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Raffaella: Gott schenke dir einen guten Tag, Margarita! Ruhen diese Hände denn nie? Finde ich dich stets mit Sticken oder sonstwie beschäftigt?
Margarita: Ei willkommen, Madonna Raffaella. Schon gar lange habt Ihr Euch nicht mehr bei mir blicken lassen. Wie geht's Euch denn?
Raffaella: Sünd' und Müh', wie bei allen alten Weibern, – was denn sonst?
Margarita: Setzt Euch ein wenig her! Wie steht's Befinden?
Raffaella: Bin ein altes Weib und ärmer denn je, auch mit jeder Stunde dem Grabe einen Schritt näher.
Margarita: Sprecht nicht so! Das ist das Ziel der Jungen wie der Alten, wenn Gott es will.
Raffaella: Mir liegt nicht viel am Leben, stürbe lieber heut' als morgen. Was soll ich noch in dieser Welt? Die Armut würd' ich schließlich noch in Geduld ertragen, wenn sie auch hart ist für unsereinen, der aus gutem Hause stammt. Aber was mich bedrückt, das ist meine Sündenlast, die mit jedem Tage wächst.
Margarita: Was sollen erst die anderen sagen, wenn Ihr Euch so sündig fühlt, die mir wie eine Heilige erscheint. Was für Sünden können Euch denn bedrücken? Seh' ich Euch nicht stets mit dem Rosenkranz? Seid Ihr nicht den ganzen Tag in der Kirche?
Raffaella: Sie sind auch mein einziger Trost, daß ich's gestehe, die Messen und Hochämter in San Francesco. Versäume sie nie, wenn's irgend geht. Doch wiegt das die vielen Sünden nicht auf, die man den ganzen Tag über begeht.
Margarita: Möcht's doch meinen. Ich wenigstens bin überzeugt, daß Ihr geradeswegs ins Paradies eingeht. Aber warum besucht Ihr mich denn seltener als sonst?
Raffaella: Die Wahrheit zu sagen: hab' oft unterlassen, herzukommen, weil ich weiß, daß die armen alten Weiber wie ich nur lästig fallen, wo sie hinkommen. Hab' aber dennoch stets an dich gedacht und bete immer für dein ganzes Haus, wenn man bei der Vesper in San Francesco das Magnificat singt.
Margarita: Weit gefehlt, Madonna Raffaella, wenn Ihr meint, Ihr fielet mir lästig mit Euern Besuchen. Im Gegenteil! Ich plaudere immer gern mit Euch. Ihr wißt auch, wie sehr meine Mutter Euern Worten und Ratschlägen vertraute und wie tröstlich sie ihr waren. Genau so geht es mir.
Raffaella: Ach Gott! Welchen Trost kann Euch eine Frau bieten, die überflüssig ist auf dieser Welt?
Margarita: Laßt's gut sein, es ist, wie ich Euch sage. Sind wir Euch denn nicht stets freundlich begegnet?
Raffaella: Gewiß, und mehr als ich's verdiene.
Margarita: Warum kommt Ihr denn aber nicht mehr?
Raffaella: Ich will dir's sagen: nicht weil ich nicht gerne zu dir käme, mache ich mich selten, sondern weil mir bei jedem Besuch etwas in den Sinn kommt, was mir arge Gewissensbisse vor Gott verursacht.
Margarita: Und das wäre?
Raffaella: Ich schäme mich auch nur daran zu denken, Margarita, geschweige denn davon zu reden. Lassen wir es ruhen!
Margarita: Wie? Ihr schämt Euch von Euern Angelegenheiten zu sprechen, obgleich ich Euch mit kindlicher Liebe begegne?
Raffaella: Möchte nicht in den Mund der Leute kommen.
Margarita: Vertraut Ihr mir so wenig, daß Ihr meint, ich würde ausschwatzen, was Ihr verschwiegen wissen wünscht?
Raffaella: Versprich mir, die Zunge in Zaum zu halten.
Margarita: Seid unbesorgt; aber nun sagt, was Ihr auf dem Herzen habt; ich kann mir gar nicht denken, was es sein mag.
Raffaella: Deine Versicherung macht mir Mut, dir meine Sünde zu entdecken, die außer meinem Beichtvater noch keiner vernommen hat. Sooft ich dich sehe, Margarita, und deine Schönheit und Jugend betrachte, kommen mir meine jungen Jahre in den Sinn und ich denke daran, daß ich mein Leben nicht genossen habe, wie ich es hätte genießen können. Da senkt mir dann der Teufel, damit ich den Hals breche, ohne daß ich mich dagegen wehren kann, Gewissensbisse und Reue ins Herz, so daß ich Tage und Tage wie verzweifelt bin, keine Messe und kein Hochamt höre, noch sonst was tue. Um nicht in diese Sünde zu fallen, von der du eben gehört, und meine Seele nicht zu beschweren, hüte ich mich, so sehr ich kann, zu dir zu kommen.
Margarita: Wahrhaftig! Darauf wäre ich nicht verfallen. Aber wenn Ihr bei andern, noch schöneren Frauen seid, muß Euch da nicht das gleiche begegnen und in noch höherem Maße?
Raffaella: Noch hat mir keine so viel Beschwer verursacht wie du, sei's weil keine in Siena dir das Wasser reicht, sei's aus einem andern Grunde; genug, es ist so.
Margarita: Ihr erscheint mir immer frommer, Madonna Raffaella, da Ihr Euch um solcher Nichtigkeit Gewissensbeschwer macht.
Raffaella: Scheint dir das nichtig, sich unterlassener Sünden zu erinnern und die Unterlassung zu bereuen? Wie? Ich muß sagen, ich weiß nicht, warum mich die Erde nicht verschlingt.
Margarita: Schlimmer wäre die Erinnerung an begangene Sünden.
Raffaella: Sag' das nicht, Töchterlein. Bedenke, daß ich mehr vom Lauf der Welt weiß als du. Ich weiß in Gewissensfragen sehr wohl den Stamm vom Geäst zu unterscheiden.
Margarita: Ich glaube Euch. Ihr versteht Euch auf diese Dinge, ich weiß es wohl; meine Mutter sagte es wiederholt.
Raffaella: Sie war voll Vertrauen zu mir, die gebenedeite Seele deiner Mutter. Gott weiß, wie sehr ich sie geliebt habe; ich habe sie ja auch sozusagen aufgezogen.
Margarita: Wer weiß das besser als ich, daß sie ohne Euch nicht leben konnte?
Raffaella: Wir waren auch verwandt: ihre Schwester war die Schwägerin meines Neffen.
Margarita: Ja, sie hat's gesagt.
Raffaella: Nun weißt du, Margarita, warum ich in letzter Zeit dein Haus gemieden habe.
Margarita: Auf alles andere wäre ich eher verfallen.
Raffaella: Wenn ich nicht zu dir komme, schlägt mir ja auch das Gewissen, weil ich die Pflicht zu verabsäumen meine, die mir die Meßepistel vorschreibt und der Introitus dazu.
Margarita: Wieso?
Raffaella: Wieso? weißt du denn nicht, daß der Herr in der Muttergottesmesse sagt: »Hilf deinem Nächsten«? Ich, die ich vermöge meines Alters wohl imstande bin, das Schlechte vom Guten zu unterscheiden, sollte die Jungen belehren und beraten und vor allem jene, denen gegenüber ich mich etwas freier aussprechen kann, wie dir gegenüber, vor vielen Fehlern warnen, in die sie bei ihrer geringen Weltkenntnis gar leicht verfallen könnten, damit sie auf anderer Kosten die Gefahren kennenlernen, die ich und tausend andere alte Frauen aus Mangel an Rat und Warnung am eigenen Leibe erfahren haben: und das wäre die echte Nächstenliebe.
Margarita: Da wir gerade davon sprechen, so sagt mir, wovor wir Jungen denn vor allen Dingen gewarnt werden sollten.
Raffaella: Vor gar manchem, zum Beispiel vor dem, wovon ich eben gesprochen habe, nämlich, daß, wenn man seine Jugend nicht genießt – mit Maß versteht sich – man sich im Alter so unglücklich fühlt, daß man vor lauter Gedankensünden ein richtiger Höllenbraten wird. Und das ist's, was ich jetzt fürchte.
Margarita: Und wie könnte man seine Jugend genießen?
Raffaella: Indem man sich die Freuden gönnt, an denen sich die jungen Frauen gewöhnlich ergötzen: häufig Tanzfeste und Gastereien besuchen, schöne Kleider tragen, kostbaren Schmuck anlegen, wohlriechende Wässer und Parfüme gebrauchen, stets nach der neuesten Mode gehen, für schön und klug zugleich zu gelten trachten, einen Ritter besitzen, Ständchen anhören und Mummenschanz anschauen, womit sie geehrt werden sollen, und dergleichen Dinge mehr, die für so junge, feine Frauen wie dich passen.
Margarita: Ihr macht mich staunen, hört' ich doch immer, all das sei recht eigentlich sündhaft.
Raffaella: Mein Töchterlein (meinem Alter und meiner Liebe nach darf ich dich wohl so nennen), es wäre sicherlich das Gottseligste und Beste, von der Wiege bis zum Grabe ohne Fehl und Makel zu leben, wenn es nur möglich wäre. Doch da uns das Beispiel aller Menschen, die je gelebt haben, beweist, daß wir als geborene Sünder unmöglich ohne Fehl leben können, so müssen wir es für erträglicher und verzeihlicher halten, in der Jugend ein wenig zu sündigen, als, wie ich es getan, so lange zu warten, bis man nicht mehr in dieser Weise sündigen kann und von verzweifelter Reue darüber verzehrt wird. Die aber führt mehr denn jede andere Sünde in Satans Rachen. Denn wie die Krankheiten des Leibes, die die Menschen heimzusuchen pflegen, die Jungen weniger gefährden als die Alten (wir sehen es ja an den Masern und Pocken: je heftiger sie auftreten, desto mehr bewahren sie den Leib für den Rest des Lebens vor Krankheit und festigen ihn), so schadet eine gewisse Tollheit, die in uns allen von Anbeginn steckt, der Seele weniger und macht das Leben freier und selbstsicherer, wenn sie sich in der Jugend geltend macht, als wenn sie erst in einem Alter auftritt, da man verständig und maßvoll sein soll.
Margarita: Ihr haltet es also für nützlich, in meinem Alter sein Leben zu genießen und sich allerlei Vergnügen zu gönnen?
Raffaella: Für nützlich und notwendig, und hätten wir Zeit, so würde ich dir des genaueren auseinandersetzen, wie du dein Leben einrichten müßtest und wie weit du in deinem Vergnügen gehen könntest. Du würdest dann gewiß sagen, daß ich mich darauf verstehe.
Margarita: Was heißt Zeit haben? Was haben wir denn zu tun? Ich muß unbedingt Genaueres wissen. Der Zeitpunkt kann nicht günstiger sein. Wir sind allein, und Ihr habt, glaube ich, keine große Eile, da weder Vesperandacht noch Komplete rufen.
Raffaella: Verzeih', ich kann heute nicht bei dir bleiben, muß zu deiner Tante, mir etwas Geld leihen.
Margarita: Morgen ist's dazu auch noch früh genug.
Raffaella: O Margarita, wenn ich auch anständig gekleidet bin, so fehlt mir's zu Hause doch an allen Ecken und Enden. Ich zeige es nur nicht, weil ich mich schäme, aber ich schwöre dir – denn vor dir habe ich kein Geheimnis – daß ich nicht einen Bissen Brot daheim habe.
Margarita: Darum sollt Ihr mir nicht fortgehen! Weder an Brot noch an sonst etwas soll es Euch fehlen, solange ich etwas habe. Wer aus gutem Hause ist wie du und nicht zu leben hat, der verdient alles Mitleid.
Raffaella: Ich danke dir. Diesmal aber mußt du mir verzeihen, wenn ich dich verlasse. Ich kann ja ein andermal wiederkommen.
