Edgar Allan Poe
Seltsame Geschichten
Edgar Allan Poe

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Der schwarze Kater

Ich erwarte und verlange nicht, für die seltsame und doch schlichte Geschichte, die ich hier niederschreibe, Glauben zu finden. Es wäre das ja auch Wahnsinn, da ich in diesem Falle nicht einmal meinen eigenen Sinnen traue. Und doch, wahnsinnig bin ich nicht, und ganz gewiß ist alles kein Traum gewesen. Aber, weil ich morgen sterben muß, so will ich heute mein Gewissen entlasten. Meine besondere Absicht ist dabei, der Welt offen, kurz und ohne Erläuterungen eine Reihe von einfachen häuslichen Begebenheiten zu schildern. Diese Begebenheiten haben mir in ihrem Verlauf Entsetzen, Qual und Vernichtung gebracht. Doch ich will nicht versuchen, sie zu erklären. Für mich sind sie einfach entsetzlich gewesen, andere werden sie weniger grausig als bizarr finden. Vielleicht wird einmal ein Verstand, der mehr Ruhe und Logik und weniger Erregbarkeit als mein eigener hat, meine phantastischen Ideen auf ihren Alltagswert zurückführen und in den Umständen, die mir Grauen einflößen, nur eine gewöhnliche Folge ganz natürlicher Ursachen und Wirkungen sehen.

Seit meiner Kindheit fiel ich durch die Nachgiebigkeit und Milde meines Wesens auf, und mein weiches Gemüt trug mir sogar immer den Spott meiner Spielgefährten ein. Besonders hing ich an Tieren, von denen mir meine Eltern eine große Zahl als Lieblinge schenkten. Ich verbrachte fast meine ganze Zeit bei ihnen und war nie so glücklich, als wenn ich sie füttern und streicheln konnte. Diese Eigenart meines Wesens wurde immer stärker, je mehr ich heranwuchs, und noch in meinen Mannesjahren war sie für mich die Hauptquelle meiner Vergnügungen.

Wer je eine Neigung zu einem treuen und klugen Hund empfunden hat, dem brauche ich die hohe Befriedigung, die daraus entspringt, nicht zu erklären. In der selbstlosen und aufopfernden Liebe eines Tieres liegt etwas, das direkt unser Herz ergreift, besonders wenn man öfter Gelegenheit hat, damit die wankelmütige Freundschaft und die vergängliche Treue der Menschen zu vergleichen.

Ich heiratete früh und war so glücklich, bei meiner Frau eine Gemütsart zu finden, die der meinigen nicht unähnlich war. Als sie meine Vorliebe für Haustiere bemerkte, verlor sie keine Gelegenheit, mir davon die angenehmsten Arten zu verschaffen. Wir hatten Vögel, Goldfische, einen schönen Hund, Kaninchen, einen kleinen Affen und einen Kater.

Dieser Kater war ein ungewöhnlich großes und schönes Tier, ganz schwarz und erstaunlich klug. Wenn wir von seiner Klugheit sprachen, pflegte meine Frau, die im Herzen etwas abergläubisch war, auf den alten Volksglauben anzuspielen, der alle schwarzen Katzen für verzauberte Hexen ansieht. Nicht, daß sie ernsthaft daran geglaubt hätte – ich erwähne dieses hier nur, weil es mir zufällig einfällt.

Pluto – so hieß der Kater – war mein besonderer Liebling und Spielgefährte. Ich allein fütterte ihn, und er begleitete mich überall durch das ganze Haus. Ich konnte ihn sogar nur mit Mühe davon abhalten, mir auch auf die Straße zu folgen.

