Gefährten brachte und dort befestigte. Alle fühlten das Bedürfnis einiger Ruhe und Erquickung, denn Eisenarm und seine Begleiter hatten seit dem vorigen Morgen nichts zu sich genommen. Dennoch war das erste, was die wackern Herzen thaten, die Sorge für den Verwundeten. Mit den wenigen vorhandenen Decken bereiteten sie für ihn ein möglichst bequemes Lager, und im Licht des Feuers begann jetzt der Wegweiser eine genauere Untersuchung der Wunden.

Es fand sich, daß die Kugel in der Seite an den Rippen abgeglitten sein mußte und zwischen zweien derselben steckte, ohne daß ein wichtigeres Lebensgefäß verletzt zu sein schien, denn der Offizier atmete ohne Beschwerde. Mit einem Kreuzschnitt seines Messers holte Kreuzträger glücklich die Kugel aus der Wunde. Die schlechte Beschaffenheit der von den Amerikanern den Apachen gelieferten Flinten hatte offenbar bei der geringen Entfernung die kräftigere Wirkung des Schusses verhindert.

Schlimmer war die Speerwunde im Schenkel, und hier mußte man sich vorläufig allein auf die Jugendkraft des Kranken und die Kunst der jungen Indianerin verlassen. Comeo war in der Kenntnis heilkräftiger Kräuter, wie sie in gewissen Familien der Stämme sorgsam bewahrt und von Mutter aus Tochter vererbt wird, wohl erfahren, und es hatte der Erinnerung ihres Bruders nicht erst bedurft, um sie zu veranlassen, während das Mondlicht noch ihren Weg beschien und sie neben der Krankenbahre herging, verschiedene Pflanzen zwischen dem Gestein und an den Anhängen zu suchen und sorgfältig zu verwahren. Diese zerrieb sie jetzt zwischen zwei Steinen und legte sie auf die Wunden des Offiziers, die darauf, so gut es anging, verbunden wurden. Unterdes hatte Eisenarm aus seiner Jagdtasche einen kleinen Vorrat getrockneter Streifen von Hirschfleisch genommen und sie an dem eisernen Ladestock seiner Büchse zu rösten begonnen. Der Geruch des schmorenden Fleisches wurde behaglich von allen eingesogen, während das Gespräch sich um den wahrscheinlichen Ausgang des Kampfes an der Hacienda drehte, und die Männer die Dame zu beruhigen suchten. Bei ihrer geringen Zahl blieb ihnen keine andere Wahl, als das volle Tageslicht zu erwarten, um dann einen oder den andern auf Kundschaft auszusenden und nach dem Ergebnis ihre weiteren Maßregeln zu nehmen.

Der Lord und seine Diener hatten sich an der Wand der Höhle niedergesetzt, Volaros möglichst im Schatten. Der Jaguar bewachte den Eingang. Seine schwarzen Augen glitten häufig über die kleine Gesellschaft, wobei sie stets auf dem bleichen, aber noch immer stolzen Antlitz der schönen Haciendera hängen blieben, bald den etwa sechzig Schritt entfernten Eingang des Kessels bewachend, ohne daß seine Hand die Büchse losließ.

Die Rotschnitte des Trappers mundeten allen Mitgliedern der Gesellschaft sehr wohl, selbst Dolores verschmähte es nicht, damit ihre erschöpften Kräfte zu stärken.

» Parbleu,« sagte der Wegweiser, mit dem Ärmel seiner Bluse sich den Mund wischend, »Ihre Fleischschnitten, Compañero, waren vortrefflich; aber ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich einen guten Trunk dazu herzlich vermisse, und wenn es selbst nur frisches Quellwasser wäre.«

Der Lord von Drysdale machte eine gebietende Bewegung gegen den Courier. »Geben Sie!«

»In der That,« sagte der Regierungsbote, »ich habe eine Flasche vortrefflichen Rum in meiner Tasche, und es soll mich freuen, wenn ich damit unsern Beitrag zu dem Frühmahl bringen kann.«

Er zog eine jener dunklen weitbauchigen Flaschen aus seiner Umhangtasche, deren Aussehen schon den echten Ursprung der westindischen Inseln verkündet, und bot sie mit einer gewissen Schüchternheit aus dem Dunkel, in dem er bisher gesessen, hervortretend, dem Kreuzträger.

Der Blick des alten Wegweisers richtete sich sehr natürlicherweise mit Gleichgültigkeit auf den Darbietenden, aber er wurde plötzlich ernster und stechender, je länger er auf dem Antlitz des Couriers verweilte, dessen zwischen dem großen schwarzen Vollbart allein sichtbare Teile unter dieser Prüfung erblaßten, während das Auge verwirrt den Boden suchte.

»Lassen Sie die Flasche weiter gehen,« sagte er mit gewaltsam unterdrückter Aufregung, »ich liebe dies Getränk nicht!«

Volaros reichte die Flasche an die Señora, die einige Tropfen in die hohle Hand goß und sich damit erfrischte.

Der Wegweiser stemmte den Ellenbogen auf sein Knie, stützte den Kopf in die Hand und versank in tiefes Nachdenken. Eisenarm zeigte dagegen weniger Bedenken als er; denn er hielt mit dem Trunk aus der Flasche nicht eher inne, als bis ein Dritteil derselben geleert war. Erst dann reichte er sie, da, wie er wußte, der Toyah niemals das Feuerwasser der Weißen berührte, an Diaz weiter.

»Beim Bart meines Vaters und der Haube meiner Mutter! Gott lasse die alten Geschöpfe die ewigen Freuden genießen! – Seit San Francisco habe ich keinen so guten Tropfen wieder genossen,« meinte Eisenarm, »und Du verlierst in der That viel, Jaguar, daß Du nichts als Wasser trinkst, was in diesem Loch nicht einmal zu haben ist. Aber was habt Ihr, Compañero? Ihr seid auf einmal so still und nachdenkend geworden, und die Sache eines alten Reisenden, der so manchen Marsch durch die Einöde gemacht hat, ist es doch sonst nicht, einen Schluck zu verschmähen!«

Der Wegweiser machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand.

»Ich bedarf des Trunkes nicht,« sagte er ernst, »zur Erfüllung der Aufgabe meines Lebens muß mein Auge klar und mein Kopf frei sein. Hört, Freunde, ich dachte eben an diesem Ort, den man den bösen Geistern nach seinem Namen überwiesen glaubt, an jene seligen und guten Geister, deren Andenken jede Stunde der Ruhe erfüllt. Wenn Ihr die Geschichte eines alten vom Unglück schwer getroffenen Mannes weiter hören wollt, so möchte ich sie Euch Wohl jetzt erzählen.«

»Thun Sie das, Kamerad! Ehe ein Sonnenstrahl über die Wände dieses Kessels dringt, haben wir noch eine Stunde Zeit, und ich wüßte nicht, wie wir sie besser ausfüllen könnten. Sehen Sie, selbst unser kranker Freund hier, richtet Ihnen den Kopf voll Aufmerksamkeit zu. Auch bin ich wirklich neugierig, zu erfahren, welche Teufeleien die Schlange Ihnen weiter angethan hat.«

Der Kreuzträger richtete sich auf dem Stein, auf dem er am Feuer saß, empor. Die Büchse zwischen den Knieen, die Hände um den Lauf gelegt, begann er in eintöniger Weise die Fortsetzung seiner Geschichte, während die Flamme des Feuers sein gefurchtes Gesicht und das weiße lange Haar, das es umrahmte, mit einem flackernden Schein beleuchtete. Nur zuweilen hob er die über die Mündung des Gewehrs gebeugte Stirn und die auf den Boden gerichteten Augen und warf einen Blick auf die Wand gegenüber, in deren Schatten der Lord mit seinen beiden Begleitern saß.

Am Eingang der Höhle kämpfte das wachsende Morgenlicht gespenstig mit den Reflexen des Feuers und den leise wogenden Nebeln.

»Ich habe Ihnen bereits erzählt,« lauteten die Worte des Wegweisers, »daß wir bei unserem ersten Halt in der Einöde die Cisterne wasserleer, oder vielmehr unbenutzbar gemacht gefunden hatten, daß wir aber in diesem Unfall eben nur einen Leichtsinn von Jägern oder Reisenden erblickt hatten, keineswegs eine gerade auf uns gemünzte Absicht. Wir fügten uns daher so gut es ging in die Unannehmlichkeit, teilten das wenige noch in den Schläuchen vorhandene Wasser mit unseren Tieren, die überdies in dem Grase des feuchten Bodens erfrischende Nahrung fanden und schlugen unser Lager für die Nacht auf, um am andern Morgen vor Tagesanbruch mit verdoppelter Eile weiter zu ziehen und die nächste Cisterne baldmöglichst zu erreichen. Die dritte Station bot dann eine reichliche Quelle, an welcher wir uns mit Wasser für die nächsten Tagereisen versorgen konnten.

Ich konnte die Nacht wenig schlafen, es lag wie ein Druck auf meiner Brust. Aber sie verging ruhig, keine Spur von Gefahr ließ sich merken, und eine Stunde vor Aufgang der Sonne weckte ich meine Familie und meine Begleiter zum Aufbruch. Dieser wurde möglichst beeilt, und als die Sonne eine Mannshöhe über dem Horizont stand, hatten wir schon ein tüchtiges Stück Weges in die Einöde hinein zurückgelegt. Ich hatte meine kärgliche Wasserportion dem jungen Paare gegeben, zu deren sicheren Überführung ich mich verbindlich gemacht; denn ich wußte, daß ich besser die Leiden des Durstes auf dem vor uns liegenden Marsch ertragen konnte, als die solcher Widerwärtigkeiten ungewohnten Reisenden. Mit der steigenden Sonne wuchsen übrigens die Unannehmlichkeiten des Marsches. Die brennenden Strahlen machten bald Menschen und Tiere nach einem Trunk lechzen und nur mit aller Energie vermochte ich sie vorwärts zu treiben. Selbst die Tiere begannen unruhig und erschöpft zu werden; der frühere so muntere Ton unseres Zuges hatte sich, noch ehe der Abend heran kam, in düsteres Schweigen verwandelt, und nur die Aussicht auf die nahe Hilfe hielt uns aufrecht.

So kamen wir endlich, eine Stunde vor Sonnenuntergang, an die Stelle, wo die zweite Cisterne lag. Ich erkannte sie schon von fern an der Lage zweier Hügel, die ich mir wohl gemerkt, und deutete sie meinen erschöpften Reisegefährten an, deren schwindende Kraft sich aufs neue dadurch erfrischte. Selbst die Tiere schienen davon ermuntert, und mit rascherem Schritte ritten wir dem Orte zu.

Aber je näher wir kamen, desto beklommener wurde mir ums Herz, denn ich bemerkte auf dem Boden jetzt mehrfach noch ziemlich frische Spuren von Hufen und Füßen, die jenen glichen, die wir an der ersten zerstörten Cisterne gefunden hatten. Da bestätigte plötzlich ein Ruf, begleitest von einer Verwünschung, den Robert, mein Sohn, der auf seinem Mustang nach der Cisterne vorausgaloppiert war, ausstieß, meine schlimmen Ahnungen. Wenige Augenblicke darauf hatten wir uns alle von dem Schrecklichen überzeugt, die Cisterne war leer, mit ebenso teuflischer Bosheit zerstört und unbrauchbar gemacht, wie die erste.

Der Schlag war schrecklich, um so schrecklicher, als mir im Augenblick klar wurde, daß hier nicht von einem Zufall, sondern nur von einem wohl überlegten Plan die Rede sein konnte, der mich und die Meinen verderben sollte. Wir hatten einen unsichtbaren Feind in unserer Nähe, der gefährlicher war, als ein offener Angriff; denn er überlieferte uns einem schlimmeren Geschick, als Kugel und Pfeil sein konnten, dem Tode des Verschmachtens.

Wer dieser Feind sein konnte, wagte ich noch kaum zu bestimmen, da ich wußte, mit welcher unverbrüchlichen Treue die Indianer ihre Verträge halten, obschon die Spuren an beiden verschütteten Cisternen offenbar von solchen herrührten.

Wir Männer standen ratlos und finster da, während die Frauen weinten und die erschöpften Tiere in dem feuchten Boden wühlten. Unsere Lage war entsetzlich. Seit sechsunddreißig Stunden hatten wir keinen Tropfen Wasser mehr gesehen, und was das in der Wüste, unter den brennenden Strahlen der Sonne bedeuten will, werden die meisten von Ihnen begreifen. Unser Gaumen war hart und trocken, unsere Kräfte waren erschöpft. Das heisere Stöhnen der Tiere bewies, daß sie dasselbe litten wie wir.

Ich fühlte jedoch, daß es vor allem an mir sei, den Kopf und den Mut nicht zu verlieren, da alle von mir allein Hilfe erwarteten. Ich gab daher den Befehl, trotz des Mangels an Wasser an dieser Stelle zu lagern, denn wir hätten ohnehin ohne Rast keine Legua weiter gekonnt, und rief die Männer zu einer Beratung zusammen. Auf dem Wege, den wir gekommen, zurückzukehren, war unmöglich, wir hätten zwei starke Tagreisen zurücklegen müssen, ehe wir wieder zu der Quelle gekommen wären, in deren Nähe ich die Unterhandlung mit dem lügnerischen Häuptling der Mescaleros gepflogen hatte. Es blieben uns also nur zwei Wege übrig: vorwärts zu gehen oder uns zur Seite zu wenden, um die Ufer des Sees Aquaverde zu erreichen. Aber da wir uns auf unserem letzten Marsch mehr davon entfernt, hätten wir, soviel ich beurteilen konnte, von dem Punkt, an dem wir gegenwärtig lagerten, auch anderthalb Tagreisen gehabt, und ich mußte bezweifeln, daß Tiere und Menschen die Kraft behalten würden, diese zurückzulegen.