Margarita: Nichts da! Bleibt nur sitzen, Ihr dürft auf keinen Fall fort! Ich würde es Euch sehr übel nehmen.
Raffaella: Warum paßt es dir denn heute besser als ein andermal?
Margarita: Weil Ihr mich neugierig gemacht habt. Der Tag soll nicht hingehen, ohne daß Ihr mir ausführlich Bescheid gebt.
Raffaella: Ich will nicht gegen deinen Wunsch handeln, Margarita. Aber ich habe, offen gestanden, ein Bedenken: zwar müßte alles, wovon ich zu sprechen hätte, allen feinen Damen gleich dir Vergnügen machen, doch kann man nicht in den Herzen lesen und die Köpfe sind gar verschieden. Mir könnte also ein Wort entschlüpfen, an dem du Anstoß nehmen möchtest, und das wäre mir sehr unangenehm.
Margarita: Nein, nein! Da könnet Ihr unbesorgt sein. Ich kenne Euch schon lange genug und weiß genau, daß alle Eure Worte zu Gottes Ehre und zum Nutzen dessen sind, der Euch zuhört.
Raffaella: Was Gott anlangt, so sagte ich dir ja schon, es wäre besser, man machte sich möglichst gar kein Vergnügen auf dieser Welt, sondern fastete beständig und kasteite sich. Will man aber dem größeren Ärgernis entgehen, so muß man sich zur kleineren Sünde entschließen und sich in der Jugend gute Tage machen. Solche Sünde läßt sich durch ein wenig Weihwasser tilgen. Das gilt für alles, was ich dir zu sagen habe und was dir vielleicht ein bißchen nach Sünde zu schmecken scheint. Ich spare mir daher die Wiederholung. Du mußt also bei allem, was du von mir hörst, annehmen, daß dies bißchen Sünde mit in Kauf genommen werden muß. Ich werde aber nach Möglichkeit auf das Urteil der Welt Rücksicht nehmen und auf die Notwendigkeit, diese Freuden so geschickt und sinnvoll zu genießen, daß man keine üble Nachrede erfährt.
Margarita: Dessen bin ich gewiß, ich vertraue Euch – ich sage es getrost – mehr als dem Evangelium.
Raffaella: Das darfst du auch, Töchterlein; denn eher wollte ich dieses Halsbandes, meines größten Kleinods, verlustig gehen, als etwas zu dir sagen, was wider deinen Vorteil und deine Ehre wäre.
Margarita: So laßt denn hören!
Raffaella: Du mußt mir zuvor versprechen, ruhig anzuhören, was ich dir zu sagen habe. Sollte ich durch irgend etwas deinen Widerspruch erregen, was ich aber nicht glaube, so unterbrich mich nicht, sondern warte, bis ich fertig bin. Dann magst du nach Belieben Einwände machen oder nicht.
Margarita: Aber wenn ich einen Zweifel habe, darf ich Euch dann nicht fragen?
Raffaella: Gewiß darfst du; nur mußt du alles, was ich dir sage, freundlich aufnehmen.
Margarita: Das verspreche ich Euch.
Raffaella: Gib mir die Hand darauf.
Margarita: Da! Nun sprecht.
Raffaella: Wenn wir nun aber mitten in unserer Unterhaltung gestört würden, durch Euern Gatten oder sonst jemand?
Margarita: Wir werden ungestört sein, am wenigsten von meinem Mann. Er ist seit zwei Monaten im Ambratal, um Getreide und Pachtzins einzutreiben, und noch nicht wieder da.
Raffaella: Wie? Seit zwei Monaten? So lange läßt er sein blühendes junges Weib allein?
Margarita: Mein Gott! Das ist noch gar nichts. In den zwei Jahren unserer Ehe bin ich alles in allem keine vier Monate mit ihm zusammen gewesen, das kann ich Euch schwören.
Raffaella: O, was du nicht sagst! Das ist nicht schön von ihm. Wenn ich dich so einsam und zurückgezogen leben und deine große Schönheit gleichsam in den Winkel stellen sah, war ich überzeugt, du erfreutest dich wenigstens immer der Unterhaltung deines Mannes, wenn auch die Freuden mit den Ehemännern und ihre Liebkosungen fast ebenso nüchtern und dürftig sind wie die Vergnügungen, mit denen sich die Nonnen die Zeit vertreiben. Nein, was du nicht sagst! Wie wird er's erst später treiben, wenn er dich jetzt schon, nachdem er dich kaum geheiratet hat, so behandelt? Mein Mitleid mit dir ist nur um so größer, wenn ich – so klar wie in einem Spiegel – sehe, daß du, zu reiferen Jahren gelangt, solche Gewissensbisse empfinden, so hoffnungslos werden und in solche Verzweiflung geraten wirst, daß diese dich bei lebendigem Leibe in Satans Rachen treibt. Wie kannst du nur ein so klägliches Leben führen!
Margarita: Es wird mir schwer, ich gesteh' es, aber ich denke stets an den Rat, den meine Mutter mir kurz vor ihrem Tode gab.
Raffaella: Mein Gott, zu welchen Irrtümern führt doch der Mangel an Weltkenntnis! Hätte sie fünfundzwanzig oder dreißig Jahre länger gelebt, sie hätte sicherlich ihren Irrtum erkannt, der dir zu solchem Schaden gereicht. Aber sage mir jetzt, ist dein Mann in der kurzen Zeit, die er in Siena verbringt, lieb zu dir?
Margarita: Alles, was ich tue, ist ihm recht, und er schilt mich nie. Doch handelt er nicht aus Liebe zu mir, sondern weil es so seine Natur oder sagen wir seine Schlappheit will.
Raffaella: Das möchte ich auch glauben. Liebte er dich, so würde er dir nicht so lange fernbleiben, würde dich im Gegenteil nie verlassen. Er ist doch so reich, daß er es nicht nötig hat, seinen Geschäften im Ambratal nachzugehen.
Margarita: Er ist freilich reich, und ich könnte nach Belieben schalten und walten. Doch ich habe mich, wie ich Euch sagte, gegen meine Neigung gezwungen, mich nicht darum zu kümmern.
Raffaella: Ein um so größeres Närrchen bist du. Schon von Madonna Lorenza oder deiner Schwägerin und tausend andern häßlichen Frauen hier wäre es dumm, wenn sie so handelten, nun erst von dir, der schönsten Frau, die heute in Siena lebt!
Margarita: Laßt uns wieder auf unser Thema zurückkommen! Ich bin sicher, Madonna Raffaella, daß Gott Euch zu mir gesandt hat.
Raffaella: Sei überzeugt, daß Gott mir eingab, dich zu besuchen, damit soviel Schönheit und Anmut nicht bei Nadel und Spindel verkommen. Vor allem, mein Töchterlein, mußt du darauf sehen, daß du die Freuden, die dir gebühren, mit soviel List und Klugheit genießt, daß dein Gatte nicht den mindesten Grund zum Einwand hat, geschweige denn, den geringsten Verdacht aus deiner Aufführung schöpft. Das wird dir nicht schwer fallen, sofern du dich nicht plötzlich wie wild auf den Weg stürzest, von dem wir sprechen wollen, was immerhin möglich wäre, da du ja bis heute fernab von diesen Dingen gelebt hast und mit den Katzen am Feuer geblieben bist. Eine plötzliche Sinnesänderung würde allgemein Verdacht erwecken. Du mußt auch sehr darauf bedacht sein, wenn man zufälligerweise in Gegenwart deines Gatten oder anderer von Zerstreuungen und Festen spricht, nicht dein Verlangen oder deinen lebhaften Wunsch, daran teilzunehmen, zu verraten. Du mußt im Gegenteil in deinem Herzen verschließen, was dich bewegt, und mit einer gewissen Gleichgültigkeit von diesen Dingen sprechen. Hüte dich auch, so zerstreut und gedankenvoll zu erscheinen, wenn du von einer Festlichkeit oder einem Bankett heimkommst, daß es nicht nur die Leute, sondern sogar die Wände merken, wovon dir der Kopf voll ist. Beobachtest du diese Vorsichtsmaßregeln und was dein Verstand dir sagt, so wirst du an allen Vergnügungen teilnehmen können und doch in Frieden mit deinem Gatten leben. Wenn das gelingt, dürftest du in der Hauptsache gewonnenes Spiel haben.
Margarita: Das wird mir kaum schwer fallen; den mein Mann ist, wie ich Euch schon sagte, der beste Kerl, den Ihr Euch vorstellen könnt. Ich kann tun, was mir beliebt, und könnte ihm leicht einreden, daß die Glühwürmchen Laternen seien. Sonst aber brauche ich nach niemand im Hause zu fragen, weder nach Schwiegereltern, noch nach Schwägern, Schwägerinnen, Neffen oder ähnlichen übelwollenden Leuten.
Raffaella: Das ist ein großes Glück für dich, weiß ich doch viele Frauen in der Stadt, die so jähzornige und besessene Männer haben, die durch ihr beständiges Schelten und Schmähen ihr Haus zur Hölle machen, während diese Dummköpfe, wüßten sie nur ihre Frauen zu nehmen, wie im Paradies leben könnten. Aber je toller und grimmiger sie es treiben, desto mehr haben sie's auszubaden: der Zorn und die Verrücktheit fallen auf sie zurück und schließlich tun die Frauen ihnen zu Trotz und Schaden doch, was sie wollen. Kann aber eine junge Frau tun, was sie will, und bringt es trotzdem fertig, den Frieden im Hause zu bewahren und sich mit dem Gatten gut zu stellen, so ist das ein großer Vorteil für sie, besonders in Anbetracht der Ausgaben, die sie machen muß.
Margarita: Ich kann mir wirklich keinen bessern Mann wünschen. Doch sagt mir: was für Ausgaben meint Ihr? Wodurch entstehen sie?
Raffaella: Den Jünglingen und jungen Frauen steht es wohl an, sich reich, elegant und geschmackvoll zu kleiden. Auch macht es ihnen viel Vergnügen, besonders den üppigen zarten Frauen, die Gott zu keinem andern Zwecke schuf, als um das Elend der Welt erträglicher zu machen (so hörte ich des öfteren einen jungen Mann sagen, der zur Gesellschaft der Intronati zählt und dort der »Verdutzte« genannt wird; Die Mitglieder der Accademia degli Intronati (d. h. der Dummen, Verdrehten) in Siena hatten alle einen Spitznamen, der sich auf Dummheit, Verrücktheit, Blödigkeit bezog. Der »Verdutzte« (Stordito) ist der Verfasser – Alessandro Piccolomini – selbst. er ist den Frauen sehr zugetan). Die feine schmucke Kleidung kommt, scheint mir, weit mehr der weiblichen Zartheit und Feinheit als der männlichen Rauheit und Kraft zu.
Margarita: Über die Kleiderfrage möchte ich gern Näheres von Euch hören, Madonna Raffaella.
Raffaella: Eine junge Frau soll alle paar Tage ihre Kleider wechseln und nie eine elegante Mode vorübergehen lassen. Kann sie selbst neue Moden erfinden, so ist es sehr gut, wenn sie sich oft neu kleidet. Fehlt es ihr an Erfindungsgabe, so soll sie sich an die besten Schöpfungen ihrer Mitschwestern halten.
Margarita: Wann verdient eine Mode gut genannt zu werden?
Raffaella: Wenn sie reich und elegant ist.
Margarita: Worin besteht der Reichtum?
Raffaella: Soll ich heute nur auf das Rücksicht nehmen, was für dich in Betracht kommt, Margarita, oder auch was für andere, je nach ihren verschiedenen Eigenschaften in Frage kommt?
Margarita: Tut ganz nach Gutdünken.
Raffaella: Zunächst habe ich die Absicht, dir heute die Dinge zu zeigen, die für dich besonders in Frage kommen, doch scheint es mir auch – aus Gründen, die dir von selbst einleuchten werden – notwendig, zugleich auch das in Betracht zu ziehen, was sich auf die Verschiedenheit vieler Frauen bezieht.
Margarita: Gut so!