Unsere Freundschaft dauerte so mehrere Jahre, während welcher Zeit sich aber – ich schäme mich, das gestehen zu müssen – mein Gemüt und mein Charakter durch eine wachsende Neigung zur Trunksucht vollständig zum Bösen verwandelte. Tag für Tag wurde ich launenhafter und erregbarer und achtete kaum noch auf die Gefühle anderer. Ich ließ mich dazu hinreißen, gegen meine Frau rohe Worte zu gebrauchen, und wurde schließlich sogar tätlich gegen sie. Die Haustiere bekamen natürlich auch die Veränderung meines Wesens zu fühlen. Ich vernachlässigte sie nicht nur, sondern mißhandelte sie sogar. Immerhin bewahrte ich für Pluto noch so viel Neigung, ihn nicht zu quälen, während ich mir gar nichts daraus machte, mich an den Kaninchen, dem Affen oder dem Hund zu vergreifen, wenn eins von ihnen mir zufällig, oder um sich an mich zu schmiegen, in den Weg kam. Aber meine Leidenschaft wurde immer schlimmer – welche Leidenschaft wirkt so wie die Trunksucht? –, und schließlich erfuhr selbst Pluto, der inzwischen alt und etwas grämlich geworden war, die Folgen meiner Boshaftigkeit.

Eines Abends kam ich ziemlich betrunken aus einer meiner gewohnten Schenken nach Hause, und es schien mir, als ob der Kater mir aus dem Wege ginge. Ich ergriff ihn, und aus Angst vor einer Mißhandlung biß er mich leicht in die Hand. Sofort überfiel mich eine dämonische Wut, so daß ich mich selbst nicht mehr kannte. Mein früheres Selbst schien mich ganz verlassen zu haben, und eine mehr als teuflische Bosheit, die vom Schnapsgenuß genährt war, durchdrang jede Ader meines Wesens. Ich zog aus meiner Westentasche ein Federmesser, öffnete es, ergriff das arme Tier bei der Kehle und schnitt ihm mit voller Absicht ein Auge aus der Höhle heraus. Noch jetzt, da ich diese höllische Grausamkeit niederschreibe, überläuft mich ein brennendes Erröten, und ich schaudere.

Als ich am Morgen meinen Rausch verschlafen hatte und langsam zur Vernunft zurückkam, überschlich mich bei der Erinnerung an die begangene Untat ein Gefühl, das halb Entsetzen, halb Reue war. Doch war das nur eine vorübergehende, oberflächliche Regung, mein tieferes Ich blieb unberührt. Und bald verfiel ich wieder in Ausschweifung und schwemmte alle Gedanken an das Geschehene durch Wein hinweg.

Inzwischen hatte sich der Kater langsam wieder erholt. Die leere Augenhöhle sah natürlich schrecklich aus, aber er schien nicht länger Schmerzen zu empfinden. Er ging wie gewöhnlich durch das Haus, floh aber, wie nicht anders zu erwarten war, bei meinem Anblick mit dem höchsten Entsetzen. Nun war in meinem Innern doch noch so viel von meinem früheren Gefühl geblieben, daß mich anfangs diese offenbare Abneigung eines Tieres, das mich einst so geliebt hatte, schmerzte. Aber dieser Schmerz verwandelte sich bald in Ärger, und schließlich kam, wie um mich endgültig und ganz und gar zu verderben, der Geist der Verstocktheit über mich. Die Philosophie weiß nichts von diesem Geist. Aber so sicher wie ich weiß, daß meine Seele lebt, weiß ich auch, daß Verstocktheit einer der ursprünglichsten Triebe des menschlichen Herzens ist, eine jener tiefsten Eigenschaften, die unserm Charakter Bestimmung und Wege geben. Wer hätte nicht schon hundertmal eine häßliche oder törichte Handlung nur aus dem einzigen Grunde begangen, weil er wußte, er sollte sie nicht tun? Steckt nicht in uns allen eine ständige Neigung, gegen alle Gründe der Vernunft ein Gebot zu übertreten, gerade weil es ein Gebot ist? Der Geist der Verstocktheit also führte zu meinem völligen Verderb, Es war dieses unergründliche Verlangen der Seele, sich selbst zu quälen, die eigene Natur zu verderben, das Böse um des Bösen willen zu tun, was mich dazu trieb, das Unrecht, das ich dem armen, unschuldigen Tier zugefügt hatte, fortzusetzen und es schließlich zum äußersten zu treiben. Eines Tages warf ich dem Kater mit kaltem Blut eine Schlinge um den Hals und hing ihn an dem Ast eines Baumes auf. Ich erhängte ihn, während mir die Tränen aus den Augen strömten, während die bittersten Vorwürfe an meinem Herzen nagten. Ich erhängte ihn, weil ich wußte, daß er mich geliebt, weil ich fühlte, daß er mir keinen Grund zu meiner Schandtat gegeben hatte. Ich tat es, weil ich wußte, daß mein Tun eine Sünde, eine Todsünde war, die meine unsterbliche Seele so tief hinabstieß, daß, wenn das möglich war, selbst die unendliche Gnade des allbarmherzigen und allgerechten Gottes sie nicht mehr erreichen konnte.