Dagegen mußte sich vor uns in der Entfernung von höchstens drei Leguas die dritte und wichtigste Wasserstation des Weges, eine aus ihrem Felsenbett hervorsprudelnde Quelle befinden, deren Segen nicht von der Bosheit unserer Feinde zerstört sein konnte.

Es war dies der Ort, den die »Schwarze Schlange« den jungen Männern zum Rendezvous für die Büffeljagd bestimmt hatte, und noch immer hegte ich eine leise Hoffnung, daß jene boshafte Handlungsweise nicht von dem Häuptling ausgegangen sei. In diesem Glauben bestärkte mich auch Xaverio, der von uns allen am besten den Wirkungen des Durstes zu widerstehen schien und frisch und kräftig blieb. So wurde denn mit allgemeiner Zustimmung beschlossen, die Nacht so gut wie möglich zuzubringen und am andern Morgen unter Zurücklassung des größten Teiles des Gepäcks mit den also erleichterten Tieren die Quelle aufzusuchen.

Da die Mustangs, die Xaverio und mein Sohn ritten, sich noch am muntersten zeigten, machte der erstere den Vorschlag, daß sie beide sofort zur Quelle aufbrechen und wenn sie diese gefunden und ihre Pferde getränkt hätten, am nächsten Morgen mit gefüllten Schläuchen zurückkehren wollten, um Menschen und Tiere zu erfrischen und ihnen so den Weitermarsch möglich zu machen. Nur mit schwerem Herzen entschloß ich mich, dem Plane beizustimmen, aber er hatte so viel Verlockendes und das Elend um mich her war so groß, daß ich endlich, da der Kapitän sich erbot, den Ritt mit zu wagen, nachgab.

Mein wackerer Knabe suchte unsern Mut zu heben, indem er seine eigenen Leiden unterdrückte und sich voll Hoffnung und Zuversicht stellte. Ich empfahl Xaverio, die größte Vorsicht zu beobachten und sorgfältig über ihn zu wachen, und der Bösewicht versprach es mit zehn Eiden. So ritten sie fort, nachdem Masterton sich fast mit Gewalt aus den Armen seiner Gattin gerissen hatte, die ohnmächtig zurückblieb. Aber der wackere Kapitän hatte ihre Leiden nicht länger mit ansehen können und war entschlossen, alles zu wagen, um sie zu lindern.

Wir sahen die drei Reiter im Dunkel der Nacht verschwinden; in welcher schrecklichen Lage sollten wir zwei von ihnen Wiedersehen!

Die Nacht verging unter fortwährend sich mehrenden Leiden. Sehnsüchtig waren unsere Blicke nach Westen gerichtet, um die Rückkehr der Boten mit dem belebenden Trank zu begrüßen. Wir berechneten die Stunde, die Minuten, nach denen sie eintreffen konnten, die Sterne erbleichten, die Zeit kam, aber noch immer ließ sich nichts hören. Unsere Arrieros brachten die Nacht bald mit Schlaf, bald mit Gebet zu ihren Schutzheiligen oder wilden Verwünschungen zu; mein gutes Weib saß mit verhülltem Haupt, ich wagte nicht zu fragen, ob sie wache? Maria hatte sich in Schlaf geweint und lag mit dem Kopf im Schoß ihres Bräutigams, während die junge Mexikanerin wimmernd und klagend auf ihrer Decke sich wand.

Freund, ich habe oft gehört, daß es Schiffbrüchigen begegnet ist, auf dem Meere selbst alle Qualen des Durstes

Textzeile fehlt im Buch. Re.

 

Aber ich glaube doch, der Mangel des Wassers in der Wüste ist noch etwas anderes, als auf dem Meere. Kein lebendes Wesen kann es hier über die Hälfte dieser Zeit aushalten. Ich bin ein unwissender Mann und kann dies nicht anders erklären, als daß die Feuchtigkeit der Luft, wie sie doch immer auf dem Wasser herrschen muß, das Bedürfnis des Trinkens weniger hervortreten läßt, als auf dem Lande, ja ich erinnere mich, daß ich auf der Fahrt von San Francisco nach Guaymas tagelang zugebracht habe, ohne der Wassertonne ein einziges Mal zuzusprechen. Aber in der Wüste ist es anders! Die brennenden Sonnenstrahlen glühen den Boden und die Luft aus, Kehle und Eingeweide verdorren, und das Hirn brennt schon nach den ersten vierundzwanzig Stunden. In jener Nacht, Freunde, lernte ich erst erkennen, welches Geschenk des Himmels ein erfrischender Regen für Erde und Menschen ist!

Die Sonne stieg am Horizonte empor, ein glühender Feuerball, der einen heißen Tag verhieß! Unseren brennenden Augen bot sich, so sehr sie auch spähten, noch immer keine Spur von unseren Lieben, und die jetzt mit Macht sich erhebende Besorgnis um sie erhöhte noch unsere Leiden.

Hatten sie die Quelle verfehlt, waren sie in die Hände unserer unbekannten, unsichtbaren Feinde gefallen? Aber Xaverio kannte den Weg so gut wie ich, er hatte ihn selbst mit mir gemacht, konnte also nicht den ohnehin durch seine Naturbildung ausgezeichneten Ort verfehlt haben, und wenn uns unsere geheimnisvollen Feinde hätten töten wollen, was hinderte sie noch, uns anzugreifen? Die meisten von uns hätten kaum noch ihre Büchse heben können oder heben mögen zur Verteidigung ihres Lebens.

Ich beschloß, auf jede Gefahr hin aufzubrechen, um unseren Boten entgegen zu gehen. Alles Gepäck sollte an der Stelle, wo wir gelagert, zurückbleiben; denn fanden wir Wasser, so konnten wir zurückkehren, es zu holen; betraf uns ein Unglück unterwegs, so nützte es uns ohnehin nichts. Die erschöpften Tiere hätten es überdies nicht zu tragen vermocht; das Licht des Tages zeigte mir erst, welche Fortschritte unsere Leiden während dieser Nacht gemacht hatten! Die Gesichter der Menschen waren hohlwangig, die Augen begannen in Fieberhitze zu glühen, die Zungen der Tiere hingen lang, hart zwischen ihren Zähnen hervor, kaum konnten wir sie mit Stößen und Schlägen bewegen, aufzustehen. Ich rief einem der Arrieros zu, ein Gefäß herbeizubringen. Dann ließ ich eines der Maultiere binden, öffnete ihm die Pulsader am Hals und fing das Blut auf. Der Tod des armen Geschöpfes mußte unser Leben fristen, wir tranken jeder einen Teil des Blutes, nur Maria, meine Tochter, konnte sich nicht überwinden und wies den eklen Trank von sich.

Nachdem wir so wenigstens unsere vertrockneten Gaumen genetzt, ohne uns dadurch erfrischen zu können, setzten wir die drei Frauen auf die kräftigsten Tiere und begannen unseren elenden Zug. Wir nahmen von all unserem Eigentum nichts mit uns, als unsere Waffen, und selbst diese warf ein Teil der Männer unterwegs fort, um sie nicht mehr schleppen zu müssen. Ich hatte den Beutel, in dem ich in Gold und guten Wechseln auf Chihuahua meine Habe nebst den nötigsten Papieren verwahrte, in meine Jagdtasche gesteckt und marschierte mit Aufbietung aller Kräfte bald voraus, bald hinter dem Zuge, um die Säumigen und Mutlosen anzutreiben, während Severin, mein Schwiegersohn, die Tiere der Frauen führte, und unsere andern Begleiter und Diener die keuchenden widerwilligen Tiere hinter sich drein zogen.

Wir mochten etwa eine Legua zurückgelegt haben, als einer der Arrieros, der jüngste und kräftigste von allen sich weigerte, weiter zu gehen. Er warf sich zu Boden und erklärte, hier sterben oder abwarten zu wollen, daß wir ihm von der Quelle aus Beistand sendeten. Vergebens waren meine Bitten und Ermahnungen, mit heiserer, kaum noch den menschlichen Tönen ähnlicher Stimme stieß er eine lästerliche Verwünschung gegen mich aus, daß ich ihn zu dieser Reise verführt, und kauerte sich dann stumm auf dem vom heißen Sonnenbrand zerrissenen Boden nieder. Ich konnte nichts weiter thun, als eine der leichten Decken, die unsere Maultiere schützten, über ihn werfen und ihn seinem Schicksal überlassen. Nur Gott und den Heiligen ist dieses bekannt.

Noch gräßlicher aber war das eines zweiten unserer Leidensgefährten, eines Mannes, der bereits fünfzehn Jahre in meinem Dienst gestanden und viele Reisen mit mir gemacht hatte. Seit unserem Aufbruch und seitdem er das Blut des Tieres getrunken, war der arme Antonio still und tiefsinnig mit uns dahin geschritten, gleich einer willenlosen Maschine, ohne Klage, aber auch ohne ein Wort des Mutes und der Hoffnung. Mit Entsetzen bemerkte ich jetzt, daß seine Augen einen unnatürlichen Glanz annahmen und wie in Verzückung umherrollten. Er begann mit seiner heiseren Stimme zu singen und das wirrste Zeug zu schwatzen. Seine Visionen schienen ihm einen großen See voll kühlen Wassers vorzuzaubern, nach dem er die Hände ausstreckte, und plötzlich, ehe wir es hindern und ihn mit Gewalt festhalten konnten, sprang er aus dem Zug und rannte davon in die Wüste hinein, in einer Richtung, gerade entgegengesetzt der, in welcher der See Aquaverde lag. Der Sonnenbrand hatte ihn wahnsinnig gemacht!

Was soll ich Ihnen weiter von unserem Elend auf diesem traurigen Wege erzählen. Wir waren jetzt noch sechs Männer, ich, mein Eidam und vier der Diener nebst den drei Frauen. Gleich Schatten wankten wir über die Ebene, auf der wir nach und nach vier der Tiere zurücklassen mußten; es waren jetzt über fünfzig Stunden, daß wir kein Wasser gesehen, und wir vermochten nicht mehr, sie weiter zu treiben.

Nicht unser geringstes Leiden aber war bei dem allen, daß wir unsere Lieben noch immer nicht antrafen, sie noch immer nicht uns entgegenkommen sahen. Wo mußten sie sein? Was war mit ihnen geschehen? Ich wagte kaum noch ein Wort des Trostes an meine Frau zu richten, die ich von Zeit zu Zeit den Namen unseres Knaben stöhnen hörte. Die junge Kapitänsfrau dagegen hing ohne Laut auf ihrem Tiere, auf dem Severin sie festgebunden hatte, sie schien in voller Bewußtlosigkeit den Weg zurückzulegen, und ich war im Grunde froh über diesen Zustand, denn bei jedem Schritt fürchtete ich auf die verschmachtenden oder von unseren Feinden getöteten Körper der drei Reiter zu stoßen.

So hatten wir mehr als die zweite Legua zurückgelegt, wie langsam, können Sie daraus schließen, daß darüber der hohe Mittag heran gekommen war. Da begann sich endlich die Scene zu ändern. Vom Horizont der Einöde hob sich eine dunklere Masse ab und wurde mit jedem Schritt uns deutlicher, die Tiere, die bisher mit dem Kopf am Boden schwankend dahin geschlichen, hoben ihn, spitzten die Ohren und schienen die Luft einzusaugen, die von dorther kam. Ihre Augen wurden wieder glänzender, ihr Schritt elastischer, rascher. Selbst auf die Menschen dehnte sich die Erregung aus, obschon von allen doch nur ich wußte, was die Ursache sei, alle Augen richtete sich auf jene dunkle Masse und dann fragend auf mich, die unter dem Jammer ihrer Leiden gebeugten Gestalten hoben sich, ein Wort schien auf aller Lippen zu schweben, ich sprach es aus, indem ich den Arm hob und nach jener Richtung deutete:

»Gesegnet sei die heilige Jungfrau, die uns Erlösung schickt! Es ist la bebida de los angeles!«

Freunde, ich habe von Männern, die die Länder jenseits des großen Meeres im Osten gesehen haben, gehört, daß in einem Lande, noch heißer als das unsere, sich große Wüsten von Sand erstrecken, viele, viele Tagereisen lang, in denen der Fuß bei jedem Schritt tief einsinkt, als wandelte er auf Wasser. Ein glühender Wind weht über sie hin, und nur ein Vogel mit langen Beinen, man nennt ihn den Strauß, oder ein grimmiges Raubtier, belebt diese Einöde. Dennoch durchmißt sie der Mensch; denn Gott der Herr hat in seiner Gnade auch in diese Einöde lichte Sterne seiner Allmacht gestreut, die Oasen der Wüste, wo rings von Tod und Verderben umgeben Blumen und Bäume sprossen und dem Wanderer ihren Schatten bieten; denn die Hand des Herrn hat aus dem tiefen Grunde hervor die frische klare Quelle sprudeln lassen, das Element, das zum Leben aller Wesen notwendig ist.

Eine solche Gabe des Herrn ist auch der »Trank der Engel«, jene wunderbare Quelle, die mitten in der großen Einöde aus Felsengestein, das sich vereinzelt über die Fläche erhebt, in starkem und kräftigem Strahl hervorrauscht und Leib und Seele stärkt; denn in dem leicht bitteren, aber angenehmen Geschmack des klaren Wassers liegt eine überaus belebende Kraft. Alle Reisenden, die durch diesen Teil der Einöde ziehen müssen, die Trapper und Jäger und die Indianer kennen sie und freuen sich dieser Gabe Gottes oder des großen Geistes!«

»Ich weiß, ich weiß, Kamerad!« unterbrach Eisenarm den Erzähler. »Ich bin mit dem Jaguar und einem, der nicht mehr ist, mehr als einmal an jener Stelle gewesen, und wir haben uns an dem köstlichen Tranke geletzt!«

»Dann, Freund, Eisenarm,« fuhr der Kreuzträger fort, »kennen Sie auch die seltsame Erscheinung, daß der Strom des belebenden Wassers ebenso rasch wieder verschwindet, als er erscheint. Nur ein kleines Becken wird von ihm gefüllt, dann nimmt eine tiefe, noch von keinem Menschen ergründete Spalte des Gesteins ihn auf und führt ihn in das Innere der Erde zurück, aus der die Hand Gottes ihn hervorgeholt hat. Es geht die Sage unter den Indianern, und den Jägern unserer Farbe, daß die Fluten der Quelle aus unterirdischem Wege dem See Aquaverde, der zehn volle Leguas von der Stelle entfernt ist, zugeführt werden, und dessen Wasser daher niemals, selbst in der heißesten, Jahreszeit nicht austrocknen, obschon er sonst keinen sichtbaren Zufluß hat. Aber trotz dieser kurzen Dauer ihres Laufes vor den Augen der Menschen erfrischt und belebt die gesegnete Quelle doch alles rings umher, und die Palme und die Blume sprießt köstlich in ihrer Nähe empor und bekleidet mit Grün den Fels und die Erde.

