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Personen. |
König Laurin, Waldgeist. Ritter Kuno von Hohenfels, Ermelinde, seine Tochter. Ritter Hermann von Sonnenstein, ihr Verlobter, Tröll und Fasold, Räuber Els, eine Hexe. Casperl Larifari. Ein Holzhauer. Knappen und Reisige. |
(Nachdem die Ouverture gespielt ist, wird geklingelt, allein der Vorhang geht nicht auf. Abermaliges heftigeres Klingeln. Der Vorhang geht wieder nicht auf. Gespräch hinter der Bühne.)
Direktor. Warum geht denn der Vorhang nicht auf?
Eine andere Stimme. Der Herr Casperl ist noch nicht fertig mit dem Ankleiden.
Direktor. Ja was ist denn das? Das Publikum wartet schon. Die Ouverture ist längst gespielt.
Es klingelt wieder. Der Vorhang geht noch nicht auf.
Aber Herr Casperl, machen Sie doch weiter!
Casperl. Ich bin noch nicht fertig. Ich habe mir den rechten Hemdärmel überstaucht.
Direktor. Warum sind Sie aber auch heut so spät gekommen? Sie waren gewiß im Wirthshaus. Das Publikum wird ungeduldig werden.
Casperl. Gleich, gleich!
Direktor. (ungeduldig.) Vorwärts! Vorwärts! Ich kann nicht mehr warten lassen. Herr Majer, zieh'n Sie nur den Vorhang auf.
Der Vorhang geht ein Bischen in die Höhe, so daß man nur Casperl's Beine sieht.
Casperl. (schreit.) Halt! halt! – herunterlassen! ich bin ja noch im Hemd!
Der Vorhang fällt wieder.
Direktor. (zornig.) Das wird mir zu arg! Ich kann keine Rücksicht mehr nehmen. Das Stück muß anfangen! Allo! (klingelt heftig.) Vorhang auf!
Der Vorhang geht auf.
Wilde Waldgegend. Eine elende Hütte im Hintergrund. Gewitter. Platzregen.
Casperl. (hat über den Hosen nur das Hemd an.) (Schreit.) Halt, halt! Das ist infam! Runterlassen! Ich Hab' mein Röckl noch nicht an. Und das Wetter! Ich werd' ja durch und durch naß. Herr Direktor! runterlassen! (Es regnet ungeheuer. Casperl lauft auf und ab.) Ich krieg' den Katarrh! Laßen's doch den Vorhang runter! – Ich werd' krank, nachher kann ich sechs Wochen lang nit spielen und Sie sind am Meisten gestraft.
(Aus dem Hause tritt Els mit aufgespanntem rothen Parapluie.)
Els. Was ist das für ein Lärm, was für ein Geschrei? Ihr weckt mir die schöne Jungfrau drinnen. Wer bist du? Wie kommst du da her in die Wildniß?
Casperl. Sie haben gut reden, Madam, mit ihrem Parapluie. Schauen S' mich an in meiner einfachen Toilette.
Els. Hast du dich denn verirrt? In diese Einsamkeit findet nicht leicht ein menschliches Wesen.
Casperl. Das glaub' ich gern. Ich weiß auch nicht, wie ich da her gefunden hab'. Aber so viel weiß ich, daß ich schon durch und durch naß bin. Jetzt' hört's doch zu regnen auf. Aber könnt' ich nicht bei Ihnen etwas untersteh'n und mich ein bißl am Heerdfeuer trocknen? Ich hab' schon so einen kleinen Schüttelfrost-Fieberanfall.
Els. Nun ich will Mitleid haben! aber ich lasse eigentlich nicht gern Jemanden in meine Hütte.
Casperl. Bitt' gar schön. Sie sind nicht so gefährlich.
Els. So komm' denn!
Casperl. Und was zum Essen und Trinken möcht' ich auch haben.
(Beide ab in die Hütte.)
(Tröll, Fasold, dieser ein getödtetes Wildschwein schleppend, treten von zwei Seiten ein.)
Fasold. Holla ho! holla ho!
Tröll. Holla ho! – gut Waidwerk?
Fasold. Die Sau hab' ich erlegt im schwarzen Graben.
Tröll. Einen Hirsch hab' ich angeschoßen.
Fasold. Ei was thut's? An dem Bissen haben wir lange zu zehren.
Tröll. Und das Fäßlein Niersteiner, das wir den Kaufleuten abgezapft haben auf der Heerstraße! Ein herrlicher Trunk!
Fasold. Was macht die schöne Ermelind?
Tröll. Weiß nicht; bin ja schon beim Frühroth in den Wald hinaus.
Fasold. Das arme schöne Kind!
Tröll. Ei was! Laß' sie jammern; 's war ein guter Fang.
Fasold. Wir hatten Glück, denn der Kampf war schwer und hart gegen sechs Ritter zu Roß, gut bewaffnet.
Tröll. Ein Glück, daß der Jungfrau Zelter stürzte. Ich riß sie herab und schleppte sie in den Felsengrund, wo die Ritter auf ihren Rossen nicht nach konnten über's wilde Gestein.
Fasold. Der Eine aber hieb wie ein Teufel auf uns ein.
Tröll. Das war der blonde Hermann vom Sonnenstein.
Fasold. Gut, daß wir sie haben. Einer von uns hat nun ein schönes holdes Weib.
Tröll. Wem aber von uns beiden soll sie gehören?
Fasold. Komm' hinein! beim Becher wollen wir um sie würfeln.
Tröll. Gut so. Das Loos mag enscheiden. (Beide in die Hütte.)
Gemach auf Burg Hohenfels, Kuno und Hermann treten ein.
Kuno. Unseliges Geschick! – Zwei Tage schon und keine Spur von ihr.