In der Nacht, die auf diese grausame Tat folgte, wurde ich durch Feuerlärm aus dem Schlafe geweckt. Die Vorhänge an meinem Bett brannten, das ganze Haus stand in Flammen. Nur mit großer Mühe gelang es meiner Frau, einem Diener und mir, der Feuersglut zu entkommen. Die Zerstörung war eine vollständige. Mein ganzes Hab und Gut ging dabei verloren, und mir blieb nichts als völlige Verzweiflung.

Ich will hier nicht der Neigung verfallen, zwischen dem Unheil und meiner Grausamkeit eine Verbindung zu suchen. Aber ich berichte eine Kette von Tatsachen und wünsche nicht, auch nur ein Glied auszulassen. Am Tage nach der Feuersbrunst besichtigte ich die Ruinen. Alle Wände bis auf eine waren eingestürzt. Diese nun war eine nicht gerade dicke Zwischenwand, die sich in der Mitte des Hauses erhob, dort, wo das Kopfende meines Bettes gestanden hatte. Der Mörtelbewurf hatte hier ziemlich gut der Einwirkung des Feuers widerstanden, wahrscheinlich, weil er kürzlich erst erneuert war. Vor dieser Mauer hatte sich eine dichte Menschenmenge gesammelt, und viele Leute schienen eine besondere Stelle mit schärfster Genauigkeit zu betrachten. Worte wie »seltsam«, »eigentümlich« und ähnliche Bemerkungen erregten meine Neugierde. Ich trat deshalb näher und sah auf der weißen Fläche wie in Basrelief die Figur einer riesigen Katze. Der Eindruck war wunderbar genau. Um den Hals des Tieres hing ein Strick.

Als ich zuerst diese gespenstige Erscheinung sah – denn ich konnte sie kaum für etwas anderes halten – waren mein Erstaunen und mein Schreck riesig. Schließlich aber kam mir mein Nachdenken zuhilfe. Ich erinnerte mich, daß ich die Katze in einem Garten bei dem Hause erhängt hatte. Beim Feuerlärm war der Garten sofort von einer Volksmenge erfüllt worden, und irgend jemand mußte das Tier abgeschnitten und es durch ein offenes Fenster in mein Zimmer geworfen haben. Natürlich war das geschehen, um mich vom Schlafe zu erwecken. Der Zusammensturz der andern Wände hatte das Opfer meiner Grausamkeit gegen die Masse des noch nicht trockenen Mörtelbewurfs gedrückt, und dadurch war in Verbindung mit den Flammen und dem Ammoniak des toten Körpers das nun sichtbare Bild entstanden.

Obgleich ich durch solche Gedanken schnell meine Vernunft (wenn auch nicht ganz mein Gewissen) über den sehr sonderbaren Fall beruhigte, machte er trotzdem einen tiefen Eindruck auf meine Phantasie. Monatelang konnte ich mich nicht von dem Bild der Katze freimachen, und wahrend dieser Zeit kam in meine Seele ein unbestimmtes Gefühl, das Reue zu sein schien und doch keine war. Ich ging soweit, daß ich den Verlust des Tieres bedauerte, und in den elenden Schenken, in denen ich jetzt immer verkehrte, begann ich, nach einem Ersatz für den einstigen Liebling auszuschauen, nach einem Tier, das vielleicht ähnlich aussah.

