Wilhelm Raabe
Die schwarze Galeere
Wilhelm Raabe

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Vom Hauptmast wirft die Schiffslaterne ein unruhiges flackerndes Licht über das Verdeck. Aus den Fenstern der Kajüte fällt ein schwaches Leuchten auf die dunkeln Fluten der Schelde, die darunter vorüberschießen.

In der Kajüte richtet sich vom Lager Antonio Valanis der Leutnant Leone della Rota in die Höhe.

»Es ist vorüber!« sagte er. »Er ist tot, hörst du, bella Fiamminga, er ist tot, und – Kapitän an Bord dieses Schiffes ist Leone della Rota! Hörst du, Schönste; ich trete meine Erbschaft an, – auch du bist mein; mit dem letzten Atemzuge des Freundes bist du mein geworden.«

Von neuem füllte der Leutnant Spinolas den Becher mit Wein. »Was wendest du dich ab und schauderst, schöne Myga? Er ist tot – sein Herz hat ausgeschlagen. Aber meins schlägt noch wild und hoch. Wohl aber war er mein Freund; aber in deiner Liebe räche ich ja seinen Tod.«

Er hob den Becher und trank ihn aus.

»Ich bringe es dir, armer Antonio, – auf hohem Meer sollst du ein edles Seemannsgrab haben. Nicht am Lande sollen sie dich verscharren; unter den lustigen Wogen sollst du schlafen, wie's einem genuesischen Kinde zukommt. In den Armen der Meerfräulein sorst du schlafen –«

»Erbarmen, heiliger Gott, sende den Tod, rette mich, rette mich!« wimmerte das verzweifelnde Mädchen; aber der betrunkene Leone lachte wild und gellend.

»Sieh mich nicht so an, Königin – heute mir, morgen einem andern – das ist der Krieg, das ist das Leben. Meinst du, ich soll jammern und Gebete murmeln wie ein Pfaff am Leichnam des Freundes? Ha, wären wir am Strande des ligurischen Meeres, mit Rosen und Myrten wollten wir uns die Haare kränzen, die schöne Nacht zu feiern! Im Namen der Rache, im Namen des Sieges, so komm in meine Arme, du wilde Geusin, so komm und sei mein, du holde Ketzerin.«

Mit einem gellenden Schrei klammerte sich Myga van Bergen an den Pfosten des Lagers, auf welchem der bleiche, blutige Leib Antonio Valanis ausgestreckt lag. Bei dem Toten suchte sie Schutz! Aber mit wildem Lachen riß Leone della Rota die Unglückliche empor in seine Arme. Mit glühenden Küssen bedeckte er ihren Mund und ihre nackten Schultern, – da klang ein dumpfer Fall über seinem Haupte, daß die Lampe an der Decke davon erzitterte. Ein Schrei! – ein Ringen – ein zweiter Fall – ein Stampfen und Trappeln vieler Füße – ein wildes Geschrei – der scharfe Knall eines Handrohres – der schreckensvolle, unheilvolle Ruf:

»Die Geusen! Die Geusen! Die Geusen an Bord! Verrat! Verrat! All'arme! All’arme!«

»Was ist das? Diavolo!« rief der Leutnant, das Mädchen freilassend und nach dem Schwerte greifend. – – Von dem blutigen Lager hob sich noch einmal der Leib Antonio Valanis, noch einmal öffneten sich die Augen weit und starr und hafteten auf dem Leutnant:

»Schütze das Schiff – Ver – räter! Niederträchtig –« ein Strahl schwarzen Blutes schoß aus dem Munde hervor, zurück sank Antonio Valani – der Tod hielt nun wirklich seine Beute.

Auf dem Deck ward nach dem Fall der ersten Wacht das Getümmel immer allgemeiner und lauter; das wirre, überraschte Schiffsvolk stürzte hervor mit den ersten besten Waffen in der Hand –

»Zu den Waffen! Verrat! Die Geusen!«

Flüche – Gestöhn – Rufe um Pardon.

Auf die Knie sank wieder Myga van Bergen, während der Leutnant, das Schwert aus der Scheide reißend, die Kajütentreppe hinaufeilte. Auf dem Verdeck stolperte sein Fuß schon über Leichen und zu Boden liegende Verwundete. Wild wogte es hin und her, und das Triumphgeschrei der Niederländer und der schreckliche Geusenruf: »Lieber Türk als Pfaff!« fingen bereits an, den Waffenruf der so schrecklich aus dem Schlaf erweckten Genuesen zu übertönen.


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