Hermann Edler Ritter, wenn ihr um die geraubte Tochter klagt, mögt ihr erfassen, wie ich um meine Braut jammere. Es war aber, als sei der Teufel im Spiel gewesen. Ohne an etwas Arges zu denken, ritten wir Sechse mit dem Fräulein von der Muhme Kunigund wieder heimwärts; da brachen am Waldeck – ihr wißt's ja – wo das Felsthal einläuft, zwei riesenhafte Männer hervor; mit Axt und Keule fielen sie auf dem schmalen Wege über uns her. Konrad und Kunz stürzten todt von den Rossen. Wir Andern konnten unsere Rosse nicht wenden, so eng war der Pfad. Die Gäule bäumten sich. Ritter Hans stürzte in den tiefen Graben; ich hieb wüthend um mich; mittlerweile war des Fräuleins Zelter gefallen, ich konnte nicht beispringen; da zog sie der Eine der Räuber herab und schleppte sie seitwärts durch die Felsenblöcke hinan; wir vermochten zu Roß nicht zu folgen, warfen uns aus dem Sattel – aber es war zu spät. In wilder Flucht waren die Verwegenen mit ihrer edlen Beute zwischen den Felsklüften verschwunden. Vergebens eilten wir nach – da fiel die Nacht ein und trostlos kehrten wir zurück.
Kuno. Und meine Ermelind! meine theure Tochter, wie mag es ihr nun ergehen? In den Händen wilder Räuber?
Hermann. Alle Knappen sind ausgesandt, zum Theil als Bauern verkleidet, um die Spuren auszuforschen. Ich selbst will sogleich nacheilen in dem Gewande eines Pilgers, mein gutes Schwert unter der Kutte.
Kuno. Eilet! eilet! es ist keine Zeit zu verlieren!
Hermann. Dessen könnt' Ihr sicher sein, daß ich keinen Augenblick versäume, meine geliebte Braut zu retten. Im tiefsten Walde des rauhen Thales sollen die Räuber hausen. Niemand naht sich der Gegend. Sie leben vom Waidwerk und überfallen hie und da auf der Heerstraße oder auf den Seitenwegen Wanderer und Reisende. So sagt das Volk. Neulich beraubten sie Kaufleute, die zu Markt zogen. Doch was verweile ich noch? Lebt wohl, Ritter Kuno! Ich eile fort.
Kuno. Gott geleite Euch! (Hermann ab.)
Kuno (kniet nieder.) Herr im Himmel! höre mein Gebet! Vernimm das Flehen eines unglücklichen Vaters. O beschütze meine Ermelinde! Rette sie aus den Händen ihrer Räuber! Ihr Engel beschützet und bewahret sie. (Ab.)
Das Innere der Räuberhütte, Im Hintergrunde ein Heerd, über dessen Feuer ein Wildschwein am Bratspieß steckt, den Casperl dreht, (Er hat seine rothe Jake an.) Im Vordergrunde ein schlechter Tisch, Trinkgefäße darauf. Gegenüber ein Ruhebett, mit einem Thierfelle überdeckt.
Casperl (den Spieß drehend, singt.)
Lirum larum,
Dreh' rum, drah' rum.
Hock' ich schon den halben Tag,
Bis das Schwein nur braten mag.
Zipfl zapfl,
Tripfl trapfl,
So ein Vieh,
das braucht a Hitz,
Und ich sitz'
und dreh' und schwitz'.
Lirum larum,
Dreh' um, drah um,
Erst vom Regen tröpflnaß,
Jetzt vom Schwitzen – 's ist kein Spaß!
(Steht auf.)
No, da dank' ich. Mich haben sie schön erwischt. Das ist eine Bagage aufeinander in der Hütten. Ein alt's Weib – zum Grausen, eine wahre Hex, und zwei Mordslümmel, die mich gleich zu ihrem Bedienten oder eigentlich Hausknecht gemacht haben, kaum daß ich in die elende Spelunken hereing'schaut hab'. Ich glaub', das ist a miserables Gesindel. Wildschützen jedenfalls. Ich bin nur froh, daß ich meinen Janker wieder anhab'; denn ich hätt' doch die ganze Vorstellung nicht im Hemd rumlaufen können. Aber jetzt will ich nur sehen, wie ich aus dem vermaledeiten Loch wieder hinauskomm'. Die Kerls sind im Stand und lassen mich nimmer fort, weil ich ihnen so ausgezeichnete Dienste leiste. Heut hab' ich schon ein paar Juchtenstiefel putzen und schmieren müssen, nachher hab' ich Wasser getragen, jetzt hock' ich schon den ganzen Vormittag am Feuer und muß den Bratspieß drehen, bis die Wildsau brat't. Da fallt mir grad ein, daß ich's Feuer auslöschen muß, sonst verbrennt die Wildsau. (Er thut es.) Und was haben's mir z'essen geben? Ein geselchtes Eichkatzl und Wasser dazu. Da dank' ich! Jetzt kommt die Alte wieder.
Els (tritt ein.) Nun, Bürschlein, wie geht's? Hast du fleißig den Spieß gedreht? Jetzt geht's dran; denn meine edlen Herren sind grad von der Bärenhaut aufgestanden und haben ausgeschlafen. Nun geht's an's Zechen.
Casperl. Nun, das hab' ich mir gleich gedacht, daß die zwei Herren Bärnhäuter sind – so sehen's aus.
Els. Halt dein Maul, Bursch! Du brauchst nicht viel Späße zu machen und Tröll und Fasold zerreissen dich wie einen Spatzen.
Casperl. (Für sich.) Auweh! Da könnt's schlecht aussehen. (Zu Els.) Oho, schöne Madam; so war's ja nicht gemeint. Es war nur ein gelinder Scherz.
Els. Loser Junge, du nennst mich schön?
