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Kasperl (kommt aus seinem Hause heraus). Jetzt hab' ich aber bald das Leben satt. Mit meiner Grethl halt' ich's nimmer aus. Schlipperment nochemal! wenn ich sechs Knödl essen will, so kocht s' mir nur drei und von denen ißt sie selber zwei und den dritten hebt sie zum Nachtessen auf. Frag' ich: was bleibt nachher mir, dem Kasperl? – Die leere Schüssel! Lass' ich mir zwei Mäßl Bier hol'n, so probirt sie so lang d'ran, ob's gut ist, bis nix mehr im Krug ist. Frag ich: was bleibt nachher dem Kasperl übrig? – s' Hineinschau'n und der Durst! Will ich eine Wurst essen – und das ist doch meine Leibspeis von Haus aus, weil ich der Wurstl bin – nun, so frißt sie die Wurst und mir gibt sie die Haut! Schlipperdibix! Aber jetzt weiß ich, was ich thu. Ich geh' in die Welt hinaus und laß mein Grethl allein zu Haus, nachher wird sie schon sehen, daß der Kasperl ihr abgeht; und wenn's vor Sehnsucht nach mir beinahe die Schwindsucht hat, komm ich wieder heim. Da wird sie's wohlfeiler geb'n. (Ruft.) Grethl! Herzensschneckerl, komm e bißl runter zu mir!
Grethl (von Innen). Nu', was gibt's dann wieder? kann ich en ganzen Tag keine Ruhe haben vor Dir!
Kasperl. Herzensweiberl, Goldkäfer! – ich muß Dir was Wichtiges sagen. Ich kann aber die Stieg'n nit steigen, denn ich hab mir meinen linken Däumling verrenkt.
Grethl Oho! das ist gewiß wieder nicht wahr. Aber wart, ich komm' schon mit 'm Kehrbesen!
Kasperl. O Du lieb's Mauserl! (für sich) alte Katz – laß Dich jetzt noch Einmal umarmen.
Grethl. Was sind denn das wieder für Spaß?
Kasperl. Keine G'spaß – schwarzhaftiger Ernst! Gib mir ein Bußl auf meine heißglühenden Abschiedswangerln!
Grethl. Du bist und bleibst ein Narr.
Kasperl. (weint). O Grethl! Leb wohl! (ich muß mich nur verstellen) Leb wohl! Ich muß eine wichtige Reis machen.
Grethl. Was Reis? da bleibst! wer soll mir denn's Wasser tragen, wenn Du fort bist?
Kasperl. (weint immer heftiger). Nix mehr Wasser tragen! Ich muß fort. Ich hab' einen Brief kriegt und da steht nix drin; aber ein weitläuftiger Verwandter hat mir geschrieb'n, daß ich eine Erbschaft gemacht hab' und die muß ich abholen.
Grethl. Das ist wieder eine Lüg'. Ich wett' drauf.
Kasperl. Weiberl! ich lüg niemals; höchstens geh' ich ein bißl mit der Wahrheit spazieren, siehst es, drum muß ich fort. Ich bring' Dir einen Sack Geld mit.
Grethl. So? einen Sack Geld? Ja woher denn?
Kasperl. Nun, ich hab Dir's ja g'sagt! von mei'm verstorbenen Amerikanischen Millioneservetter.
Grethl. Dießmal will ich Dich fortlassen; wenn Du aber ohne Geld heimkommst, nachher paß auf!
Kasperl. Ich paß alleweil auf und hab noch nix erpaßt.
Grethl. Kurz und gut! Du kennst mich – also richt Dich darnach. Adie! Aber länger als 8 Tag darfst mir nit ausbleib'n.
Kasperl. Ich komm so bald ich kann. Adie! Adie! (weint wieder. Umarmung.)
Grethl. (geht ins Haus).
Kasperl. Juhe! Meinen Urlaub hab' ich! Jetzt geh' ich aber gleich ins Wirthshaus in den »blauen Bock« und bockulire ein wenig. Und nachher geh' ich wieder nach Haus und schau nach meiner Grethl, ob's ihren Kasperl noch nit vergessen hat. Oho! was kommt denn da für e Figur daher?