Raffaella: Vernimm also: der Reichtum der Kleidung besteht vor allem darin, daß die Tuche, Seidenstoffe, Sarsche oder andere Gewebe so fein und gut seien, wie man sie nur finden kann. Darauf ist mit allem Fleiß zu sehen. Grobe Stoffe verwenden, wie es zum Beispiel Madonna Lorenza tut, die sich nach eigenem Geschmack ein Tuchgewand hat machen lassen, das beinahe so aussieht wie der grobe Wollstoff der Mönchskutten, heißt sich dürftig kleiden.
Margarita: Wieso beinahe? Ihr Tuch ist tatsächlich richtiger Mönchsloden.
Raffaella: Um so schlimmer! Die Kleider müssen ferner weit und bequem sein, dürfen aber durch ihre Schwere nicht lästig fallen. Diese Weite trägt viel zur Stattlichkeit bei. Es macht einen sehr üblen Eindruck, wenn wir einige unserer Sieneser Damen in Fähnchen einhergehen sehen, die keine sechzehn Ellen Stoff enthalten, und in Mäntelchen, die eine Handbreit über dem Hintern aufhören. Wenn sie sich ein Stück davon um den Hals schlingen und einen Zipfel in der Hand halten, mit dem sie das Gesicht zur Hälfte verdecken, sehen sie aus, als gingen sie maskiert. Mit der andern Hand heben sie sich das Kleid hinten auf, damit es sich nicht durch die Berührung mit der Erde abnutze. Und so bewegen sie sich mit einer gewissen Fahrt die Straße entlang und klappern dabei mit ihren hochgestöckelten Pantoffeln, als säße ihnen der Teufel zwischen den Beinen. Und heben sie den Rock vielleicht, um den zierlichen Fuß zu zeigen und ein Stück von einem hübschen Beinchen? Nichts weniger als das: sie lassen große plumpe Füße in Schuhen, die vor Alter schon ganz abgewetzt sind. Davon werde ich noch sprechen, wenn wir erst so weit sind.
Margarita: Mich dünkt, Ihr zeichnet meine Base, wie sie leibt und lebt. Sie sagte mir aber, nicht um der Einfachheit willen ginge sie so, sondern weil es fein sei.
Raffaella: So sprechen sie alle und machen aus der Not eine Tugend. Sie behaupten mit Absicht und Vorbedacht zu tun, was sie aus Geiz, Armut oder Dummheit tun. – Abgesehen von ihrer Bequemlichkeit, sollen diese Kleider noch mit aufgenähten Streifen, großen und kleinen Einschnitten, Stickereien und Ähnlichem verziert sein, dann auch wieder ganz einfach und glatt, da solche Mannigfaltigkeit im Kostüm großen Aufwand bekundet und viele Vorteile bietet.
Margarita: Eher hätte ich es für ein Zeichen von Launenhaftigkeit und Mangel an Beständigkeit gehalten, was kein geringer Makel wäre.
Raffaella: Das wäre es auch, wenn eine junge Frau in ihren Handlungen ebenfalls Unbeständigkeit zeigte. Erweist sie sich jedoch sonst in jeder Beziehung als klug und beschlagen, so wird man diese Mannigfaltigkeit der Kleidung, von der ich spreche, für ein Zeichen von großem Stil und gutem Geschmack halten.
Margarita: Ihr erinnert mich an Bianchetta, die launenhafteste Person, die mir je begegnet ist. Abgesehen von anderen Extravaganzen, hatte die Närrin sich für eine Gesellschaft sechsmal angekleidet und wieder ausgekleidet und war schließlich überhaupt nicht hingegangen.
Raffaella: Ja, davon habe ich auch gehört. Doch weiter! Vor allem erkennt man den Reichtum der Kleidung daran, Margarita, daß jemand stets neue Kleider trägt, niemals ein und dasselbe – ich will nicht sagen wochen-, aber doch wenigstens nicht viele Monate lang.
Margarita: Mir will aber scheinen, Madonna Raffaella, es zieme sich solches eher für eine große Dame und Fürstin, als für eine einfache Edelfrau, wie ich es bin, die, wenn sie sich für sienesische Verhältnisse auch sehr reich nennen kann, doch nicht die Mittel zu einem Aufwand besitzt, wie Ihr ihn verlangt. Was sollen da erst die andern Frauen machen, die weit weniger haben?
Raffaella: Eine Fürstin, eine große Dame müßte sich in feinsten Brokat kleiden und die Gewänder mit Perlen, Diamanten, Rubinen und ähnlichen Steinen besticken lassen. Darauf habe ich in diesem Falle schon Bedacht genommen und daher bis jetzt nur von der Trefflichkeit der Stoffe gesprochen.
Margarita: Das ist wahr, aber die Streifen, Schlitze und Stickereien, von denen Ihr sprachet, verschlingen viel Geld.
Raffaella: Ich spreche nur im allgemeinen; es kommt auf die Verhältnisse an. Wer sich nicht alles erlauben kann, der tue nach seinen Kräften und strenge sich ein wenig an.
Margarita: Fahrt also fort.
Raffaella: So komme ich auf unseren Gegenstand zurück und sage: es macht sich sehr schlecht, dasselbe Kleid lange Zeit zu tragen; noch viel schlechter aber macht es sich, wenn man merkt, daß aus einem Kleid durch Färben, Wenden oder sonstwie ein anderes gemacht worden ist. Dies hat die Gattin eines Mannes getan, der jetzt in der Signoria sitzt. Als sie sich verheiratete, ließ sie sich ein Kleid aus weißem Damast machen; dieses trug sie mehrere Jahre, und als es schon recht schmutzig geworden war, ließ sie es wenden, so daß das Innere nach außen kam, und so trug sie es Sonntag für Sonntag noch fünf Jahre. Als es nun schon ganz abgewetzt war, ließ sie es brustbeerenfarbig oder gelbbraun, wie wir sagen, färben, damit es aussähe, als hätte sie ein neues Kleid. Diese Farbe läßt nämlich die Abgewetztheit weniger zu Tage treten als die weiße, und dann tat sie es auch, weil weiß für ihr Alter nicht mehr paßte. Einige Jahre darauf aber riß der Stoff überall und nun zertrennte sie das Kleid und machte aus einem Stück des Stoffes Fransen für einen violetten Rock, aus einem andern Ärmelaufschläge. Als diese in wenigen Tagen fadenscheinig wurden, überzog sie sie mit geschlitztem Leinen und so sind sie noch heute. Was sie weiter machen wird, werden wir sehen. Ich glaube, der arme Damast wird, ehe er wirklich ins Grab sinkt, noch einige Jahre seine Sünden in anderen Formen büßen.
Margarita: Das möchte ich auch glauben.
Raffaella: Genug davon! Es versteht sich nun von selbst, daß mit dem Reichtum der Kleidung ein vollkommen sicherer Anstand Hand in Hand gehen muß. Sonst würde er nicht im mindesten wirken.
Margarita: Und worin besteht dieser Anstand?
Raffaella: Vor allem in dreierlei: nämlich in den Farben, die man trägt, in dem guten »Stehen« der Kleidung und in der Art, wie man sich bewegt.
Margarita: Das Sichbewegen ist doch eine Handlung, Madonna Raffaella, wir sprechen aber von der Kleidung und nicht von der Art, wie man sich darin bewegt.
Raffaella: Ich spreche von diesem Sichbewegen, weil es zur Kleidung gehört, also von dem »Tragen« derselben. Jede nicht schön getragene Gewandung würde ihre Wirkung vollkommen verfehlen. Eine junge Frau muß sich also sehr davor hüten, viele Farben zu tragen, vor allem aber solche, die nicht zusammenstimmen, wie grün und gelb, rot und blaßblau und ähnliche Fahnenfarben; denn diese Farbenzusammenstellungen sind abscheulich.
Margarita: Und wenn nun eine in ihrer Kleidung sinnbildlich ihre Gesinnung ausdrücken wollte?
Raffaella: Sinnbildlich verwendet man zwei, höchstens drei Farben, von denen eine die Hauptfarbe abgibt, während die andern für Filetten, Bänder, Schnüre, Fransen, Schlitzen und Ähnliches Verwendung finden, wovon ich augenblicklich nicht spreche. Zu der Mehrfarbigkeit der Kleidung will ich nur noch sagen, daß wenn man wie deine Nachbarin einen grauen Rock, einen violetten Spenzer, Ärmel aus hellblauem Atlas und einen grünen Gürtel trägt, dies das Lächerlichste ist, was man sich denken kann. Ich wiederhole dir also, daß die eigentliche Kleidung von einer Farbe und diese passend sein muß.
Margarita: Wieso passend? Das verstehe ich nicht.
Raffaella: Passend zu Gesicht und Äußerem ihrer Trägerin. Zum Beispiel muß sich eine Frau, die eine weiße Haut und lebhafte Farben hat, vor hellen Farben – weiß ausgenommen – hüten, so vor gelben, grünen, blassen und fahlen. Bleichgesichtige sollen sich fast immer schwarz kleiden, Rotgesichtige, die stets aussehen, als hätten sie stark getrunken, tragen am besten braun oder aschgrau. Rot ist im allgemeinen eine sehr gefährliche Farbe und paßt zu keinem Fleischton, während weiß fast allen steht, sofern sie jung sind. Dir würde es besonders gut stehen. Eigentlich kann man keine Regel und keinen Grundsatz aufstellen, sondern muß die Entscheidung dem Geschmack der betreffenden Dame überlassen.
Margarita: Von den Farben weiß ich jetzt genug. Jetzt sprecht mir von dem, was das gute »Stehen« ausmacht, worin nach Euern Worten in zweiter Linie der Anstand besteht.
Raffaella: Das ist in zwei Sätzen gesagt: eine junge Frau muß so zu gehen trachten, daß ihre Reize durch ihre Kleidung stets noch erhöht, ihre Mängel dagegen möglichst verdeckt werden; sie muß es nicht so machen wie Madonna Brigida. Doch über diesen letzten Punkt brauche ich mich nicht zu verbreiten; denn an dir ist alles vollkommen schön.
Margarita: Was macht Madonna Brigida? Sagt es mir, bitte!
Raffaella: Sie hat die Mode, so enge Ärmel zu tragen, daß man die Form ihres Armes deutlich sieht, und sie hat einen so magern Arm, daß es schrecklich anzusehen ist. Hätte sie wohlgestaltete Arme, so ginge es vielleicht. Ähnlich hat deine Gevatterin breite fleischige Schultern wie ein Lastträger und dabei die Gewohnheit, sich das Mieder mit Baumwolle vollzustopfen, daß sie ganz unförmlich aussieht. Sie hat große Bauernfüße und macht sich noch Schleifen an die Schuhe, so daß diese doppelt so breit erscheinen. Von derlei Mißgriffen könnte ich dir noch zahllose Beispiele anführen, aber du kannst sie ja aus eigener Beobachtung kennenlernen. Man muß die natürlichen Mängel nach Möglichkeit mit Werg oder Planschetten, Schlitzen und andern ähnlichen Mitteln beseitigen. Du aber, die du vollkommen schön bist, mußt dich so tragen, daß deine schlanke Erscheinung, die reinen Linien deiner Arme, die Pracht deiner Schultern, die Rundung deiner Hüften, die Zierlichkeit deines Fußes, die schönen Proportionen deines Beines und alles andere zur vollen Geltung kommt.
Margarita: Warum soll man sich denn um die Beine kümmern, die doch nicht gesehen werden?
Raffaella: Man muß sie im Gegenteil zeigen, aber auf feine und geschickte Weise; davon sprechen wir noch, wenn wir bei den Bewegungen sind, die in dritter Linie in Betracht kommen.
Margarita: Warum nicht schon jetzt? Über die Tracht haben wir ja schon genug gesprochen.
Raffaella: Zuerst möchte ich noch mit wenigen Worten von dem Schmuck des Kopfes und der Zartheit der Haut reden; denn das gehört mit zur Kleidung, wenn es auch nicht so scheint.
Margarita: Gut denn!