Casperl. (Für sich.) Aha ich merk was! (Zu Els.) O ausgezeichnet! Für Ihr bedeutendes Alter, wunderschön. Das Feuer in den Augen! Das Roth in den Lippen! Das Gelb auf den Wangen! Die figürliche Statur! die staturliche Figur!
Els. Du bist ein rechter Schalk; aber ich kann dir sagen, daß du mir auch recht gut gefallst. Du bist ein ganz netter Bursch.
Casperl (mit Selbstbewußtsein.) O! da sagen Sie mir gar nichts Neues. Wohin ich noch gekommen bin, habe ich durch meine männliche Schönheit und jugendliche Kraft bei allen Frauenzimmern Aufsehen gemacht; also werd ich so einer alten Schachtel, wie Sie sind, doch auch gefallen müssen. Auweh! jetzt hab' ich mich verschnappt.
Els. Wie? was sagst du da von einer alten Schachtel?
Casperl. Das war nur allegorisch gesprochen.
Els. Warte, loser Junge! – Aber jetzt werden Tröll und Fasold zum Imbiß kommen. Also hurtig, hurtig! Sie haben in der Kammer drinnen schon einige Becher Wein geleert und scheinen guter Dinge.
Casperl. Ja, ich hab' aber von den »guten Dingern« noch nichts gemerkt. Ich möcht' auch was Gut's.
Els. Komm' nur mit mir hinaus, lieber Bursch. Ich will dir schon etwas Gutes geben. Sollst nicht zu kurz kommen, Herzensmännchen.
Casperl (tragisch, mit Bedeutung.) Ich muß Ihnen nur mittheilen, daß hier bei dieser Gelegenheit und unter diesen Umständlichkeiten mein Magen mehr als mein Herz spricht, und ist mein Magen aber auf eine anständige Weise befriedigt, dann, meine allerliebste Madam, fangen sich erst die Gefühle moines Hörzens zu rögen an – – (kniet sich vor Els hin) dann gehöre ich Doin, Doin, Doin – –
(Tröll und Fasold treten angezecht herein.)
Tröll. Was will der Narr da?
Tröll. Haushexe! süßes Wesen!
Fasold. Alter Besen! Ist hier Wein? Wir haben noch nicht genug.
Tröll. Vom Faß, das wir neulich gebracht.
Els. Da stehen schon die vollen Humpen.
Fasold. Fort! Hinaus ihr Beide! (Els und Casperl ab.)
Fasold. Jetzt, Bruder, laß' uns mit der Dirne reden. Mache die Fallthüre auf.
Tröll. Heraus, holde Schöne!
Geht gegen den Hintergrund und öffnet auf dem Boden ein Eisengitter. Aus der Versenkung erscheint Ermelinde.
Ermelind. Da bin ich. Ihr Elenden, was wollt ihr mit mir?
Fasold. Zürnet nicht, edles Fräulein. Ihr seid in der Gewalt edler Ritter.
Tröll (lacht höhnisch hellauf.) Haha ha ha! Ja edler Ritter. Gut gesprochen, Bruder Fasold! Kurz – Mädchen – wir haben dich; also was willst du weiter anfangen?
Ermelind. Wohl weiß ich es, daß ich in eurer Macht bin. In schmählicher Weise habt ihr mich geraubt. Laßt mich frei. Was verlangt ihr als Lösegeld?
Fasold. Nichts da. Was wär' uns mit Geld gedient? Wild und Wald geben uns Nahrung; den Wein, den wir brauchen, holen wir hier und dort; aber Einer von uns wollte sich auch einmal ein Weib erobern. Du bist schön, du gefielst uns, darum haben wir dir auf dem Weg gelauert. Nun haben wir dich.
Ermelind. Weh mir! Gott im Himmel beschütze mich!
Tröll. Ziere dich nicht. Wir wollen um deinen Besitz würfeln. Wer von uns den besten Wurf thut, dem gehörst du.
Fasold. Und morgen halten wir Hochzeit.
Tröll. Sieh' – da bratet schon das Wildschwein zur Brauttafel. Juhei!
Fasold. Juhei! (Sie trinken.)
Tröll (singt.)
Kann's ein schön'res Leben geben,
Als beim ersten Tagen jagen,
Und dann lustig trinken, blinken
Volle Becher weidlich freudlich?
Holla ho, holla ha!
Fasold (singt.)
Und nach Weidmanns Siegen
liegen Auf dem Bärenfelle,
helle Sich des Mondes Strahlen malen
Dann in gold'nen Weines Scheine!
Holla ho, holla ho!
Sauf' Bruder! heut' ist ein guter Tag.
Tröll. Fürwahr, ein guter Tag. (Beide werden immer betrunkener.)
Fasold (mit schwerer Zunge.) Wo – wo – sind die Würfel?
Tröll (ebenfalls.) Ja – Glück – zu! – Die – die – Würfel. (Fasold und Troll sinken betrunken auf das Ruhebett und schlafen ein.
Ermelinde (beugt sich über die Liegenden und lauscht.) Sie sind betrunken und liegen bewußtlos da. – Himmel sei mir gnädig! Ich kann entfliehen.
Nähert sich der Thüre und will hinaus.
Casperl (tritt ihr entgegen herein.) Oho! wer will denn da heraus? Wie? welche göttliche Gestalt! Eine Mamsell? Woher? wohin, mein Fräulein?
Ermelinde. Still! Still! – Wenn du ein Mensch bist, der das Gefühl des Mitleids in sich trägt, so lasse mich fliehen –
Casperl. O, ich trage ganz andere Sachen in mir, aber sage Mädchen, wer bist du und warum willst du fliehen?
Ermelinde. Es ist kein Augenblick zu verlieren. Ich bin geraubt, hiehergeschleppt – laß mich, laß mich!
Casperl. Auch ich bin hiehergeschleppt, auch ich –
Ermelinde. Ich beschwöre dich, magst du sein wer immer! Ich bin verloren, wenn du mich nicht fliehen läßt.
Casperl. Ha! – auch ich möchte fliehen, aber ich kann nicht. Die alte Hexe hat die Hausthür zugesperrt, den Schlüssel in den Sack g'steckt und ist auf einem Besen ausgeritten.
Ermelinde. Weh mir! ich bin verloren.
(Sinkt ohnmächtig in Casperl's Brust.)
Abenddämmerung. Wald. In der Mitte eine große alte dreistämmige Eiche mit weitausgebreiteten Aesten.
Ritter Hermann (in Pilgertracht tritt ein.) Kaum kann ich weiter. Nun irr' ich schon einen Tag umher und weiß nicht mehr wohin. Vom Waldeck aus, wo wir überfallen wurden, stieg ich durch die Klippen und glaubte auf der Spur zu sein, wohin Ermelinde von den Räubern fortgeschleppt wurde. Vergebens! Ein Pfad in hohes Gehölz zog mich seitwärts ab; ich vertiefte mich immer mehr und mehr in den Wald und nun komm ich hieher und weiß nicht, wohin ich gelangt bin. Wie finde ich nun wieder einen Ausweg, um gegen das Waldeck zu kommen? Ich bin erschöpft, ich muß ein wenig ausruhen. Doch seh' ich recht, so naht ein Mann dorther durch des Waldes Dickicht.
(Ein Holzhauer mit einer Axt tritt ein.)
Hermann. Willkommen, guter Mann!
Holzhauer. Ei sieh da! – Wie kommt der Pilger hieher? Seid gegrüßt. Ihr müßt weit ab vom Pfad fehlgegangen sein; denn hier ist kein Weg für Wanderer.
Hermann. Ich denke mir's wohl lieber Freund. Wo bin ich denn eigentlich?
Holzhauer. Das ist der Druidenort, wie ihn die Leute seit ältester Zeit her nennen, und die tausendjährige Eiche heißt die Wuotanseiche. Als unsere Vorfahren noch Heiden waren, sollen sie hier ihren Göttern geopfert haben. Der Ort ist nicht geheuer.
Hermann. Soll es etwa geistern? Aberglaube!
Holzhauer. Man sagt's und darum vermeiden die Leute des Nachts da vorüberzugehen. Aber es kömmt ohne dieß Niemand vorbei als wir Holzhauer, wenn wir in den großen Tannenwald hinüber den nächsten Weg gehen wollen, wie's mir heute geschieht.
Hermann. Nun, könnt Ihr mir wohl sagen, wie ich am Besten heinauskomme. Ich möchte gegen das Waldeck am Felsenthal.
Holzhauer. Ei, der Tausend! Da seid Ihr weit ab. Da wo Ihr mich herkommen sahet, schlängelt sich ein enger Pfad durch das dichte Gehölz. Dem folgt so weit Ihr könnt bis an ein hölzernes Kreuz, das an einer alten Tanne steht; dann wendet Euch wieder links, bis Ihr an eine schlechte Hütte gelangt. Da findet Ihr immer Holzknechte, die Euch weiter weisen können. Nun guten Abend! Es wird Nacht; ich muß heim und habe noch einen weiten Weg zu machen.
Hermann. Gott befohlen! Ich dank' Euch für die Auskunft.
Holzhauer. Gott befohlen! (ab)
Hermann. Nun, du alte ehrwürdige Eiche, unter deinem Laubdache will ich noch ein wenig rasten, dann fort! denn es läßt mir keine Ruhe. (Setzt sich auf einen Stein im Berbergrund.) Aber ich bin wirklich recht ermattet. Theure Ermelinde, wo werde ich dich finden?
(Schlummert ein.)
Nacht. Die Vollmondscheibe erscheint am Himmel.
Geisterchor (Hinter der Scene)
Ueber die Matten
Breiten sich Schatten,
Der Tag ist vollbracht,
Da senkt sich die Nacht.
Geister aufschweben,
Den Hain zu beleben;
Der Mondenschein blinkt
Und Waldkönig winkt.
Ringsum erklingt es,
Ueberall singt es
Durch Berg und Thal hin:
»Laurin! Laurin!«
Der mittlere von den Stämmen der Eiche öffnet sich; in heller Erleuchtung erscheint darin König Laurin, mit langem weißen Barte, eine funkelnde Krone auf dem Haupte, in grünes Laub gekleidet.
Laurin.
Was liegst du armer Ritter hier
Im grünen dunklen Waldrevier?
Wach auf, wach auf! erhebe dich,
Und höre, höre, höre mich!
Bald soll dein krankes Herz gesunden,
Hast Ermelinden du gefunden.
Damit du's könnest, send' ich dir
Waldtaube gleich zur Stelle hier.
Sie wird vor deinen Schritten schweben
Und dir des Pfades Kunde geben.
Sie wird vor dir hin flatternd zieh'n.
Folg' nur dem Täublein immerhin;
Und wenn sie Ermelinden fand,
Wird sie sich setzen auf ihre Hand.
Wach auf, du frommer Pilgersmann,
Und ziehe fröhlich durch den Tann!
Wenn dich das Morgenroth wird grüßen.
Liegst der Geliebten du zu Füßen.
Die Eiche schließt sich und Laurin verschwindet.
Hermann (vom Traume auffahrend.) Wie ist mir? Was ist es? Welch' ein sonderbarer Traum?
Eine weiße Waldtaube schwebt herein und läßt sich auf Hermann's Schulter nieder.
Hermann So bist du wirklich da, holde Taube? Willst du mir den Weg zeigen zu Ermelinden?
Die Taube flattert etwas in die Höhe und senkt sich wieder.
Hermann.
Holde Taube,
Du, mein Glaube,
Schwebe, schwebe nur voran,
Zeige, zeige mir die Bahn.
Durch die Wälder,
Ueber Felder
Immer zu, nah' oder fern,
Folg ich deinem Fluge gern.
Glänzet nimmer
Mondenschimmer,
Soll der Liebe Leuchte sein
Deiner weißen Flügel Schein.
Hermann erhebt sich, die Taube schwebt einigemale auf und nieder, dann hinaus und er folgt ihr raschen Schrittes.
Waldgegend mit der Hütte (wie im ersten Aufzuge). Vollmond am Himmel. Tröll und Fasold, jeder eine Keule in der Hand, treten rasch aus der Hütte.
Tröll. Heraus in's Freie, hier im Mondenschein Soll uns'res Kampfes lichte Stätte sein.
Fasold. Du hast's gewollt! Ich war in meinem Recht. Mir fiel der Würfel gut, dir aber schlecht, Und darum nahmst die Keule du zum Streite, Versagtest schmählich mir die Beute. Mein war die Jungfrau durch des Looses Spiel Und dich ergrimmt's, daß so der Würfel fiel. Schmach dir, daß du der Ehre bar!
Tröll. Fluch dir! Erkämpfen will die Maid ich lieber mir, Weil nur der Zufall lenkt des Spielers Glück.
Fasold. Beschlossen war's; ich tret' nicht mehr zurück.
Tröll. Ich aber heb' die Keule. Wehre dich!
Fasold. Wart', Schuft, dem keiner noch an Frevel glich!
(Sie kämpfen mit den Keulen.)
Tröll. Halt ein! ich fühle deiner Schläge Macht.
Fasold. Lahm ist mein Arm noch nicht, drum habe Acht!
Tröll. Noch diesen Hieb!
Fasold. Und den!
Tröll. Willst du noch mehr?
Fasold. Halt ein!
Tröll. Hast du genug? Noch diesen her!
Fasold. Hei, Bruder sei gescheid!
Tröll. Wozu der Streit?
Fasold. Ich kann nicht mehr.
Tröll. Wohlan, so laß' uns ruh'n.
Fasold. Was meinst du, Tröll? sage: was willst du thun?
Tröll. Wir legen uns auf uns're Bärenhaut.
Fasold. Und schlafen bis zur Jagd der Morgen graut.
Tröll. Es sei!
Fasold. Vielleicht nimmst du Vernunft noch an.
Tröll. Ei was? komm in die Hütte!
Fasold. Nun wohlan!
(Beide ab in die Hütte.)
Allmählig graut der Morgen und es tagt. Nach und nach erhebt sich das Morgenroth.
Chor (Hinter der Szene.)
In Morgenrothes Purpur-Schein
Zieht durch den Tann Laurin hinein.
Hallo, Hallo! im dunklen Wald
Verschwindet der Waldkönig bald.
Laurin, Laurin reitet einher
Mit seines Silberhornes Wehr.
Hallo, hallo! es schallt, es hallt
Durch's Grün hin hellen Klang's Gewalt.
Waldkönig ziehet aus bei Nacht
Und kehret heim in Morgenpracht.
Hallo, hallo! wer sah dich schon,
Lamm, mit deiner goldnen Kron'?
Wer hat, Waldkönig, dich geseh'n?
Die Elfen nur und holde Fee'n.
Hallo, hallo! Laurin, Laurin
Zieht in dem dunklen Wald dahin.
Während des Chores, der von Waldhornklang begleitet wird, schwebt der Waldkönig, auf einem weißen Hirsch reitend, im Geleit von Elfen und Zwergen langsam vorüber. Die Taube fliegt herein und einige Male umher. Hermann tritt ein. Die Taube setzt sich auf das Dach der Hütte.
Hermann.
Es grüßt das Morgenroth. Mein Herz, nur Muth!
Dort auf der Hütte nun das Thierlein ruht.
So ist es hier, wo Ermelinde weilt,
Da meine Taube nicht mehr weiter eilt?
O schlechter Aufenthalt! unwürdig dieses Dach,
Zu decken solcher Schönheit still Gemach!
Auf hartem Lager ruh'st vielleicht du, Ermelind
Und deinen süßen Schlummer stören Frost und Wind.
O arme Maid!
In Noth und Leid
Harrst der Befreiung du. Geduld! Geduld!
Der Retter naht, geführt von Zaubers Huld.
Casperl zeigt sich in der Thüre der Hütte, aus welcher er tritt, in jeder Hand einen großen Wasserkrug.
Hermann.
Das Pförtlein öffnet sich, man tritt heraus;
Verbergen will ich mich; drum rasch hinaus.
(Tritt hinter die Coulisse.)
Casperl (vortretend) Jetzt bin ich halt eigentlich in der Mausfallen. Wirklicher provisorischer Leibhausknecht mit 365 Tag Jahreslohn, Prügel, wenn's Noth thut oder wenn's meinen freundlichen Gebietern beliebt, schwache Kost und mäßigen Trunk; d. h. aber nicht maßweise; Wasser so viel ich will – – halt aber! Die ganze Natur besteht aus Licht und Dunkel, und der Schatten setzt eine gewisse Beleuchtung voraus. Ha! und welche Beleuchtung? Ist nicht das verburgene, geraubte, unglückliche, wunderschöne Edelfroilein der Störn, der mir in der schattirten Nacht luichtet? Ich gehe mit dem Gedanken um, ich habe mich längst mit ihm vertraulich gemacht, das ödle Froilein großartig heimlich zu rötten und zu entführen. Allein bisher wälzte sich Hinderniß auf Vorderniß entgegen und der Augenblick des Momentes hat sich noch nicht gezeigt. Aber, wenn die zwei Räuber wieder einmal auf Abentheuer gehen, werde ich die alte Hex, die so grausam aufpaßt und das Froilein hütet, schleunig abmurxen und die Röttung wird mir gelingen! Doch was nützt mich dieses interessante biographische Selbstgespräch? – Ich muß jetzt an der Felsenquelle dort Wasser holen zum Caffee kochen.
(Indem Casperl sich entfernen will, tritt ihm Hermann entgegen.)
Hermann. Halt! doch schweige, damit uns Niemand höre.
Casperl (erschrocken.) Oho! – aber Sie haben mich erschreckt.
Hermann. Nur still, still!
Casperl. Ja still, still, still – ich frag' lieber, wer Er ist und was Er will?
Hermann. Du scheinst mir in jener Hütte dort im Dienst zu stehen.
Casperl. Zu stehen oder zu gehen. Jetzt, wie Sie sehen: zu gehen. Also hätten Sie nicht sagen sollen im Dienst zu stehen, sondern im Dienst zu gehen.
Hermann. Nun denn. Wisse: das Edelfräulein, welches hier gefangen, ist meine Braut. Ich bin Ritter Hermann vom Sonnenstein.
Casperl. Ha, da hab' ich Respect. – Aber sagen Sie mir, Sie haben ja eine Kapuziner-Kutten an und scheinen also nebenbei auch Kapuziner zu sein und haben doch eine Braut . Die Kapuziner müssen ja ledig bleiben.
Hermann. Es ist nur ein Pilgergewand, in das ich mich geworfen habe, um unerkannt zu sein und nicht als Ritter zu erscheinen.
Casperl. Wie? was? Geworfen? – Wer hat sie denn in das Pilgergewand geworfen? – Doch, Kapuziner oder Pilgersmann, wie haben Sie den Weg daher gefunden?
Hermann. Sieh' dorthin. Die weiße Taube hat mich hieher geführt, indem sie mir stets voranschwebte.
Casperl. Eine weiße Haube?
Hermann. Eine Wundertaube, die ein guter Geist mir sandte.
Casperl (gerührt.) O der gute Geist! Nun brauchen Sie die Taube nicht mehr, nicht wahr?. (Im gewöhnlichen Tone.) Wissen Sie was? Jetzt überlassen Sie mir die Taube, damit ich Sie rupfen, braten und verzehren kann. So einen Bißen hab' ich lang nit gehabt. Bisher bin ich nur mit gerösteten Wildschweinschnitzeln gefuttert worden.
Hermann. Was denkest du? Diese herzige Wundertaube? Doch jetzt laß uns überlegen, was zu machen ist und wie es mir möglich wird, meine Braut ihren Räubern zu entreißen. Du scheinst mir ein guter Bursche.
Casperl. Mit dem Reißen wirds schwer halten; denn das Fräulein ist immer in ein unterirdisches Kellerloch eingesperrt. Nur in aller Früh und Abends darf sie ein wenig Luft schnappen und wird von der alten Hex da heraus geführt. Wenn's fünf Uhr schlagt, wird sie gleich herauskommen. Verstecken wir uns ein wenig.
Hermann. Theure Ermelinde! Und so soll ich dich wieder sehen? (Beide seitwärts ab.)
Els. (tritt mit Ermelinde aus der Hütte.) So, mein Fräulein. Hier könnt Ihr wieder Morgenluft genießen.
Ermelinde. Ueberall nur Kerkerluft!
Els. Ei was! »Kerkerluft«! Das ist nur Eure eigene Schuld. Wen ihr Euch entschließen wolltet, Einem meiner edlen Kämpen da drinnen die Hand als Gattin zu reichen, so wäre die Luft bald eine andere als Kerkerluft; und habt Ihr Einen selbst gewählt, so wird der Bruderzwist um Euch bald enden.
Ermelinde. Ein Glück für mich, daß die schändlichen Räuber um meinetwillen stets in Zwist und Hader leben. Denn, würden sie sich einigen, so wäre es längst um mich geschehen. Eh' mich aber Einer von ihnen freit, würde ich meinem Leben ein Ende machen.
Els. Ei Pfui! Ihr wißt gar nicht, was Euer Glück ist? Denkt Euch nur: die Frau zu sein eines der gefürchtetsten Helden.
Ermelinde. Schmach und Schande solchem Heldenthume!
Els. Seht, da kommen sie. Sie ziehen zur Jagd aus.
Tröll und Fasold treten aus dem Hause, mit Speer und Bogen gerüstet.
Tröll. Den schönsten Morgengruß, Fräulein!
Fasold. Ihr trotzt noch immer und schweigt? Nun so höret wenigstens:
Tröll. Hört, daß wir geschworen haben, unsern Hader um Euch zu enden. Wir wollen es Euch überlassen von uns beiden Einen zum Gemahl zu wählen. Der Andere wird sich fügen.
Fasold. Ihr besinnt Euch wohl? Ihr schweigt?
Tröll. Es ist unser letztes Wort. Wo nicht, so –
Fasold. Komm, Bruder! Laß uns ziehen. Das Fräulein wird sich schon besonnen haben, bis wir Abends von der Jagd heimkehren.
Tröll. Ja, ja. Ueberlegt nur, mein edles Fräulein. Gut Ding braucht Weil. Auf! zur Jagd!
Fasold. Heut gilt's dem starken Hirsch im Hohentann.
Tröll. Lebt wohl!
(Fasold und Tröll ab.)
Els. Habt Ihr's gehört? Nun entschließt Euch nur, da die Werber sich versöhnt haben.
Ermelinde. Nie und nimmermehr. Sterben will ich. (Die Taube schwebt vom Dache herab und setzt sich auf Ermelind's Hand.) Wie? ein Täublein? Wo schwebst du her, liebes Thierchen? Bist du ein Bote des Trostes? der Befreiung vielleicht?
(Hermann stürzt herein. Casperl folgt ihm.)
Hermann (fällt Ermelinden zu Füssen.) Ja, Ermelinde! Die Taube bringt frohe Botschaft.
Ermelinde. Gott im Himmel! Mein Hermann!
Hermann Ich bin es und komme Euch zu retten.
Els. Höllisch Element! Was seh' ich?
Hermann. Schweige, alte Hexe! Du bist des Todes.
Els. So schnell geht's nicht.
Casperl. Halt's Maul! oder ich dreh'dir den Kragen um.
Els (ruft.) Fasold! Tröll! – Herbei, herbei! (Hermann und Casperl stürzen auf Els.)
Hermann. Schweige, wenn dir dein Leben lieb!
Els (lacht höhnisch.) Hi, hi, hi! Mich fangt man nicht so leicht, ihr Herren.
Sie fährt, Casperl auf den Boden werfend, in die Höhe und fliegt seitwärts hinaus.
Gemach auf Burg Hohenfels, wie im ersten Aufzuge.
Ritter Kuno (ans offene Fenster gelehnt, hinausschauend.) Noch immer keine Botschaft! Meine Knappen kommen zurück ohne auch nur die mindeste Spur gefunden zu haben. Hermann ist noch nicht heimgekehrt. Auf ihn hoffe ich noch. (Der Thurmwart stößt in's Horn.) Der Thurmwart gibt ein Zeichen. Da naht sich jemand der Burg. (ruft hinaus.) Wärtl! was siehst du?
Stimme von Aussen. Ein Bote naht. Ein Knappe in rothem Wams; 's ist aber keiner von den Unsrigen.
Kuno. Keiner von den Meinigen? Wer mag das sein? Doch nicht ein Unglücksbote?
Casperl stürzt zur Mittelthüre herein, läuft im Zimmer ein paar Mal herum, wirft Tisch und Stühle um und stößt endlich an Ritter Kuno, daß dieser umfällt.
Kuno (aufstehend.) Oho! oho! was ist denn das für eine Art und Manier? Kömmst du aus dem Tollhaus?
Casperl (spricht schnell in einem Anlauf.) Wenn Ihr der edle Ritter Kuno von Hohenfels zu sein die Ehre habt, der zugleich der glückliche, dermalen aber unglückliche Vater des ehemals glücklichen, dann unglücklich gewordenen und jetzt wieder auf glücklichem Wege befindlichen Edelfräuleins Ermelinde seid, welche die glückliche Braut des glücklichen, dann aber unglücklichen und jetzt wieder auf dem Wege des Glückes befindlichen edlen Ritters Hermann vom Sonnenstein ist und hoffentlich bleibt, so habe ich Euch, edlem, aber noch nicht ganz glücklichen Ritter Kuno von Hohenfels als Bote des nun so ziemlich glücklichen Ritters Hermann, gehorsamst zu melden, daß Ritter Hermann und Fräulein Ermelinde sich zwar einigermaßen auf dem Rettungswege befinden, aber in Beziehung und Erwägung verschiedener Nebenumständlichkeiten noch nicht hier sind. Ah – jetzt muß ich aber ausschnaufen!
Kuno. Toller Bursch! Wie kann ich aus deinem Geschwätze klug werden? Wer bist du? Wer sandte dich?
Casperl. Ich bin und heiße Casperl Larifari, vormals Privatleibknappe bei Herrn Tröll, Fasold und Compagnie, jetzt wirklicher interimistischer Kammer- und Jammerdiener bei Herrn Ritter Hermann vom Sonnenstein, der mit Eurer Tochter im Wald versteckt sitzt und nicht weiß, was er thun soll.
Kuno. Mit meiner Tochter im Wald verborgen? Also lebt Ermelinde und ist gerettet!
Casperl. Sie löbt und ist geröttet, aber noch nicht ganz; denn die Hex ist davongeflogen und die zwei Räuber laufen dem Ritter und dem Fräulein nach.
Kuno. Die Hexe? die zwei Räuber? Wie soll ich dich verstehen? Erkläre dich, rede klar und deutlich. Wie ist der Hergang?
Casperl. Erstens bin ich nicht hergegangen, sondern hergelaufen . Zweitens: werde ich Euch Alles genauer expluciren, wenn ich einige Erfrischung zu mir genommen. Drittens: laßt vorderhand Eure Knappen aufsitzen und Euren alten Leibgaul satteln, dann werdet Ihr unter meiner Fahne abmarschiren. Nur geschwind Etwas zum Essen und Trinken, Herr Ritter, sonst fall' ich wieder um.
Kuno. Du Narr du! Nun es sei; weiß ich doch meine theure Ermelinde in sicherer Hand. Komme zum Imbiß und erzähle mir; aber laß uns keine Zeit versäumen, wenn die Rosse gesattelt sind.
Casperl. In die Trinkstube! (Beide ab.)
Wald mit der Eiche, wie im zweiten Aufzuge.
Els (fliegt herein)
Da kommen sie des Wegs herangezogen
Und ich bin ihnen klug vorangeflogen;
Will lauern nun, mich bergen auf dem Ast,
Denn sie wohl suchen hier im Schatten Rast.
Hi, hi! – Sie kommen mir nicht aus, die Flucht
Vereitle ich, und wenn sie Ruh' gesucht
Und nur ein wenig hier im Wald verweilen,
Wird Tröll mit Fasold sicher sie ereilen.
Schnell auf des Baumes Ast, mich zu verstecken!
Schon nahen sie. Ich will Sie weidlich necken.
Hermann und Ermelinde treten ein. Sie Taube fliegt vor ihnen her und läßt sich auf einem Zweige der Eiche nieder.
Ermelinde. Ich kann nicht mehr weiter, Hermann! Ich bin so erschöpft, daß ich hier etwas ausruhen muß oder ich sinke ohnmächtig zusammen.
Hermann. Ruhet, theures Fräulein. Der weite Weg und die Eile unserer Flucht haben Euch allzusehr ermüdet. Seht, auch das Täublein, unser treuer Führer, ruht dort oben zwischen den Blättern aus, ein sicheres Zeichen, daß auch wir Halt machen dürfen. Setzt Euch auf diesen Stein hier.
Ermelinde. Wo sind wir? Glaubt ihr, daß wir noch weit entfernt sind von der Burg meines Vaters?
Hermann. Dieß vermag ich Euch nicht zu sagen; allein dieser Ort ist mir wohlbekannt. Hier saß ich ja und schlummerte, wo Ihr jetzt ausruhet, und träumte von einem holden Waldgeiste, auf dessen Geheiß mir die Taube die Bahn zu Euch gezeigt, als ich erwacht war. Es ist der Druidenort und die Wuotanseiche (Er blickt hin und sieht die Hexe.) Wie? was seh' ich?
Els (auf dem Aste) Hi, hi! Nichtwahr? Das wundert Euch! Da sitz' ich oben, dem sanften weißen Täublein gegenüber.
Ermelinde. Weh uns! Das ist die Els.
Els. Ja die Els, die Euch nicht verlassen kann, aus lauter herzinniger Lieb. (In drohendem Tone.) Ich bin und bleib' Eure Begleiterin; ich lasse Euch nicht von der Stelle, bis Fasold und Tröll Euch eingeholt haben.
Hermann. Versuch's, Hexe! Mein gutes Schwert fürchtet keine Hexen.
Els Und die Hexen fürchten auch das blanke Eisen nicht. Hört nur! Schon brechen die Zweige, und Schritte nahen. Tröll und Fasold kommen. Ihr seid verloren.
Laurin's Stimme (aus dem Baume.) Nein! sie sind nicht verloren; denn Laurin, der Waldkönig, schützt sie.
Zugleich öffnet sich der mittlere Stamm, in welchem Laurin erscheint. Hermann und Ermelinde fallen auf die Knie.
Hermann und Ermelinde (zugleich.) König Laurin!
Laurin.
Laurin ist's, ja, der Lieb' und Treue schützet,
Kommt näher mir zu sich'rem Aufenthalt!
Die beiden Stämme zur Seite öffnen sich.
Hier, bergt Euch in der Stämme enger Kammer,
Bis ich Euch wieder rufe aus dem Schacht.
Hermann und Ermelinde begeben sich in die geöffnete Stämme rechts und links; die Spalten schließen sich wieder.
Und Hexe, du bleib' oben mir gebannt.
Des Baumes Ast soll fest dich nun umklammern.
Jetzt nahet, Tröll und Fasold, Schandgesellen,
In's Garn zu fallen, das Ihr And'ren stellt!
Fasold und Tröll treten ein, nachdem Laurin wieder im Baume verschwunden und der Stamm sich geschlossen.
Fasold. Wo ist das Paar?
Tröll. Ich sah's hieher sich flüchten.
Fasold. Und wo ist Els, die ihnen nachgejagt?
Els.
Hier oben sitz' ich und kann nicht vom Baum;
Waldkönig hat mich festgebannt. Habt Acht!
Entflieh't! Wer weiß, was Euch noch mag gescheh'n.
Fasold. Du Närrin träumst.
Tröll. Sag': wo ist Ermelinde?
Fasold. Und wo der Ritter, der sie uns entführte?
Els.
Nah sind sie Euch in sicherem Versteck,
In Baumeshöhle von Laurin geborgen.
Tröll. So soll die Keule mein die Rinden brechen!
Fasold. Und meine Axt soll diesen Stamm zerhau'n!
Beide stürzen auf die Bäume.
Donnerschlag. Laurin erscheint wieder.
Laurin.
Zurück, ihr Frevler! Euer Arm sei lahm,
In starre Ohnmacht bleibet hier gebannt!
Und du da oben Hexe, böses Weib,
Verwandelt sei in einer Eule Leib,
Befiedert grau sollst du auf trägen Schwingen
Des Nachts dein krächzend Lied im Walde singen.
Flieg auf! flieg auf und laß dich nimmer schauen,
Sobald des Morgens erstes Licht will grauen.
Fasold und Tröll bleiben wie versteinert mit gehobenen Waffen stehen. Els, in eine Nachteule verwandelt, fliegt davon. Zugleich Hörnerschall von Aussen.
Laurin.
Die Ritter nah'n, die Reisigen und Knappen.
Hermann und Ermelind', Ihr seid befreit.
Die beiden Seitenstämme öffnen sich, Ermelinde und Hermann treten heraus; zugleich kömmt Ritter Kuno mit Casperl und Knappen.
Kuno. Hier sind sie. Nehmt die Räuber gefangen! Ermelinde! Hermann! kommt an mein Herz!
Casperl. Ermelinde! Hermann! kommt auch an das Moinige!
Hermann und Ermelinde (zugleich.) Heil König Laurin, unserm Beschützer!
Die ganze Scene wird roth erleuchtet.
Laurin.
Laurin schützt Lieb und Treu in Waldesgrün;
Nun freuet Euch, vergesset alle Müh'n!
Zieht hin und brechet Laub von meiner Eiche,
Mit Kränzen Euch zu schmücken; und nie weiche
Waldkönigs Segen, der Euch nun geleitet,
Gleich wie der Sonne Strahl sich vor Euch breitet.
Lebt wohl und ziehet All' in Freuden hin,
Vergeßt des Waldes König nicht, Laurin!
Hörnerfanfare und Schlußgruppe.
(Der Vorhang fällt.)
Ende des Stückes.