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»Nun meine Arbeit gehört Dir. Ich setzte dafür mein Leben ein, und meine Vernunft ging dabei zur Hälfte drauf …«
Diese einfachen und erschütternden Worte schrieb Vincent van Gogh, der große holländische Maler, der so leidenschaftlich darum rang, seine Farben- und Linienerlebnisse zum Bild zu gestalten, am 27. Juli 1890, zwei Tage vor dem erlösenden Heimgang, an seinen Bruder Theo, der »Gemäldehändler und zugleich Apostel« seiner Kunst war, und ihm ohne Wanken, in selbstverständlicher Treue, wirtschaftlich stützend sein mühseliges und beladenes Leben tragen half.
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»Mühselig und beladen« … an das Evangelienwort und an die Urchristenstimmung voll Demut, Zernichtung, Selbsterniedrigung, voll des Seufzens der geängsteten Kreatur, muß man beim Lesen der zwei Bände dieser Briefe Vincents an Theo denken. Aufwühlende Passion stellt sich dar, niederzwingend zur Andacht zum Kreuz menschlichen und künstlerischen Martyriums.
Aber dabei doch nicht weichmütig und winselnd, sondern gefaßt in Aufnehmen und Bekennen des Schicksals und unablässig bis zur Aufopferung am Werke dienend, auch darin verwandt den waffenlosen Glaubenshelden, denen die Hingabe Notwendigkeit war.
Dies Werk bedeutete, und das scheint für Vincents Charakteristik sehr bemerkenswert, zunächst gar nicht die Malerei, sondern für ihn, den brabanter Pfarrerssohn, den in seinen Anfängen als Lehrling des Kunsthandels ein Ekel vor den rechnenden materiellen Weltleuten gefaßt hatte, die Seelsorge. Ihm war in London, auf Eitelkeitsmärkten und im kalten Geschäftsbetrieb, fröstelnd, einsam, etwas von jener Erkenntnis gedämmert: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt« … Er sehnte sich aus der glatten selbstsüchtigen Gesellschaft zu den Armen und Niederen, ihnen etwas von seinem übervollen Herzen mitzuteilen. Er ging als Missionar, als »Evangelist« in das belgische Kohlenrevier, in die Borinage, in die Dörfer der Bergleute und Weber. Traurige, tote Flecken Erde sind es. Die Männer meist vom Fieber abgemagert, bleich. Rings um die Grube armselige Bergmannswohnungen mit ein paar abgestorbenen Bäumen, ganz schwarz verräuchert und Dornenhecken, Mist und Aschenhaufen … Und es bewegt aufs tiefste, in dieser für das menschliche Leid so überempfänglichen Seele von ihren Begebnissen zu lesen. Schicksal und Anteil spricht hier in allerpersönlichster Einversetzung; es klingt nie schwächlich oder in Gefühlen kramend, sondern immer auf Saiten, die aus dem Innersten erbeben, und eigen ist es dann, zu beobachten, wie in diesem Hungerpastor, ihm selbst noch unbewußt, die witternden, aufsaugenden, die Erscheinung packenden Künstleraugen sich mählich auftun, wie in dem Einfaltsmann der Elendshütten, dem Bruder der »Misérables« die artistischen Sinne sich brennend erregen …
Vincent van Gogh redet von seiner kleinen Gemeinde gedrückter und gebeugter Arbeitstiere über den Text der Apostelgeschichte von dem mazedonischen Mann, der auch ein Arbeiter mit Zügen von Schmerz, Leiden und Mühseligkeit auf dem Antlitz ohne Ansehen oder Herrlichkeit war; aber mit einer unsterblichen Seele. Und dem eiferte er selber nach, selber ohne Gestalt noch Schöne, mit »häßlichem Gesicht und verwittertem Rock«.