Jude (mit einem Sack auf dem Rücken). Nix zu handle, schöner Herr? keine alte Kleider, oder sonst was?
Kasperl. Bonjour, Monsieur Jud! Kommen Sie von Jerusalem?
Jude Komm ich net aus Jerusalem, komm ich grad von Frankfurt her, über Nürnberg.
Kasperl. Über Hirnberg, nicht weit vom Capitolium.
Jude Wird doch der Herr wissen, wo die grauße Handlungsstadt Nürnberg liegt.
Kasperl. Die grauße Stadt Nürnberg, wo die Nürnbergerleckern an die Bäum' wachsen?
Jude Hab ich doch nie gehört, daß die Nürngeberger Lebkuchen an die Bäum gewachsen sind.
Kasperl. So was versteht freilich ein Jud nit. He, Judus, gib mir Deinen Sack.
Jude Was soll ich hergeben meinen Sack? Ist der Sack doch mein Sack zum Masematten machen.
Kasperl. Da hast Du ein paar Masematten. (Schlägt ihn.)
Jude Auwai geschrieen! was schlägt mich der Herr!
Kasperl. Ich bin kein Herr, ich bin der Kasperl! (Pufft ihn.)
Jude Auwai geschrie'n! Was haut mich der Herr Kasperl?
Kasperl. Ich bin nit der Kasperl, ich bin der Hanswurstl. (Schlägt wieder)
Jude Auwai geschrie'n! Weiß ich noch net, wie ich soll heißen den Herrn Kasperl Hanswurstl.
Kasperl. Dem Zweifel woll'n wir gleich ein End machen! Wart nur, Du verflixter Masemattenjud! (Schlägt ihn todt.) So – jetzt ist der Jud todt! Was will der Jud mehr? Hinein mit ihm in sein' Sack. Im Wirthshaus wird die Fortsetzung meines Triumphes gefeiert mit verschiedenen Opfern, als da sind zwölf Maaß Bier und zwei dutzend g'salzene Bretzeln! (Ab.)
Offizier (spricht sehr affektirt). So ebigen ist mir gemeldet wordigen, daß ein Jud erschlagigen wurde! Ha! meine Pflicht ist es, den unschuldigen Mörder dieses Handelsmannigen auszuforschen. Potz Donner und Kanonenpulver!!
Grethl. Was ist denn das für ein Geschrei?
Offizier Wissen Sie vielleicht Madamigen, ob hier ein Jude erschlagigen wordigen ist?
Grethl. Ich hab die Ehre mein Compliment zu machen, Herr Offizier.
Offizier Ich habe ebenfallsigen die Oehre! und frage nochmaligen wegen dieser abscheulichen Unthat.
Grethl. Ich bin ganz ruhig beim Caffe g'sessen und da hab ich auf einmal ein furchtbares Geschrei gehört und bald darauf hab ich nichts mehr gehört.
Offizier Dieses Geschrei scheint mir schon verdächtigen und ich wittere Blutspurigen! Blitzflintenlauf!
Grethl. Ach: verschrecken S' mich nit so! Ich fürcht' überhaupt das Militär ungeheuer.
Offizier. Sie habigen nichts zu fürchten, Madamigen. Ich liebe das schönigen Geschlechtigen sehr und ein Offizier bleibt immer ein Offizier!
Grethl. O wie gütig und höflich Sie sind! Darf ich Sie vielleicht einladen, bei mir ein Tass' Caffe zu trinken?
Offizier. Der Caffe ist zwar ein weibisches Getränk, jedoch ausnahmsweisigen will ich mich herbeilassigen.
Kasperl (schaut herein).
Grethl. Ich werde dem Herrn Hauptmann auch ein Glas Liqueur vorsetzen.
Kasperl (hereinschauend). Oho! was war' denn das! Ich kriegs ganz' Jahr z' Haus kein Liqueur zu riechen.
