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So wie ein wandernder Mann, der umdroht vom Gewitter in finst'rer
Nacht durchschreitet den Wald, wo verworren die Pfade sich schlingen –
Richtig vermeint er zu gehen, und rüstiglich schreitet er fürbaß
Seinem Gestirne vertrauend – da zuckt grellflammend ein Blitzstrahl
Plötzlich vom Himmel hernieder, das Dunkel zerreißend – nun sieht er.
Daß er sich völlig verirrt, er steht entsetzt vor dem Abgrund:
Also durch's Leben getrost hin war ich gegangen, bis Heinrichs
Schneidende Worte mit kaltem Geleuchte mich jäh zur Erkenntniß
Brachten des eigenen Selbst, und der argen Gefahr für die Zukunft,
Wenn ich verharrt' auf dem Weg, den verblendet vom Wahne ich einschlug.
Durft' ich ihm zürnen darob? – O hätt' er mir offen und ehrlich,
Wie sich's dem Freunde geziemte, gestanden die Sinnesveränd'rung,
Warm ihm hätt' ich's gedankt, anstatt daß tückischer Falschheit
Grollend ich jetzt ihn zieh, und stolz mein empörtes Gemüth sich
Ganz abwandte von ihm! Doch leider in anderer Hinsicht
War ich annoch ihm verpflichtet – es drückte mich peinlich. Der Schuld mich
Rasch zu entledigen – d'rauf war einzig mein Trachten gerichtet.
Aber woher – nachdem die verwegensten Pläne gescheitert –
Nehmen die Mittel dazu? Wohl hätte sofort sie die Heimat
Mir Rückkehrendem reichlich gewährt; doch der bloße Gedanke
Trieb mir die Scham in die Wangen. So blieb mir denn Eines nur übrig:
War ich zum Künstler verdorben, zum freien, erfindenden – tauglich
Mocht' ich mich etwa erweisen, die Schar der Copisten zu mehren,
Wie sie in Gängen und Sälen – den fremden Beschauern ein Aerger –
Sitzen, die herrlichsten Werke verstellend, vom Morgen bis Abend
Heiligenbilder verfert'gend, Madonnen und Engel auf Goldgrund,
Die sie sodann um ein billiges Geld an die Händler verkaufen.
Ihnen gesellt' ich nunmehr mich, so viel ich nur konnte, der Nähe
Scheu ausweichend von Allen, mit denen bisher ich verkehrte,
Heinrichs zumal, der that, als merkte er nichts von der Wandlung,
Welche mein Wesen und Leben erfuhr, stillschweigend in meinem
Thun zu bestärken mich schien, und je mehr ich von ihm mich zurückzog,
Desto gefälliger sich und beflissener zeigte. – So höher
War ich verwundert zu hören – die neuen Collegen besprachen's
Untereinander 'nes Tages – er hab' eine Studienreise
In die savoyischen Berge gemacht, mit dem Gestrigen sei er
Plötzlich von dannen gereist. »Ohne Abschied? Arme Pepina!« –
Dacht' ich im Herzen, die Kunde vernehmend; mir selber doch klang sie
Völlig erwünscht. Lieb war's mir, ihn ferne zu wissen, der längst sich
Meinem Gemüthe entfernt: so war, da gestorben die Freundschaft,
Denn auch zu Ende der heuchelnde Schein! – O! des kläglichen Daseins,
Da ich an Allem verarmt, was Behagen demselben und Werth leiht,
Matt hinschleppte zur Noth, absparend vom Munde das Brot mir
Darum verließ ich mein elterlich Haus und das traute Geburtsland?