Er verzichtet auf alle Bequemlichkeit, und in einer Art von brünstiger Kasteiung vernachlässigt er auch seinen Körper. Er weiß, daß die Menschen seiner Herkunftskreise (wie er es später einmal ausdrückt) ihn abgestoßen und mißtrauisch, gleich einem großen verwahrlosten Hund ansehen, »mit nassen Pfoten und zottig, kurz als ein schmutziges Vieh«. Bitterschmerzlich fügt er hinzu: »Gut – aber das Tier hat eine menschliche Geschichte, und obwohl ein Hund, eine Menschenseele, und zwar eine so zartfühlende, daß es selbst fühlt, wie man über es denkt, was ein gewöhnlicher Hund nicht kann.« Dies Zartgefühl zwingt ihn vor alten, vom Kampf der Existenz zermürbten Männern zu ehrfürchtigster Frömmigkeit, und die welken Brüste verarbeiteter Frauen scheinen ihm heilig und verehrungswert. Aus gequälten, abgehetzten Tieren, vor allem den müden Lastpferden mit ihren »großen schmerzdurchzuckten Augen«, faßt ihn der ganze Schmerz des Daseins an. Das Mit-Leiden sengt ihn innerlich aus wie eine Flamme.
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Leidenschaftlich regte sich jedoch daneben die künstlerische Empfänglichkeit. Nicht nur in sein Inneres lauschte er hinein, nicht nur mit den Blicken der Barmherzigkeit schaute er um sich, sondern sinnenhaft packte er den Eindruck, er umschloß ihn haltend und prägend, und in malerischem Zusammenhang empfand er die Außenwelt. In dem Evangelisten, Eremiten und Wüstenheiligen streben wach und wirksam die künstlerischen Fühlfaden hervor, und die tief eingewurzelten Vorstellungen voll Kultur-, Bildungs- und Geschmacksonderlichkeit schwingen unter der verwahrlosten Hülle.
Er empfindet die »Gotik« eines verrankten Lindenweges; abenteuerliche Stümpfe und Baumwurzeln sind ihm Erinnerungswecker für Dürers altdeutsche Legendenlandschaft mit Ritter, Tod und Teufel. Die Flächen im Schnee sieht er als Breughelsche Schildereien in breitem Rot und Grün und Schwarz und Weiß. Und auch die biblische Geschichte stellt sich ihm immer im Spiegel Rembrandts dar.
Die Lust der Augen geht in die Finger. Er versucht das, was am stärksten auf ihn eindringt, festzuhalten. Er »kritzelt« Bergleute, die morgens im Schnee längs einer Dornenhecke auf einem Fußpfad zur Grube gehen, vorübergehende Schatten, die in der Dämmerung kaum erkennbar sind; im Hintergrund heben sich, verschwommen gegen den Himmel, die großen Konstruktionen des Kohlenbergwerks und das Fördergerüst ab.
Das Bewußtsein malerischer Berufung entwickelte sich dann wachsend in ihm, und als er, ein Entkräfteter, von seinem Vater aus dem Elend seiner Wohnstätte, wo er am Boden zusammengekauert schlief, nach Hause gebracht, zu einer Erholung gekommen war, folgte er dem einen übermächtigen Triebe.
»… ich werde ein Maler sein« … darin befestigte er sich, und Not und Entbehrung und die Geringschätzung der Mitmenschen nimmt er auf sich.
Skizzenblätter, erregend und fesselnd zu betrachten, werden nun seine Briefe, voll der bunten Beute eingefangener Impressionen.
Aber auch im Maler bleibt stark, trotzdem der Kindesglaube seiner Missionszeit vorbei, ein tief religiöses Gefühl, das urchristliche Mitleid, das Tolstoi und Dostojewski verwandt. Zu den »Zöllnern und Sündern« gesellt er sich und wird darum verachtet und seinen Angehörigen (immer abgesehen von Theo), ganz im Sinn des Evangeliums, Ärgernis und Torheit. Brennend bleibt sein Herz für die Bedrückten und Zertretenen, für die Opfer. Die Gefallenen und Ausgestoßenen ergreifen ihn. Und er besiegelt seine Gesinnung mit der Tat dadurch, daß er ein verlorenes verblühtes Weib aus tiefer Not zu sich nimmt und als Gefährtin anerkennt. »La femme c'est une religion«, sagte er, und in seinem fanatischen Altruismus packte das ihn am heftigsten, daß dies verlassene Weib sich Mutter fühlte. Er teilte seinen ärmlichen Haushalt, einen, wie er mit stolzer Demut bekannte, Proletarier-Haushalt mit ihr, er liefert ihr seine Studienleinewand für Kinderhemden aus und ertrug lange ihre grobe niedere Art, bis er langsam zur Erkenntnis des Schädlichen dieser Gemeinschaft kam.