Eines Abends, als ich wieder halbbetrunken in einer mehr als gemeinen Schnapskneipe saß, lenkte sich meine Aufmerksamkeit plötzlich auf einen schwarzen Gegenstand, der oben auf einem der riesigen Gin- oder Rumfässer lag, die die Hauptausstattung des Raumes bildeten. Ich hatte seit einigen Minuten unverwandt gerade auf dieses Faß gestarrt, und es setzte mich jetzt in großes Erstaunen, daß ich den Gegenstand nicht früher bemerkt hatte. Ich näherte mich ihm und berührte ihn mit der Hand. Es war ein sehr großer schwarzer Kater, mindestens so groß wie Pluto und ihm genau ähnlich bis auf eine Abweichung. Pluto hatte am ganzen Körper kein weißes Haar, dieser Kater aber hatte einen großen, wenn auch unbestimmten Fleck, der fast die ganze Brust bedeckte.

Als ich ihn berührte, erhob er sich sofort, schnurrte laut, rieb sich an meiner Hand und schien von meiner Anwesenheit entzückt zu sein. Dieses war wirklich das Tier, das ich suchte. Ich bot sofort dem Wirt an, es zu kaufen, aber er machte keinen Anspruch darauf, er wußte nichts von ihm und hatte es nie gesehen.

Ich fuhr fort, das Tier zu liebkosen, und als ich aufbrach, um nach Hause zu gehen, schien es mich begleiten zu wollen. Ich nahm es auch mit, wobei ich mich unterwegs öfter bückte und es streichelte. Als es in meiner Wohnung war, richtete es sich sofort häuslich ein und war bald der bevorzugte Liebling meiner Frau.

Was mich anging, so fühlte ich schnell in mir eine Abneigung gegen den Kater aufsteigen. Dies war nun gerade das Gegenteil von dem, was ich erwartet hatte, aber wie es nun auch kam, jedenfalls stieß mich gerade seine ausgesprochene Neigung zu mir ab. Und langsam verwandelten sich diese Gefühle von Unbehagen und Abneigung in bittersten Haß um. Ich ging dem Tier aus dem Wege. Ein gewisses Schamgefühl und die Erinnerung an meine einstige Untat hinderten mich, es körperlich zu mißhandeln. Einige Wochen vergingen, ohne daß ich es schlug oder ihm sonst Gewalt zufügte, aber langsam begann ich, es mit einem unaussprechlichen Abscheu zu betrachten und vor seiner verhaßten Nähe wie vor dem Atem der Pest zu fliehen.

Was meinen Haß gegen das Tier noch vermehrte, war die Entdeckung, die ich am Morgen, nachdem ich es mitgebracht hatte, machte. Genau wie Pluto fehlte ihm ein Auge. Aber meine Frau gewann es gerade deswegen lieb, denn sie besaß, wie ich schon gesagt habe, in hohem Maße jene Gefühlsmilde, die einst auch mein hervorstechender Charakterzug und die Quelle meiner einfachsten und reinsten Freuden gewesen war.

Mit meinem Widerwillen gegen diesen Kater schien aber nur seine Vorliebe für mich zu wachsen. Er folgte meinen Fußstapfen mit einer Hartnäckigkeit, die ich einfach dem Leser nicht begreiflich machen kann. Sobald ich mich setzte, kroch er unter meinen Stuhl oder sprang auf meine Knie und drängte mir seine widerwärtigen Liebkosungen auf. Sobald ich mich zum Gehen erhob, schmiegte er sich zwischen meine Füße, so daß ich in Gefahr geriet, hinzufallen, oder schlug seine langen und scharfen Krallen in meinen Anzug und kletterte auf diese Weise bis zu meiner Brust empor. Obgleich mich bei solchen Gelegenheiten oft das Verlangen überkam, ihn durch einen Hieb zu töten, wurde ich immer wieder davon zurückgeschreckt, zum Teil durch die Erinnerung an mein früheres Verbrechen, in der Hauptsache aber – ich will es nur ohne weiteres gestehen – durch eine unbezähmbare Furcht vor dem Tier.