Offizier. O Madame, Sie beschämigen mich durch Ihre Gastfreundlichkeit. Mit Vergnügigen folg' ich Ihnen in's Haus.
Grethl. G'horsamste Dienerin. (Mit dem Offizier ab.)
Kasperl. Oho, oho! das ist a G'spaß! Kaum bin ich aus 'm Haus, so kommen schon Caffe-Visiten zu meiner Frau auf eine Schnapsparthie! Diesem Offizierlinge sey ewige Rache geschworen; aber wenn ich nur wüßt' wie ich's anfangen soll? Ja wenn der Offizier nit ein Militär wär, hätt' ich schon Schneid; aber den Säbel fürcht' ich. Jetzt muß ich schau'n, daß ich mich verkleiden kann, damit 's mich nit kennen, nachher woll'n wir schon sehn, was weiter z' machen ist. Wenn ich als Bett'lweib komm, werd' ich wohl am besten thun. So – jetzt hol' ich mir von der dicken Obstlerin einen Unterrock – nachher kennt mich kein Mensch. Wart', treulose Grethl, heut' kehr' ich den Stiel einmal um! (Ab.)
Offizier (kommt etwas benebelt aus Kasperls Haus und singt):
Das ist ja ganz charmantigen, Ein bischen auch betrunkigen, Der Caffe war sehr gut! Frau Kasperl allerliebstigen |
Charmant, charmant! das ist eine vortreffliche Frau, die Madame Kasperl! – ich werde öfters bei ihr einkehrigen, denn da gibt's guten Caffe und trefflichen Branntewein! Aber wie sie mir sagt, ihrem einfältigen Männigen gibt sie niemals dergleichigen!
Kasperl, (als altes Weib, mit einer Butten, ein Wickelkind darin, das immer schreit, singt):
Ich bin ein altes Bettelweib Und komm mit einer Kraxen, Ich zitter' schon am ganzen Leib, Kaum tragen mich die Haxen. Und meine Kraxen ist wohl schwer Ihr guten Leut' schenkt mir doch was, |
Gehn's, schöner Herr, schenken S' mir ein paar Kreuzer, ich hab' den ganzen Tag nix gegessen (für sich) aber desto mehr trunken – (laut) schenken S' mir was!
Offizier. Potz Bomben und Kartätschenelement! Was ist das für eine Bettelei! Marsch, alte Hexe!
Kasperl. Ich bin kein' alte Hex – aber Sie sind ein Fex!
Offizier. Wie? Was? Welche Impertinenzigen muß ich hören?
Kasperl. Ich bin halt ein altes Weib und hab's Complimentenmachen nit g'lernt.
Offizier. Was Complimenten? Potzgrenadiergardelement, ich will ihr die Höflichkeit lehrigen! (Will schlagen.)
Kasperl. Warten's e wenig, Sie uniformirter Grobian. Ihnen werd' ich doch noch Herr!
Offizier. Ha! ich muß lachigen, wenn ich so etwas höre! Mache sie sich aus dem Staubigen, Weibsbild!
Kasperl. Wer hat dan Ihnen erlaubt, während der Herr von Kasperl vereist ist, ihm seinen Kaffe und sein Likori wegzutrinken?
Offizier. Wie, was? wegtrinkigen? Was geht Dich das an, altes Bettelweib.
Kasperl. (schlägt ihn in's Gesicht). So viel geht's mich an!
Offizier. Ha! ich werde meinen Säbel ziehen und Dich mit flacher Klinge züchtigen.
Kasperl. Und ich werd' mein Kindl aus der Kraxn nehmen und den Herrn Säbel-Inhaber recht 'rumhauen!
Offizier. Versuch' es, Elende.
(Schlägerei, bei welcher Kasperl dem Offizier die Butte über den Kopf stürzt.)
Kasperl. So, Du Eisenfresser, jetzt hab ich Dich sammt mei'm Caffe und meinem Schnapslikori in meiner Butten drin.
Offizier. (aus der Butte schreiend). Verdammte Hexe! laß mich heraus'.
Kasperl. Nix heraus!
Offizier. Ich werde ersticken!
Kasperl. Das wird mich nicht viel zwicken!
Offizier. Ich fange an zu sterbigen.
Kasperl. Sterbige, rauher Krieger!
Offizier. (mit matter Stimme). Auweh! auweh! ich bin todt!
Kasperl. Ha! jetzt ist mein Rachedurst gesättigt! – Juhe! jetzt lauf ich mit meinem erschlagenen Feind fort und werf'n in den nächsten Bach.
Stimme (in der Butte). Weh, weh! mäh, mäh!
Kasperl. Was ist denn das? hat sich der Offizier in en Geißbock verwandelt? – da muß ich gleich nachschaun.
(Kasperl kehrt die Butte um. Teufel springt heraus.)
Teufel. Prrrrrrrr!
Kasperl. Oho! was ist denn das für ein schwarzer Tintenwischer!
Teufel. Prrrrrr! (Stößt den Kasperl.)
Kasperl. Prrrrr! (Schlägt und stößt den Teufel.)
(Gegenseitiges Hin- und Herstoßen, endlich stößt Kasperl den Teufel in die Butte, stürzt sie um und setzt sich drauf.)
Kasperl. (singt):
Der Teufel in der Kraxen drin – Und ich sitz da heraußen; Darum weil ich der Kasperl bin, Mach ich nit viele Flausen! |
Jetzt schrei ich gleich so, daß mein Grethl meint, ich steck am Spieß, nachher laß ich den Teufel auf sie los, damit ich sie los werd. (Ruft.) Grethl, Weiberl, Zuckerl, Engerl! ich bin wieder da – aber ich kann das Geld, das ich mitgebracht hab, nit allein hinauftragen!
Grethl (von innen). Mein Kasperl! bist wieder da?
Kasperl. Ja freilich bin ich wieder da und zweitausend Dukaten hab' ich mitgebracht.
Grethl (kömmt). O Du Herzenskasperl! Dukatenkasperl! komm an mein Herz!
Kasperl. Komm Du an das meinige! Ich kann nit von der Butten herunter, sonst fliegt mir das Geld davon!
Grethl. Ich komm schon! Jetzt sind wir reiche Leute!
(Duett):
Grethl. Wie glücklich werden wir jetzt seyn!
Kasperl. Ich sauf den allerbesten Wein.
Grethl. Wir kaufen uns ein eig'nes Haus.
Kasperl. Da schauen dann zwei Affen 'raus.
Grethl. O lieber Ka– Ka– Ka– Ka– Ka– Ka– Kasperl!
Kasperl. O liebes He– He– He– He– Herzenshasperl!
Beide. Wir werden glü– glü– glü– glücklich seyn!
(Sie tanzen.)
Kasperl. Aber jetzt schau einmal hinein in die Geldbutten; gib aber Acht', daß Dich die Dukaten nit blenden; 's könnt Dir die Augen verderben.
(Grethl schaut unter die Butten, Kasperl läßt den Teufel heraus, der die Grethl schopfbeutelt und mit ihr unter Flammen versinkt.)
Kasperl. Das war eine geschwinde Expedition! So, jetzt hat – wie man zu sagen pflegt – der Teufel Eine geholt! Arme Grethl! (Fangt zu weinen an.) So war's nicht gemeint! wenn er Dich nur so etwas am Schopf g'nommen hätt, ich war' auch zufrieden g'wesen!
Nun – ich muß mir halt en andere Frau wählen; vielleicht hätt' eins von den hübschen Mäderln da unten (ans Publikum gewandt) Lust, mich z'heirathen! bin ich nicht ein schöner junger Mann! bin ich nicht der Kasperl – alleweil lustig und fidel? – – Nu! – hab'ns keine Kuraschi? – –
Wissen Sie was? wollen wir uns bis morgen besinnen! Und wenn mich Eine von Ihnen heiraspeln will, so lassen's mir's morgen früh sagen! Einstweilen mach ich mein schönes Compliment.