Das Christianisch-Menschliche blieb ihm jedenfalls als unveräußerliche Eigenschaft bis zum Ende, es durchdrang auch sein Malen, und er fühlte sich gleich Giotto, »der immer litt, immer voll Güte und Glut war«. Tastend drückt er sein Wollen so aus: »… im Gemälde möchte ich eine Sache sagen, tröstlich wie Musik. Ich möchte Männer oder Frauen malen mit dieser Ewigkeit, deren Zeichen einst der himmlische Schein war, und die wir in dem Strahlen suchen, im Beben unserer Farben.«
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Van Gogh war viel zu sehr Künstler, als daß er mit direkter handgreiflicher Tendenz Gesinnungsmalerei getrieben hätte. Vor allem lockte ihn natürlich die Erscheinung und der Drang, sie aus seinem Empfinden heraus nachzuschaffen. Freilich kam bei diesem Prozeß eine leidenschaftliche Einfühlung hinzu, die pantheistisch oder vielleicht eher noch pananthropisch die Natur schicksalsvoll beseelte.
Was ihm vorschwebte, und was er auch erreichte, ist: »in den Figuren wie in der Landschaft nicht etwas Sentimentales, Wehmütiges, sondern einen ernsthaften Schmerz auszudrücken«. Er sah die verrenkten oder windgezerrten Äste eines Baumes, die krampfhaft bohrenden Windungen von Wurzeln in sturmverwehtem Sandboden als ein Drama an, und durchaus »melancholisch und dramatisch« die vermoderten Eichenstämme im Torfmoor: »einige schwarze lagen im Wasser, in dem sie sich spiegelten, einige verblichen auf dem schwarzen Boden. Ein weißer Strich lief daran entlang, dahinter wieder Torf, rußschwarz«. Und dies Beseelte des naturalistisch-impressionistischen Eindrucks weht auch immer aus van Goghs Bildern den Beschauer an.
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Nie gedankenblaß, immer leibhaftig bleibt das Skizzenbuch. Und wie seine Farben und Linien, so wird auch sein Wort gegenständlich und sinnfällig. Er spricht von den Lastträgern, deren Köpfe den Ton von rotem Kohl haben, und von den Pockengesichtern, die wie gekochte Krabben aussehen. Er schildert die engen, düsteren Straßen der alten Viertel von Amsterdam mit Apotheken, Steindruckereien, mit Läden für Seekarten und Magazinen von Schiffsproviant. Die Docks von Antwerpen geben ihm die seltsamsten Mischungen: vlämische Matrosen, kräftig, voll, Muscheln essend und Bier trinkend, und im Gegensatz dazu »ein sehr kleines Figürchen in schwarz, die Händchen gegen den Körper gedrückt, unhörbar schleichend längs der grauen Mauern; im Rahmen von jettschwarzem Haar ein kleines ovales Gesichtchen, braun, orange, gelb, mit schiefen Augen – ein chinesisches Mädchen, geheimnisvoll, still wie eine Maus, klein, wanzenhaft von Charakter«.
Aber leidenschaftlicher noch umfaßt er die Landschaft und trinkt sie in sich: die lyrische Weite holländischer Ebene … über roten Ziegeldächern ein Flug weißer Tauben zwischen schwarzen, rauchenden Schornsteinen hindurch, und dahinter eine Unendlichkeit feinen zarten Grüns, Meilen und Meilen flachen Wiesenlandes und graue Luft … Wiesenteppiche von Grün, Grau, Braun, darüber lila Nebel mit roter Sonne in dunkelvioletter Wolke … dann die herbstliche Heide mit einem dunstigen Rand von Grün, einem Netzwerk von Stämmchen und gelblichem Laub.
Die weiße Mütze einer Frau, die sich bückt, »spricht plötzlich gegen das tiefe Rotbraun des Bodens«. Silhouetten von Holzsuchern steigen oben auf dem Waldrand auf, die »Figuren, groß und voll Poesie, erscheinen in dem dämmerigen, tiefen Schattenton wie enorme Terrakotten«.
