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Die Seeräuber
Wilde Sage, blaue Sage
Von den Ahnen, den Uskoken.
In den weißen Küstenstädten
Hatten steil sie ihre Nester,
An den Engen, auf den Inseln,
In dem Räuberturm von Ljubač.
Saßen auf den Vorgebirgen,
Äugten nach dem Venezianer,
Spannten übers Meer wie Fänge
Ihre schnellen Segel aus.
Wenn die Bora von den Bergen
Niedersprang so blau und selig,
O wie flogen ihre Schiffe,
O wie flatterte ihr Haar!
Salzig schmeckten ihre Lippen,
Würzig roch es von den Inseln,
Und die braunen Hände packten
Reiche Levantinerfracht.
Guter Kaiser, ferner Kaiser,
Um das wilde Volk zu zähmen,
Häuser gab er, Weizenäcker,
Heimatrecht im grünen Land. 42
Siedelte die braunen Brüder
An in sanften, zahmen Tälern,
Daß sie hausten, daß sie säten,
Fromm nach alter Bauernart.
Doch die wilden Räubersöhne
Wollten nicht im Tale wohnen,
Wollten nicht den Weizen bauen,
Haßten Dorf und grünes Land.
Von den Häusern und den Äckern
Wieder wie vom Berg die Bora
Nieder an die blaue Küste
Stürzte die Uskokenschar.
Wieder durch die Inselengen
Jagten sie die Venezianer,
Hatten Salz auf ihren Lippen,
Und es flog ihr Haar im Wind.
Bargen sich in dunklen Buchten
Bei dem Nachtgeschrei der Möwen,
Häuften wieder bunte Schätze
In dem alten Räuberturm.
Wilde Seele, meine Seele,
Tochter bist du der Piraten,
Tochter du der blauen Bora,
Tochter du des Inselmeers. 43
Kannst nicht lang im Tale wohnen.
Wie die Ahnen, die Uskoken,
Sehnsucht treibt dich immer wieder
Nieder wie vom Berg die Bora,
Nieder an die blaue Küste,
An der Heimat wildes Herz. 44
Istrianische Landschaft
Der Hirte singt, die Wolke loht,
Die Heide liegt im Abendrot.
Die Heide duftet weit und breit
Nach Thymian und Einsamkeit.
Es qualmt die Stadt von ferne her,
Und an den Hügeln bleicht das Meer. 45
Mit Bildern von Istrien
und Dalmatien
(Für Maja)
Laß dir leuchten lichter Inseln Glanz
Und des Meeres zauberblaue Fernen.
Gelber Ginster winde sich zum Kranz
Und dir kreise fremd ein Feuertanz
Von des Südens großen Wandelsternen.
Freundin, aller Schmerz verbleicht und geht.
Nie doch wird der rote Glanz verbleichen,
Der um Mittag auf den Hügeln steht
Und im Wind und in der Welle weht
Als der schönen Freude großes Zeichen. 46
Frühe Erinnerung
Wiese senkte sich zum Strand hinab,
Karge Wiese voll von grauen Steinen.
Junger Vater seine Hand mir gab,
Lag so fest mein Händchen in der seinen.
Und so liefen wir in frohem Trab
Durch das dürre Feld die Bucht hinab;
Schritt zu halten mühten meine kleinen
Füße sich mit Vaters großen Beinen.
Und mit uns das Hündchen Hassan lief,
Lief und sprang in tollem Tierbehagen,
Und der Vater »Hassan! Hassan!« rief. –
(O du Laut aus fernen, fernen Tagen!)
Meine kleinen Schritte, Vaters Hand,
Graues Karstfeld, weißer Muschelstrand,
Und des Hündchens frohgemute Sprünge: –
O verschollnes Bild der frühsten Dinge! 47
Südlicher Sommer
Es singen die Zikaden,
Die Sonne glutet schwer,
Und nackte Kinder baden
Im blauen, blauen Meer.
Die kahlen Felsen glühen
Im Mittag heiß und weiß.
Wo scheu die Myrten blühen,
Sitzt Pan und flötet leis. 48
Gang durch die Alturaheide
Viele schwarze Krähen
Fliehn vom Feldesrand,
Da durch braches Land
Ohne Ziel wir gehen.
Ohne End' und Eile
Friedlich vor uns hin,
Keinen Wunsch im Sinn,
Eine stille Weile.
Blaß wie alte Seide
Schwebt das Himmelblau,
Und der Wind zaust rauh
Uns an Haar und Kleide.
Ferne Inseln grüßen
Stumm von Süden her,
Und ein neues Meer
Liegt zu unsern Füßen. 49
Punte Bianche
Viele tausend Inseln winken
Weiß im Julisonnenschein,
Möwen fliegen, und wir trinken
Roten Dalmatinerwein.
In den salzigen Buchten weiden
Lämmerherden des Homer.
Myrten blühen auf den Heiden
Und der Leuchtturm ragt ins Meer. 50
Der Monte Paradiso wird verbaut
Ach, du warst ein Freund der Sterne,
Für die Träumer warst du da;
Nahes schobst du in die Ferne
Und die Ferne schien so nah.
Friedlich hast du dagelegen,
Außerhalb von Tag und Zeit,
Und auf allen deinen Wegen
Lächelte die Einsamkeit.
Sanfter Berg, du würdest klagen,
Wüßtest du, was dich bedroht:
Traurig wird dein Rücken tragen
Häuser voll Geburt und Tod. 51
Brief nach Haus
(An meinen Bruder Peter)
Du siehst daheim die alte Sonne scheinen,
Du hörst den Wind, der auf den Wellen geht.