Dies war also der Ort, dem unsere Schritte jetzt, neu belebt, sich zuwandten; keine Bosheit unserer Feinde konnte dies Wasser versiegen machen, wie sie es mit dem der Cisterne gethan.

Der Boden der Wüste erhebt sich in der Nähe des Brunnens zu leichten Wellungen, wie solche in den Prairieen so häufig sind, und entzieht daher wieder, wenn man näher kommt, mehr und mehr dem Auge den Anblick der Quelle in ihrer unteren Umgebung. Aber wir hatten die Gipfel des Gesteins vor Augen und wußten jetzt ihre Nähe, und so war denn all unsere Aufmerksamkeit nur darauf gerichtet, unsern Marsch so schnell wie möglich zu beschleunigen. Unsere Sehnsucht, unsere Freude wurde womöglich noch erhöht, als wir, den letzten Erdwall hinaufsteigend, dem Wiehern unserer Tiere den gleichen Gruß anderer Pferde antworten hörten. Unsere vorausgegangenen Lieben waren also dort.

Ich sprang dem Zuge voran auf die Höhe des Erdwalls und hob meinen Hut zur Begrüßung, als mein Fuß wie gefesselt am Boden haftete, und meine blutunterlaufenen Augen mit Erstaunen das Schauspiel zu meinen Füßen überblickten.

Der ganze Grund um die Quelle war von einem Lager der Apachen eingenommen. Wohl an sechzig Indianer mit ihren Pferden lungerten in den verschiedensten Stellungen um den Felsen her, und ein Kreis von dunklen Gestalten umgab rauchend und sprechend das Becken des Wassers. In ihrer Mitte konnte ich deutlich Xaverio, meinen ersten Arriero zwischen der kleinen magern Gestalt des Häuptlings der Mescaleros und einem riesigen Krieger, der das Fell eines grauen Bären um seine Schultern trug, erkennen.

Ich wußte genug, von den Erzählungen der Wüste, um sofort zu erkennen, daß dies Ma-ko-töh, der tapfere aber grausame und wilde Häuptling der Gilenos sein mußte.

Dennoch hegte ich im ersten Augenblick und obschon ich weder Robert noch den Kapitän unter dem Haufen bemerkte, keine Befürchtung. Die »Schwarze Schlange« hatte beide zu einer Büffeljagd eingeladen und ihnen an dieser Stelle des Rendezvous gegeben. Die jungen Männer konnten leichtsinnig der Leiden der Ihren vergessen haben und bereits mit ihrer Jagdpartie beschäftigt sein. Nur eins befremdete mich, daß nämlich die ganze Bande von unserer Ankunft nicht die geringste Notiz zu nehmen schien. Selbst Xaverio schenkte uns, statt uns entgegen zu eilen, nicht die mindeste Aufmerksamkeit und fuhr Ungestört fort, mit seinen Nachbarn zu rauchen und zu sprechen.

Ich wartete einige Augenblicke, bis meine Begleiter alle herauf waren, und dann begannen wir, zu der Quelle niederzusteigen, die frisch und plätschernd sich in ihr Becken ergoß. Bei diesem Anblick eilten Menschen und Tiere hinab und auf das Wasser zu, indem ich die ersteren mit heiserer Stimme ermahnte, nicht die Vorsicht aus den Augen zu lassen und mit Maß und langsam zu trinken, denn ich kannte die schädliche Wirkung einer allzugierigen Befriedigung.

Aber plötzlich machten die Vordersten, zwei meiner Arrieros mit ihren Tieren, Halt; der Kreis der indianischen Krieger rührte sich nicht und versperrte ihnen den Zugang zu dem Wasser, nach dem die lechzenden Tiere schnaubend den Hals streckten.

Ich war unterdes herbei gekommen und sah, daß die Apachen noch immer trotz des Zurufs der Arrieros keine Miene machten, den Weg zu öffnen. Ich wandte mich daher zu Xaverio mit unwilliger Miene:

»Was soll das heißen, daß Ihr nicht gekommen seid, uns beizustehen? Saget diesen Männern, daß sie uns Platz machen, damit wir zu der Quelle kommen, denn Menschen und Tiere verschmachten!«

Statt aller Antwort begnügte sich der Schurke, die Achseln zu zucken und weiter zu rauchen.

Ich stand erstarrt; das konnte nicht ein zufälliger Trotz sein. Ich sollte bald die Überzeugung der schrecklichen Wahrheit erhalten. Der Mustang, der die junge Gattin des Kapitäns getragen, gieriger und noch kräftiger als die anderen, sprang auf den Kreis der Indianer los und versuchte ihn zu durchbrechen, um zu der Quelle zu gelangen. Da erhob sich der wilde Häuptling der Gilenos, und mit einem Schlage seines Tomahawks spaltete er die Stirn des armen Tieres, daß es tot zu Boden stürzte, und ich kaum Zeit fand, die arme halb bewußtlose Frau in meinen Armen aufzufangen.

Der Graue Bär stand aufrecht, die furchtbare Waffe drohend in seiner Hand. »Zurück, Ihr Söhne einer weißen Hündin!« donnerte er. »Der Große Geist hat dieses Wasser seinen roten Kindern gegeben, und jedem, der es wagt, ihm ohne ihre Erlaubnis zu nahen, soll es gehen wie diesem Tier!«

»Unmensch, wollt Ihr uns hier verschmachten lassen?« rief ich, »ist das Euer beschworenes Wort? Ich habe den Totem eines Häuptlings für unser Recht! Sprich Du, Wis-con-tah, und sage ihm, daß ich Dein Zeichen unter unserem Vertrage habe!«

Der Häuptling der Mescaleros lächelte tückisch. »Der weiße Mann, der seine Brüder durch die Wüste führt, möge zeigen, was ein Häuptling ihm versprochen hat!«

Ich griff nach der Tasche, in der ich meine Papiere und auch das Stück Pergament verwahrt trug, auf welches der Häuptling sein Handzeichen gesetzt hatte – das Dokument war fort, verschwunden, obschon ich mich genau erinnerte, daß ich es sofort nach dem Abschluß des Handels dort mit den Konsignaturen unserer Ladung und anderen Papieren verwahrt hatte! Mein Auge, indem es voll Angst durch den Kreis rollte, traf auf den Arriero, der tückische, schadenfrohe Zug auf seinem Gesicht belehrte mich sogleich, wer der Dieb gewesen, und daß der Bösewicht bei all dem Unheil seine Hand im Spiele hatte.

»Ma-co-töh,« sagte ich nach einer kurzen Pause, indem ich mit Gewalt alle die schrecklichen auf mich einstürmenden Gefühle zu bewältigen suchte, »Du hast den Ruf eures Feindes der Weißen Männer, aber eines tapferen Kriegers, der niemals sein Wort gebrochen. Der große Häuptling der Gilenos möge die Stimme eines Mannes vernehmen!«

»Sprich!« entgegnete der wilde Krieger.

»Die Schlange der Mescaleros hat im Namen der großen und tapfern Nation der Apachen eilten Vertrag für freien Durchzug meiner Karawane durch ihr Gebiet geschlossen, und die Hälfte des bedungenen Preises bereits erhalten. Er möge es leugnen, wenn ich die Unwahrheit rede.«

»Die roten Männer sprechen nicht mit zwei Zungen, wie die Kinder einer Weißen Hündin,« sagte grinsend der Häuptling. »Wis-con-tah hat den Vertrag geschlossen, wo ist sein Totem?«

»Das ist es eben, Häuptling – Du weißt es so gut wie ich,« rief ich, »und dieser Schurke dort nahm ihn!« und ich wies auf den Arriero!«

Mit der entsprechenden Gebärde seine Worte begleitend, hob der Wegweiser seine Hand und wies vor sich hin – der Finger deutete gerade auf die Stelle hin, wo im Schatten der Courier saß, der unwillkürlich zur Seite rückte.

»Beweist es, Señor,« sagte der Verräter. »Überdies diese tapfern Häuptlinge, meine alten Freunde und Verwandten, gedenken Euch vollständig den Vertrag zu halten, ob er zur Stelle ist oder nicht, und ich werde seinen Inhalt bezeugen.«

»Was hat ein Häuptling der Apachen dem Bleichgesicht versprochen, das er nicht halten würde?« fragte der Graue Bär.

»Freien Weg durch das Gebiet der großen Nation der Apachen,« sagte ich beklommen, »und Sicherheit für mein und meiner zehn Begleiter Eigentum. Die Schwarze Schlange der Mescaleros hat überdies meine jungen Männer hierher zur Büffeljagd geladen. Ich suche sie vergeblich!«

»Den Bleichgesichtern wird ein Häuptling seinen Totem halten,« sprach der Gileno. »Geht – der Weg durch die Wüste ist frei! Keine Hand wird sich gegen Euch heben, wenn Ihr nicht selbst den Vertrag brecht!«

»So macht Platz an der Quelle,« rief ich, »damit wir uns stärken, unser Eigentum holen und morgen weiter ziehen, und die Weiber der Apachen werden über ein Geschenk nicht zu klagen haben!«

»Die Quelle der Wüste steht nicht in dem Vertrag,« sagte der Häuptling finster. »Der Große Geist hat sie seinen roten Kindern gegeben!«

Ich begann, den schrecklichen Betrug, den man uns gespielt, die furchtbare Auslegung des gestohlenen Vertrages zu begreifen.

»Aber – wir können nicht weiter – wir verschmachten! wir müssen trinken! Ich will Euch das doppelte bezahlen, nur Wasser! Wasser!«

»Die roten Männer werden ihren Totem halten. Sie wollen Euer Eigentum nicht! Aber sie sind die Erben der Einöde.«

Die Verhandlung wurde durch das Ungestüm Severins unterbrochen. Er verstand die Sprache der Apachen nicht und konnte bei dem Anblick des Wassers nicht begreifen, was ihn zurückhalten sollte. Mit der Energie des Verschmachtenden, der Labung und Leben im Bereich seiner Hand sieht, stieß er gewaltsam einen der Krieger zur Seite und stürzte sich auf den Brunnen.

Er hatte sich eben niedergebeugt und seinen Mund an das erfrischende Element gebracht, als ein furchtbarer Keulenschlag ihn zu Boden schmetterte.

Ich hörte einen entsetzlichen gellenden Schrei – den meiner Tochter! Dann war alles einige Augenblicke ein wildes Durcheinander, Menschen und Tiere, ein Ringen und Kämpfen, denn wir wollten von unfern Waffen Gebrauch machen, um meinem Eidam zu Hilfe zu kommen, oder ihn wenigstens zu rächen. Unter dem allen hörte ich nur die mächtige Stimme des Häuptlings, welcher befahl, uns zu entwaffnen, und in der That waren kaum einige Augenblicke vergangen, als wir uns sämtlich unserer Waffen, von denen wir bei der Überzahl, die uns dicht umgab, der Plötzlichkeit des Überfalls und unserer körperlichen Schwäche wegen nur wenig Gebrauch machen konnten, beraubt und an die Palmen und Felsen gebunden sahen.

Unsere Gesichter waren der Quelle zugekehrt – die Indianer umstanden uns, Hand und Waffen bereit, jeden Befehl ihres Häuptlings auszuführen. Unsere durstenden Tiere waren mit Gewalt zurückgetrieben worden und kauerten stöhnend und erschöpft außerhalb des Kreises am Boden.

An der Quelle stand der graue Bär, ihm zur Seite der Häuptling der Mescaleros und der Schurke Xaverio.

»Bleichgesichter, Kinder einer weißen Hündin!« sagte der Gileno, »Ihr selbst habt es gewagt, den Vertrag zu brechen, den Ihr geschlossen und den dieser Sohn zweier Väter gestohlen hat.« Er wies auf den Arriero. »Hier ist er, damit niemand sage, die große Nation der Apachen habe den Totem eines ihrer Häuptlinge nicht gehalten. Der Vertrag besagt freien Durchzug durch unser Gebiet und Sicherheit Eures Lebens und Eigentums. Keine rote Hand hat sich gegen beides erhoben, bis Ihr gewagt, das Eigentum, das der Große Geist seinen roten Kindern gegeben hat, mit Gewalt zu nehmen. Die Nation der Apachen wird Gerechtigkeit üben.«

»Bösewicht!« schrie ich, »Ihr hattet es von vornherein auf unser Verderben abgesehen. Kein lebendes Wesen kann die Einöde durchziehen, wenn ihm das Wasser fehlt, und Ihr habt uns mit teuflischer List hierher gelockt und von dem See entfernt!«

»Mein Kind! mein Sohn!« jammerte mein Weib. »Was habt Ihr mit meinem Kinde gemacht, Unmenschen!?«

»Sieh selbst, Mutter eines jungen Wolfes!«

Auf eine Bewegung des Gileno öffnete sich der Haufe der Indianer, jetzt erst sahen wir, daß hinter einem Vorsprung des Gesteins Robert und Kapitän Masterton gebunden und geknebelt am Boden lagen.

Das Schreien der jungen Frau, die vergeblich zu ihrem Manne strebte, zerriß mein Herz fast eben so schwer, als das Unglück meiner eigenen Lieben. Maria, meine Tochter, hing ohnmächtig in ihren Banden.