Raffaella: Du mußt wissen, Margarita, eine junge Frau könnte nicht eine so transparente, weiße und zarte Haut haben, wenn sie nicht künstlich ein wenig nachhülfe, daß ihre Schönheit sich nicht durch irgendeinen Zufall, wie er oft eintreten kann, verminderte. Und die da behaupten, eine Frau, die von Natur eine schöne Haut hat, brauche sich nicht darum zu kümmern und sie nicht zu pflegen, haben durchaus nicht recht. Eine feine Dame muß vielmehr beständig kostbare und erlesene Wässer brauchen, Wässer, die jedoch keine festen Stoffe oder doch nur sehr wenig davon enthalten dürfen. Ich könnte dir ganz vortreffliche und seltene Rezepte dafür geben.
Margarita: Also haltet Ihr Sublimat, Bleiweiß und viele andere Schminken, die in Gebrauch sind, nicht für gut?
Raffaella: Sogar für sehr schädlich! Gibt es einen häßlicheren Anblick als eine junge Frau, die sich das Gesicht mit einer so plumpen Maske eingekalkt und überzogen hat, daß niemand sie wiedererkennt? Schlimmer noch ist es, wenn sie mit dem Schminken nicht genügend Bescheid weiß und sich auf's Geratewohl bekleistert, ohne zu wissen, was sie tut. So kenne ich hier viele, die jeden Morgen beinahe zwei Töpfchen Sublimat verbrauchen und sichs so ungeschickt auflegen, daß jeder, der sie sieht, lachen muß.
Margarita: Madonna Giachetta, die im Casato wohnt, ist eine von denen. Morgens am Sankt-Martinstag sah ich sie beim Feste; sie hatte sich das Gesicht derart verpatzt, daß ihre Augen – ich schwöre es Euch – einer andern Person zu gehören schienen. Die Kälte hatte ihre Haut blau gefärbt und die Schminke hart gemacht, so daß die Ärmste stocksteif dasitzen mußte. Wollte sie sich umdrehen, so mußte sie es mit dem ganzen Oberkörper tun und nicht nur mit dem Kopf, sonst hätte die Maske Risse bekommen.
Raffaella: Vor solcher Bemörtelung mußt du dich wie vorm Feuer hüten, mein Töchterlein.
Margarita: Über so törichte Frauen kann man wirklich nur spotten; aber daß wohlangewandte Schminken von Wert sind, sagt doch jede Frau.
Raffaella: Höre auf mich! Wer das sagt, versteht nichts von der Sache. Wenn du meinem Rat folgst, wirst du nur Wässer verwenden, und zwar die besten, die du wirst finden können, und dafür solltest du aufwenden, soviel du kannst.
Margarita: Ich brauche zur Zeit ein Wasser, das für sehr gut gilt.
Raffaella: Was denn für eines?
Margarita: Ich kann dir nicht sagen, woraus es besteht, ich beziehe es aber von einem Apotheker, der an der Costarella wohnt. Das Rezept hat er mir nie geben wollen.
Raffaella: Ha, ha! ich weiß schon, was das für ein Wasser ist. Viele Frauen kaufen es. Fast alle gebrauchen sie's hier, weil es nicht teuer ist, und nicht allein die Frauen, sondern auch noch viele von diesen Weichlingen, die eher als Weiber denn als Männer hätten geboren werden sollen. Dieses Wasser enthält Malvasier, weißen Essig, Honig, Lilienblüte, frische Bohnen, Grünspan, festes Silber, Steinsalz, Salpeter, kristallisierten Alaun und Alaunzucker, alles in der Retorte destilliert. Es ist in der Tat ein recht gutes Wasser, aber in göttlichen Toilettenwässern gebe ich niemand in der Welt etwas nach, vor allem nicht in einem, das zwar teuer ist, dafür aber auch ganz ausgezeichnet.
Margarita: Verratet es mir, bitte, Madonna Raffaella!
Raffaella: Du würdest mich doch nicht verstehen. Gib dich damit zufrieden, zu wissen, daß ich es dir bereiten werde, sooft du willst und daß es deine Haut im Umsehen so klar, weiß und zart macht wie nur möglich.
Margarita: Sagt mir das Rezept wenigstens ganz kurz.
Raffaella: Ich nehme zuerst zwei Taubenrümpfe, sodann venezianisches Terpentin, Lilienblüte, frische Eier, Honig, kleine Meermuscheln, gemahlene Perlen und Kampfer; all das rühre ich zusammen, fülle es in die Tauben und destilliere es in einem Glaskolben über langsamem Feuer. Dann nehme ich Moschus und Ambra und überdies Perlen und Blattsilber. Nachdem ich die letztgenannten Dinge auf der Porphyrplatte fein zerrieben habe, tue ich das Gemisch in ein Leinwandsäckchen, binde es an die Mündung des Kolbens und stelle ein Gefäß zum Auffangen darunter. Die herausdestillierende Flüssigkeit setze ich der freien Luft aus und so wird es etwas ganz Besonderes.
Margarita: Ich habe Euch nicht ganz verstanden.
Raffaella: Glaub's wohl; aber laß dich's nicht anfechten; denn sooft du's haben willst, stelle ich dir's her und lehre dich, wie du's anwenden sollst.
Margarita: Es läßt sich nicht leugnen, daß der Gebrauch solchen Wassers etwas Vortreffliches und Erlesenes ist; dennoch gebraucht jede Sieneserin irgendwelche Schminke, feinere und weniger feine. Und ich selbst lege, ich gestehe dir's, um es wie die andern zu machen, auch bisweilen Schminke auf und habe solche, die für sehr gut gilt; denn sie wird von Madonna Fioretta, der Roffina und jener Neuvermählten, die vorgestern aus der Kirche kam, gebraucht.
Raffaella: Ja, die ist mir auch bekannt, und ich will dir in zwei Worten das Rezept sagen: man nimmt festes Silber und Quecksilber, zerreibt beides im Mörser, gibt Bleiweiß und gebrannten Steinalaun dazu, reibt es nach einem Tage abermals im Mörser, tut dann Speichel und Mastix dazu, bis es flüssig ist und läßt es in Regenwasser sieden. Beim Aufwallen wirft man Sublimat in den Mörser und wiederholt dies dreimal, wobei man jedesmal das Wasser abgießt. Beim viertenmal behält man es mit den festen Bestandteilen zurück. Diese Schminke ist viel bei den Frauen in Gebrauch, die nicht viel Geld ausgeben können. Aber ich will dich eine Schminke bereiten lehren, die so fein und trefflich ist, daß viele Frauen eine Menge Geld geben würden, wenn sie das Rezept erführen. Und sie ist so gut zusammengesetzt und so fein, daß, wenn sie auch etwas Körper hat, doch niemand das Auflegen so leicht merkt und sie die Haut wunderschön macht.
Margarita: Ach, Madonna Raffaella! wenn Ihr es gut mit mir meint, müßt Ihr mir zeigen, wie man sie bereitet.
Raffaella: Laß dir daran genügen, daß ich dir immer davon geben werde.
Margarita: Ich möchte die Zusammensetzung wissen, wenn's Euch nichts verschlägt.
Raffaella: Du sollst es erfahren, obwohl ich weiß, daß du mich nicht verstehen wirst. Man nimmt feines gediegenes Silber und Quecksilber, das man durch Gemsleder filtriert, vermischt beides und läßt es einen Tag lang mit etwas feinem Zucker immer in derselben Richtung reiben. Dann nehme ich das Gemisch aus dem Mörser, lasse es durch einen Maler auf der Porphyrplatte nachreiben, gebe Silber- und Perlenstaub hinein, lasse das Ganze wiederum auf der Porphyrplatte reiben, tue es dann wieder in den Mörser zurück und verdünne es nüchtern mit Speichel und Mastix, nebst ein wenig Öl von süßen Mandeln. In diesem flüssigen Zustande verbleibt es einen Tag; dann wird das Ganze von neuem verdünnt, und zwar mit Eschwurzabsud. Dann fülle ich es in eine Flasche und lasse es im Wasserbade kochen. Dies geschieht viermal, wobei immer das Wasser abgegossen wird. Das fünftemal wird es zurückbehalten und die ganze Flüssigkeit aus der Flasche in ein Becken ausgeleert, damit die festen Bestandteile sich absetzen. Hierauf gieße ich das zurückbehaltene Wasser langsam ab, und auf dem Grunde zurück bleibt das Sublimat, dem ich Frauenmilch beimische und durch Moschus und Ambra Wohlgeruch verleihe. Das Ganze vermische ich endlich mit Wasser und bewahre es in einer gutverschlossenen Flasche im Keller vergraben auf.
Margarita: Das muß allerdings etwas ganz Vortreffliches sein.
Raffaella: Sei versichert, Margarita, daß sich meiner Überzeugung nach nichts Besseres finden läßt. Ich will dir morgen ein Fläschlein voll bringen und dir zeigen, wie man es gebraucht.
Margarita: Was könnt Ihr mir von den Ölen sagen, Madonna Raffaella? Haltet Ihr sie für geeignet, die Haut geschmeidig zu machen?
Raffaella: Jede Art Öl ist zu vermeiden, mögen sie nun mit kristallisiertem oder raffiniertem Alaun, mit Bleiweiß oder gediegenem Silber versetzt, oder aus Oliven gepreßt oder sonstwie hergestellt sein. Man tut allerdings auf dem Lande, um die Haut vor dem Sonnenbrand zu bewahren, ganz gut, etwas Süßmandelöl zu gebrauchen, mit weißem Wachs und ein wenig Kampfer – doch erfüllt das treffliche Wasser, von dem ich dir eben gesprochen habe, den gleichen Zweck und noch besser.
Margarita: Meine Mutter pflegte, wenn sie vom Landaufenthalt zurückkehrte, um die Röte zu beseitigen, sich eine Mischung von Grünspan und Eiweiß aufzustreichen und schlief mit dieser Schicht auf dem Gesicht.
Raffaella: Oh! wie abscheulich! Aber machen es die meisten Frauen nicht ebenso? Doch hüte dich davor, dergleichen Unsinnigkeiten zu begehen!
Margarita: Was sagt Ihr aber zu Madonna Loretta, zur Mascarina und zu vielen andern, die sich daran gewöhnt haben, sich Gesicht und Busen rosig zu schminken? und wie meint Ihr, daß sie es machen?
Raffaella: Das ist sehr einfach. Sie legen zuerst sorgfältig das Rot auf, darüber dann eine Lage Sublimat. Dieses Weiß erzeugt mit dem Rot gemeinsam das Inkarnat, das du siehst. Das ist aber eine sehr häßliche Gewohnheit, und du wirst sehen, daß sie bald wieder abkommt. Eine Edeldame darf sich meiner Meinung nach unter keinen Umständen auf diese Weise anmalen.
Margarita: Was haltet Ihr von den Bähungen?
Raffaella: Bähungen jeder Art, seien sie nun mit gemahlenem Glas, Hühnerfedern, Eierschalen oder ähnlichem Dreck hergestellt, darf eine Edeldame auf keinen Fall anwenden. Denn wenn sie auch die Haut schön machen, verderben sie doch nachher Zähne und Sehkraft, machen einen übeln Atem und untergraben die Gesundheit.
Margarita: Ihr erinnert mich an die Bambaginola, die keinen guten Zahn mehr im Munde hat und doch noch nicht dreiundzwanzig Jahre alt ist.
Raffaella: Laß dich durch solche Beispiele belehren, um so mehr, als die Schönheit und Weiße der Zähne einer Frau großen Reiz verleiht. Ich will dir übrigens einmal das Rezept zu einem guten Pulver geben, das zu ihrer Erhaltung gut ist.
Margarita: Das wird mir sehr lieb sein; denn wie ich höre, gibt es wenige, die nicht zu wünschen übrig ließen.
Raffaella: Wie pflegst du deine Hände, Margarita? wird doch die Schönheit der Hände bei einer jungen Frau sehr geschätzt.