Es war dies eigentlich keine physische Furcht – obgleich es schwer ist, sie anders zu bezeichnen. Ich schäme mich fast, einzugestehen – selbst in dieser Verbrecherzelle schäme ich mich, es zu sagen, – daß die Furcht und Angst, die das Tier mir einflößte, durch ein ganz lächerliches Hirngespinst verstärkt wurde. Meine Frau hatte mehr als einmal meine Aufmerksamkeit auf die Form des weißen Flecks gelenkt, von dem ich schon gesprochen habe, und der den einzigen Unterschied zwischen dem fremden Tier und dem von mir getöteten bildete. Der Leser wird sich erinnern, daß dieser Fleck zwar groß, aber ursprünglich von sehr unbestimmter Form war. Doch durch kleine Veränderungen – Veränderungen, die so unmerklich waren, daß meine Vernunft sie lange Zeit als Einbildungen bekämpfte – hatte er schließlich einen genau erkennbaren Umriß angenommen. Er stellte jetzt etwas dar, das ich nur schaudernd nennen kann – und schon deshalb allein flößte mir das Untier Abscheu und Furcht ein, und ich würde mich längst von ihm befreit haben, wenn ich es nur gewagt hätte. Es stellte nämlich jetzt einen entsetzlichen, unheimlichen Gegenstand dar, einen Galgen. O dieses trauervolle und schreckliche Wahrzeichen von Schmach und Verbrechen, von Seelenangst und Tod!

Und jetzt war ich wirklich über alle menschlichen Begriffe elend. Ein unvernünftiges Tier – dessen Gefährten ich mit Absicht getötet hatte –, ein Tier ohne Verstand war bestimmt, mir, einem nach dem Ebenbilde Gottes geschaffenen Menschen, ein solches unerträgliches Leid zuzufügen. Weh mir! Weder bei Tage noch bei Nacht fand ich von da ab den Segen der Ruhe. Am Tage ließ mich das Tier keinen Augenblick allein, und des Nachts wachte ich stündlich aus Träumen voll unsagbarer Angst auf, um den heißen Atem der Bestie auf meinem Gesicht zu fühlen, während sein Gewicht wie ein verkörpertes Alpdrücken, das ich nicht abschütteln konnte, in ewig gleicher Schwere auf meinem Herzen lastete.

Unter dem Druck solcher Qualen verschwanden die letzten schwachen Spuren des Guten aus meiner Seele. Böse Gedanken wurden meine einzigen Vertrauten – die schwärzesten und teuflischsten Gedanken. Meine gewöhnliche, verdrossene Stimmung steigerte sich zu einem Haß auf alle Dinge und Menschen, und leider war bei den häufigen und unbezähmbaren Wutausbrüchen, denen ich mich blind überließ, gerade meine Frau, die sich nie beklagte, stets das geduldige Opfer.