»Schmach über Euch, bübische, treulose Mörder!« rief ich außer mir. »Möge niemals ein ehrlicher Mann mehr dem Worte eines Apachen trauen! Schande der roten Männer, die Ihr seid, indem Ihr schändlich das Band der Gastfreundschaft gebrochen, das selbst dem elendesten Geschlecht heilig war!«

Der tückische Häuptling der Mescaleros trat mit dem Lächeln boshaften Triumphs vor mich. »Das Bleichgesicht, das so gut die Wege durch die Einöde kennt,« sagte er mit Hohn, »lügt! Ein Häuptling hat jene beiden zur Jagd eingeladen, und wenn die Krieger der Apachen bei Sonnenaufgang den Büffel jagen, werden sie dabei sein! Meine jungen Männer sind darüber aus, für ihre Rosse zu sorgen. Sie haben den Vertrag gebrochen wie Ihr, deshalb sind sie in Banden. Die Apachen sind die Herren der Wüste!«

»Bösewicht! Was haben ich und die Meinen Dir gethan?«

»Das Bleichgesicht ist ein Feind meiner Nation! Es besitzt die Schlauheit der Wiesel und das Auge des Falken. Seit er die Karawane der weißen Männer führt, sind die Wigwams meines Volkes leer an Beute. Er muß sterben!«

»So gebt mir den Tod meinetwegen mit allen Euren teuflischen Martern, und laßt diese Unschuldigen frei!«

»Die Herzen der Bleichgesichter hängen an Weibern und Kindern. Sie dürsten nach dem Lande der roten Männer – wohlan! Sie mögen ihren Durst löschen – hier ist das Land und dort das Wasser!«

Mit teuflischem Hohnlachen ging er davon. Die Indianer begannen die Anstalten zu ihrer letzten Mahlzeit zu treffen, ohne sich anscheinend weiter um uns zu kümmern. Unser Jammer, das Flehen und Stöhnen der Verschmachtenden um einen Tropfen Wasser schien Musik in ihren Ohren.

Die Nacht sank herab, große Feuer wurden angezündet, um die sich die Apachen lagerten. Ihr Schein spiegelte sich in dem rauschenden Sturz der Quelle, der Anblick und das Murmeln des Wassers erhöhte unsere Leiden. Ich hatte anfangs alle Kraft zusammen genommen, um der Bosheit dieser menschlichen Teufel Trotz zu bieten; aber der Jammer um mich her brach auch den letzten Rest meines Stolzes. Unsere Leiden wurden unerträglich; ich bat, ich flehte den schändlichen Buben an, der uns so verräterisch in die Hände der Wilden geliefert, uns wenigstens einen Trunk Wasser zu reichen, ich erinnerte ihn an alle Wohlthaten, an alle Freundlichkeit, die er in meiner Familie genossen.

Es war das erste Mal, daß der Verräter das Wort an mich richtete.

»Das Unglück wäre nicht geschehen, Señor,« sagte er frech, »wenn Sie mir nicht die Hand Ihrer Tochter verweigert hätten. Ich fürchte, ich kann nichts thun zu Ihren Gunsten bei den Indianern, wenn Maria sich nicht entschließt, meine Liebe zu erhören.«

»Lieber möge sie sterben, wie der Mann ihres Herzens, als »daß sie einem solchen Schurken angehört,« rief ich erbittert. Der Verräter zuckte hohnlächelnd die Achseln und ging zu dem Feuer der Wilden, um an ihrem Mahle teil zu nehmen.

Eine neue Erscheinung zog, wenn auch nur auf Augenblicke, unsere Aufmerksamkeit von unsern Leiden ab. Zehn oder zwölf junge Krieger des Stammes kehrten aus der Prairie zurück. Schon von fernher verkündete gellendes Triumphgeschrei ihr Herannahen, und als sie herbeigaloppierten, sah ich, daß in den Schlingen ihrer Lassos drei oder vier Reiter zusammen je einen dunklen großen Körper hinter sich herschleiften. Doch blieben sie zu weit entfernt von dem Feuer und ihre ihnen entgegeneilenden Genossen waren zu dicht um sie versammelt, als daß ich zu erkennen vermocht hätte, welche Jagdbeute sie mit sich führten.

Unser Leiden wurde ohnehin so unerträglich, daß alles andere aus unsern Gedanken schwand.

Wo soll ich die Worte hernehmen, Freunde, um Ihnen das Entsetzliche jener Nacht zu schildern; die Qualen des Hungers vermehrten jetzt noch die Schmerzen, die wir ohnehin schon empfanden. Niemand von uns hatte daran gedacht, während des Tages und der vergangenen Nacht Speise zu sich zu nehmen, um den Durst nicht noch zu vermehren. Unsere Zungen klebten am Gaumen, Schlund und Hals glühten in trockener Fieberhitze, ein Feuer schien unsere Eingeweide zu zerreißen, das Blut füllte unser Gehirn und zauberte uns wilde Träume vor – –

»Wasser! Wasser! Um Gottes ewiger Barmherzigkeit willen, gebt mir einen Tropfen Wasser!«

Es war die Stimme meiner Tochter; die unsägliche Qual machte sie im furchtbaren Egoismus des Leidens bereits vergessen, daß der Mann, für den sie noch vor zwei Tagen in aufopfernder Liebe gewiß ihr Leben hingegeben haben würde, jetzt tot, erschlagen nur wenige Schritte von ihren Füßen entfernt lag.

Mein Weib suchte um ihres Gatten, ihrer Kinder willen ihre eigenen Leiden zu unterdrücken und mit heiserem, kaum noch verständlichem Ton dem unglücklichen Mädchen Trost einzusprechen. Aber auch ihre Kraft brach, bald verkündete mir nur noch von Zeit zu Zeit ein Stöhnen, daß sie lebte. Die Gattin des Kapitäns, ein zartes schwaches Geschöpf, hing wieder bewußtlos in ihren Banden, die Seelenangst und das körperliche Leiden hatten sie überwältigt, an den Bäumen und Steinen wanden und krümmten sich meine vier Diener und Begleiter, bald jammernd um Wasser, bald ihre Schutzheiligen anrufend oder in wilde, lästerliche Flüche ausbrechend.

Freunde, es ist schlimm, selbst zu leiden, aber tausendmal schlimmer, die Leiden derer zu sehen, die man liebt! Noch jetzt in der Erinnerung, erzittert jedes der in jener Nacht ergrauten Haare meines Hauptes in dem Gedanken an sie. Ich betete zu Gott und seinen Engeln, zur heiligen Jungfrau und ihrem Sohn, uns lieber durch einen raschen Tod von diesen Qualen zu erlösen, ich flehte wie ein weinendes Kind diese Teufel in Menschengestalt an, uns nicht verschmachten zu lassen – ich tobte und weinte – ich zerrte mit der Kraft eines Rasenden an den Banden, die mich hielten, bis ich zuletzt in einen Zustand stumpfsinniger Abspannung versank.

So verging die Nacht! Möge Gott Euch und jeden Christenmenschen vor einer ähnlichen bewahren. Unter dem Wimmern der Leidenden, unter den Flüchen der Verzweiflung hatte die Schar jener Teufel ruhig an ihren Feuern geschlafen; sie wußten sich so sicher, daß sie nicht einmal für nötig hielten, mehr als eine Wache auszustellen.

Damals, Freunde, empfand ich, was der Tau des Himmels für die dürstende Erde ist. Wie das Manna der Wüste legte der Morgennebel sich auf meine vertrocknete Zunge und erfrischte sie einigermaßen. Ich weiß nicht, wie es meinen Leidensgefährten ergangen, denn Gott hat nicht gewollt, daß ich einen von ihnen danach fragen sollte; aber ich wenigstens hatte für die noch schrecklicheren Leiden, die uns erwarteten, wieder einige Kraft gewonnen, als der Morgen graute, und der gellende Ruf des Wächters der Tiere die Schläfer aufscheuchte.

Die Sonne stieg über den Horizont empor und vergoldete mit ihren ersten Strahlen das rauschende Wasser der Quelle, die für uns Rettung, Leben hieß. In wenigen Augenblicken war die ganze Schar der roten Teufel auf, und, wie ich nicht ohne Erstaunen sah, damit beschäftigt, ihr Lager abzubrechen, was freilich nicht viel Zeit und Mühe erforderte. In dem Licht des großen Gestirns, dessen Strahl beleben und töten kann, sah ich jetzt meine Leidensgefährten, auch den Kapitän und meinen armen Jungen, dessen Augen fortwährend auf mich und seine Mutter gerichtet waren, als suche er Hilfe bei uns.

Mit dem Sonnenschein kamen auch meine Genossen im Unglück wieder zum Bewußtsein, und die Qualen des Durstes stellten sich aufs neue ein, noch grimmiger als zuvor, während die Indianer ihre Tiere zu der Quelle führten und sie in langen Zügen trinken ließen.

Ich bemerkte jetzt, daß sie die unseren, welche die Frauen hierher getragen, an den Füßen gefesselt zu Boden geworfen hatten, und daß der Verräter Xaverio mit den beiden Häuptlingen eine angelegentliche Unterredung hielt, bei der er eine Forderung an sie zu stellen schien, welche die Schlange mit boshaftem Grinsen, der Gileno mit stolzem Schweigen beantworteten.

»Wasser! ich sterbe – Barmherzigkeit – Wasser! –«

Der finstere Häuptling der Gilenos trat zu dem jammernden sterbenden Mädchen. »In dem Wigwam eines großen Kriegers ist ein Platz leer,« sagte er. »Den Weibern Makotöhs fehlt es niemals an Wildbret und Wasser. Seine Hand schlägt die Weißen und bringt rote Decken und Perlen für seine Frauen heim. Will das weiße Reh mir folgen?«

»Wasser! Wasser!« wimmerte die Unglückliche.

Der »Graue Bär« füllte an der Quelle eine hölzerne Schale und näherte sich bis auf Spannenweite dem Munde des armen Kindes, das mit brennenden Augen auf die Flüssigkeit sah.

»Willst Du die Bleichgesichter verlassen und in den Wigwam der roten Männer kommen?«

Ihr brechendes Auge richtete sich wie in stummen Flehen auf mich und ihre Mutter; ich wendete meinen Blick zur Seite. »Wasser, ich sterbe!« murmelte das unglückliche Geschöpf, dessen Sinne sich offenbar zu verwirren begannen.

»Will das weiße Reh ihren roten Freunden folgen?«

»Alles – alles – nur Wasser!«

Auf einen Wink des Gileno zerschnitt der Häuptling der Mescaleros, der mit boshafter Freude ihre Leiden beobachtete, langsam die Bande des Mädchens.

Mit ausgestreckten Armen, von dem Arriero unterstützt, offenbar nicht wissend, was sie that, nur dem Instinkt der tierischen Natur folgend, wankte das Mädchen dem Gileno nach, der Schritt um Schritt mit der Schale Wasser in der Hand vor ihr zurückwich.

Einen boshaften triumphierenden Blick warf der Verräter Xaverio auf mich, dann folgte er ihnen, die hinter einem Vorsprung des Gesteins verschwanden.

Ein wilder Fluch war alles, was ich hinter ihnen drein schleudern konnte, während mein armes Weib ohnmächtig wurde.

Es war wenigstens gut, daß sie das nicht sah, was nun folgte.

Der Gileno und der verräterische Mestize waren mit meiner unglücklichen Tochter kaum hinter dem Gestein verschwunden, als der falschzüngige Häuptling der Mescaleros das Zeichen zu einem neuen furchtbaren Verbrechen mit der Wollust gab, wie sie nur ein Teufel an Leiden und Schmerzen haben kann …«

Der Erzähler schwieg einige Augenblicke und starrte vor sich hin, als suche er neue Fassung und Kraft zur Erzählung seines weiteren Unglücks. Man hörte den Courier unruhig auf seinem Steinsitz hin- und herrutschen, sonst beobachteten alle tiefes teilnehmendes Schweigen, bis Eisenarm das Wort nahm: »Ich erinnere mich, etwas von der Geschichte gehört zu haben, Jaguar. Ich und Dein Vater jagten damals mit den Kriegern Deines Stammes im Osten an der Grenze der Ansiedlungen. Ein Jahr nachher war es, daß die Apachen Euer Dorf überfielen, während ich fern war, und alle Mitglieder Deiner Familie erschlugen bis auf Dich und Windenblüte, die nur durch Gottes Schickung dem Tode entging. Die verräterische Schlange trägt noch das erste Kennzeichen meiner Abrechnung am Halse und ich hoffe, ehe ich mein Haupt auf der Prairie zum letzten Schlafe niederlege, die Rechnung mit ihm und dem Grauen Bären noch vollständig auszugleichen. Und jetzt, Compañero, erzählen Sie, wenn es Ihnen genehm, Ihre traurige Geschichte weiter, und seien Sie überzeugt, daß sie bei unserer Abrechnung mit den beiden Schurken nicht vergessen werden soll!«

Der Kreuzträger schwieg noch einige Augenblicke in finsterem Sinnen, dann setzte er in dem früheren melancholischen Tone seine Erzählung fort:

»Mehrere Krieger der Mescaleros gingen jetzt zu den beiden am Boden liegenden Geknebelten, hoben sie auf und trugen sie zu den etwa zweihundert Schritt von dem Lager entfernten Körpern, welche die Jäger am Abend vorher mit ihren Lassos herbeigeschleppt hatten. Zugleich machten alle anderen ihre Pferde bereit, um sich aufzuschwingen.

Ich sehe noch in meinen Träumen den Blick voll Verzweiflung und doch voll Trotz und Haß gegen seine Feinde, den der arme, verschmachtende Knabe auf mich heftete, als man ihn an mir vorübertrug.

»Mörder – Teufel – was beginnt Ihr?« stöhnte ich?

»Wis-con-tah hat die jungen Männer der Bleichgesichter eingeladen, mit seinen Kriegern die Büffel zu jagen. Ein Häuptling hält sein Wort! Sie sollen den vordersten Platz haben unter meinen Jägern!« Der Mescalero schwang sich auf sein Pferd.