Darum entsagt' ich der Liebe des trefflichsten Mädchens, des Vaters
Treulicher Führung? Um das hab' ich angestammt Gut und Besitzthum
Keck in die Schanze geschlagen, und jede natürliche Regung
Niedergebändigt im Busen? – Beim Himmel! Es lohnte den Einsatz
Nimmer so karger Gewinn! –
– Auf der Brücke Sant' Angelo war es,
Wo es mich einst mit Gewalt übermannte. Im nächtlichen Tiefblau
Ueber der schlummernden Stadt hoch schwebte der goldene Vollmond
Ruhig und groß, wie ein Auge, und warf sein zitterndes Streiflicht
Still auf die Wellen des Flusses, die träg an den Jochen sich brachen
Klagend, mit leisem Gegurgel. Vorübergebeugt auf der Brustwehr
Lag ich und blickte hinab in die gurgelnden Wellen. Ein Ruck noch –
Und ein verfehltes Leben erlosch für immer im Schoße
Wonnigen Selbstvergessens. Des unglückseligen Oheims
Schatten stieg warnend empor mir, wie Mangel und grimmige Noth ihn
Unablässig verfolgten und schrittweis' drängten zum Abgrund,
Wie er zu stolz gleichwohl, die errettende Hand der Verwandten
Anzunehmen, an Leib und Seele zerrüttet, so tief sank,
Daß mit der Fiedel zuletzt er bettelnd als lumpiger Spielmann
Zog von Provinz zu Provinz, bis er schließlich im gräßlichen Elend
Einsam zu Grunde gegangen, zerfallen mit sich und der Menschheit –
Daran gedacht' ich mit Grausen. Es packte mich Schwindel, vernehmbar
Klopfte das Herz in der Brust, wild flogen die Pulse, zu Kopf schoß
Jach mir das Blut – ich rang; doch die letzte, die äußerste Schmachthat
Blieb mir zum mind'sten erspart, – Abschüttelnd die feige Versuchung
Schwang ich mich schaudernd zurück vom Geländer der Brücke, und aufrecht
Stand ich im Strahle des Mondes. – Da schallt es von Tritten, und siehe!
Nahe und näher heran durch die schweigende Straße bewegt sich
Nun eines Mannes Gestalt – aufblickt sie, und schnelleren Schrittes
Geht sie gerad' auf mich zu: »So sind Sie es richtig, Herr Rudolf?« –
Spricht sie und lüftet den Hut – ich erkenne den Hüttenadjuncten.
»Sie hier!« – stamml' ich verstört; er aber: »Welch' eigener Zufall,
Daß ich, kaum angekommen. Sie finde! O! wäre die Botschaft
Nur auch erfreulicher, die zu bestellen hierher ich gesandt ward!
Nur nicht erschrocken sogleich! Gar Mancher noch greiseren Alters
Hat sich schon gründlich erholt, und so wird auch Ihr Vater vom Anfall
Wieder genesen, der jüngst ihn getroffen, zumal es das Fräulein
Nimmer läßt fehlen an zärtlichster Pflege. Auch war mein verehrter
Herr Principal stets stark von Natur; doch freilich zu sehr d'rauf
Hat er gesündigt in letzterer Zeit: Selbst die kräftigsten Schultern
Brechen am Ende zusammen, wenn allzu gewichtig die Last wird.
Immerhin steht es bedenklich genug, und begreift sich des Kranken
Sehnlich geäußerter Wunsch, daß den einzigen Sohn er noch einmal
Möchte im Leben erblicken. Erst sollte ein Brief Sie verständ'gen;
Aber zu wenig verläßlich – seit Monden bereits ohne Nachricht –
Schien ihm der schriftliche Weg – so hat er denn mich mit dem Auftrag,
Sie zu erforschen, betraut, und schier wie ein Wunder, so glücklich
Hat es der Himmel gefügt: Sei dies uns ein günstiges Zeichen,
Daß auch daheim unterdessen sich Alles zum Besser'n gewendet!« –
Also der Hüttenadjunct. Schwermüthig wie Sterbegeläute
Tönte sein Trauerbericht in's Ohr mir, während ich langsam
Bangaufhorchend ihm schritt zur Seite in stummer Betäubung,
Bitter mich selbst anklagend, und reichliche Thränen vergießend. –
O! wie schmolz nun mit ihnen dahin mein kindischer Hochmuth!
Alles, um das ich vor Kurzem noch glühend mich grämte – wie schrumpft'es
Plötzlich zusammen zu Nichts vor der Größe des herben Verlustes,
Der mich bedrohte! Entsagend nur Eines noch fleht' ich: das Schicksal,
Welches uns Alle erzieht, ausheilend oft Schmerzen mit Schmerzen,
Möge mich noch rechtzeitig erreichen lassen die Heimat,
Die durch die Nacht fernher mir die Hand darbot zur Versöhnung!