Margarita: Ich pflege eine Zitrone zu nehmen, ihren Saft auszupressen, ihn aufs Feuer zu setzen und weißen Zucker hineinzugeben; damit wasche ich mich dann.
Raffaella: So pflegen es fast alle Frauen zu machen, und es wäre in der Tat ein gutes Mittel, machte es mit der Zeit die Hände nicht welk. Ich will dich aber ein ganz ausgezeichnetes leicht herstellbares Mittel lehren: nimm ganz fein durchgetriebenen Senf, Honig und bittere Mandeln, menge alles solange zusammen, bis es eine Art Latwerge gibt und bestreiche dir damit abends die Hände; dann ziehe möglichst enge Rehlederhandschuhe darüber, wasche dich am andern Morgen mit Regenwasser, reibe dich darauf mit ein wenig Benzoeöl ein, und du wirst etwas sehen, was dir Freude macht.
Margarita: Ehe zwei Tage um sind, will ich die Probe machen.
Raffaella: Wohlan! Laß dir vor allem gesagt sein, Margarita, es nicht so zu machen wie viele, die ich kenne, besonders Madonna Brigida. Diese lassen sich nur die Pflege des Gesichts und eines Teils des Busens – just nur dessen, der sichtbar ist – angelegen sein, während sie das übrige seinem Schicksal überlassen. Daher kommt es denn, daß ihr Körper schmutzig, ekelerregend und unappetitlich ist.
Margarita: Oh! Soll denn, Madonna Raffaella, eine junge Frau solche Wässer und Sublimate am ganzen Körper gebrauchen?
Raffaella: Das will ich nicht sagen (obgleich es Frauen gibt, die sich die Beine, die Arme und alles, was sie sonst haben, schminken, was ganz schimpflich ist); aber eine Edeldame soll sich alle paar Tage am ganzen Körper mit warmem Brunnenwasser waschen, in dem sie irgend einen wohlriechenden Stoff mit hat sieden lassen; denn du kannst sicher sein, daß die Sauberkeit zur Hebung der weiblichen Schönheit wesentlich beiträgt.
Margarita: Auf die Teile des Körpers, die man nicht sieht, kommt es aber doch nicht an?
Raffaella: Von dem Gesehen- oder Nichtgesehenwerden werde ich dir später sprechen, wenn die Rede darauf kommt, für den Augenblick nur folgendes: angenommen wir kommen nie in den Fall, daß man die andern Teile unseres Körpers sieht, so muß doch auf alle Weise danach getrachtet werden, daß er rein und sauber sei, und sei es aus keinem andern Grunde als zur Freude des eigenen Gatten. Davon abgesehen aber erzeugt die Unsauberkeit des Körpers häufig bei Frauen einen üblen Geruch, und das ist etwas sehr Schimpfliches. Vor wenigen Tagen noch habe ich es erlebt, als ich zufälligerweise bei Messer Ulivieris Gattin schlief.
Margarita: Sie macht aber doch den Eindruck großer Sauberkeit.
Raffaella: Im Gesicht ja, was aber das übrige anlangt, so muß man sich bekreuzen. Stell dir vor: abgesehen davon, daß sie die Schminke überall ganz dick aufgelegt trug, hatte sich bei ihr über dem Gürtel zwischen den beiden Brüsten ein Dreck, eine Kruste angesammelt, wie man sie sich ärger nicht denken kann. Das Zeug rührte, wie ich glaube, von dem Sublimat her, das, mehrmals heruntergewaschen und neu aufgelegt, sich über dem Gürtel wie grober Sand abgelagert hatte. Und das auf diese Weise abgesetzte Sublimat erzeugt einen scharfen Geruch, den widerwärtigsten, den man sich denken kann.
Margarita: Nie hätt' ich das von ihr gedacht, da sie so fein und wählerisch tut. Ich erinnere mich, daß sie letzthin, als ich Mittags mit ihr zu Gast geladen war und beim Essen neben ihr saß, bei allen Speisen, die auf den Tisch kamen, die Nase rümpfte.
Raffaella: Über diesen Teil der Körperpflege haben wir vielleicht schon zuviel geplaudert; lassen wir ihn daher auf sich beruhen. Es ist genug, wenn du weißt, daß eine Edeldame stets die größte Sorgfalt darauf verwenden muß, auch wenn sie gewiß ist, daß sie ihre Schlafkammer nie verlassen wird. Nun aber will ich dir einiges über den Kopfputz sagen.
Margarita: Ja, darüber möchte ich gerne Eure Meinung wissen, habe ich doch manchmal ganz verschiedene Ansichten darüber äußern hören. Die eine meint, ein stattliches Haarnest stehe trefflich zu Gesicht, die andere ein kleines, und viele verwerfen es ganz und gar.
Raffaella: Die ganz kleinen Haarnester, wie man sie heute trägt, beeinträchtigen allerdings etwas die Stattlichkeit und Vornehmheit der Erscheinung; die ganz großen aber, die man vor einigen Jahren trug, waren aber noch viel schlimmer. Meiner Meinung nach müßte daher eine junge Frau ein etwas größeres Haarnest tragen, als es heute üblich ist, doch darf es nicht viel größer sein; vor allem müßten es jene Frauen tragen, die einen kleinen Kopf haben und ihn nicht anderweitig bedecken wie meine Nachbarin in der Camolliastraße. Du weißt schon, wen ich meine: ihr Kopf ist klein wie der eines Stieglitzes und ihr Gesicht winzig, und sie geht mit einem ganz simplen dürftigen Häubchen ohne das kleinste Haarnest und mit einem mehr als einfachen Schleier, so daß sie aussieht wie ein Zaunkönig.
Margarita: Weiß schon, wen Ihr im Auge habt: die Törin tut, weil man ihr zu verstehen gegeben hat, sie müsse etwas darin suchen, wenig geputzt und nachlässig in ihrem Äußern zu erscheinen, und so hält die Arme es wirklich für geraten, meist mit unausgewaschenen Augen auszugehen und ihr Gesicht nicht mit frischem Wasser in Berührung zu bringen.
Raffaella: Ja, das ist mir nicht entgangen. Was nun die Hauben anlangt, so sollen sie reich, von hübsch gemustertem Gewebe sein und der Größe des Haarnestes entsprechen. Jene Frauen, die nicht sehr häßliche Haare haben, sollen keine falschen tragen. Die Locken ferner verleihen meiner Ansicht nach sehr viel Anmut, sie wollen aber sehr kunstvoll gemacht sein, so schön, wie sie deine Verwandte macht, die bei der Piazza dei Tolomei wohnt.
Margarita: Auch Madonna Cassilia macht sie sich sehr schön; auf die ihrigen hat einer von den Intronati ein Sonett gemacht.
Raffaella: Eine Edeldame muß auch viel für ihre Hemden ausgeben und darf sie nur aus feinstem Leinen und hübscheste mit Seide, Gold und Silber bestickt tragen; sind sie, wie zumeist, mit einfachem Leinengarn gestickt, dann muß die Arbeit sehr kunstvoll sein. Die mit der Hand hergestellte Kräuselung hat viel für sich und sieht sehr fein aus. Hochgeschlossene Hemden, wie sie vor kurzem getragen wurden, wirken gar nicht geschmackvoll; sie waren eine Tracht für Gastwirtinnen und Syphilitische.
Margarita: Da habt Ihr recht: auch mir war diese Mode zuwider wie das Kopfweh.
Margarita: Darf sich eine junge Frau mit Schmuck und Halsketten behängen?
Raffaella: Mit Maß. Und um mehr aufs einzelne zu kommen, so soll sie um den Hals eine Schnur weißer, runder, dicker Perlen tragen, dazu ein schön emailliertes Kettchen im Werte von fünfzehn Talern und einen gut gefaßten Diamanten zu etwa sechzig Talern am Zeigefinger der linken Hand. Andere Schmuckstücke oder Ketten soll sie nicht tragen, höchstens noch ein schönes Armband, das ich weder empfehlen noch widerraten will. Sodann soll sie sehr kostbare Handschuhe tragen, andere Wohlgerüche aber nicht an sich haben, Die Handschuhe waren die Träger des Parfüms. damit sie, wenn sie in der Stadt spazieren geht, nicht eine Wolke von verschiedenen Gerüchen hinter sich lasse wie deine Schwestern; denn das ist gar nicht fein.
Margarita: Und warum erwähnt Ihr die Bianchetta nicht, in deren Nähe man es beinahe nicht aushalten kann? Doch davon weiß ich jetzt genug. Sagt mir jetzt etwas über die Art, sich zu bewegen, die, wie Ihr sagt, als dritter Punkt zur Kunst, sich gut zu kleiden, gehört, und die wir treffender das »Tragen« genannt haben.
Raffaella: Es muß dir stets gegenwärtig sein, Margarita, daß, wenn eine junge Frau ein schönes modisches, in den Farben gut zusammengestimmtes, reiches und gutsitzendes Kleid anhat, es aber nicht zu tragen versteht, sie damit gar keine Wirkung ausübt.
Margarita: Gibt es denn eine Frau, die ein Kleid nicht zu tragen verstände, wenn dieses als solches keinen Fehler hat?
Raffaella: Ob es eine solche Frau gibt? Da bist du schlecht unterrichtet. Unzählige haben infolge übler Angewohnheiten oder Mangel an Selbstbeobachtung eine so linkische Art und so unbeholfene Bewegungen, daß man sich gar nichts Einfältigeres vorstellen kann.
Margarita: Nennt mir ein Beispiel.
Raffaella: Da brauche ich nicht lange zu suchen. Siehst du nicht deine Mieterin hier im Erdgeschoß? Wenn sie spazierengeht, hat sie die Gewohnheit, vornübergebeugt dahinzuschieben, immer den Mund zu spitzen und ihre Brüste die Chiaranzana tanzen zu lassen. Wäre sie ganz in Gold gekleidet, so würde doch alles traurig und verzogen an ihr herumhängen. Und gibt es in Siena vielleicht nur eine von dieser Art? Nein, man findet im Gegenteil selten Frauen, die nicht irgendeine schlechte Angewohnheit hätten. Die eine trägt den Mantel ganz um den Hals gewickelt, die andere läßt ihn von der Schulter rutschen, um sich den Anschein zu geben, als dächte sie nicht an ihn, die dritte hat die Lippen fest aufeinandergepreßt, die vierte rennt wie ein Stafettenläufer mit vorgestrecktem Kopf; die fünfte geht so langsam, daß sie vom Dom zur Costarella eine Stunde braucht; die sechste wackelt beständig mit dem Kopf wie eine Verrückte; die siebente geht steif wie eine Holzfigur; die achte trägt durchlöcherte Strümpfe, die ihr aus violetten Stoffschuhen mit Doppelsohlen herausschauen; die neunte spreizt und dreht sich wie ein Pfau, voll Verlangen, gegrüßt zu werden, und ordnet fortwährend bald hier bald dort etwas an ihrem Kleide; die zehnte nickt bei Hochzeiten, auf denen getanzt wird, wenn sie selbst tanzt oder tanzen sieht, beständig den Takt nach der Laute.
Margarita: Was Ihr von den durchlöcherten Strümpfen sagt, ist mehr Trägheit als schlechte Angewohnheit.
Raffaella: Genug! schließlich ist es doch schlechte Angewohnheit. Von den Genannten abgesehen, gibt es solche, die mit offenem Munde gehen, daß es so aussieht, als keuchten sie beständig vor Durst; andere halten die Augen stets auf die Füße geheftet, wieder andere gucken in die Luft. Die eine zieht beständig ihre Handschuhe an und aus, die andere beißt sich immer auf die Lippen; die dritte läßt ein Stückchen Zunge aus dem Mundwinkel hervorschauen; die fünfte hat die, die sechste jene Angewohnheit, wie du ja selber wissen wirst.
Margarita: Das gebe ich Euch alles zu, Madonna Raffaella: aber woher kommt es, daß die Einfältigen gar nicht merken, wie sie sich gehen lassen?