»Erbarmen!« flehte ich, »habe Mitleid mit diesen Unschuldigen! Löse unsere Bande!«

Der Häuptling hob seine Lanze; die Gruppe der Krieger, die um Robert und den Kapitän beschäftigt gewesen waren, stob auseinander, die gelösten Lassos wurden zurückgezogen, die dunklen Körper sprangen empor und schüttelten sich wild – Gott im Himmel! jetzt erst konnte ich erkennen, daß es zwei junge Büffelstiere waren und auf ihren Nacken, zwischen Mähnen und Schwanz, unbeweglich auf dem Rücken liegend befestigt, zwei menschliche Gestalten – Robert, meinen Sohn, meinen einzigen Sohn, und den amerikanischen Kapitän!

Die roten Teufel hatten im letzten Augenblick den Knebel aus ihrem Mund entfernt – ich hörte den gellenden Ruf: »Vater! rette mich!« den letzten Ton meines geliebten Kindes, und rang wie wahnsinnig in meinen Banden!

Dann sah ich, wie, von der menschlichen Stimme und ihrer Last erschreckt, die Büffel sich im Kreise herumdrehten und mit gesenktem Haupt hineingaloppierten in die Wüste.

Es brauste in meinen Ohren, es glühte in meinem Hirn – ich schrie, als wolle mir die Brust zerspringen, vor meinen Augen wurde es Nacht – Nacht! Als ich wieder zu mir kam, war ich allein, allein mit meinen Leidensgenossen, gefesselt an Baum und Fels, beraubt meiner Kinder, und wenige Schritte von uns rieselte lustig im Sonnenschein der Quell, den keiner von uns erreichen konnte!

Was soll ich noch viele Worte machen! Die Erinnerung wühlt wie Feuer in meiner Seele! und Feuer brannte damals auch auf meinen Körper nieder, denn höher und höher stieg die Sonne und ihre glühenden Strahlen bohrten sich in unser Hirn.

Der ausbrechende Wahnsinn erlöste zwei meiner Leidensgenossen von dem Bewußtsein ihrer Schmerzen; ihr Geheul glich dem des Schakals, wie es gellend durch die Einöde drang. Am Abend starb mein Weib, wenigstens muß ich diese Zeit annehmen, da sie von da ab mir keine Antwort mehr gab.

So kam wieder die Nacht und verging die Nacht, stiller und stiller wurde das Geschrei der Tollen, endlich hörte es ganz auf. Mein eigener Zustand glich bereits dem Wahnsinn. Bald empfand ich gar nichts, bald glaubte ich mich am wohlbesetzten Tisch inmitten meiner Familie und aß und trank, ohne satt zu werden; bald sah ich grüne blumige Wiesen vor mir und rauschende Flüsse, und wenn ich mich vom Ufer hineinstürzen wollte in die kühlende Flut, wich das Wasser in unerreichbare Ferne zurück.

Nochmals begann ein Tag, und als der brennende Strahl der Sonne mich wieder zum Bewußtsein brachte, war alles still um mich her – kein menschlicher Laut mehr – kein Wimmern des Schmerzes – alles Schweigen, Schweigen, Schweigen! Nur die Quelle murmelte ihr Lied, und in der Nähe heulten einige Coyoten, welche die Nähe der menschlichen Körper noch verhinderte, ihren Durst zu stillen.

Was weiter mit mir geschah, ich wußte es nicht, ein- oder zweimal nur weckte mich der scharfe Zahn der Tiere, die eine unbewußte Bewegung des Körpers wieder verscheuchte, während ich schon im nächsten Augenblick wieder in Erstarrung verfiel.

Als ich endlich mit dem Gefühl einer todesähnlichen Schwäche wieder erwachte und infolge einer wohlthuenden Kühle, die mein Gesicht erfrischte, mühsam die Augen aufschlug, war es Morgen, wie ich nachher erfuhr, der fünfte seit unserem Abzug von der Lagerstelle, an der ich den unseligen Vertrag mit den Apachen geschlossen und den Weg durch die Einöde angetreten hatte. Unbekannte Männer in der Kleidung der weißen Jäger und Reisenden waren um mich beschäftigt, rieben meine Glieder und hatten mir Branntwein in die vertrocknete Kehle eingeflößt. Ihre ermunternden Worte tönten mir anfangs nur wie fernes Gemurmel in die Ohren, ich verstand sie nicht. Erst als mein Blick auf das von Quetschungen und Wunden mehrfach entstellte, aber doch wieder lebenskräftige Gesicht des Kapitän Masterton fiel, wie er langsam an meine Seite trat, fuhr ein hellerer Strahl des Bewußtseins wieder durch meine Seele, und meine Lippen murmelten einen Namen: den meines Sohnes!

Ich sah, wie die Fremden mit finsteren, traurigen Blicken mich umstanden, und wie der Kapitän sich zur Seite wandte, indem zwei große Thränen über sein wackeres Gesicht rannen, und hörte ihn murmeln: »Armer Mann! armer Vater!« dann schwand aufs neue mein Bewußtsein.

Erst nach Wochen gelangte ich wieder zur vollen Herrschaft über meine Vernunft, so lange hatte ich zwischen Tod und Leben gelegen, oft in wilder Fieberhitze, oft starr und bewegungslos; Gott wollte nicht, daß ich jetzt schon mit meinen vorangegangenen Lieben vereinigt sei ich hatte noch eine Ausgabe auf Erden zu vollenden. Ich befand mich in San Rosalia, gepflegt durch die Fürsorge des braven Kapitän Masterton und seiner Gattin; denn wunderbarer Weise hatte das zarte, schwächliche Weib außer mir allein all das Elend überstanden, unter dem so viele stärkere, an Entbehrungen gewöhnte Naturen zusammengebrochen waren. Jetzt auch hörte ich zuerst, wie und wann man mich gefunden. Kapitän Masterton, Robert und der Arriero hatten schon drei Stunden, nachdem sie uns verließen, die Quelle der Engel erreicht und hier den Häuptling der Mescaleros mit seinen Jägern und dem wilden Gileno, der sich mit ihm zur Jagd vereinigt, gefunden. Der Schlag gegen uns schien lange vorher überlegt und vorbereitet; offenbar war er mit dem verräterischen Boten, den ich zur Unterhandlung an die Schlange gesandt, verabredet. Als die beiden jungen Männer zunächst zur Quelle wollten und über die Verweigerung des Wassers in Streit gerieten, geschah es ihnen, wie später uns. Der tückische Häuptling hatte nur Rache gelobt für die frühere Verweigerung des Tributs und die Abwehr seines Angriffs, während der Mestize sich für die Zurückweisung Marias rächen und sie dennoch zu seinem Eigentum machen wollte. Mit einem mehr als teuflischen Hohn prahlte der Apache mit der Haltung des Vertrags und seines Wortes, indem er uns zugleich in der grausamsten Weise vernichtete, und da er wohl begriff, was die schrecklichste Marter für mich sein mußte, verdoppelte er die Leiden des Vaters durch die seiner Kinder.

Genug davon! Ich habe Ihnen noch zu erzählen, welchem Umstand ich selbst meine Rettung, oder vielmehr meine Befreiung verdankte. Kapitän Masterton war, wie Sie bereits erraten haben werden, die Ursache davon. Ich habe einmal erzählen hören, daß in den alten Ländern drüben überm Meer, in einem Lande, das man Polen nennt, in früheren Zeiten ein junger Mann von seinen Feinden auf ein wildes Pferd geschnürt worden sei, das viele Tage und viele Nächte mit ihm durch die Wälder und Steppen raste, bis es endlich tot zu Boden stürzte, und der bewußtlose Reiter von fremden Männern gefunden und befreit wurde. Ähnlich ging es dem Kapitän. Als der Büffel, auf den er nach dem Befehl des Häuptlings gebunden worden, mit ihm davonraste, und die Apachen hinter ihm drein galoppierten, das geängstete Tier zur wildesten Flucht treibend, gab er sich verloren und befahl seine Seele dem Allmächtigen. Aber die Heiligen, obschon er nicht daran glaubte, waren mit ihm. Der Büffel mußte den Indianern bald aus den Augen gekommen sein, die sich wohl auch nicht mehr um ihn kümmerten, da sie des Todes ihres Opfers sicher waren, und nachdem er manche Stunde in tollem Lauf zurückgelegt und vergeblich alle Anstrengungen gemacht hatte, sich von seinem unglücklichen Reiter zu befreien, fand dieser, den die neuen körperlichen Schmerzen wenigstens aus der Lethargie des verzehrenden Durstes aufgerüttelt hatten, daß durch die Anstrengungen des Tieres die Bande seiner rechten Hand sich gelockert hatten. Zerstoßen und zerschlagen, wie er war, gelang es ihm doch, seine Hand zu lösen, und indem er sich erinnerte, daß er ein starkes Einschlagemesser bei sich trug, denn die Apachen hatten in ihrer teuflischen Auslegung des Vertrages verschmäht, ihn zu berauben! – gelang es ihm, dasselbe hervorzuholen und mit den Zähnen zu öffnen. Dann – den Tod dem längeren Ertragen seiner Qualen vorziehend – bohrte er die scharfe Klinge wiederholt in die Flanken des Tiers, das, vor Schmerz und Wut brüllend, seine Anstrengungen verdoppelte, bis es endlich von dem rasenden Lauf und dem Blutverlust erschöpft zu Boden sank und verendete. Der Kapitän hatte dabei den linken Arm gebrochen, und sein ganzer Körper war mit Wunden und Quetschungen bedeckt; aber als es ihm jetzt endlich gelang, sich von seinem wilden Rosse frei zu machen, sah er in der Entfernung von wenigen hundert Schritten das schilfumkränzte Ufer des Sees Aquaverde vor sich. Mit seinen letzten Kräften kroch er dorthin, kühlte das brennende Innere und seine Wunden mit dem Wasser und sank dann am Ufer im Schatten einer Tamarinde in einen tiefen Schlaf. So fanden ihn am anderen Tage weiße Jäger und Reisende, die von Monclova kommend, einige Tage am entgegengesetzten Ufer des Sees zur Jagd verweilt hatten. Als der Kapitän wieder zum Gebrauch seiner Sprache gekommen, war es sein erstes, den Männern unser schreckliches Schicksal mitzuteilen und sie mit dem Versprechen einer reichlichen Belohnung aufzufordern, ihn nach der Quelle der Engel zu begleiten, um wenigstens unseren Überresten ein Grab zu bereiten; denn er zweifelte natürlich nicht, daß die Indianer uns alle getötet hätten. Zum Glück waren es wackere Männer, nicht jener Abschaum unserer Farbe, der den Namen von Christen in der Wüste entehrt und so schlecht ist, wie der schlimmste Apache, und es bedurfte des Versprechens kaum, denn die Erzählung der schändlichen Treulosigkeit hatte aller Blut empört. Aber einesteils galt es große Vorsicht; denn man mußte fürchten, auf die Horde der Apachen zu stoßen und wußte, daß deren Zahl bedeutend war; andererseits machte der körperliche Zustand des Kapitäns es unmöglich, einen raschen und anstrengenden Marsch zurückzulegen, und so kam es, daß meine Erretter erst am zweiten Morgen auf der Stätte des Verbrechens anlangten.

Von den Apachen hatten sie keine Spur mehr gefunden; unser altes Lager war, wie sich später ergab, unberührt, und an dem Palmenstamm über meinem Haupt hing, mit einem Pfeil angeheftet, mitten durchgerissen, der unglückselige Vertrag. Vergebens waren alle Bemühungen unserer Retter, noch andere unserer Unglücksgefährten wieder in Leben zurückzurufen, und lange, ehe ich erwachte, hatten sie schon die von den Coyoten verstümmelten Reste meines Weibes, meines Eidams und meiner Diener begraben. Nur an mir und der jungen Frau hatte man noch Spuren des Lebens gefunden, und den umsichtigen Anstalten Kapitän Mastertons gelang es nach langem Bemühen, zuerst seine Gattin und endlich auch mich ins Leben zurückzurufen. Die Dame erholte sich rasch und soll jetzt glückliche Frau und Mutter in den Vereinigten Staaten sein, mich aber, wie gesagt, warfen die unsäglichen Leiden, die ich erduldet, in schwere Krankheit, und in diesem Zustand brachte man mich und mein Eigentum bis auf die verdursteten Tiere nach San Rosalia, wo mich der Kapitän und seine Frau während ihres Verweilens sorgfältig pflegten.

Lassen Sie mich, Compañeros, mit meiner Geschichte zu Ende kommen. Als ich mich wieder von meinem Lager erheben und hinaustreten konnte unter Menschen, die im Besitz ihrer Familien glücklich waren, ein vereinsamter, unglücklicher Mann, übergab mir Kapitän Masterton meine Habe und die Quittung der Kaufleute, an welche die Ladung konsigniert gewesen, nahm Abschied von mir und reiste mit seiner schon längst genesenen Gattin durch den Süden und über das Meer zurück nach seiner Heimat, ich kann kaum sagen, begleitet von meinem Dank und meinen Segenswünschen. Drei Tage darauf hatte ich all mein Habe auf Erden zur Stiftung von Seelenmessen für meine gemordeten Lieben verwendet und behielt nichts zurück, als dieses silberne Kreuz, das die Männer von dem Halse meiner toten Frau genommen, meine Büchse und das nötigste Geld, um Pulver und Blei zu kaufen. Dann richtete ich meine Schritte nach der Wüste, und der Name Eustach Saville ist nie mehr gehört worden!«

»Und Ihr Gelübde?« fragte der Vaquero.