Eines Tages begleitete sie mich in einer Wirtschaftsangelegenheit in den Keller des alten Gebäudes, das wir jetzt, durch unsere Armut gezwungen, bewohnen mußten. Der Kater folgte mir die steile Treppe hinab, und da er mich beinahe zu Fall brachte, geriet ich in eine wahnsinnige Wut. Ich vergaß in meinem Zorn die kindische Furcht, die bisher meine Hand gelähmt hatte, erhob eine Axt und schlug damit nach dem Tier, das sicher des Todes gewesen wäre, wenn ich es getroffen hätte. Aber der Hieb wurde durch die Hand meiner Frau eingehalten. Über diese Einmischung erfaßte mich eine mehr als höllische Raserei. Ich riß mich von ihr los und begrub die Axt in ihrem Gehirn. Ohne einen Laut von sich zu geben, fiel sie tot auf den Fleck hin. Als der entsetzliche Mord geschehen war, machte ich mich sofort und mit kühler Überlegung daran, den Leichnam zu verbergen. Ich wußte, daß ich ihn weder bei Tage noch bei Nacht aus dem Hause entfernen konnte, ohne daß mich die Nachbarn bei dem Unternehmen gesehen hätten. Allerlei Pläne drangen in mein Gehirn. Einmal wollte ich den Körper in kleine Stücke zerteilen und sie durch Feuer zerstören. Ein andermal beschloß ich, im Keller eine Grube zu graben. Auch überlegte ich, ob ich ihn in den Brunnen im Hofe werfen könnte, oder dachte daran, ihn wie eine Ware in eine Kiste zu packen, um ihn durch einen Lastträger fortschaffen zu lassen. Schließlich kam ich auf den Plan, den ich für besser als alle andern hielt. Ich beschloß, ihn im Keller zu vermauern, wie es nach alten Berichten die mittelalterlichen Mönche mit ihren Opfern gemacht haben.

Der Keller war auch für ein solches Vorhaben wohl geeignet. Die Mauern waren leicht gebaut und erst kürzlich mit einem groben Mörtelbelag beworfen worden, der infolge der feuchten Luft nicht hatte trocknen können. Auch sprang an der Wand ein blinder Kamin vor, der hohl und nur angelegt war, um ein gleichmäßiges Aussehen des Kellers zu erzielen. Ich zweifelte nicht, daß ich hier leicht die Ziegelsteine entfernen, den Körper hineinstecken und alles wieder so in seinen früheren Zustand bringen konnte, daß sicherlich kein Auge etwas Verdächtiges bemerken würde.

Meine Berechnung erwies sich auch als richtig. Mit einem Brecheisen entfernte ich ohne Mühe die Steine, lehnte den Körper gegen die eigentliche Mauer, stützte ihn in der Lage und stellte in kurzer Zeit alles wieder so her, wie es früher gewesen war. Ich hatte mir mit größtmöglicher Vorsicht Mörtel und Sand verschafft und machte davon einen Bewurf, den man nicht von dem alten unterscheiden konnte, und den ich dann über die neue Mauerung strich. Als ich fertig war, überkam mich das befriedigende Gefühl, daß nun alles in Ordnung sei. An der Mauer war auch nicht die leiseste Spur von der stattgefundenen Veränderung mehr zu sehen. Mit größter Sorgfalt hatte ich den Schutt von dem Boden aufgelesen. Ich sah mich triumphierend um und sagte zu mir selber: »Hier ist wenigstens meine Arbeit nicht vergebens gewesen.«

Mein nächstes war, nach dem Tier zu suchen, das mir so viel Elend verursacht hatte, denn ich war jetzt fest entschlossen, es zu töten. Hätte ich es jetzt getroffen, so wäre sein Schicksal besiegelt gewesen. Aber es schien, als ob die schlaue Bestie durch meinen heftigen Wutausbruch gewarnt worden sei, denn sie floh mich offenbar in meiner jetzigen Stimmung. Ich kann unmöglich beschreiben oder nur andeuten, welches wundervolle Gefühl der Erleichterung mir die Abwesenheit des abscheulichen Geschöpfes bereitete. Auch während der Nacht ließ es sich nicht sehen, und so verbrachte ich zum ersten Male, seit es ins Haus gekommen war, eine Nacht voll ruhigem und gesundem Schlaf. Ja, ich schlief fest, trotzdem eine Mordtat auf meiner Seele lastete.