Raffaella: Das hat viele Gründe, vor allem aber folgenden: wenn diese Sorte Frauen, von der ich dir gesprochen habe, einige sehr hochstehende Damen, die in Siena wohnen, loben und in den Himmel erheben hören, meinen sie, sie könnten dadurch, daß sie sie nachahmen, ebensoviel Lob und Würde gewinnen. Und da es ihnen an Urteilsfähigkeit gebricht, verfallen sie darauf, irgendeine Einzelheit nachzuahmen, die zufällig gerade Tadel verdient, oder wenn nicht gerade Tadel, so doch nicht Lob; denn niemand kann in jeder Beziehung vollkommen sein. Diese Einzelheit, die sie nachahmen, halten die Betreffenden für die einzige Ursache, daß man von jenen Damen mit solcher Bewunderung spricht; und diese Einzelheit übertreiben sie sodann nach Möglichkeit, in der Meinung, je stärker sie hervortrete, desto mehr gewännen sie vor jenen Vielbewunderten an Würde und desto mehr Lob verdienten sie.
Margarita: Ich verstehe Euch nicht ganz; erklärt es mir deutlicher.
Raffaella: Ich werde mich durch ein Beispiel verständlich machen. Als Madonna Andrea Madonna Cassilia als eine ganz außerordentlich, sozusagen einzigartige Dame preisen hörte, meinte sie, diese würde nur darum so in den Himmel gehoben, weil sie stets langsam durch die Straßen gehe und, mochte sie es nun eilig oder mochte sie alle Muße haben, nie ihren gewohnten Schritt aufgebe. Dies brachte Madonna Andrea zu dem Entschlusse, sich das gleiche Lob zu verdienen, und darum hat sie sich einen so unerträglich langsamen Schritt angewöhnt, daß jeder, der sie sieht, lachen muß. Dann kenne ich eine andere, die eine sehr bekannte Dame, mit der sie sich unterhielt, sagen hörte, sie binde sich die Strümpfe über dem Knie fest, und da sie glaubte, dies sei der Grund ihrer Berühmtheit, sich die ihrigen ebenso befestigte. Ich erinnere mich, daß sie einmal morgens im Dom bei der Predigt den Schmerz, den ihr diese Bindung verursachte, an die sie nicht gewöhnt war, nicht zu ertragen vermochte und geschickt die Strumpfbänder bis unters Knie hinunterschob. Dabei müssen sie, ich weiß nicht wie, aufgegangen sein, und als sie nachher die Kirche nach der Predigt verließ, blieb ein Strumpfband auf dem Boden liegen und kam mir in die Hände. Und dieses Strumpfband stank gewaltig nach Urin, so daß ich glaube, daß es mehr als einmal vom Kopfkissen in den Nachttopf gefallen ist. Beispiele von Damen, die das weniger Gute haben nachahmen wollen und das Wichtigere außer acht ließen, gibt es unendlich viele, und solches kommt nur von mangelndem Urteil und geringem Verstande, aber auch von schlechter Erziehung.
Margarita: Wie müßte sich also eine Dame hinsichtlich des »Tragens«, von dem Ihr sprecht, benehmen?
Raffaella: Da müßte man eigentlich vor allem Gott bitten, daß er einen mit der Fähigkeit geboren werden lasse, das Lobenswerte von dem Tadelnswerten zu unterscheiden. Denn die Nachahmung wäre sehr nützlich, wenn man das Vortreffliche erkennen und wählen könnte, das die vollkommenen Damen an sich haben, das Schlechte aber beiseite lassen. Wenn aber eine Frau nicht so viel Urteil besitzt, um diese Unterscheidung zu treffen, dann sollte sie dem gespannt lauschen, was sie an anderen loben hört, und sich bemühen, es nachzuahmen; was sie dagegen allgemein tadeln hört, das sollte sie vermeiden. Jedenfalls empfiehlt es sich sehr, bemüht zu sein, in allen Dingen den Mittelweg nicht zu verlassen und das gezierte Wesen aus allen Kräften zu fliehen: daheim sich ganz offen hübsch zu machen und zu schmücken, in Gegenwart anderer dann eine gewisse Geringschätzung und ein gewisses nicht viel an das Denken, was man zum Schmucke und für die Toilette getan hat, zur Schau zu tragen – Dinge, die ich dir nicht anders beschreiben kann. Aber auch das muß mit Verstand geschehen; denn sich völlig gehen zu lassen wäre vielleicht kein geringerer Fehler als die Geziertheit.
Margarita: Dafür läßt sich also keine besondere Regel geben, Madonna Raffaella?
Raffaella: Sehr schwer, aber wenn eine junge Frau in allen Dingen den Mittelweg, von dem ich gesprochen habe, geht, so wird sie nicht fehlgehen können. Davon abgesehen, muß sie, wie ich dir eben gezeigt habe, stets darauf achten, daß alle Kleider und Trachten, die sie wählt, so beschaffen sind, daß die Reize, die sie aufzuweisen hat, dadurch gehoben, ihre Mängel hingegen verdeckt werden. Ebenso sollen auch ihre Bewegungen und ihr Sich-Tragen soviel als möglich ihre Schönheit zur Geltung bringen, und was an ihr unvollkommen ist, verbergen.
Margarita: Ich möchte gerne noch Genaueres darüber hören.
Raffaella: Nehmen wir einmal an, es hat eine Frau eine schöne Hand, so muß sie jede sich ihr bietende Gelegenheit, sie zu zeigen, wahrnehmen, wie zum Beispiel beim An- und Ausziehen der Handschuhe, beim Dame-, Schach- und Kartenspiel, beim Essen und tausend andern Dingen, wozu sich den Tag über die Möglichkeit bietet. Hat sie einen schönen Busen, was für eine Frau von höchster Wichtigkeit ist, so muß sie diesen, soweit es der Anstand erlaubt, geschickt irgendwie auf hübsche Weise sehen zu lassen trachten, damit man erkenne, daß seine Schönheit natürlich und nicht durch irgendwelche künstlichen Mittel hervorgerufen sei. Das wird ihr gelingen, wenn sie bisweilen den Leuten gegenüber, die sie morgens besuchen, so tut, als habe sie eben das Bett verlassen und noch nicht Zeit gefunden, das Mieder zuzuschnüren. So wird man bemerken können, daß ihr Busen von Natur rund und wohlgebildet ist und nicht nur durch versteifte Mieder und kleine Mittelchen so scheint. Den gleichen Zweck kann man erreichen, wenn man sich schneeballt, oder im Sommer, wie es sich zuweilen trifft, im Freien in frischem Wasser wäscht. Man kann dann so tun, als sei man ganz naß geworden und es dadurch als nötig erscheinen lassen, daß man, um sich abzutrocknen, den Gürtel löst. Ein schönes Bein zu zeigen und sehen zu lassen, bietet sich oft auf dem Lande Gelegenheit, wenn man auf den Fischfang oder die Vogeljagd geht, in den Sattel oder aus dem Sattel steigt, einen kleinen Graben überschreitet und so weiter. Wenn man schöne Arme hat, so kann man sie zeigen, indem man sich als Langschläferin überraschen und mit Nesseln Das Streichen mit Nesseln war ein beliebtes Mittel, Langschläferinnen aus dem Bett zu treiben. Der Mißbrauch desselben bildet das Thema einiger Novellen der Zeit. bedrohen läßt. Hat man eine schöne gutgebaute Gestalt, so kann man sich bisweilen im Bade zeigen, indem man, scheinbar ohne daran zu denken, zu einer Zeit und an einem Orte badet, wo man von irgend jemand durch einen Spalt gesehen werden kann.
Margarita: Ihr erinnert mich, Madonna Raffaella, an zwei schöne Damen, die in Avignon von einigen mir bekannten jungen Männern ganz nackt gesehen wurden.
Raffaella: Mit all diesen Beispielen will ich sagen, daß eine junge Frau nach den besten Gelegenheiten Umschau halten müsse, ihre Reize sehen zu lassen, daß man aber nicht auf den Gedanken kommen dürfe, daß sie eine solche Gelegenheit herbeigeführt habe; denn bei allem Tun und Lassen und in allen Worten einer Dame muß vor allen Dingen die äußerste Ehrbarkeit und Schamhaftigkeit erkennbar sein. Wo solche fehlt, wird bei einer Frau keine tugendhafte Handlung gewürdigt, wo sie hingegen vorhanden ist, wird alles übrige dadurch gehoben. Infolgedessen muß sie nicht allein bei den Gelegenheiten, die sie wahrnehmen muß, um zu tun, was ich oben gesagt habe, darauf achten, daß niemand die Absicht merke, sondern muß auch durch Erröten – wenn anders sie dies zuwege bringt – oder durch irgendein anderes Zeichen gut gespielter Schamhaftigkeit tun, als sei es ihr sehr unangenehm, was ihr begegnete. Sie muß auch darauf bedacht sein, daß ihr dasselbe zur gleichen Zeit und am gleichen Orte nicht oftmals begegne; sie würde sonst in den Verdacht geraten, es absichtlich zu tun. Ich wiederhole dir also, daß ihre geringsten Schritte, Worte und Handlungen voll von jener Zurückhaltung sein müssen, die man bei den Frauen so hochschätzt.
Margarita: Was Ihr mir sagt, Madonna Raffaella, macht mir auf der einen Seite großes Vergnügen; auf der andern aber scheint mir die Gefahr zu bestehen, daß man für ein eitles Geschöpf angesehen werde, wenn man solches tut.
Raffaella: Dies würde dir begegnen, wenn du eines von den Dingen, die ich dir genannt habe, nicht mit der genügenden Geschicklichkeit oder auf affektierte Weise tätest; tust du sie aber so, daß du sie absichtslos zu tun scheinst und dir noch dazu durch leichtes Erröten und eine gewisse Scham den Anschein gibst, als hättest du nicht anders können – wer sollte dich deswegen wohl für nicht genügend zurückhaltend oder für eitel halten?
Margarita: Wenn sich diese Eitelkeit auch vor den Männern verbergen läßt, vor Gott wird man sie nicht verborgen halten können.
Raffaella: Ich habe dir bereits gesagt, Margarita, und wiederhole es: wenn es möglich wäre, würde es Gott gegenüber ganz gewiß das allerbeste sein, niemals auch nur die geringste Sünde zu begehen, sondern wie eine Einsiedlerin unter Paternostern, Rosenkränzen und Kasteiungen zu leben. Wollte Gott, das ließe sich machen! es würde auf der Welt dann nicht so viele Sünder geben. Meine Erfahrung aber lehrt mich klar, daß wir alle Sünder und gezwungen sind, entweder unsere Lust zu büßen, indem wir in der Jugend ein klein wenig sündigen, oder später im Alter zu unserem größeren Schaden und zu unserer größeren Beschämung zu fehlen und uns Vorwürfe über unsere verlorene Jugend zu machen und darüber verzweifelt zu sein. Um einem so schlimmen Zusammenbruch zu entgehen, ist es, sage ich, nützlich und nötig, unser Herz in jungen Jahren zu erleichtern, in denen Gott eher verzeiht und die Menschen williger entschuldigen, weil dann alles, was man tut, angemessener und liebenswürdiger erscheint. Doch wenn du dich im Gegensatz zu allen andern getraust, als einzige auf der Welt dich zeitlebens vor der geringsten Sünde zu bewahren und zu hüten, so rate ich dir dazu und bestärke dich darin. Dann wäre es freilich sehr gut, wenn du deine Kammer so gut wie nie verließest, stets auf Vigilien und Quatember aus wärest, gar keine Sorgfalt auf deine Person verwendetest und jede Gesellschaft miedest. Hältst du dich dessen aber nicht für fähig, so rate ich dir, wie ich es meiner Tochter raten würde, deine Jugend fröhlich zu genießen (natürlich ohne dabei je die Zurückhaltung und die Ehrbarkeit außer acht zu lassen) und daran zu denken, daß die Jugendjahre nur einmal kommen, und daß ein und dasselbe in dieser Zeit genossene Vergnügen unendlich viel Freude und Entzücken bereitet und von allen entschuldigt und von Gott mit Weihwasser vergeben wird, während es im Alter dem allgemeinen Spott verfällt, das Gewissen schwer belastet und nur sehr wenig Freude und Lust bereitet. Damit du diese Regelwidrigkeit vermeidest, habe ich dir vorhin auseinandergesetzt, wie die Dinge liegen und dir die entsprechenden Ratschläge gegeben; und ich werde dir nie anders raten. Getraust du dich aber wirklich bis zum Tode sündlos zu leben, und gelingt es dir, so werde ich mich gewiß darüber freuen. Es wird also gut sein, wenn wir unser begonnenes Gespräch nicht weiter fortsetzen und ich dir an dessen Stelle von dem Leben irgend eines Heiligen spreche.