»Knabe,« sagte der alte Mann, »Du sollst es hören! Als ich meine Schritte zur Einöde kehrte, war es, um noch einmal jene Quelle der Engel zu besuchen, die menschliche Teufel zum Kirchhof meines Glückes gemacht hatten. Da, auf dem Steinhügel, den mitleidige Hände über dem gemeinsamen Grabe der Gemordeten aufgerichtet, schwor ich auf dieses Kreuz einen schrecklichen, aber einen heiligen Eid der Vergeltung, die ich Gott nicht überlassen wollte. Seit jenem Tage hat ein Kampf der Vernichtung zwischen mir und dem Volke der Apachen begonnen, und hier« – der Wegweiser zog das seltsame Abrechnungsbuch aus seinem Gürtel und streckte es empor – »ist der Beweis, daß El Crucifero bisher in der Einöde sein Wort gehalten!«

Eine tiefe Stille folgte diesen Worten des unglücklichen Vaters, dann erhob sich der Lord, trat zu Kreuzträger und legte die Hand auf seine Achsel. »Ich begreife Ihre Leiden und Ihren Schwur,« sagte er ernst, »auch ich habe einen solchen gethan, Sir, und wenn Sie die Geschichte meines Lebens kennten, würden Sie sich nicht wundern, mich an der Seite derer gefunden zu haben, die Sie Ihrer Kinder beraubten. Sie haben der Feinde viele – ich nur einen, aber ich verfolge ihn durch die Welt, und wer ihn vor meiner Rache schützt, ist mein Gegner!«

»Mylord,« sprach der alte Mann, »mir ist Ihre Geschichte nicht so unbekannt, wie Sie glauben, und ich verurteile Ihre Handlungsweise nicht, wenn ich auch meine, es hätte zur Vollziehung des Strafgerichts an jenem Schurken, der prahlerisch selbst seines Verbrechens sich rühmte, nicht Ihres Bündnisses mit jenen Teufeln gegen Christen bedurft, denen Sie einst selbst die Lehren des Evangeliums verkündet haben. Ich sollte das nicht sagen, da ich wohl weiß, daß die Lehre des Heilands lautet: Liebet eure Feinde und vergebet denen, die euch beleidigen und verfolgen! Aber Gott der Herr bedient sich des Menschenarms auch zur Strafe; als seinen Rächer betrachte ich mich und Sie, und deshalb lasse ich Sie frei Ihres Weges gehen, wenn wir diesen Ort verlassen haben.«

»Und das wird hoffentlich bald geschehen, Kamerad,« meinte der Trapper, »denn die Sonnenstrahlen beginnen bereits den Grund dieses Kessels zu erhellen und wir müssen Kundschaft von der Hacienda haben. Unterdes kann ich Ihnen zum Trost sagen, daß die Bibel unmöglich für die Halunken, die Apachen, gemacht sein kann und daß Sie in mir und dem Toyah dort zwei nicht zu verachtende Genossen finden bei der Ausrottung des Gewürms. Wir haben ohnehin selbst eine tüchtige Rechnung mit ihnen. Aber ich möchte Sie noch eins fragen, denn ich höre eine Geschichte gern vollständig zu Ende. Haben Sie nie etwas von dem Schicksal Ihres Sohnes, des armen Jungen, gehört?«

»Niemals!«

»Das freilich ist schlimm genug und schlägt alle Hoffnung nieder, daß es ihm geglückt sein könnte, zu entkommen, wie der Kapitän Masterton, der ein ganz wackerer Mann sein muß, und dem ich wohl die Hand drücken möchte. Und – verzeihen Sie die Frage, aber sie kommt aus dem Munde eines teilnehmenden Freundes – wissen Sie auch nichts von dem Schicksal Ihrer Tochter?«

Der Wegweiser sah mit einem seltsamen Ausdruck des Auges vor sich hin. »Maria ist das Weib Xaverios und lebt in seinem Wigwam bei den Apachen.«

»Das ist falsch!« sagte hastig und wie sich vergessend eine Stimme im Kreise, »sie ist tot!«

Das Wort war noch nicht ausgesprochen, als der Kreuzträger seine Büchse fallen ließ, über die Reste des Feuers sprang und Volaros, den Courier, an der Kehle faßte.

»Verfluchter! Du hast Dich verraten! meine Augen hatten mich also nicht getäuscht!«

Der Courier wehrte sich mit aller Kraft. »Lassen Sie mich los, Señor, ich bin nicht Xaverio – es ist ein Irrtum! Mein Name ist Miguel Lopez, ich bin in Guaymas bekannt und habe Weib und Kinder!«

Ohne ihn loszulassen, schleppte der alte Mann mit Riesenkraft den Sträubenden zum Eingang der Höhle und hielt ihn auf Armeslänge von sich.

Der volle Strahl des Sonnenlichts fiel auf das todbleiche, nach Luft schnappende Gesicht des Mannes.

»Xaverio – Volaros – Miguel Lopez,« sagte der alte Mann mit einer Stimme, die wie das ferne Donnern des Orkans vor seinem Ausbruch klang, »es ist alles ein Mann und der bist Du! Leugne nicht, Verräter, Dein Bart und fünf Jahre vermögen nicht das Auge der Vergeltung zu täuschen, und Du mußt sterben, sterben wie ein Hund unter der Sohle meines Fußes!«

Er ließ den Mestizen zu Boden fallen und setzte den Fuß auf seine Brust, indem er langsam das scharfe, starke Messer aus seinem Gürtel zog.

»Glaubst Du, Verfluchter, schlimmer als die roten Teufel, da sie nur ihrem Haß und ihrer Natur folgten, während Du ein Christ bist und an meinem Tische mein Brot aßest, daß ein Vaterherz sich nicht um sein Kind kümmert, auch wenn es dasselbe verloren geben muß? Glaubst Du, Elender, daß ich nicht wüßte, wie Dein Verrat Dich selbst um Deinen Lohn gebracht, indem der wilde Gileno Deine Forderung verhöhnte und meine weiße Taube in seinen eigenen Wigwam schleppte, wo sie unter schlimmerem Elend, als der Tod an der Quelle gewesen wäre, zu Grunde ging? Jahrelang habe ich vergeblich Deine Spur gesucht und von Gott dem Herrn die Gnade erfleht, Dich in meine Hand zu geben! Die Stunde ist da – Gott hat mich erhört – bereite Dich zur Rechenschaft vor seinem Thron!«

»Gnade! Barmherzigkeit! Ich gestehe mein Verbrechen – aber Gnade!«

»Barmherzigkeit erflehe dort oben, nicht von mir! Er hob den Arm, die breite Klinge funkelte im Sonnenstrahl.

Der Elende machte eine verzweifelte Anstrengung unter dem Fuß, der wie ein Centnergewicht auf ihm lastete. »Señor Eisenarm, Mylord, zu Hilfe! Soll ich vor Ihren Augen ermordet werden?«

»Niemand wird eines Verräters, wie Du, sich annehmen! Stirb und sei verflucht!«

Der Arm Kreuzträgers hob sich und war im Begriff, niederzusinken, als die Hand Eisenarms ihn packte und ihn sanft, aber mit unwiderstehlicher Gewalt festhielt.

»Freund,« sagte der Trapper mit bewegtem Ton, »verzeiht mir, daß ich Eure gerechte Rache verhindere, aber dieser Mann darf nicht sterben, nicht jetzt, nicht hier!«

»Wie, Señor, Sie wollen einen Elenden, einen Mörder, einen Verräter beschützen, der mir das Liebste auf der Welt geraubt?«

»Er verdient hundertfachen Tod, ich selbst würde ihm mit Vergnügen eine Kugel durch den Kopf jagen, aber Sie vergessen, daß ich ihm unser Wort verpfändet habe, ihm und den beiden Fremden!«

»Was kümmert mich Ihr Versprechen?« brauste der alte Mann auf, indem er einen neuen Versuch machte, sein Messer durch die Kehle des Regierungsboten zu stoßen, »ich habe ihm keines gegeben und so wahr …«

»Schwören Sie nicht, Señor Crucifero,« entgegnete ernst der Trapper. »Sie gaben Ihr Wort nicht, aber ich und der Jaguar haben das unsere verpfändet auf drei Tage Urfehde, und Sie kennen das Gesetz der Wildnis, das uns gebietet, sein Leben zu schützen selbst gegen unsern besten Freund!«

Der Wegweiser preßte finster die Zähne aufeinander und zog langsam den Fuß von der Brust seines Feindes. »Steh' auf!« sagte er, »Du bist sicher! Aber wehe Dir, wenn wir uns wieder treffen! Euch aber will ich verlassen; denn meines Feindes Freunde können nicht die meinen sein, und niemals soll ein Dach sich über Eustach Saville und dem Verderber seiner Kinder wölben!«

Er legte die bisher benutzte Büchse des Yankee nieder und winkte dem jungen Vaquero. »Komm, mein Sohn!« sagte er, »ich könnte hier nicht für mich stehen und diese beiden Männer werden genügen, die Dame zu schützen, bis wir ihnen von der Hacienda Hilfe oder Nachricht senden können. Leben Sie wohl, Monsieur Eisenarm, wir sind quitt für den Schuß an der Wasserschlucht!«

»Noch nicht ganz, Señor, noch nicht ganz!« sagte der Trapper. » Caramba! Ich denke es Ihnen zu beweisen, wenn dieser halbblütige Halunke nach Verlauf von drei Tagen es wagt, mir vor das Korn meiner Büchse zu kommen. Ich verdenke es Ihnen nicht, daß Sie gehen, Sie werden uns hoffentlich bald Ablösung senden. Aber da ist noch jemand, der Ihnen zuvor gern die Hand drücken möchte!«

Er wies auf den Verwundeten, der sich mühsam halb emporgerichtet hatte und dem Kreuzträger die Hand hinreichte.

»Gehen Sie mit Gott, Monsieur!« sagte der Preuße mit einem funkelnden Blick auf den Courier, als der Wegweiser ihm die Hand schüttelte, »und sorgen Sie für die Sicherheit dieser Frauen. Wenn der Himmel Ewald v. Kleist gesunden läßt, dann nehmen Sie mein Ehrenwort darauf, daß ich früh oder spät Ihre Tochter rächen werde, wenn der eigene Vater es nicht zu thun vermochte.«

Der alte Mann wandte sich ab; ohne weiter ein Wort zu sagen, ohne dem Verräter noch einen Blick zuzuwerfen, schritt er, von Diaz gefolgt, aus der Höhle und über den Grund des Kraters, die beiden Pferde mit sich führend, die sie bei ihrer Flucht von dem Weideplatz der Apachen benutzt und bei ihrer Rückkehr zum Lager derselben hier untergebracht hatten.

Drückendes Schweigen, ein Gefühl, als habe man ein Unrecht gethan, lastete auf den Zurückgebliebenen. Aller Augen hafteten am Boden, obschon der Courier sich in den entferntesten Winkel der Höhle zurückgezogen hatte, nur das Auge des Jaguars war den Fortgehenden gefolgt.

So waren etwa fünf Minuten vergangen, und der Trapper richtete eben den Kopf in die Höhe, um das lästige Schweigen zu brechen, als plötzlich in einiger Entfernung jenseits der Umwallung des Kraters ein Schuß knallte, dem alsbald das jedem der Versteckten wohlbekannte Angriffsgeheul der Indianer folgte.

Eisenarm war mit einem Sprung am Eingang der Höhle und wollte, die Büchse schußfertig im Arm, über den freien Grund eilen. »Die roten Halunken haben sie überfallen,« rief er, »laß uns den Freunden zu Hilfe eilen, Jaguar!«

Die Hand des Toyah hielt ihn jedoch zurück. »Es ist zu spät,« sagte er, »sie sind tot oder in den Händen der Mimbrenos, selbst die Kraft Bras-de-Fers vermag ihnen nicht mehr zu helfen, und mein weißer Freund vergißt, daß wir eine andere Pflicht haben!«

»Es ist wahr, Comanche,« meinte der Jäger, den Hahn seiner Büchse spannend und mit seinem scharfen Auge den gegenüberliegenden Zugang des Kraters bewachend, »aber es thut mir leid, daß wir dem alten Burschen nicht mit Kugel und Messer haben zeigen können, wie ungern wir das seine von der Kehle jenes Schurken zurückgehalten haben. Wir hätten sie nicht so von uns gehen lassen, sondern ihnen den verborgenen Ausgang der Höhle zeigen sollen; aber dieser Starrkopf wollte ja nicht hören, obschon sein Haar weiß genug dazu ist, um Vernunft anzunehmen. Hörst Du, wie die Halunken heulen vor Vergnügen, daß sie zwei so wackere Männer zu Boden gebracht, denn auch der Knabe hat sich als Mann benommen. Ich fürchte, wir werden das Gewürm bald genug hier haben, denn sie haben sie sicher aus diesem Kessel kommen sehen und werden die Spur verfolgen. Siehst Du etwas, Jaguar?«

Die Frage erhielt eine genügende Antwort, die Büchse des Toyah flog rasch an seine Wange und ihrem Knall folgte ein Schrei, mit dem der Körper eines indianischen Kriegers an der Wand des Kessels niederrollte.

Der Toyah erhob sich kaltblütig Von seiner Stelle. »Eisenarm möge den Platz seines Freundes einnehmen,« sagte er. »Die apachischen Füchse werden manchen Krieger im Thale der Verdammten lassen, ehe sie das Nest leer und die Vögel ausgeflogen finden.«

»Ich weiß, ich weiß, Jaguar,« meinte der Trapper, mit seiner Büchse spielend. »Ich kenne vollkommen die Vortrefflichkeit unserer Stellung, und wenn Du Windenblüte einen Wink geben willst, zur Sicherung unserer Skalpe mitunter auch einen Schuß zu thun, so können wir sie lange genug aufhalten, ehe sie es wagen, über den offenen Grund zu kommen. Ich wünschte, Kreuzträger und der junge Vaquero wären hier, dann wollten wir die ganze Nation der Apachen an diesem Paß aufhalten, so lange ein Sonnenstrahl uns das Korn unserer Büchsen zeigt. Beruhige die Weiber, Jaguar, und sieh nach unserem Pulver und den Gefangenen, daß sie keine Teufeleien in unserem Rücken treiben. Dieser Steinblock wird das Mädchen schützen, als wäre sie hinter der besten Mauer in den Städten.«

Der Toyah trat, nachdem er seine Büchse wieder geladen, in das Innere der Höhle, von wo er zunächst die junge Indianerin mit dem Gewehr des verwundeten Offiziers dem älteren Freunde zu Hilfe sandte; das Mädchen nahm den Posten hinter dem Steinblock ein, den ihr Eisenarm mit einer besonderen Empfehlung zur Vorsicht anwies und bewachte mit der Aufmerksamkeit eines Kriegers die Bewegungen des Feindes. Die junge Haciendera war bleich, aber gefaßt, während ihre Dienerin bei der neuen Gefahr schluchzte und weinte, und der junge Preuße trotz seiner Wunde wieder seinen Revolver zur Hand genommen hatte, mit dem er jede Bewegung der drei Gefangenen bewachte.

