Wilhelm Raabe
Die schwarze Galeere
Wilhelm Raabe

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»Aufgemacht! Aufgemacht im Namen seiner katholischen Majestät in Spanien! Aufgemacht! Verräter und Feinde haben Schutz gesucht in diesem Hause!«

Gleich strömten von allen Seiten Soldaten, Matrosen und Bürger von Antwerpen vor die Türe, die zu Mygas Wohnung hinaufführte, zusammen. Von Augenblick zu Augenblick wuchsen die Haufen. Halb in Verzweiflung suchte der Kapitän Balani dem Gelärm seines tollen Freundes Einhalt zu tun; aber schon war es zu spät. Die Haustür öffnete sich, und die Bewohner des Gebäudes, in welchem Myga wohnte, ein Zimmermann, ein Schuhmacher, ein Stadtschreiber, mit ihren Familien und Gesellen, eine Witwe mit vielen Kindern, verkrochen sich ängstlich in ihren Winkeln, entsetzt vor dem Gedanken, daß einer der niederländischen Rebellen Zuflucht unter ihrem Dache gefunden haben sollte. Nur ein gebücktes, uraltes Mütterlein trat mutig mit einer Lampe in der zitternden Hand den Eindringlingen entgegen und behauptete mit kreischender Stimme: niemand sei in das Haus eingeschlüpft, am wenigsten ein seeländischer Wasserteufel. Gott solle sie bewahren – meinte sie – einem Meergeusen Schutz zu geben; sei nicht ihr Mann, ihr armer seliger Mann von den wütenden Unholden von einem Fischerkahn ins Wasser geworfen worden und elendiglich umgekommen? – Was halfen ihr ihre Versicherungen? Niemand hörte darauf, voll ward das Haus von spanischen Soldaten, italienischen Matrosen und dem Lumpengesindel der Gassen. Angst- und Wehgeschreie drangen bald hervor aus den verschiedenen Wohnungen; man prügelte und peinigte ein wenig, man plünderte ein wenig.

»Vorwärts, Antonio! Halt dich nicht auf!« rief Leone. »Vorwärts, treppauf ins Himmelreich!«

Er hielt das Mütterlein am Kragen und zwang es, vorzuleuchten mit seiner Lampe, unter den scherzhaftesten Drohungen.

»Lustig, lustig, Mütterlein! Die andern suchen unten, wir oben vorwärts! Und tut nicht so zimperlich, ich gucke nicht nach Euren Waden. Heda, Antonio, bleib nicht zurück!«

»Leone, ich bitte dich!«

»Ach was, voran, voran, Madonna! Haha, Antonio, war für ein Hase bist du doch, solchem süßen Abenteuer gegenüber! Was sollte aus dir werden, wenn du mich nicht hättest? So – das scheint die letzte Staffel zu sein – Viktoria! Viktoria! Mille grazie, alte Sibylle. Hier, hier, Antonello – im Namen des Königs, öffnet, öffnet! Verräter und schöne Mädchen haben sich hier verborgen; öffnet, öffnet im Namen des Königs! Im Namen der katholischen Majestät von Spanien, heraus aus dem Nestchen, holdes Vögelchen, öffne und gib das süße, rebellische Herzlein heraus!«

Mit lachendem Munde faßte der Tolle den Kapitän an der Schulter und drängte ihn gegen die Tür, die er weit aufwarf – – – starr, zweifelnd standen die beiden Genuesen! –

Mit wachsender Besorgnis und Angst hatten Jan und Myga dem Lärm in den Hallen zugehört. Als nun gar das wilde Getöse in das Haus eindrang, hatte die Braut in der Verzweiflung den Bräutigam angefleht, sich zu verbergen.

Aber was konnte zu beider Rettung geschehen?

Im nächsten Augenblick war alles zu spät. Allzuschnell drang Leone della Rota die Treppe hinauf.

Im linken Arm hielt Jan Norris die ohnmächtige Braut, krampfhaft faßte die rechte Hand die blanke Waffe. Er wußte nicht, was er beginnen sollte, alle Geistesgegenwart hatte ihn in diesen schrecklichen Sekunden verlassen. Was hätte auch alle Geistesgegenwart geholfen? Verloren waren Jan Norris und Myga van Bergen, soweit Menschenverstand es absehen konnte.

»Alle Teufel, was ist das?« rief der genuesische Leutnant. »Nun, das ist nicht übel! Das ist ja ein seltsam Zusammentreffen, – das nenn' ich zwei Fliegen mit einem Schlage treffen. Holla, Antonio Valani, jetzt gewinne dir dein holdes Täubchen! Solchen Nebenbuhler zu haben hast du dir wohl nicht träumen lassen? Nieder mit dem Geusen! An den Galgen mit ihm!«

Aus der Scheide flogen die Degen der Genuesen.

»Schütze dich Gott, Myga!« schrie Jan Norris, seine Klinge schwingend. »Zurück, ihr welschen Schufte!«

Den wilden Geusenschrei: Lieber Türk als Pfaff! ausstoßend unterlief der Steuermann der schwarzen Galeere die Klinge Leone della Rotas, – ein Stoß – mit einem Schrei drehte sich der Kapitän des Andrea Doria und taumelte; klirrend entfiel das Schwert seiner Hand, – zu Boden stürzte Antonio Valani. Über den Körper des Genuesen weg sprang der Wassergeuse, ein zweiter Hieb streifte jedoch nur leicht die linke Schulter des Leutnants. Matrosen der Galeone Andrea Doria drangen ihre Schiffsmesser schwingend die Treppen herauf. Ein wilder, blutiger Kampf entstand auf dem engen Raume; ohnmächtig lag Myga van Bergen am Boden. Spanische und albanesische Soldaten vermehrten das Getümmel, Lampen und Fackeln erloschen, glimmten am Boden, wurden wieder angezündet. Die wenigsten wußten eigentlich, was vorgehe, und als plötzlich der Ruf: Feuer! Feuer! durch das Haus tönte, löste sich der wirre Knäuel im panischen Schrecken und stürzte wieder die Treppe hinunter. Ein erstickender Qualm füllte alle Räume des Hauses; durch ihn hin schleppten die genuesischen Schiffsleute ihren zu Tode verwundeten Kapitän und den gefesselten Wassergeusen Jan Norris! Durch den Rauch trug Leone della Rota die bewußtlose Myga die Treppe hinab auf die Straße, wo bereits ein neuer Kampf auszubrechen drohte zwischen den Matrosen des Andrea Doria und den spanischen Soldaten, welche den erstern ihre Gefangenen entreißen wollten. Aber Trommelschlag verkündete die Ankunft eines höheren Befehlshabers, welchem Leone dann Bericht abstattete, so gut es die Betäubung, in welcher er sich befand, ihm gestattete. Der Don gab gravitätisch seine Meinung ab: es sei das beste, den verwundeten Kapitän, den Geusen und die Dirne auf das Schiff zu bringen, man habe dann morgen beim Verhör alles hübsch zusammen; – übrigens gehöre der Gefangene als Seeräuber jedenfalls an eine Rahe, also sei die Fortschaffung desselben auf die Galeone auch in dieser Hinsicht das Angemessenste. – – – –


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