Der Mittag glüht wohl auf den Ufersteinen
Am Küstenhügel, wo die Myrte steht?
Wie stetes, leises Atmen ist das Wogen
Des Meeres nachts an deines Schiffes Wand.
Die Heimatsterne ziehn in stillem Bogen
Und wie ein dunkler Körper liegt der Strand.
Ich bin nun schon zu lange aus dem Lande,
So lang, daß ich mich kaum besinnen kann,
Wie herb im heißen Mittagssonnenbrande
Wacholderduft sich mischt mit Thymian.
Doch jüngst: es war an Schwedens fremder Küste,
Am roten Fels stand ein Wacholderbaum,
Die Sonne schien . . . Ein herbes Duften grüßte . . .
Und alles war mir wie ein alter Traum. 52
Gespräch bei Nacht
»Sag', was liegst du wach mit nassen Augen,
Weib? Was schläfst du nicht in tiefer Nacht?«
– »Schlaf mich flieht, weil ich die Heimat schaute,
Weil sie wiederkam in tiefer Nacht:
Weiße Häuser, blendend in der Sonne,
Grauen Ölbaums gramzerriss'ne Zweige,
Sanfte Hügel senkend sich zur Küste
Und der Buchten silberblauer Kranz.«
– »Denke nicht der blauen Buchten immer,
Nicht der Hügel, senkend sich zur Küste,
Nicht der traurigen Olivenbäume,
Nicht der Häuser, weiß im Sonnenschein.
Nimmer denke der versunknen Dinge!
Kostbar ist der Schlaf der tiefen Nacht.«
– »Lasse, Lieber, mir die holden Bilder,
Lasse mir sie leuchten in der Nacht!
Denn was blieb mir von der alten Heimat,
Als die Tränen, die ich um sie weine,
Als die Lieder, die ich von ihr singe,
Als die bunten Bilder in der Nacht!« 53
Die Wacholderheide
Da ich zwischen Kleinstadtmauern
Mich zerfließ in frühem Leide,
O wie lockte hinterm Hügel
Einsam die Wacholderheide!
Während meine jungen Füße
Durch das graue Dickicht strichen,
Waren meine wehen Blicke
In das Abendrot entwichen.
Und sie bohrten in den Himmel
Meine Schwermut und mein Sehnen.
Weite Welt und große Liebe
Heischten sie mit Trotz und Tränen.
Siehe: was ich gierig träumte,
Wurde mir gegeben, Heide,
Aber du wardst mir genommen,
Heide im Wacholderkleide.
Deine sanften Abendhänge,
Deine Weiten ohnegleichen
Sind verschollen, sind versunken,
Nur im Traum noch zu erreichen.
Und nichts däuchte mich so selig
Heute, als im Jugendleide
Wieder trotzig hinzustürmen
Über die Wacholderheide. 54
Heimweh
Da ich dämmernd lag
Zwischen Schlaf und Traum,
Klar und nah sah ich die Heimat wieder:
War ein Nebeltag,
Stand ein Mandelbaum,
Aus der Wolke stieg die Möwe nieder.
Ging ein alter Pfad
Durchs Wacholderkraut,
Hartgestampft von vielen tausend Füßen.
Rührte sich kein Blatt,
Schlug mein Herz so laut,
Mußte jäh die rote Erde küssen. 55
Im Februar
Kalt weht der Wind im Februar,
Kalt und grau,
Über der steinernen Wüste der Stadt.
Welk liegt das Laub in den Parks,
Und die Teiche sind zugefroren.
In der Heimat, da roch es nach Veilchen im Februar,
Und weiß begannen die Mandeln zu blühn.
Blau, blau glänzte das Meer,
Und die Hügel,
Die standen voll Krokus im Februar.
Wild, wild lachte das Herz
Und wiegte sich mit
Im gischtigen, bunten Südweststurm.
Schön, ihr Freunde, ach schön,
War die Heimat, die Heimat im Februar! 56
Den Freunden
Durch unsre Jugend hat das Meer gebrüllt,
Durch unsre Jugend ist der Sturm geflogen.
Und wurden wir auch nur, wie alle sind, –
Wir wissen doch: so, wie wir ausgezogen,
So meereslufterfüllt, ganz Salz und Wind,
So sicher tragend die geheimen Kronen,
So widerfährt die Jugend denen nicht,
Die in den Städten und am Walde wohnen.
O einsam Schreiten im Oktoberlicht,
O blaues Gleiten durch die reine Welle,
O Möwenschrei, o ferne, freie Sicht,
O abendrotdurchglühte Himmelshelle!
Auf kahler Heide stand der Thymian,
Die Myrte blühte auf den Küstenhügeln,
Das Mohnfeld sah uns rot und leuchtend an,
Die Sonne glänzte auf den Möwenflügeln.
Und blau und strahlend lag das Heimatmeer,
Und grenzenlos und ewig lag die Ferne,
Und unsre Jugend wog wie Gold so schwer,
Und unsre Träume fließen an die Sterne . . . 57
Ihr Freunde, einsam liegt der alte Strand.
Asphaltne Städte haben uns verschlungen,
Der jungen Feuerseelen Loderbrand,
Vom kühlen Leben ward er längst bezwungen.
Doch greift hinauf ins ehrbar schlichte Haar,
Das salz'ge Stürme nimmermehr zerwühlen,
Ihr werdet dort für heut und immerdar
Den Kronreif unsrer starken Jugend fühlen. 61