Plautus
Die Kriegsgefangenen (Captivi)
Plautus

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Dritte Act.

Erste Scene.

Ergasilus. Schlimm hat's der, der sich sein Essen sucht, und kaum es finden kann
Schlimmer noch, wer sich's mit Mühe sucht, und gar nichts finden kann,
Und am schlimmsten, wer zu essen wünscht, und nichts zu essen hat.
Ging' es nur, dem heut'gen Tage krazt' ich gern die Augen aus:
So mit Bosheit hat er alle Menschen wider mich erfüllt.
Ja, so nüchtern, so gestopft mit Hunger, sah ich keinen Tag,
Keinen noch, wo mir so wenig glückte, was ich unternahm.
Also feiern Mund und Magen heute Hungerferien.
Fort mit ihr, an's höchste Kreuz fort mit der Parasitenkunst!
Einen armen Lustigmacher meidet jezt das junge Volk.
Man verachtet uns Lakonen, die's am Tafelrande sich
Gnügen lassen, PrügelleiderErgasilus nennt die Parasiten Lakonen und Prügelleider, weil sie alle Beschwerden freiwillig ertrugen, ja sogar Prügel und überhaupt jede Schmach sich gefallen ließen. , Schwäzer ohne Gut und Geld.
Solche sucht man, die's erwiedern, wenn man sie gefüttert hat.
Auf dem Markte kauft man selbst ein, – sonst der Parasiten Amt.
Ja, mit frecher Stirne geh'n sie dann vom Markt zum Kuppler hin,
Wie sie, schuldig selbst, (o Frechheit!) Schuldige strafen im Gericht.
Keinen Deut mehr sind wir ihnen werth; sie lieben nur sich selbst.
Als ich fortging eben, traf ich auf das junge Volk am Markt;
»Guten Tag! Wo geh'n wir hin zum Frühmahl?« ruf' ich. Alles schweigt.
»Wer sagt: hierher? Lädt mich Niemand?« Alle bleiben still und stumm.
Keiner lacht. »Wo speisen wir zu Nacht?« Da schütteln sie den Kopf.
Einen Wiz dann, einen aus der bessern Sorte, geb' ich preis,
Der mir sonst auf viele Wochen einen Freitisch eingebracht.
Keiner lacht. Da merk' ich, daß der Handel abgeredet war.
Nicht einmal gereizten Hunden hätt' es Einer gleich gethan,
Daß doch, wer nicht lachen wollte, fletschend mir die Zähne wies.
Als ich merke, daß man mich zum Besten habe, ging ich fort,
Trat zu Andern, wieder Andern, dann noch Andern: Alles Eins!
Alles pfeift auf Einem Tone, wie die Höker auf dem Markt.
Auch noch andre Parasiten streifen dort umsonst herum.
Eben komm' ich, weil ich sehe, daß man mich verhöhnt, zurück.
Jezt verfolg' ich, und mit aller Strenge, gleich mein ganzes Recht.
Die Verschwornen, die das Essen, die das Leben uns verkürzt,
Klag' ich an; sie müssen mir zur Strafe troz der theuren Zeit
Ganz nach meiner eignen Wahl zehn Schmäuse geben: also sei's!
Jezt zum Hafen! Dort erblüht noch Eine Hoffnung auf ein Mahl;
Bricht auch die den Hals, so bleibt mir nur des Alten rauhe Kost.
    (er geht zur Seite ab.)

Zweite Scene.

Von der anderen Seite kommt Hegio, gefolgt von Aristophontes.