Margarita: Nein, nein! fahrt nur fort, wie Ihr begonnen habt. Ich merke jetzt, daß es gut ist, mit jemand zu reden, der Bescheid weiß und die nötige Erfahrung hat. Ihr fangt an, mich zu überzeugen, daß alles, was Ihr sagt, vollkommen wahr ist. Fahrt also, bitte, fort!
Raffaella: Nachdem wir also von allem gesprochen haben, was über die Kleidung einer jungen Frau zu sagen ist, sowohl was den Reiz der verschiedenen Moden, wie die Haltung, die Art, sich zu bewegen, das »Tragen« und was sonst dabei zu beobachten ist, wollen wir jetzt von dem Verhalten einer Edeldame in allen Dingen reden, die tagsüber vorfallen: zuerst von ihrer Sorge für den Haushalt und was sie zu tun hat, um sich die Neigung ihres Gatten zu erhalten, die, wie ich dir vorhin gesagt habe, von größter Wichtigkeit und durchaus notwendig ist. Alles, wovon ich dir gesprochen habe, Margarita, und wovon ich dir noch sprechen werde als von Dingen, die zu einer Edeldame gehören, bezieht sich wohlverstanden, auf eine junge, auf eine, die höchstens zweiunddreißig Jahre alt ist; denn nach dieser Zeit muß sie einen Schritt zurückmachen und es steht ihr nicht mehr alles gut.
Margarita: Das genügt mir; denn ehe ich so alt bin, werden noch einige Jährlein vergehen.
Raffaella: Ein gut geführter Haushalt, Margarita, gereicht einer Edeldame zur größten Zierde, verschafft ihr die größte Achtung bei allen, die davon wissen, und die innigste Zuneigung ihres Gatten; denn nichts kann einen Mann mehr befriedigen, als wenn er sieht, daß seine Fran sein Hab und Gut, seine Kinder und was er im Hause hat, liebt und behütet, kann er daraus doch schließen, daß sie auch ihn liebe.
Margarita: Gerne möchte ich von Euch Genaueres über diese Sorge fürs Haus hören.
Raffaella: Du weißt, glaube ich, Margarita, daß zur Erhaltung und Mehrung eines Hausstandes zunächst Einkünfte gehören und daß es Sache des Mannes ist, für solche zu sorgen. Daneben aber ist es nötig, daß im Hause jemand sei, der sie zusammenhält – und dies ist die Aufgabe der Frau. Denn wenn der eine erwirbt und der andere vertut, geht es mit dem Hause bergab. Arbeiten sich aber beide in die Hände, ergibt sich dagegen das Wohlergehen des Hauses. Deshalb darf eine junge Frau vor allen Dingen nicht Müßiggang, Schlafsucht, Trägheit und Lebensüberdruß über sich Herr werden lassen, wie dies viele machen, die vor Langeweile nicht wissen, was sie tun sollen, aus Faulheit bis Mittag im Bett bleiben und das Haus samt allem, was darin ist, zugrunde gehen lassen; und wenn der Mann ihnen darüber Vorstellungen macht, überschreien sie ihn, so daß er sich nach mehrfachen vergeblichen Versuchen für verraten und verkauft hält und zu Hause stets nur wettert und schimpft. Nein, eine Frau soll regelmäßig früh aufstehen, ein- oder zweimal durchs Haus gehen, auf alles einen Blick werfen, den Mägden für den ganzen Tag ihre Arbeit anweisen, sehen, daß alle Dinge an ihrem Platze sind, damit sie ihre Zeit nicht mit Suchen verliere, wenn sie einen Gegenstand braucht. Denn bei jeder Beschäftigung ist die Ordnung von Wichtigkeit, vor allem aber im Haushalt. Ihre Befehle soll sie so geben, daß die Dienerschaft freiwillig und gerne ihre Pflicht tut und zugleich in Furcht gehalten wird, so daß man im Hause niemals den geringsten Lärm infolge von Uneinigkeit oder Ungehorsam wahrnimmt. Sie darf es nicht so machen wie andere, die den ganzen Tag ein Theater mit den Mägden aufführen und beständig brummen und schelten, so daß in ihrem Hause immer der Teufel los zu sein scheint. Dabei dreht es sich immer um Nichtigkeiten; denn meistens kommt der Zank daher, daß eine Magd sich beim Verkauf von ein paar Unzen trockenen Feigen auf dem Markte von den Käufern eine Feige als Dreingabe hat herauslocken lassen, oder von ähnlichen Geringfügigkeiten, während sie sich um wichtige Dinge nicht kümmern oder sie übersehen. Nachdem sie also alles, wie ich dir gesagt habe, für den ganzen Tag angeordnet hat, soll sie irgendeine Arbeit vornehmen, mehr damit die Leute, die ins Haus kommen, sie nicht müßig finden, als um irgendwelchen Gewinnes willen. Kommt dann ihr Mann, so soll sie ihm entgegengehen und Freude über seinen Anblick zeigen; und wenn diese ihr nicht vom Herzen kommt, so soll sie sich wenigstens den Anschein geben, als tue sie es. Bringt er einen Gast mit, soll sie diesen mit der freundlichsten Miene begrüßen, dann gewandt die nächste Gelegenheit ergreifen, um für einen Augenblick in die Küche zu verschwinden und dafür zu sorgen, daß ihm zu Ehren etwas Besonderes auf den Tisch komme. Sie darf darüber nicht außer Fassung geraten und einen großen Aufstand machen, wie ich es bei einigen sah, die, wenn sie zufällig einen Gutsverwalter zum Mittagsgast bekamen, sich herabwürdigten, ohne Sinn und Verstand drauflosredeten und in ihrer Kopf- und Ratlosigkeit einen gewaltigen Lärm, ein Gepolter mit Stühlen und Schemeln machten, im ganzen Hause herumrannten und den Gast zwei Stunden aufs Essen warten ließen. War es dann endlich so weit, so kamen als besonderes Gericht zwei kleine Eierkuchen auf den Tisch, jeder von anderthalb Eiern, und: hau ein und laß dirs wohl sein! Und eine so dürftige Unterhaltung führten sie bei Tisch und sooft entschuldigten sie sich, daß der arme Teufel wie auf Kohlen sitzt und sich gelobt, nie mehr wiederzukommen.
Margarita: Ich schäme mich fast nur vom Zuhören.
Raffaella: Vor alle dem muß sich eine Edeldame hüten wie vorm Feuer. Kurz und gut, sie muß in allem, was sie tut und bei jeder Gelegenheit stets den Wunsch zeigen, ihrem Gatten in allem zu gefallen, was ihm ihrer Meinung nach angenehm sein könnte, oder doch so tun, muß ihn, sein Haus und seine Habe, seine Kinder, alles, was sein ist, mit Liebe umgeben, und wenn sie es nicht freudig tut, wenigstens sich den Anschein geben. Dann wird sie auch unbesorgter Ausgaben für Kleidung machen können, weil ihr Mann, der sie im übrigen so nützlich und liebend um das Haus bemüht sieht, ihr diese nicht nur gerne selbst kaufen, sondern sie oftmals drängen wird, es zu tun und auf diese Weise ganz von selbst ins Netz geht.
Margarita: Wie soll sie sich nun bei Vergnügungen verhalten, welchen passenden Weg dabei einschlagen.
Raffaella: Ich will dir alles aufs genaueste auseinandersetzen. Alle Vergnügungen, die eine junge Frau sich gönnen darf, haben, wie du wissen wirst, ihren Ursprung in den geselligen Zusammenkünften, Gastmählern, Abendgesellschaften, Kirchenfesten, Landpartien, Fischfängen, Hochzeiten, vor allem aber in den kleinen Abendunterhaltungen und privaten Gesellschaften, oder hängen damit zusammen. Eine junge Frau muß also wünschen, an solchen teilzunehmen, damit sie die Freuden und Ergötzlichkeiten, von denen wir, dir zur Belehrung, gleich nachher sprechen wollen, genießen könne. Dieses Verlangen muß sie jedoch verbergen und darf nach außen nur zu erkennen geben, daß sie von Natur an Festen, Gastereien und dergleichen Freude hat, und zwar aus keinem andern Grunde, als weil sie sich an den Tänzen, Unterhaltungen und Spielen, die damit verbunden sind, ergötzen will. Deshalb muß sie offen sagen und besonders ihrem Manne zeigen, daß sie von Natur dazu neigt, damit er nichts Schlimmes argwöhne, wenn er sie gerne daran teilnehmen sieht, sondern es als eine Eigenheit ihres Wesens nehme und sich keine Gedanken deswegen mache. Dann wird er ihr auch erlauben, überall hinzugehen, wohin sie will, um sich nicht diesem angeborenen Triebe zu widersetzen. Zur besseren Verschleierung ihrer Absichten, wird es für sie sehr nützlich sein, wenn sie stets die gleiche harmlose Heiterkeit zeigt, mag sie nun zu der oder zu jener Gesellschaft gehen. Auch wenn sie genau weiß, daß sie hier oder dort kein Vergnügen, sondern Ärger erwartet, so darf sie darum doch kein Mißfallen äußern, dorthin zu gehen, sie muß vielmehr, indem sie hingeht, ihr Mißvergnügen verbergen, indem sie Freude heuchelt. Erwartet sie anderseits irgendwo größere und sogar ungewöhnlich große Befriedigung, so darf sie darum doch nicht vergnügter erscheinen als gewöhnlich. Sie soll mit einem Wort überall und jederzeit die gleiche Stimmung zeigen, damit die andern und besonders ihr Mann alles ihrer Gemütsart und den Sternen zuschreiben, die ihr diese Neigung eingeflößt haben. Ferner muß sie sich hüten, infolge größerer Freude oder größeren Verdrusses freudestrahlender oder verstimmter nach Hause zurückzukehren. Sie muß im Gegenteil stets die gleiche Miene zeigen und ihre wahren Gedanken, die Unruhe und die Veränderungen ihres Gemütszustandes aufs sorgfältigste zu verbergen trachten.
Margarita: Wie klug Ihr mich macht, Madonna Raffaella!
Raffaella: Bedenke, mein Töchterlein, daß die Jahre die Welt kennen lehren und der glücklich zu nennen ist, der sie schon in der Jugend kennenlernt, indem er auf die Alten hört.
Margarita: Da habt Ihr recht, doch setzt mir weiter auseinander, wie sich die wahre Edeldame, die Ihr mir heute schildert, bei Gesellschaften und Zusammenkünften benehmen muß.