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Die Leidenschaft zum Malen beglückt ihn, aber sie peinigt ihn auch. Das Martyrium, dem er mit seiner reizbaren Überempfänglichkeit, seiner geschwächten Konstitution, seinem Furor selbstzerstörerischen Ringens um die Bändigung der Erscheinungen entgegengeht, dies Martyrium bereitet sich ihm bewußt vor.
Er fühlt früh die Nervenanfechtungen und das Gefährliche seines Berufs. Er spricht schon in Holland, im September 1883, davon, wie die Heide in der heißen Mittagsstunde beunruhigend ist, »ermüdend wie die Wüste, ebenso unwirtlich und sozusagen feindselig. Sie in diesem vollen Lichte zu malen und das Zurückweichen der Gründe ins Unendliche hinein wiederzugeben, das ist etwas, was einen schwindlig macht«.
Die Ängste der Ohnmacht bedrängen ihn, die Schauder vor der »weißen Leinewand«, und er klagt gequält dem Bruder: »Du weißt nicht, wie lähmend das ist, das Anstarren einer weißen Leinewand, die zum Maler sagt, du kannst nicht. Die Leinewand hat ein idiotisches Starren und hypnotisiert manche Maler so, daß sie selbst idiotisch werden.«
Und die Erkenntnis der Last und Frohn künstlerischer Sendung spricht sich in den bitteren Worten aus über den Preis der Kunst, den »wir mit unserem Blut zahlen, mit unserer Jugend, unserer Freiheit, deren wir niemals froh wurden; ebensowenig wie ein Droschkengaul, der einen Wagen voll Leute zieht, die in den Frühling fahren, um sich zu freuen«.
Die Stelle ist schon in Arles geschrieben, wohin er im Februar 1888 geht, in die Provence, in den flammenden Süden, wo seine loderndsten Bilder entstanden, flackernde Eruptionen, und wo die Sonne ihm das Hirn versengte.
Hier fand er die Farben, die seine Sinne zu maßlosen Extasen aufregten: Felder voll der Töne alten Goldes, Bronze und Kupfers zum grünen Azur des Himmels »und all das bis zur Weißglut erhitzt«.
Die orange, gelben und roten Flecke der Blumen in dieser durchsichtigen Luft unter dem Himmel, »der buntscheckig wie ein schottisches Tuch«, die vor Hitze schwelenden Weizenfelder verzücken ihn bis zur Raserei. Und wenn er die »giftigen Finessen« der Arlesiennerinnen zu bannen versucht, oder die heftigen blauen und gelben Monturfarben des Zuaven, »eines kleinen Kerls mit Stiernacken und Tigeraugen«, oder die Schenkstube, blutrot und dunkelgelb, in der Mitte ein grünes Billard und vier zitronengelbe Lampen, die orange und gelb leuchten, so durchschüttelt es ihn durch und durch; ihn zerwühlt dieses Malen wie eine Raserei, ja wie eine Ausschweifung. Und noch im Grauen befangen, sagt er: »Ich versuchte mit dem Rot und Grün die schreckliche Leidenschaft der Menschen auszudrücken«.
An Edward Munch und seine von Besessenheiten erfüllten Alltagsinterieure läßt das denken. Munch aber scheint stärker als seine Dämonen, den van Gogh rangen die seinen nieder.
Er ward sich selbst in Arles darüber klar, daß »alle Welt hier an Fieber, an Wahnvorstellungen oder an Tollheit leidet«. Dies Mistralfluidum, dessen harmlosere Form Daudet im Tartarin dargestellt, ergriff die zermürbte Natur van Goghs wie fressendes Gift. Verzweifelte Verwandlungswünsche befallen ihn: aus seinem Wesen herauszufahren, sich irgendwie, vom Künstlertum befreit, zu erneuen, sei es selbst in der stumpfen abtötenden Sklaverei der Fremdenlegion Afrikas oder Ostindiens. Weiche, animalische Ruhesehnsucht hegt er, als ein Pferd auf der Wiese zu leben mit etwas Sonne und einem Bach. Er fürchtet sich vor dem Alleinsein, aber ganz und gar mißglückt der Versuch einer gemeinsamen Malerwirtschaft mit dem viel robusteren Gauguin.