Hegio. Was kann schöner sein,
Als mit Glück etwas ausführen, das auch dem Staat
Nuzen bringt? So wie ich's gestern that, als ich da
Die Beiden erstand. Wo mich Einer erblickt,
Kommt er mir entgegen, wünscht mir Glück um dieses Falles willen,
Daß sie durch ihr Stillesteh'n und Halten mich
Armen Mann ganz müde machten.
Ich kam nur mit Noth aus den Glückwünschen los. Doch
Endlich ging's zum Prätor.
Dort ruh' ich ein wenig,
Verlang' einen Paß,
Erhalt' ihn, und alsbald
Erhält ihn der Tyndar.
Der zieht eilig heimwärts. Nachdem dies gescheh'n war,
Geh' ich schnell zum Bruder, wo die andern Kriegsgefangnen sind,
Frage nach Philokrates aus Elis, ob ihn Keiner kenne;
Der hier ruft, er sei sein Freund; ich sage, daß er bei mir sei.
Dann beschwört er mich und bittet um Erlaubniß, ihn zu seh'n.
Gleich macht' ich ihn der Bande frei und ging.
    (zu Aristophontes)                                         Nun folge du mir,
Auf daß dir werde, was du dir gewünscht: du sollst ihn sprechen.

(Beide gehen in's Haus. Zu einer anderen Thüre desselben kommt, unbemerkt von ihnen, Tyndarus heraus.)

Dritte Scene.

Tyndarus. (bestürzt)
Nun ist es aus, nun möcht' ich todt weit lieber als lebendig sein.
Rath, Hülfe, Hoffnung trennen sich von mir, verlassen, fliehen mich.
Das ist der Tag, wo kein Entrinnen mehr für mich zu hoffen ist.
Im Elend ist kein Ende, mir wehrt keine Hoffnung diese Furcht.
Für meine schlauen Lügen weiß ich nirgends eine Hülle mehr,
Für Gaunereien, Schliche, Ränk' und Schwänke kein Deckmäntelchen.
Abbitte sühnt nicht den Verrath, die Missethat schüzt keine Flucht.
Der Keckheit öffnet sich kein Port und keine Freistatt meiner List.
Verdecktes ist jezt aufgedeckt; am Tage liegt mein Gaukelspiel.
Denn Alles ward jezt offenbar; kein Zweifel ist,
Daß ich sterben und verderben muß für meinen Herrn und mich.
Mich verderbt Aristophontes, der so eben trat in's Haus.
Denn er kennt mich, ist ein Freund und Vetter des Philokrates.
Selbst des Heiles Göttin kann mich, wollte sie's, nicht mehr befrei'n,
Erspür' ich nicht im Herzen eine Schelmerei.
Doch was? Der Henker! Was beginn' ich? Was ersinn' ich? Albernheit,
Die tollste Tollheit brütet da mein armer Kopf: da steck' ich nun!
    (er geht ängstlich nachsinnend auf und nieder.)

Vierte Scene.

Hegio. Aristophontes. Tyndarus. Gefangenwärter.

Hegio. Wohin der Mensch wohl aus dem Haus jezt vor die Thür hinausgerannt?

Tyndarus. (für sich)
Nun, Tyndar, ist es wahrlich aus mit dir: der Feind dringt auf dich ein!
Was erklär' ich nun? Was schwaz' ich? Was verläugn' ich? Was gesteh' ich?
Jezt weiß ich nicht wo aus noch ein. Worauf verlassen soll ich mich?
O daß die Hölle dich geholt, eh dich der Feind aus Elis stahl,
Aristophontes, der (o Schmach!) zu nichte macht mein schönes Werk!
Verloren ist's, ersinn' ich nicht ein ganz entsezlich Schelmenstück.

Hegio. Komm her, da steht er, red' ihn an!

Tyndarus. (für sich)                                   Wer ist so schlimm als ich daran?

Aristophontes. (zu Tyndarus)
Tyndarus, was ist es, daß du meinen Augen dich entziehst,
Mich verschmähst, wie einen Fremdling, den du nie zuvor gekannt?
So wie du, bin ich ein Sklave, war ich auch zu Hause frei;
Aber du warst Knecht in Elis, als du noch ein Knabe warst.

Hegio. Ist es doch kein Wunder, wenn er dich und deine Blicke flieht,
Oder gar dich haßt: du nennst ihn Tyndar, nicht Philokrates.

Tyndarus. (leise, indem er den Hegio auf die Seite zieht)
Hegio, den Menschen hielt in Elis alle Welt für toll.
Schüze dich an beiden Ohren, was er auch vorbringen mag:
Denn die Mutter und den Vater hat er mit dem Spieß verfolgt,
Und die Krankheit, die man anspuckt,Tyndarus meint die fallende Sucht (morbus comitialis von den Römern genannt, weil der Eintritt eines epileptischen Anfalles die Comitien auflöste). Die mit ihr behaftet waren, glaubte man durch Anspucken heilen zu können. überfällt ihn manchesmal.
Darum bleib' ihm fern vom Leibe.

Hegio. (zieht sich zurück)                       Weg von mir!

Aristophontes.                                                             Was sagst du, Schuft?
Was? Ich toll? Ich hätte meinen Vater mit dem Spieß verfolgt?
An der Krankheit soll ich leiden, die man anzuspucken pflegt?

Hegio. Fürchte nichts: wie manchen Mann hat diese Krankheit schon geplagt,
Welchem angespie'n zu werden frommte!

Tyndarus.                                                         That auch Andern gut.

Aristophontes. Wie? Du glaubst ihm gar noch?

Hegio.                                                                 Was ihm glauben?

Aristophantes.                                                                                 Daß ich rasend sei?

Tyndarus. Sieh, wie feindlich er dich anblickt! Weichen wir ihm lieber aus!
Herr, es kommt, was ich gesagt, die Raserei wächst: hüte dich!

Hegio. Hielt ich ihn doch gleich für rasend, als er Tyndar dich genannt.

Tyndarus. Oft vergißt er seinen eignen Namen, weiß nicht, wer er ist.

Hegio. Doch behauptet er, du seist sein Kamerad.

Tyndarus.                                                             Ich wüßte nicht.
Auch Lykurg, Alkmäon und OrestesLykurgus, (ein thrakischer König,) Alkmäon, Orestes, drei berühmte Wahnsinnige aus der mythischen Zeit, über die jedes mythologische Wörterbuch Auskunft gibt. sind in dieser Art
Meine Freunde, ganz wie dieser.

Aristophontes.                                     Wagst du gar, du Galgenstrick,
Mich zu schmäh'n? Ich kennte dich nicht?

Hegio.                                                               Nun, das liegt am Tage doch,
Daß du den nicht kennst: du nennst ihn Tyndar statt Philokrates.
Den du siehst, den kennst du nicht, und den du nennst, den siehst du nicht.

Aristophontes. Nein, er will sein, der er nicht ist; wer er ist, das läugnet er.

Tyndarus. Ja, du bist der Mann, du bist wahrhafter, als Philokrates.

Aristophontes. Wie die Sache steht, so bist du's, der die Wahrheit Lügen straft.
Doch ich bitte, sieh mir einmal in's Gesicht.

Tyndarus.                                                             Nun?

Aristophontes.                                                             Läugnest du,
Daß du Tyndar seist?

Tyndarus.                         Ich läugn' es.

Aristophontes.                                       Nennst du dich Philokrates?

Tyndarus. Ja, so heiß' ich.

Aristophontes. (zu Hegio)   Und du glaubst ihm?

Hegio.                                                                 Mehr gewiß als dir und mir.
Denn der Mann, von dem du sprichst, ging heut von hier nach Elis fort
Zu dem Vater dessen. (auf Tyndarus deutend)

Aristophontes.                   Wessen? Dieses Sklaven?

Tyndarus.                                                                     Bist doch du
Auch ein Sklav' und warest frei: so hoff' ich einst auch frei zu sein,
Wenn ich dessen Sohn zur Freiheit wiederum verhelfen kann.

Aristophontes. Galgenstrick, was sagst du? Sagst, du wärst ein Freier von Geburt?

Tyndarus. FreierIn der Urschrift ist hier ein Wortspiel mit liber, frei, und Liber, einem anderen Namen des Bacchus bei den Römern. Im Deutschen hat das Wort »Freier« doppelte Bedeutung, indem es einen Freien und einen Freier bezeichnen kann. heiß' ich nicht, ich heiße nur Philokrates.

Aristophontes.                                                                         Der Kerl,
Hegio, der hat dich nur zum Besten! Denn der Sklave, das
Ist er selbst, und hatte niemals einen Sklaven, als sich selbst.

Tyndarus. Weil du selbst im Vaterlande darbst und nichts zu leben hast,
Willst du, daß die ganze Welt dir ähnlich sei: mich wundert's nicht.
Armes Volk ist voller Mißgunst, gönnt dem Bessern nicht sein Glück.

Aristophontes. Hegio, nimm dich in Acht, und traue dem nicht unbedacht.
Denn so viel ich merke, hat er dir bereits was angehängt.
Daß er deinen Sohn befreien will, gefällt mir nimmermehr.

Tyndarus. Daß du das nicht wünschest, weiß ich; doch so Gott hilft, geb' ich dem
Seinen Sohn, er gibt in Elis meinem Vater mich zurück.
Darum sandt' ich Tyndarn auch zum Vater ab.

Aristophontes.                                                       Der bist du selbst;
Außer dir ist ja kein Knecht in Elis, der den Namen trägt.

Tyndarus. Fährst du fort, mich Knecht zu schelten, weil ich fiel in Feindsgewalt?

Aristophontes. Nein, ich kann nicht mehr mich halten.

Tyndarus. (warnend zu Hegio)                                       Hörst du's? Heda! Fliehst du nicht?
Bald verfolgt er uns mit Steinen, wenn du nicht sogleich gebeutst,
Ihn zu greifen.

Aristophontes.       O der Qual!

Tyndarus.                                 Sein Auge glüht: auf, Stricke her!
    (zu Hegio)
Siehst du, wie sein ganzer Leib von gelben Flecken fleckig wird?
Schwarze Galle packt den Mann.

Aristophontes.                                     Dich sollte, wäre der Alte klug,
Schwarzes Pech bei'm Henker packen, und dein Kopf in Flammen glüh'n.Menschen, die gefoltert wurden, besonders Sklaven, pflegte man siedendes Pech auf den Leib zu träufeln, oder es ihnen auf dem Kopfe anzuzünden. Danz.

Tyndarus. Ganz im Wahnsinn spricht er jezt, ihn treiben Nachtgespenster um.

Hegio. Wenn ich ihn jezt fesseln ließe?

Tyndarus.                                             Traun, das Klügste wäre das.

Aristophontes. Weh mir, daß ich keinen Stein hier habe, diesem Schuft das Hirn
Einzuschmettern, der mit seinen Lügen mich zum Narren macht!

Tyndarus. (zu Hegio)
Hörst du da? Nach Steinen sucht er.

Aristophontes. (zu Hegio)                       Gönne mir ein Wort mit dir
Ganz, allein.

Hegio. (schiebt ihn zurück)
                    Sprich nur von dort; ich höre dich von ferne schon.

Tyndarus. (zu Hegio)
Wenn du näher trätest, traun, er bisse dir die Nase glatt
Aus dem Antliz.

Aristophontes.         Glaube ja nicht, daß ich toll bin, Hegio,
Oder daß ich's je gewesen, oder krank bin, wie mir der
Angedichtet. Laß mich fesseln, wenn du was von mir besorgst:
Gerne leid' ich's, wenn man ihn auch fesselt.

Tyndarus.                                                             Den nur, Hegio,
Der es will, laß fesseln!

Aristophontes.                       Schweige, falscher Philokrates: ich will
Machen, daß du heute noch als wahrer Tyndarus erscheinst.
Warum winkst du?

Tyndarus.                     Winken ich? Was thät' er, ständst du nicht dabei?

Hegio. Wenn ich jezt zu diesem Tollkopf träte?

Tyndarus.                                                           Possen, tolles Zeug
Wird er dir vorkau'n, woran du weder Hand noch Fuß erkennst.
Nur die Rüstung fehlt, den Ajax siehst du leibhaft, siehst du den.Die Rüstung bezeichnet das ganze tragische Costüm, in welchem der rasende Ajax auf die Bühne gebracht wurde.

Hegio. Das thut nichts; ich geh' ihn dennoch an.

Tyndarus. (für sich)                                             Nun ist's mit nur vorbei!
Schon am Altar vor dem Steine steh' ich»Schon am Altar vor dem Steine steh' ich,« d. h. an meine Rettung ist nicht mehr zu denken, ich bin verloren, wie das Opferthier, das bereits neben dem Altare steht, und wider welches der Opferpriester schon den Stein aufgehoben hat, der es tödten soll. , weiß nicht, was ich soll.

Hegio. (nähert sich demAristophontes)
Jezt, Aristophontes, hör' ich, wenn du was zu sagen hast.

Aristophontes. Wahrheit sollst du von mir hören, die du jezt für Lügen hältst.
Aber erst muß ich dir Eins ausreden: nicht an Raserei
Leid' ich noch an andrer Krankheit, außer daß ich Sklave bin.
Doch so wahr mich Zeus zurück in meine Heimat führen soll,
Dieser ist Philokrates so wenig als ich oder du.

Hegio. Aber wer denn ist er?

Aristophontes.                       Den ich gleich von Anfang dir genannt.
Wenn du dies unwahr erfindest, mögen meinethalb bei dir
Vaterland, Freiheit und Eltern ewig mir verloren sein.

Hegio. (zu Tyndarus)
Was sagst du?

Tyndarus.               Daß ich dein Sklave, du mein Herr.

Hegio.                                                                             Das frag' ich nicht.
Warst du frei?

Tyndarus.               Das war ich.

Aristophontes.                             Nein, das war er nicht; er faselt nur.

Tyndarus. Woher weißt du's? Standst du meiner Mutter als Hebamme bei,
Daß du das so keck behauptest?

Aristophontes.                                   Schon als Knaben sah ich dich.

Tyndarus. Und ich sehe dich erwachsen. Alle Wetter über dich!
Kümmre dich nicht mehr um mich; ich kümmre mich ja nicht um dich.

Hegio. Hieß des Menschen Vater nicht Schazgüldenkrallenharpago?

Aristophontes. Nein! Ich hörte solchen Namen niemals bis auf diesen Tag.
Theodoromedes hieß der Vater des Philokrates.

Tyndarus. (für sich)
Ha, ich sterbe! Still, mein Herz: was klopfst du? Geh, erhänge dich!
Ja, du hüpfst noch, ich vermag, o Jammer! kaum vor Furcht zu steh'n.

Hegio. Ist es auch ganz ausgemacht, daß er in Elis Sklave war,
Nicht Philokrates?

Aristophontes.             So sicher, daß es niemals anders wird.
Doch wo ist jezt der?

Hegio.                               Wo mir's nicht lieb, und ihm am liebsten ist.
So bin ich denn ganz zerhobelt, ganz verstümmelt durch die List
Dieses Buben, der nach Willkühr mich am Narrenseil geführt.
Doch bedenke –

Aristophontes.           Was ich sprach, ist wohl erwogen und bedacht.

Hegio. Ganz gewiß?

Aristophontes.         So daß du nichts Gewiss'res findest auf der Welt.
War Philokrates doch immer mein Genoß von Jugend auf.

Hegio. Welches Ausseh'n aber hat dein Kamerad Philokrates?

Aristophontes. Blasses Antliz, spize Nase, schwarze Augen, weiße Haut,
Haare, zierlich und gelockt, ein wenig röthlich.

Hegio.                                                                       Alles paßt.

Tyndarus. (für sich)
Daß ich heut (endloses Unheil!) hierher kam! Weh über euch,
Arme Ruthen, die noch heut an meinem Fell zu Schanden geh'n!

Hegio. Offenbar, ich bin geprellt!

Tyndarus. (für sich)                       Ihr Fesseln, weßhalb säumt ihr noch?
Kommt, umarmt jezt meine Beine, daß ich euch bewachen kann!

Hegio. (erzürnt)
Schändlich haben heut die Schufte, die Gefang'nen, mich genarrt!
Jener stellte sich als Sklaven, dieser gab für frei sich aus.
Aufgesprungen ist der Kern, die Schale blieb als Pfand zurück.
Also ward das Maul mir Gimpel auf und ab mit Trug beschmiert.
Doch – der foppt mich nie mehr. Corax, Colaphus, Cordalio!
Kommt heraus und bringt die Stricke!

Einer der Gefangenwärter.                       Werden wir in's Holz geschickt?

Fünfte Scene.

Hegio. Tyndarus. Aristophontes. Knechte mit Stricken.

Hegio. Auf, eilig legt dem Schufte da Handfesseln an!

Tyndarus. Was soll das heißen? Was verbrach ich denn?

Hegio.                                                                               Du fragst?
Du, der das Unheil säte, hackt' und erntete!

Tyndarus. Was sagtest du nicht eher, daß ich's auch geeggt?
Denn immer eggt der Bauer erst, bevor er hackt.

Hegio. Wie mir der Mensch so trozig gegenübersteht!

Tyndarus. Der Sklave, wenn er schuldlos ist und nichts versah,
Darf ohne Scheu sein, und zumal vor seinem Herrn.

Hegio. (zu den Knechten)
Auf! Bindet ihm die Hände nur recht fest!

Tyndarus.                                                         Ich bin
Dein Knecht: die Hände darfst du mir abhau'n sogar.
Doch sage mir, was gibt es? Weßhalb grollst du mir?

Hegio. Weil du, so viel du konntest, mir mein ganzes Werk
Durch deine ruchlos lügenhaften Schelmerei'n
Zerrissest, meine Habe mir zerstückeltest,
Und alle meine Plane nur zerrüttetest.
So stahlst du mir durch Ränke den Philokrates.
Du seist der Freie, glaubt' ich, und er sei der Knecht.
So sagtet ihr und tauschtet darum unter euch
Die Namen aus.

Tyndarus.                 Dies Alles, ich bekenn' es frei,
Ist so geschehen, wie du sagst, er hat von dir
Durch mein Bemühen, meine List sich weggemacht.
Deßwegen also grollst du mir? Ich bitte dich.

Hegio. Wohl hast du das zu deiner größten Qual gethan.

Tyndarus. Verschuld' ich nur nicht meinen Tod, dann acht' ich's nicht.
Und muß ich hier auch sterben, kehrt er nicht zurück,
Wird noch im Tode diese That mir Ruhm verleih'n,
Daß ich den Herrn aus seiner Sklaverei befreit,
Aus Feindeshand zu seinem Vater heimgeführt,
Und daß ich eher meinen Kopf in die Gefahr
Gewagt, bevor ich seinen Tod verschuldete.

Hegio. Wohl! Suche du denn deinen Ruhm am Acheron.

Tyndarus. Wer für die Tugend endet, kann nicht untergeh'n.

Hegio. Hab' ich dich erst mit allen Qualen abgequält,
Und dich für deine Schelmerei'n an's Kreuz geschickt,
So mag man's Ende nennen oder Untergang:
Bist du nur todt, so mag man sagen, daß du lebst.

Tyndarus. Wahrhaftig, thust du solches, bleibt's nicht ungestraft,
Wenn jener, was ich sicher hoffe, wiederkehrt.

Aristophontes. Ihr Götter! Nun versteh' ich erst, nun seh' ich ein,
Was da gescheh'n ist. Mein Genoß Philokrates
Ist frei, daheim, bei'm Vater. Nun, das nenn' ich schön.
Ich kenne Niemand, dem ich das so sehr gegönnt.
Nur schmerzt mich, daß ich diesem that den schlimmen Dienst,
Der meiner Worte wegen jezt in Fesseln ist.

Hegio. Hab' ich dir nicht verboten, mir ein falsches Wort
Zu sagen?

Tyndarus         Ja.

Hegio.                   Und dennoch logst du mir? Warum?

Tyndarus. Weil dem die Wahrheit, dem ich diente, schädlich war;
Jezt frommt die Lüge.

Hegio.                               Doch sie schadet dir.

Tyndarus.                                                           Es sei!
Den Herrn gerettet hab' ich doch, (wie freut mich das!)
Ihn, dem zur Hut mich beigesellt mein alter Herr.
Und hältst du diese That für schlecht?

Hegio.                                                         Für ganz verrucht.

Tyndarus. Ich denke da ganz anders, halte sie für gut.
Bedenke nur, wenn deiner Sklaven einer dies
Gethan an deinem Sohne, wie verdanktest du's?
Sprich, gäbst du dem wohl seine Freiheit, oder nicht?
Und würde jener Sklave nicht dein liebster sein?
Antworte!