»Was ist geschehen, Wonodongah?« fragte die Haciendera besorgt. »Wo ist der alte Mann und Diaz, und haben unsere Verfolger unser Versteck aufgefunden? Lieber sterben, als noch einmal in ihre Hände fallen!«

»Die Feuerblume der Prairie möge ruhig sein,« erwiderte der Indianer. »Die Hand eines Apachen soll sie nicht mehr berühren. Unsere Freunde sind von diesen heulenden Coyoten erschlagen; aber Eisenarm und Wonodongah genügen, die Herrin zu beschützen, und kennen das Mittel, sie unbemerkt von hier fort zu führen, wenn wir das Thal der Verdammten verlassen müssen.«

»Ihr habt noch eine vierte Büchse,« sagte die Haciendera, auf das Gewehr deutend, mit dem am Tage vorher nach der Tötung des Wachtpostens der Methodist bewaffnet worden war, und die der vorsichtige Wegweiser nach der Trennung von ihm und dem Yankee an dem Ort, wo sie ihre Pferde versteckten, zurückgelassen hatte. »Du weißt, daß ich mich ihrer zu bedienen verstehe, darum laßt mich Euch so gut beistehen, wie Deine Schwester.«

Ein Schuß des jungen Mädchens bewies, daß es in der That den übernommenen Posten mutig ausfüllte. Die Señora griff nach der von ihr bezeichneten Waffe und wollte sich mit ihr nach dem Eingang des Verstecks wenden, aber eine Bewegung des Indianers, der mit unverhohlener Bewunderung sie ansah, hinderte sie daran.

»Wonodongah weiß, daß die Feuerblume den Mut eines Kriegers hat,« sagte er. »Ihre Hand hat nicht gezittert, als sie mit uns den Panther jagte, und die Augen der Bestie durch die Nacht funkelten. Aber ihr Leben darf nicht gefährdet werden, sie möge mit Windenblüte ihren Verteidigern die Büchsen laden helfen, während ein Häuptling und sein Freund für sie fechten. Horch! jetzt ist die Reihe an mir!«

In der That knallte eben die Büchse des Trappers, und ein Wort von ihm rief den Toyah herbei. Die schöne Haciendera sah ein, daß sie sich durch das von Wonodongah vorgeschlagene Verfahren weit nützlicher machen könnte, als wenn sie selbst in das eröffnete Gefecht sich zu mischen versuchte, und indem sie Windenblüte zu sich rief und hinter der sicheren Steinwand der Höhle mit ihr die abgeschossenen Gewehre lud, unterstützte sie die Verteidigung in der That auf das wirksamste.

Wie bereits bemerkt, war die kleine Besatzung der Hohle im Besitz von vier Gewehren, darunter von drei Büchsen; der eigenen des Trappers und der des Yankee, deren Kreuzträger sich bei dem Angriff auf das Lager bedient, und die er beim Verlassen der Höhle dem Indianer zurückgab, indem er dafür von diesem die Flinte des erschossenen Apachen-Häuptlings als seine Beute mit sich nahm. Der Umstand war, wie sich sogleich ergeben wird, für den Kampf nicht ohne Bedeutung. Die dritte Büchse war die des Kentuckiers, mit der sich an der Furt der Offizier bewaffnet hatte, während das vierte Gewehr eine der gewöhnlichen amerikanischen Flinten von schlechter Beschaffenheit war, wie sie die Spekulation Uncle Sams seinen Verbündeten bei der geheimen Unterstützung zu liefern pflegte. Dennoch genügte bei der Nähe des Zieles die Zahl der Gewehre und das durch die Anordnung des Jaguar ermöglichte rasche Feuer, um die Bande der Indianer, die jetzt ihr Versteck blockierte, von dem raschen Eindringen in den Kessel zurückzuhalten. Der eine der zur Bewachung des Lagers von den Häuptlingen zurückgelassene Krieger hatte sich zwar an dem Kampf zur Befreiung der Gefangenen beteiligt und mit einem Schuß aus seinem Hinterhalt den jungen Preußen verwundet, war aber, wie erzählt, bei dem eiligen Abzug der kleinen Gesellschaft nicht weiter beachtet oder vergessen worden und den Flüchtigen in einiger Entfernung gefolgt. Er war ein vorsichtiger und schlauer Krieger und hatte ihre Spur nicht eher verlassen, als bis er sie in den Kessel des alten Vulkans hatte einziehen und in der Höhle ihren Ruheplatz einnehmen sehen. Dann erst hatte er sich eilig zurückgezogen, um dem mit dem Angriff auf die Hacienda beschäftigten Häuptlingen von dem Überfall und der Flucht ihrer Gefangenen Nachricht zu bringen. Da er Zeit genug zur Beobachtung sowohl bei dem Kampfe in der Schlucht selbst, als bei seiner Verfolgung der Flüchtenden gehabt hatte, kannte er natürlich die Zahl derselben ganz genau und wußte, welche bewährten Krieger und Feinde seines Volkes sich unter ihnen befanden.

Auf dem Weg zur Hacienda war er natürlich, wie die Gesellschaft Kreuzträgers und Eisenarms selbst, auf die Reserve gestoßen, welche die Vorsicht Wis-con-tahs zwischen der Hacienda und dem Gebirge in der Schar der Mimbrenos und unter ihrem jungen, einäugigen Häuptling aufgestellt hatte. Die Nachricht von der Flucht und der Nähe der Gefangenen brachte selbstverständlich die ganze Schar in Bewegung, und als der »Fliegende Pfeil« vernahm, daß die junge Indianerin, der er seine verliebten Aufmerksamkeiten gezollt und die seinen Namen zur Täuschung benutzt hatte, unter den Flüchtigen war, zögerte er, obschon er noch keine Nachricht von dem Stande des Kampfes um die Hacienda hatte, nicht, seine Bande zu teilen und mit der größeren Hälfte sich aufzumachen, um die Entflohenen sämtlich wieder in seine Gewalt zu bringen.

Dies geschah, etwa in der Zeit zwischen dem zweiten und dritten Angriff der Hauptmacht der Indianer auf die Hacienda und das volle Morgenlicht war schon eingetreten, als Mechocan mit seiner Abteilung geleitet von dem Führer in der Nähe des früheren Kraters eintraf.

Der »Fliegende Pfeil« war, wenn auch der jüngste der vier Häuptlinge der Apachen, doch kein unerfahrener oder unvorsichtiger Krieger, und der Ruf seiner Feinde, wie gering auch ihre Zahl war, groß genug, um ihn zu jeder Vorsicht bei der Annäherung an ihr Versteck zu veranlassen.

So kam es, daß die Mitglieder der Bande, von ihren vordersten Spähern durch ein Zeichen gewarnt, Zeit hatten, sich zu verbergen, als Kreuzträger und der junge Vaquero Anstalt trafen, den Kessel des Kraters an der einzigen zugänglichen Stelle zu verlassen und, ihre Pferde an Zügel führend, zu dem Rand emporstiegen und den Durchgang passierten.

Sie hatten begonnen, den Berg hinabzusteigen und waren eben im Begriff, sich auf die Pferde zu schwingen, als auf ein Zeichen des Fliegenden Pfeils sich die Mimbrenos auf die Überraschten warfen.

Der Schuß, den die in der Höhle Zurückgebliebenen gehört, kam aus der Büchse des Kreuzträgers, die sich entlud, ohne Schaden zu thun, als sich mehr als zwanzig Krieger auf das Pferd stürzten und jede Bewegung des Tieres und seines Reiters verhinderten. Die Entladung des Gewehrs war sehr gegen die Absicht der Apachen, die gehofft hatten, die beiden Feinde ohne Lärm festzunehmen und so desto leichter die Flüchtlinge in der Höhle zu überraschen. Nachdem dies mißlungen, machte der Häuptling sofort den vergeblichen Versuch, in das Innere des Kessels zu dringen.

Es ist bekannt, daß die indianischen Krieger bei aller ihnen eigenen Todesverachtung doch in dem Schußgefecht jede List und Deckung suchen und sich so wenig als nur möglich exponieren. Das liegt ganz in dem hinterlistigen Charakter ihrer Kriegführung, die meist aus plötzlichen Überfällen des Feindes und Hinterhalten besteht. So geschah es denn auch jetzt, daß sie sich, anstatt einen Sturm auf die Stellung ihrer Gegner zu wagen, auf einen Wechsel von Kugeln und Pfeilen mit ihnen einließen. In diesem Verfahren wurden sie noch dadurch bestärkt, daß das rasche Feuer der Belagerten gleich zu Anfang ihnen die Meinung beibringen mußte, die Zahl der Verteidiger sei größer, als ihr Spion ihnen hatte angeben können.

Bei der genauen Kenntnis des indianischen Charakters rechnete Eisenarm sehr wohl auf diese Umstände und unterließ nichts, den Irrtum zu verstärken. Es wurde auf jeden sich irgendwie zeigenden Mimbreno geschossen und das sicherer Auge der beiden gefürchteten Schützen brachte den Belagerern mehrfache Verluste bei.

Dennoch fühlte der Trapper sehr wohl, daß ein kühler Entschluß des Häuptlings dem Kampf ein Ende machen mußte, und daß sie dann verloren waren; denn auf die Dauer den engen Eingang der Höhle zu verteidigen, war nicht möglich, da sie sich hierbei nur ihrer Messer und des Revolvers des Offiziers hätten bedienen können, dessen Kugeln ohnehin meist verschossen waren.

Allen Zweifeln über die Fortsetzung des Kampfes in der bisherigen Weise machte jedoch ein anderer Umstand ein Ende.

Der Toyah hatte eben einen glücklichen Schuß gethan, der den unvorsichtig hinter einem Felsblock gezeigten Fuß eines Mimbreno zerschmetterte, und reichte sein Gewehr zum Laden an seine Schwester, als diese ihm zuflüsterte, er möge ihr ein anderes Pulverhorn geben, da das bisher benutzte zu Ende sei. Nun hatte sich zwar die kleine Gesellschaft im Besitz eines genügenden Vorrats von Pulver und Blei befunden, indem sie nicht allein das Schießzeug des Methodisten und seines unglücklichen Freundes von dem Platz an der Furt am Tage vorher mitgenommen, sondern auch das Pulverhorn der von Kreuzträger erdolchten apachischen Schildwache außer ihren eigenen besaß indessen war Büchse und Schießvorrat des Methodisten in dem ersten Versteck, an dem Windenblüte am Morgen vorher den Wegweiser und seine Begleiter getroffen hatte, zurückgelassen worden, um ihre Bewegungen nicht zu erschweren, und Kreuzträger hatte unglücklicher Weise das Pulverhorn Merediths und des Apachen in seiner Tasche mit sich genommen, als er sich aus der Höhle entfernte. Die Knauserei des Yankee aber hatte versäumt, sich mit größerem Vorrat zu versehen, und so blieb denn, nachdem sein Horn für die Büchse des Toyah geleert war, die Verteidigung nur auf den geringen Vorrat des Trappers beschränkt.

Die Sache war bald erklärt und einfach genug, um einen raschen Entschluß notwendig zu machen.

» Caramba,« murrte der Jäger, »ich glaubte noch manchen guten Schuß zu thun und sie bis zum Abend hinzuhalten, wo ihre abergläubische Furcht uns erlaubt hätte, ihnen eine tüchtige Nase zu drehen; aber die Halunken sind schlau genug, um bald zu merken, daß ihnen nur noch eine einzige Büchse gegenübersteht. Wir müssen an den Rückzug denken, Jaguar.«

Der Toyah wies auf den Verwundeten und den Krüppel. »Mein weißer Vater weiß, daß es kaum möglich sein wird, die Frauen fortzubringen.«

»Zum Henker, meinst Du, daß ich nicht längst daran gedacht habe? Wenn der arme Bursche dort nicht wäre, hätten wir schon lange den blauen Himmel gesucht. Aber es muß jetzt dennoch geschehen, wir müssen ihn seinem Schicksal überlassen und die drei Gefangenen dazu. Hören Sie, Compañero,« wandte er sich an den verwundeten Offizier, »machen Sie sich viel aus einigen Jahren dieses hundsföttischen, mühseligen Lebens?«

»Wie meinen Sie das?« fragte der Preuße.

»Die Sache ist die: Es gibt einen Ausgang aus dieser Höhle, den Wonodongah und ich in früheren Zeiten entdeckten, als wir, nach einem Lager der Jaguars suchend, als Tigreros des Vaters dieser Dame da in dem Gestein umherkrochen. Er ist wahrscheinlich keiner andern Menschenseele bekannt und halsbrechend und unbequem genug, aber es muß dennoch versucht werden, durch ihn zu entkommen, wenn wir nicht alle samt und sonders in die Hände dieser roten Teufel fallen sollen. Wären Sie nun Ihrer Glieder mächtig, so hätten wir längst fort sein können, aber es ist rein unmöglich, Sie auch nur den vierten Teil des Weges fortzuschaffen; denn jeder, der ihn passieren will, wird dazu seine eigenen Füße und Hände brauchen und vielleicht die Zähne noch dazu!«

»Ich bitte Sie, Kamerad, lassen Sie mich zurück und retten Sie sich und die anderen. Sie haben ohnehin für mich, den Fremden, schon mehr gethan, als ich irgend hoffen konnte!«

»Nun,« meinte der Trapper, sich etwas verlegen hinter den Ohren kratzend, »wenn Sie länger in der Einöde gelebt hätten, würden Sie wissen, daß es da nicht ist, wie in den Städten, und daß man einen ehrlichen Christenmenschen, mit dem man zusammen gegen diese roten Teufel gefochten, nicht leicht im Stich läßt. Aber hier geht es leider nicht anders, und, um es kurz zu machen, Sie riskieren, wenn Sie hier bleiben und der ›Fliegende Pfeil‹ erst seine Nase in die Höhle steckt, einen Tomahawkhieb in den Schädel!«

»Ich bin Soldat und werde zu sterben wissen!« sagte der Offizier voll Energie. »Ich fordere von Ihnen als Pflicht, daß Sie sich um mich nicht weiter kümmern und nicht einen Augenblick säumen, diese Frauen und sich selbst in Sicherheit zu bringen.«

»Nun, ich dachte es mir, daß dies Ihre Antwort sein würde, denn Sie sahen ganz aus wie ein wackerer Mann, und es ist schade, daß Gott und die Heiligen Ihnen nicht eine längere Frist auf der Erde gegeben haben. Señora,« wandte Eisenarm sich an die Tochter des Senators, »Sie haben gehört, um was es sich handelt und was uns allein noch retten kann. Nehmen Sie all Ihren Mut zusammen, an dem es Ihnen ja nicht fehlt, und halten Sie vor allem dort die greinende Dirne in Ordnung, denn unser Weg ist nicht ohne Gefahr.«

»Und ist in der That nichts für diesen armen Mann zu thun?« fragte die Dame, auf den Verwundeten deutend.

»Wenn die roten Halunken ihm nicht in der ersten Wut über ihre vereitelte Erwartung den Rest geben,« meinte philosophisch der Trapper, der gar keinen Anstand nahm, in Gegenwart des Opfers die Sache zu verhandeln, »so wäre es möglich, daß sie ihn mit sich nehmen. Indes, es ist zwei gegen eins zu wetten, daß sie so toll sein werden, wie ein Büffel im Prairiebrand.«

Diese tröstliche Aussicht unterbrach der Lord, der bei der Enge des Aufenthalts natürlich die ganzen Verhandlungen mit angehört hatte.

»Darf ich fragen, Sir, was Sie dabei über uns beschlossen haben?«

»O Monsieur,« sagte der Trapper halb spöttisch, »es sind Ihre Freunde, und Sie haben von diesen natürlich nichts zu besorgen. Wir sind genötigt. Ihnen schon hier die Freiheit zu geben.«

»Und fürchten Sie nicht, daß wir den Indianern den Weg Ihrer Flucht verraten, und daß diese Sie verfolgen werden?«

»Das möchte den roten Halunken etwas schwer werden,« sagte lachend der Trapper, »und wenn ihre ganze Nation vor diesem Loch heulte. Wir werden dafür sorgen, daß es nicht geschehen kann. Wenn Sie aber ein Christ sind, wenn auch nur ein Ketzer, der nicht an den Schutz der heiligen Jungfrau glaubt, so suchen Sie Ihr Verhältnis zu jenen roten Teufeln zu benutzen, um diesen wackern Mann zu schützen, den wir hier zurücklassen müssen. Vielleicht giebt uns Gott die Gnade, daß wir ihn noch aus seiner schlimmen Lage befreien können, das Kriegsglück ist sehr wandelbar.«

»Ich will es thun, wenn es möglich ist,« erwiderte der Lord. »Von mir soll überdies niemand den Weg erfahren, den Sie genommen haben. Ich bin gewohnt, mein Wort zu halten, wie Sie das Ihre. Ich hoffe, wir sehen uns noch einmal wieder, wo wir einander nicht feindlich gegenüberstehen, und Sie besser von mir denken lernen.«

Der Trapper begnügte sich, die offenen männlichen Worte des Pairs mit einem leichten Kopfnicken zu erwidern, und wandte sich zu dem Toyah. »Es ist Zeit, Jaguar,« sagte er, »ich werde Dich auf Deinem Posten ersetzen. Du sollst voran gehen und der Dame den Weg zeigen. Die Späne werden hoffentlich noch an der Stelle sein, wo wir sie damals verbargen. So, Junge, und nun nimm die beiden Flinten mit und wirf sie in den ersten Spalt, es ist unnötig, daß die Halunken sich ihrer bemächtigen.«

Er hatte die Stelle des Comanchen am Eingang eingenommen und bald darauf krachte nochmals seine Büchse.

»So,« lachte er, »das wird die Schufte für eine gute Viertelstunde im Zaume halten und mehr bedürfen wir nicht. Der Bursche streckte gar zu neugierig seinen Kopf vor. Aber beeile Dich, Jaguar, damit uns nicht noch der Zufall einen schlimmen Streich spielt.«

Der Comanche hatte sich unterdes mit den Frauen beschäftigt. Die Höhle war dem Anschein nach etwa zwanzig Schritte lang, bildete aber eine Art Kurve, so daß nur der vordere Teil von dem einfallenden Tageslicht erhellt war. Wonodongah berührte, indem er zu dem Verwundeten trat, an dessen Seite die junge Indianerin kauerte, leicht ihre Schulter und deutete nach dem Hintergrunde der Höhle.

»Geh!« sagte er. »Windenblüte muß die erste sein. Ein Krieger weiß zu sterben, auch wenn seine Haut weiß ist.«

Wäre es heller oder er nicht mit anderer Sorge beschäftigt gewesen, so hätte seinem Blicke nicht der Kampf entgehen können, der das Mädchen erschütterte. Aber an Gehorsam gewöhnt, erhob sie sich langsam, und indem sie sich noch einmal über den Verwundeten beugte, fühlte der Offizier ihre Thränen auf seine Stirn niederfallen.

Er streckte die Hand nach ihr aus: »Dank Comeo! ich werde Deiner Freundlichkeit noch in der letzten Minute gedenken!«

Ein leiser Seufzer hauchte über ihn hin, die weiche, zitternde Hand des Mädchens glitt glatt und furchtsam über die seine hin; dann verschwand die junge Indianerin in der Tiefe des Gewölbes.

»Leb' wohl, Bleichgesicht!« sagte der Comanche. »Ein Häuptling wird Dein Blut rächen.« Indem er an dem Engländer und seinen Begleitern vorüber ging, warf er dem Courier einen finstern Blick zu und hob drei Finger seiner linken Hand in die Höhe.

Die drei Frauen, Dolores mit ihrer Zofe und die Indianerin, waren jetzt an der Hinterwand der Höhle versammelt. Als ihr Auge sich mehr an die Finsternis gewöhnt hatte, vermochten sie bei dem Dämmerschein, der von dem ihnen jetzt nicht mehr sichtbaren Eingang noch herüberkam, zu erkennen, daß die Wand nicht aus einem Stück, sondern aus abgerissenen Schichten mit verschiedenen Vertiefungen bestand. Gerade vor ihnen in etwa Manneshöhe gähnte eine solche von größerem Umfang hinein in den Berg.

Wonodongah legte seine Waffen nieder, senkte die Hand und bedeutete seiner Schwester, ihren Fuß darauf zu setzen. Dann hob er sie kräftig in die Höhe seiner Schulter und ließ sie den Absatz des Gesteins erklimmen. In gleicher Weise, jetzt von oben her von Comeo unterstützt, gelangten die Haciendera und die Zofe auf die Höhe des Gesteins und bemerkten, daß sie sich in einer neuen, wenn auch schmäleren und niedrigeren Höhle befanden.

Nachdem der Comanche seine Waffen hinaufgelangt hatte und ihnen an den Zacken der versteinerten Lava gefolgt war, führte er die Haciendera mit großer Sorgfalt einige Schritte weiter hinein in den Gang, bat sie dann, ohne Bewegung einige Augenblicke seiner zu harren und verschwand weiter hinein in die Finsternis. Es dauerte jedoch nur wenige Minuten, so sahen die Mädchen in deren Tiefe einen Funken aufglimmen, der bald zu einer Flamme wurde, und mit dem brennenden Span einer harzigen Holzart in der Hand kehrte Wonodongah zu den Frauen zurück.

Im Licht dieser improvisierten Fackel sah die Haciendera, daß sie sich in der That in einem niederen zerklüfteten Gange oder vielmehr in einem durch die Eruptionen überwölbten zweiten Ausgange befanden, den die Lava sich aus dem Krater gesucht. Die Höhlung, kaum mannshoch, von den erkalteten Zacken und Blöcken des vulkanischen Auswurfs auf allen Seiten beengt, führte offenbar tief hinein in den Berg. Als der junge Häuptling zurückgekehrt war, befestigte er innerhalb des Ganges die Leuchte in dem Gestein und ließ dann rasch zweimal hinter einander den Schrei des Spottvogels hören.

Gleich darauf erschien Eisenarm und schwang sich auf den Absatz.

»Hast Du alles bereit, Jaguar? Ich fürchte, ehe zehn Minuten vergehen, haben wir die Schurken auf unseren Fersen. Es geht etwas vor unter ihnen, und sie bereiten wahrscheinlich einen Angriff.«

»Mein weißer Freund hat das Pulver. Wonodongah wird voran gehen und die Frauen führen. Eisenarm möge den Weg schließen, wenn er das Geheul der apathischen Wölfe hört!«

»Gut! also fort mit Euch, damit niemand verletzt wird. Hier, nimm meine Büchse und gieb eine dieser schlechten Flinten her; sie kann uns noch einen Dienst leisten.«

Der Tausch erfolgte rasch. Der Trapper lud sie mit einer starken Ladung Pulver und setzte statt einer Kugel bloß einen Pfropfen auf.

»Was wollen Sie thun? Wie wollen Sie die Apachen hindern, uns zu folgen?« fragte die Haciendera.

»Das sollen Sie sogleich erfahren, Señora!« erwiderte der Kanadier. »Sehen Sie diesen Steinblock, der aus der Wand ragt? Wenn Sie die Hand darauf stemmen, werden Sie fühlen, daß er schwankt. Eine einigermaßen kräftige Erschütterung wird ihn herunter bringen und ihn diesen Gang so anfüllen lassen, daß kaum eine Maus den Weg an ihm vorbei finden würde.« Er hatte während der Rede einen Schwefelfaden in das Zündloch der Flinte gesteckt und bohrte deren Mündung jetzt zwischen die Ritze des Gesteins, welches den Lavablock in der Schwebe hielt.

»Vorwärts, Jaguar, beeile Dich!«

Der Toyah nahm die Fackel und gab den Frauen ein Zeichen, ihm zu folgen, indem er in dem Gange vorwärts stieg. Dolores folgte ihm, über das im Wege liegende verwitterte Gestein kletternd. Hinter ihr kam, zitternd vor Furcht, die Zofe. Comeo sollte die letzte sein.

Eisenarm hatte nach Beendigung seiner Vorbereitungen nach dem Eingang der Höhle zu gehorcht. Der Augenblick schien ihm gekommen, denn er zündete jetzt mit dem Schwamm, den er an der Fackel angebrannt, die Lunte an, die er in das Zündloch des Gewehrs gesteckt, und zog sich dann hastig, sich mit den Händen forttappend, in den Gang zurück.

Er hatte etwa fünf Schritte gethan, als er einen geschmeidigen menschlichen Körper zwischen sich und der Lavawand fühlte, der sich vorbei drängte.

» Caramba! wer ist hier noch? Macht, daß Ihr vorwärts kommt, die Explosion muß sogleich erfolgen. Zum Teufel, Frauenzimmer, wo wollt Ihr hin?«

Er fühlte den Körper unter seinen Händen fortgleiten, ehe er ihn erfassen konnte, tastete vergeblich umher und wollte eben dem Comanchen zurufen, mit der Fackel herbeizuleuchten, als ein gellendes Geheul, ein ihm nur zu wohl bekannter Ton, zu seinem Ohre drang und gleich darauf die Explosion erfolgte, die Wände der Höhlung erschütterte und die Luft mit Staub und Splittern erfüllte.


Welchen tiefen Widerwillen der Lord nach Anhörung der traurigen Erzählung des Wegweisers gegen seinen Führer auch empfand, er fühlte doch, daß er dessen Beistand jetzt bedürfen würde, und wandte sich deshalb, nachdem Eisenarm sich zurückgezogen, mit der Frage an ihn, was jetzt zu thun sei.

Statt jeder Antwort eilte der Courier zum Eingang der Höhle, ließ über den Felsblock hinüber, der den beiden Jägern zur Deckung gedient hatte, sein weißes Taschentuch wehen und verschwand dann im Freien.

»Der Schurke!« murmelte der Lord, »er würde unser aller Leben verkaufen, um das seine zu retten! Laß uns ihm folgen, Mahadröh, damit sie uns erkennen, und wir nicht nutzlos ermordet werden. Sir,« wandte er sich zu dem verwundeten Offizier, »Sie müssen einige Augenblicke allein bleiben, aber seien Sie versichert, daß ich alles aufbieten werde …«

Er konnte nicht weiter sprechen, das gellende markerschütternde Kriegsgeschrei der Apachen, das Eisenarm gehört, unterbrach seine Worte und ließ ihn sich umsehen nach dem Eingang der Höhle.

Die wilden Gestalten der roten Krieger erfüllten diesen, und mit drohenden Gebärden und mit geschwungenen Tomahawks drangen sie in die Höhle.

Der Knall der von Eisenarm vorbereiteten Explosion erschütterte in diesem Augenblick das Gestein und fesselte ihren Fuß. Durch den Qualm und Staub, welcher aus dem Hintergründe der Höhle sich hervorwälzte, glitt die leichte und zierliche Gestalt des jungen Indianermädchens und kauerte sich nieder neben dem Lager des Verwundeten, wie zum Schutz die Hände und Arme über ihn breitend.



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