Der zweite und der dritte Tag vergingen, und mein Quälgeist erschien noch immer nicht. Endlich einmal konnte ich wieder frei aufatmen. Der Unhold war von Angst erfüllt von meiner Schwelle geflohen. Nie würde ich ihn wiedersehen! Mein Glücksgefühl war unendlich! Das Schuldbewußtsein meiner schwarzen Tat störte mich dabei nur wenig. Man hatte ein paar Fragen an mich gestellt, aber diese waren leicht beantwortet. Selbst eine Haussuchung hatte man abgehalten, aber dabei natürlich nichts gefunden. Ich sah dem Glück meiner Zukunft mit Ruhe entgegen.

Am vierten Tag nach der Ermordung kam eine Abteilung von Polizeibeamten ganz unerwartet in das Haus und begann aufs neue, alle Räume sorgfältig zu untersuchen. In dem sicheren Gefühl, daß das Versteck nicht gefunden werden konnte, machte mir das aber wenig Sorgen. Die Beamten baten mich, sie bei ihrem Forschen zu begleiten. Kein Winkel und keine Ecke blieb undurchsucht.

Schließlich stiegen sie, und zwar zum dritten oder vierten Male, in den Keller hinab. Ich zuckte mit keiner Muskel, und mein Herz schlug ruhig wie bei einem, der in einen unschuldigen Schlaf versunken ist. Ich ging durch den Keller von einem zum anderen Ende, ich faltete meine Arme auf der Brust und schritt behaglich auf und ab. Die Polizeibeamten waren schließlich zufriedengestellt und schickten sich an, zu gehen. Die Freude in meinem Innern war aber zu stark, als daß ich sie zurückhalten konnte. Es brannte mich, ihnen wenigstens ein Wort des Triumphes zu sagen und ihren Glauben an meine Schuldlosigkeit zu verstärken.

»Meine Herren«, sagte ich zuletzt, als die Abteilung die Treppe hinaufstieg, »ich freue mich, Ihren Verdacht beseitigt zu haben. Ich wünsche Ihnen allen Wohlsein und etwas mehr Höflichkeit. Übrigens, meine Herren, ist dies ein sehr gut gebautes Haus.« (In dem tollen Wunsch, etwas Unbefangenes zu sagen, wußte ich überhaupt nicht mehr, was ich äußerte.) »Es ist ein ausgezeichnet gut gebautes Haus. Diese Mauern – Sie wollen gehen, meine Herren? – sind aus solidem Material.« Und dann schlug ich rein aus Übermut mit einem Spazierstock, den ich in der Hand trug, laut gegen das Mauerwerk, hinter dem der Leichnam meiner Frau stand.

Gott möge mich schützen und bewahren vor den Klauen des Erbfeindes! Kaum war der Widerhall meiner Schläge durch die Stille gedrungen, als er durch einen Laut aus dem Innern des Grabes beantwortet wurde! Es war ein Schrei, der anfangs erstickt und gebrochen klang wie das Schluchzen eines Kindes. Dann aber schwoll er schnell zu einem langen, lauten und ununterbrochenen Schreien, einem ganz unnatürlichen und unmenschlichen Heulen an. Es war ein Wehklagen, aus dem Angst und Triumph zugleich tönten, so wie man es vielleicht aus den Tiefen der Hölle hören könnte, wenn sich das verzweifelte Stöhnen der Verdammten mit dem schadenfrohen Jauchzen der Dämonen mischt.

Es wäre Wahnsinn, über meine Gedanken etwas zu sagen. Halb ohnmächtig taumelte ich gegen die andere Wand. Die Abteilung blieb einen Augenblick bewegungslos auf der Treppe, wie gelähmt von Schreck und Grauen. Dann aber begann ein Dutzend starker Arme an der Wand zu arbeiten. Sie stürzte ein, und vor den Augen der Anwesenden stand aufrecht der schon ziemlich verweste und mit geronnenem Blut befleckte Leichnam. Auf seinem Kopf saß mit rotem, aufgerissenem Rachen und dem einzigen glühenden Auge die abscheuliche Bestie, deren List mich zum Mord verführt hatte, und die mich jetzt mit ihrer anklagenden Stimme dem Henker überlieferte. Ich hatte den Unhold in das Grab mit eingemauert.

 


 


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