Hegio.             Freilich.

Tyndarus.                     Nun – warum denn grollst du mir?

Hegio. Weil du dem Alten größre Treu als mir bewahrst.

Tyndarus. Was willst du denn? Ich erst gefangner, neuer Knecht
Soll mich von dir in Einer Nacht und Einem Tag
Zurichten lassen, daß ich dir ergebner sei,
Als ihm, mit dem ich als ein Kind zusammen war?

Hegio. So fordre dir von ihm den Dank. Nun fort mit ihm,
Legt ihm die dicken, centnerschweren Ketten an;
Dann geht's mit dir in meine Steinbruchhöhlen fort.
Und graben Andre täglich nur acht Steine dort,
So schaffst du sechzehn jeden Tag, und schaffst du's nicht,
Dann sollen dir sechshundert Prügel sicher sein.

Aristophontes. Bei Gott und Menschen, Hegio, beschwör' ich dich:
O quäl' ihn nicht zu Tode!

Hegio.                                       Dafür wird gesorgt.
Nachts liegt er mir in Ketten, da bewacht man ihn;
Bei Tage gräbt er Steine mir vom Boden aus.
Lang quäl' ich ihn; mit Einem Tag ist's nicht gethan.

Aristophontes. Das hast du fest beschlossen?

Hegio.                                                             Fest, wie Tod und Grab.
Führt ihn zum Schmid jezt eilig, zum Hippolytus;
Sagt, daß er ihn in dickes Eisen schmiden soll.
Dann führet ihn zu meinem Pächter Cordalus
In meinen Steinbruch außerhalb der Stadt vor's Thor,
Und sagt, ich wolle, daß er ihn so halten soll,
Daß Keiner, dem's am schlimmsten geht, es schlimmer hat.

Tyndarus. Wie kann ich Rettung hoffen wider deinen Wunsch?
Wenn in Gefahr mein Leben ist, so bist du's auch.
Im Tode fürcht' ich nach dem Tod kein Uebel mehr.
Und leb' ich auch zum höchsten Alter fort, ich muß
Dennoch erdulden, was du drohst, auf kurze Frist.
Nun lebe glücklich, wenn du das auch nicht verdienst.
Aristophontes, gehe dir's, wie du's um mich
Verdient; durch dich nur ward mir dies!

Hegio. (zu den Knechten)                                 Ihr, führt ihn fort!

Tyndarus. Nur Eine Bitte: kehrt Philokrates zurück,
Daß, ihn zu seh'n, zu sprechen, mir verstattet sei!

Hegio. (zu den Knechten)
Ihr seid des Todes, schafft ihr ihn nicht gleich hinweg!
    (er stößt den Tyndarus von sich, die Knechte führen ihn ab.)

Tyndarus. Zugleich gestoßen und geschleppt! Das heißt Gewalt.

Sechste Scene.

Hegio. Aristophontes.

Hegio. Der ist gerad' in den Kerker fort, wie's ihm gebührt.
Das soll ein Beispiel für die Kriegsgefangnen sein,
Daß Keiner so was wieder anzustellen wagt.
Wenn dieser hier (auf Aristophontes deutend)
                            nicht wäre, der mir's aufgedeckt,
Sie führten mich noch immer recht am Narrenseil.
Nun steht es fest, ich traue keinem Menschen mehr.
Mir ist's an Einem Trug genug. Ich hoffte schon,
Ich Armer, aus der Knechtschaft sei mein Sohn befreit:
Hin ist die Hoffnung! Schon verlor ich einen Sohn
Im vierten Jahre, welchen mir ein Sklave stahl,
Und hörte nie vom Sklaven, nie vom Sohne mehr.
Der ältre fiel in Feindsgewalt. Ha, welche Schmach!
Als zeugt' ich Kinder nur um kinderlos zu sein!
    (zu Aristophontes)
Komm mit, – zurück an deinen Plaz! Mit Niemand mehr
Fühl' ich Erbarmen, da sich Niemand mein erbarmt.

Aristophontes. Zu böser Stunde kam ich aus den Ketten her:
Zu böser Stunde muß ich jezt in sie zurück.
    (Beide ab.)


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