Van Gogh fühlt schauernd in dieser Zeit, wie der Wahnsinn auf ihn lauert. Der streckte auch dann die Krallen sichtbar nach ihm aus, und in einem tobenden Anfall verletzte er sich fast zum Verbluten. Erschütternd wirkt nun, zu lesen, wie er noch zwei Jahre mit dem Widersacher rang, wie er dabei seinen Zuständen künstlerische Schöpfungen abgewann, wie er hellsichtig mit den unzerstörbaren edelsten Resten seiner geistigen Existenz Übersicht über seinen Wesensbezirk behielt. Freiwillig, aus eigenem Entschluß, wie ein anderer in ein Sanatorium, begab sich van Gogh, wenn er die kritischen Perioden nahe wußte, in die Irrenanstalt. Herzzerschneidend wirkt es, wenn er mit der Ruhe des Abgestorbenen sagt: »Man kann ja auch ins Gemeindegefängnis gehen, wo es eine Tobsuchtszelle gibt.«
Durch diese Selbstbestimmung aber gewinnt er doch eine Art von Gefaßtheit: »vielleicht lernt man von den Kranken leben«. Wie eine Beschwichtigung ist's: alle sind hier krank. Er braucht sich nicht zu schämen, sich nicht »räudig« vorzukommen. Und mit einer beinahe unheimlichen Objektivierung richtet er sich das Schauspiel des Tollhauses mit dem Schreien und Heulen wilder Tiere, gleich jenem Bild der »Ehernen Schlange«, auf: »weil ich die Wirklichkeit des Lebens der Verrückten sehe, verliere ich die vage Furcht, die Angst vor dieser Sache«.
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Und er bleibt bis zuletzt ein Maler und ein Kämpfer um seine Arbeit. Der Garten des Irrenhauses von Arles stammt aus dieser Zeit, und er besteht ja als eine der führenden Schöpfungen dieses Werkes. Aber nicht nur die Landschaft, sondern auch die Menschenbildnerei gelang van Gogh in glücklichen Stunden.
Sein scharfer Sinn für die Daumierhaften Erscheinungen, für das Gespenstisch-Phantastische im Alltag fand in dieser verstörten Sphäre hinter Mauern, in diesem Schein- und Trugbildleben besondere Nahrung. Auch mit Worten voll Eindruckskraft skizziert er das: »der Saal, wo man sich während der Regentage aufhält, ist wie ein Wartesaal dritter Klasse in einer schlafenden Stadt. Um so mehr, als es einige irrsinnige Personen gibt, die immer einen Hut tragen, eine Brille, einen Stock und tun, als wenn sie auf der Reise wären, beinah wie in einem Seebade, und die glauben, hier durchzufahren.«
Als Gefangener blickt er in die Außenwelt und fängt sich die große Gebärde eines Mähers ein: »es ist das Bild des Todes, so wie es das große Buch der Natur verkündet. Was ich darin anstrebe, ist das fast ›Lächelnde‹. Es ist ganz gelb außer einer violetten Hügellinie, hellgelb und blond,« und ergreifend fügt er hinzu: »Ich finde das komisch, ich, der es durch die eisernen Stäbe einer Zelle sah.« Auch seinen Wärter malt er, der »ein ungeheures Sterben und Leiden gesehen«, mit dem durch Güte gemilderten Kopf eines Raubvogels, an einen alten spanischen Nobile erinnernd.
Van Goghs letzte Station des Passionsweges wurde die Anstalt des Dr. Gachet in Auvers-sur-Oise. Hier fand er wenigstens zum Abschluß einen menschlichen Arzt, der ihn verstand, einen innerlich Zerrissenen, ihm selbst verwandt; »ebenso wie ich in meinem Malermetier, so in seiner Medizinerei entmutigt, dazu exzentrisch.«
»Sein Gesicht hat den schmerzlichen Ausdruck unserer Zeit«, und so hat ihn van Gogh gemalt. Und unter dieses Bild mit allen Kainszeichen gescheuchter Lebensangst, das vielleicht fünf Wochen vor van Goghs freiwilliger Flucht in die ewige Ruhe entstand, konnte er wie unter sein ganzes Werk schreiben: