Franz Pocci
Neues Kasperl-Theater
Franz Pocci

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IV.

Kasperl als Nachtwächter

Ein Nachtstück.

(Stadt. Nacht.)

Kasperl (etwas benebelt vor seiner Thür und singt):

Jetzt komm ich halt grad aus'm Wirthshäusl 'raus,
Ich hab ein kleines Räuscherl und mach mir nix d'raus!
Du herzliebe Grethl, laß mich jetzt hinein,
Der Hausschlüss'l sperrt nit, das Loch ist zu klein!

Grethl, Grethl! Herzallerliebstes Weiberl! Mach mir's Hausthor auf! Ich Hab mich ein bißt verspätet auf dem Spaziergang!

Grethl (schreit aus dem Fenster). Wart' Du Lump! Du kommst mir nicht herein heut! Kannst im Wirthshaus schlafen oder auf der Straße!

Kasperl. O Du zuckersüßes Herzkäferl, verstoße Deinen treuen Gatten nicht! Ich will gewiß recht brav seyn! Ich bitt Dich gar schön! Nur dießmal verzeih mir! – –

Sie hört nicht! (Weint.) Was fang' ich jetzt an, ganz allein in der großen Stadt? Das ist kein G'spaß bei der Nacht da herzusteh'n!

Nachtwächter (hinter der Szene).

Ihr Herren und Frauen laßt euch sagen,
Der Hammer hat zwölf Uhr g'schlagen!

(Die Thurmuhr schlägt zwölf Uhr.)

Kasperl. Auhweh! jetzt schlagt's Mitternacht! Das ist die Stunde, wo die Geister aus dem Caffehaus nach Haus geh'n! Auweh! Und der Nachtwächter kommt auch daher! Den muß ich ein bißl erschrecken. (Versteckt sich.)

Nachtwächter (mit Spieß und Laterne).

Ihr Herren und Frauen laßt euch sagen,
Der Hammer hat zwölf Uhr geschlagen!
Gebt Acht auf Zündhölzl und auf Licht,
Damit nicht ein Malheur geschicht!
Denn die Zündhölzeln brennen gar gern!
Alle guten Geister loben Gott den Herrn!

Kasperl (mit schauerlicher Stimme). Brum, brum, brum!

Nachtwächter. Was ist denn das für eine verdächtige Stimme?

Kasperl. Dumm, dumm, dumm!

Nachtwächter. Wenn's nur kein Gespenst ist! Mit dem will ich nix zu schaffen haben und's steht auch nix in meiner magistratischen Nachtwächter-Instruktion von wegen der Gespenster was drinnen. Ich hab's nur mit Feuer und Licht und mit Dieben zu thun. Von einem Geist oder so was hab' ich aufm Rathhaus noch nie was gehört.

Kasperl. Weh, weh, weh! Ich bin ein Geist!

Nachtwächter. Wenn ich nur wüßt wie er heißt!

Kasperl. Ich bin der Geist des verstorbenen Spritzenmeisters, der sich in der Feuerspritzen ersäuft hat, und muß jetzt umgeh'n!

Nachtwächter. Auweh! Ein Selbstmörder! die fressen alle Nachtwächter, hab ich gehört. (Läßt Spieß und Laterne fallen und läuft davon.)

Kasperl. No, das ist einmal ein Hasenfuß! Jetzt mach ich den Nachtwächter. (Nimmt Spieß und Laterne und schreit):

Ihr Herren und Frauen laßt euch klagen,
Der Kasperl hat nix mehr im Magen,
Die Glocken hat jetzt zwölf Uhr g'schlagen,
Der Teufel nimmt euch all' beim Kragen!

Oho! was kommt denn da für ein kurioser Kerl daher, der muß aber bedeutend zuviel in's Glas gekuckt haben, denn sein Gesicht ist ganz burgunderweintransparent und seine Nasen glüht wie Karfunkel. Ich will mich etwas retiriren und unbemerkt ihn observiren.

Der Vollmond (tritt auf).

Heut steh ich im Kalender nicht,
Der Himmel brauchet nicht mein Licht,
Drum mach ich in der freien Stunde
Für mich allein nun eine Runde!
Vielleicht find ich wo einen Schatz,
Der mir gibt einen süßen Schmatz,
Der Himmel ist ja stockpechdunkel,
Da laßt sich machen ein Gemunkel!
Die Sternlein, meine Amts-Kollegen,
Die haben sich in's Bett gelegen;
Verliebt ist nur der Mond allein,
Romantisch ist sein Herzensschein!
Wenn mir nur kein Poet begegnet,
Damit's nicht ein Gedichtlein regnet,
Mein Zimmer ist austapezirt
Mit Liedern, so mir dedizirt!
    (Er nießt)

Kasperl. Zur Gesundheit!

Mond.

Vergelts Gott! – Ja! die Nachtluft kalt
Die bringt den Schnupfen gar zu bald.
Am Himmel aber ist's so schwül,
Daß 's mir auf Erden schon zu kühl!
    (Nießt wieder.)

Kasperl. Zur Gesundheit! – ich wünsch' recht guten Abend. Wer sind Sie denn eigentlich? Wissen Sie nicht, daß die Nachtschwärmerei polizeilich verboten ist und daß der Nachtwächter Sie veraretiren wird.

Mond. O Freund! laß mir die Schwärmerei!

Kasperl. Was kümmert mich die Narretei!

Mond. Laß ungestört mich zieh'n den Weg!

Kasperl. Zuvor bekommst Du aber Schläg'!

Mond.

O sey nicht grausam! schone mein;
Ich bin der sanfte Mondenschein!

Kasperl.

Mir ist viel lieber ein Gläsl Wein!
Marsch fort! sonst schlag ich gleich darein!

Jetzt hörn's auf mit dem Versmachen da! Ich versteh' keinen Spaß. (Sticht ihm mit der Hellebarde in's Gesicht, welches verdunkelt.)

Mond.

Weh mir! erloschen ist mein Licht,
Er stach mich mitten in's Gesicht!

(Verschwindet.)

Kasperl. So, das ist eine saubere Geschicht! Jetzt hab' ich Einem die Augen ausgestochen. Ob der noch nach Haus findt, das weiß ich nicht! Nun, so geht's ihm halt wie mir, der muß auf der Straßen übernachten; schad't ihm auch nichts – Oho! Da kommt ja wieder eine Figur zum Vorschein!

Tod (in einen Mantel gehüllt).

Schauerlich ist's in der Nacht,
Wo kein Stern am Himmel lacht;
Da kann ich mich amüsiren
Und vortrefflich spioniren,
Ob ich nicht ein Opfer find',
Es zu rauben ganz geschwind.

Kasperl. Wer da?

Tod. Der da!

Kasperl (hält den Spieß vor). Der da! wer ist »der da«? Antwort, oder ich spieß drauf los!

Tod. Magst Du spießen wie Du willst, Sterblicher, an mir prallen Deine Waffen ab!

Kasperl. Was ist das für ein Windbeutel?

Tod.

Vergebens spießest Du auf mich los,
Unmächtig ist des Spießes Stoß!

Kasperl. Das war auch wieder was Neues! wenn's nicht mit dem Spießen geht, so kehr' ich den Stiel um und klopf Dich auf den Schädel!

Tod.

Verwegener, klopfe nur und klopf,
Ich nehme Dich sogleich beim Schopf!

Kasperl. Klopf, Schopf – wart' nur elender Tropf!

(Handgemeng und Prügelei, der Tod fällt und verschwindet.)

Da liegt der Lümmel, dem hab' ich den Garaus gemacht!

Ihr Herr'n und Frauen laßt euch sagen,
Der Kasperl hat Ein'n todt geschlagen!
    (Der Hahn kräht.)
Jetzt kräht auch schon der Gockelhahn,
Steht auf! es bricht der Morgen an!

Der Gockelhahn (tritt auf). Kikeriki, kikeriki!

Kasperl. Ah! schön guten Morgen, Herr Gockelhahn! Sind Sie auch schon auf?

Hahn. Kikeriki, kikeriki!

Kasperl. Ich wünsch' wohl aufgestanden zu haben! Auf was für einem Dunghaufen haben Sie denn heut Nacht zu ruhen geruht!

Hahn. Kikeriki, kikeriki!

Kasperl. Ja, können Sie denn gar nichts anders herausbringen, als das dumme kikeriki, kikeriki? das ist ja ungeheuer langweilig!

Hahn. Kikeriki, kikeriki!

Kasperl. Ja, wissen Sie was? dem Geschrei woll'n wir gleich ein End machen. Ein gebratener Gockelhahn ist auch kein schlechtes Essen! Und wenn ich meiner Grethl einen Braten nach Haus bring, da wird sie gleich wieder guten Humors werden. (Sticht den Hahn todt.)

Hahn (sterbend). Kikeriki, kikeri, ki, ki, ki, ki!

Kasperl. So! jetzt ist's aus mit dem kikeriki, und die Leut' können noch ein Stündl ruhig schlafen! Grethl, Grethl! mach auf!

Grethl (aus dem Fenster). Was gibt's wieder, liederlicher Bursch?

Kasperl. Nix da liederlicher Bursch! Ich war auf der Jagd und hab' Dir einen Braten mitgebracht!

Grethl. So? Das ist was anders! Jetzt darfst schon herein zu mir, guter Kasperl!

Kasperl. Aha! jetzt bin ich wieder »Dein guter Kasperl« – weil ich Dir was zum Essen heimbring'!

Jetzt heiß' ich wohl der liebe Mann,
Weil ich Dir bringe einen Hahn,
Den Spieß zum Braten auch dabei,
Der Hahn, der Spieß und ich – sind drei!
Dem hochgeehrten Publikum
Mach ich mit meinem Buckel krumm
Ein allerschönstes Compliment –
Nun ist das schöne Stück zu End!

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