Raffaella: Wo immer sie sich mit Frauen oder Männern unterhält, muß sie sich wohl hüten, sich zur kleinsten Gebärde, zum geringsten Wort hinreißen zu lassen, das die Grenzen der Bescheidenheit und des Anstandes verletzen könnte. Ich sagte dir ja schon und wiederhole es, daß gerade dieses jede Handlung einer Dame erst adelt. Folglich muß sie sich in allen ihren Handlungen und Worten eher einer übertriebenen Zurückhaltung als einer zu großen Keckheit und Unverschämtheit befleißigen und deutlich zeigen, daß sie nicht nur Laster und Gemeinheit ebensosehr bei sich selbst wie bei andern verabscheut, sondern auch ihre Freude an schönen und tugendhaften Handlungen hat. Unter allen häßlichen Gewohnheiten, die sie vermeiden muß, muß sie vor allen Dingen die eine fliehen: die Lügenhaftigkeit und Klatschsucht. Sie muß vielmehr aufrichtig und wahrheitsgemäß zu sprechen scheinen, außer wenn es sich um Dinge handelt, die ihrem Rufe schaden könnten; denn in solchen Fällen gebietet es die Vernunft, zu heucheln und eine Sache nach Möglichkeit anders darzustellen, als sie ist. Sie muß sich auch davor hüten, etwas zu sagen, was irgendeinen Verdacht gegen sie wachrufen könnte. Dies wird ihr gelingen, wenn sie sich daran gewöhnt, nie zuviel zu sprechen, sich zuvor zu überlegen, was sie sagt und über eine Frage erst nachzudenken, bevor sie darauf antwortet; denn unsere Stadt wimmelt heute von giftigen Zungen und über die geringste Kleinigkeit und das harmloseste Wort wird ein gewaltiger Kommentar gemacht, und es ist schwer, sich davor zu schützen. Wenig und mit Überlegung zu sprechen, ist das Beste, was man tun kann. Man muß sich auch sehr davor hüten, in den Ruf einer bösen Zunge zu kommen. Dieses Laster beherrscht heute fast alle Frauen und ist sehr verderblich und gemein. Eine Frau muß sich daher um das, was die andern tun, bekümmern, aber von dem, der es verdient, gut sprechen und darf niemand Übles nachreden.
Margarita: Muß sie denn aber nicht im Reden oder in allem, was sie betrifft, zwischen einem wohlerzogenen und tugendhaften Manne und einem schlecht erzogenen und lasterhaften einen Unterschied machen?
Raffaella: Ganz gewiß! Wie ich ja schon sagte, muß eine Edeldame in ihrem Herzen die tugendhaften und wohlerzogenen Leute höher schätzen als die lasterhaften und unmanierlichen. Ebenso muß sie auch in der Art, wie sie die Verbeugungen, Ehrungen und Anreden dieser und jener aufnimmt, einen gewissen Unterschied machen. Das wird für sie den Vorteil haben, daß alle Schöngeister der Stadt sich um die Wette bemühen werden, sie zu preisen und zu ehren. Liebt und schätzt doch jeder diejenigen, von denen er seine Vorzüge anerkannt sieht. Darauf muß eine Frau sehr großen Wert legen, weil vier oder sechs von denen, die an gutem Ruf alle andern in der Stadt übertreffen, wenn sie eine junge Frau preisen und als Vorbild hinstellen, mehr ins Gewicht fallen als alle übrigen. Sind sie doch diejenigen, welche die löblichen Eigenschaften einer jungen Frau zu erkennen und andern bekannt zu machen vermögen; während die andern sie in ihrem Werte entweder nicht kennen oder nicht kennen wollen, damit sie wie sie selbst ein Dutzendmensch sei, um sie ihrer Neigung entsprechend zu irgendeiner niedrigen Handlung veranlassen zu können. Ich mache dich aber darauf aufmerksam, daß sie den angegebenen Unterschied nicht stark betonen und augenfällig machen darf, auch wenn sie erkennt, daß jemandes Verdienste es erfordern; denn es bestünde sonst die Gefahr, daß die jungen Dutzendmenschen es übel nähmen und infolgedessen übel von ihr redeten und sie in den Mund der Leute brächten. Das aber ist das Allerschlimmste. Sie muß vielmehr denen gegenüber, die es verdienen, auf geschickte und kluge Weise ein wenig mehr Freundlichkeit an den Tag legen, die andern aber etwas kühler behandeln. Und wenn der Unterschied in ihrer Liebenswürdigkeit den verschiedenen Verdiensten nicht entspricht, so werden die Edlen und Wohlerzogenen darüber nicht verstimmt werden, da sie ja Urteilskraft besitzen und einsehen, daß sie nicht anders handeln kann; anderseits aber würden jene andern als mit bescheidenem Verstand begabte und in Minderwertigkeit aufgewachsenen Leute sich entrüsten.
Margarita: Ich würde nie den Mut haben, mich Leuten gegenüber liebenswürdig zu erweisen, die nicht allein Dutzendmenschen wären, sondern noch dazu in schlechtestem Rufe ständen, wie zum Beispiel Euer trefflicher Verwandter – Ihr wißt schon, wen ich meine – den keine Frau in Siena auch nur nennen hören kann.
Raffaella: Er ist noch viel schlimmer, als du sagst: ich versichere dir, daß er alle Kardinaltugenden im umgekehrten Sinne hat, und ich könnte dich besser als irgendwer davon unterrichten, es lohnt sich aber nicht. Es genüge dir, daß er keine einzige Eigenschaft hat, die ihm wohl ansteht, außer daß er allen, die ihn vom Sehen oder vom Hörensagen kennen, verhaßt ist. Einem solchen Menschen gegenüber, das gestehe ich, darf eine Edeldame niemals die geringste Freundlichkeit zeigen, ihm nie den geringsten Vorzug einräumen. Dennoch darf sie nicht unhöflich gegen ihn sein, nicht weil er es nicht verdiente, sondern aus Rücksicht gegen sich selbst. Denn einesteils bedeutet es für eine Edeldame einen häßlichen Flecken, sich unhöflich zu zeigen, anderseits würde er, weil er eine sehr böse Zunge hat, irgendeine Verleumdung oder boshafte Geschichte erfinden, um ihr zu schaden. Dem, von dem du sprichst, freilich, würde kein Mensch auch nur das Vaterunser glauben. Wenn du sicher gehen willst, ist es das beste, ihn gehen zu lassen und weder freundlich noch unhöflich gegen ihn zu sein; ihn überhaupt nicht zu beachten.
Margarita: Ach, wenn Ihr wüßtet, wie zuwider er mir ist!
Raffaella: Genug! denke nicht mehr an ihn, und nach außen kümmere dich nicht um ihn, weder im Guten noch im Bösen – aus Rücksicht gegen dich selbst, nicht gegen ihn. Wenn nun die junge Frau, von der ich rede, zufälligerweise in der Meinung, er verdiene es, einem Manne gegenüber sich freundlich gezeigt hat, und sich nachher das Gegenteil herausgestellt hat (denn man erkennt die Menschen nicht gleich am ersten Tage), so soll sie ihre Liebenswürdigkeit nicht sofort abbrechen, sondern sie ganz allmählich, ohne daß man es merkt, einschränken, damit er, wenn er an die Liebenswürdigkeit gewöhnt ist, über diese Veränderung nicht böse wird und sich infolgedessen zu rächen trachtet. Man muß daher entweder sich gegen niemand freundlich zeigen, oder aber, wenn man angefangen hat, es zu tun, darin fortfahren; oder man muß auf sehr geschickte Weise den Rückzug antreten, da derjenige, der an das Gute gewöhnt ist, verstimmt wird, wenn er es verliert, während er, wenn er es nicht gekostet hätte, er auch gar keinen Grund hätte, über etwas verstimmt zu sein, was man nicht als Verlust bezeichnen könnte. Und daher muß sie sich so verhalten, wie ich sage, es sei denn, sie wäre von einem jener Menschen beleidigt worden und dadurch gezwungen, sich offen erzürnt und verstimmt zu zeigen. Aber bevor sie an eine solche Beleidigung glaubt, soll sie sich zuvor genau von deren Wahrheit überzeugen; denn heute ist die Welt voll von bösen Zungen, die oftmals Dinge erfinden und verbreiten, die wahrer erscheinen als das Evangelium, und nachher als nichtig und bedeutungslos erkannt werden. Und dieses kommt von dem großen Neid und dem Mangel an Beschäftigung der jungen Männer unserer Zeit; denn der Müßiggang nötigt sie, sich um anderer Leute Angelegenheiten zu kümmern, und so erfinden sie auf Grund jedes kleinsten Anscheins Vorfälle und Geschichten und schmücken sie mit soviel Einzelheiten aus, daß alle, die sie hören, daran glauben wie an einen Glaubensartikel, während meistens nichts Wahres dran ist. Daher muß eine Dame sich's wohl überlegen, bevor sie sich jemand zum Freunde macht. Sie darf es nicht so machen wie Madonna Artusa, die sich's infolge, ich weiß nicht welchen Traumes, in den Kopf setzte, ein gewisser Jüngling – übrigens der beste Kerl von der Welt – habe sie verleumdet. Unbedachterweise geriet sie alsbald in Zorn gegen ihn und verlor so sehr ihre Selbstbeherrschung, daß sie ihm unhöflich begegnete und sich in unpassenden und einer feinen Dame schlecht anstehenden Gebärden erging. Das hätte sie niemals tun dürfen, auch wenn er es verdient gehabt hätte, erst recht aber nicht, da ihn keinerlei Schuld traf; denn er wußte den Grund ebensowenig, wie du ihn weißt. Dessenungeachtet hatte sie Glück; denn dieser junge Mann war so wohlerzogen, daß er sich nie darüber aufregte noch ärgerte, vielmehr niemals seine feine Erziehung verleugnete und sie ebenso ehrte und ihr mit Hochachtung begegnete wie vorher. Sie setzte sich aber der Gefahr aus, daß er, der sich ohne Schuld fühlte, so zornig wurde, daß die böse Miene, die sie ihm zeigte, zu ihrem eigenen Schaden ausschlug. Ich gehe so weit, zu sagen, daß, wenn sie auch in gewisser Hinsicht von ihm beleidigt worden wäre, sie darum doch nicht so häßliche Gebärden hätte machen dürfen. Wollte sie ihm nicht liebenswürdig begegnen, durfte sie sich doch nicht unhöflich benehmen; denn die Höflichkeit lacht und steht unter den andern Tugenden und guten Eigenschaften einer Dame so schön wie die Rubinen und Perlen im Golde. Wenn man jemand unhöflich begegnet, zeigt man damit, daß man immer noch Interesse für ihn hat. Es gibt aber keine größere Rache, als jemand weder im Guten noch im Bösen zu beachten, wie wenn er überhaupt nicht auf der Welt wäre.
Margarita: Wozu ist es nötig, Madonna Raffaella, so sehr darauf zu achten und Rücksicht zu nehmen, daß jemand nicht in Zorn gerät? Was könnte ein solcher je einer Dame Schädliches antun, die sich nichts vergibt und ehrbar lebt? Ich habe immer sagen hören: »Pisse klar und mach dich über den Arzt lustig.«
Raffaella: Uh! sag das nicht, liebe Tochter! Er könnte dir den größten Schaden antun; denn du mußt wissen, daß Ehre oder Tadel nicht hauptsächlich darin ihren Grund haben, daß die Dame etwas tut oder nicht tut, sondern darin, daß man glaubt oder nicht glaubt, sie tue es; denn die Ehre beruht auf nichts anderem als auf der Schätzung bei den Menschen. Wenn daher einer in aller Heimlichkeit Dieb, Mörder oder dergleichen ist und für den ehrlichsten und rechtschaffensten Menschen gehalten wird, so ist das mit Bezug auf die Ehre genau so, als hätte er diese Laster nicht. Ist er dagegen ein wackerer Mann und gilt für einen Schurken, so sind seine Tugenden nicht viel mehr als bedeutungslos und überflüssig. Dasselbe kann man von einer Frau sagen: ihre Ehre besteht, wie ich dir gesagt habe, nicht darin, daß sie etwas tut oder nicht tut, denn dies ist von geringer Bedeutung, sondern darin, daß man es von ihr glaubt oder nicht glaubt. Da dem nun so ist, muß sie sehr darauf achten, daß niemand über sie erzürne und irgend etwas erfindet, um ihr einen Schimpf anzutun; denn wenn auch die ihre Tugenden und die Nichtsnutzigkeit des Verleumders kennen, über die Nachrede hinweggehen und sie nicht glauben werden, so wird es doch viele andre geben, die ihr ohne genauere Untersuchung vollen Glauben schenken werden; und so wird die Ärmste zu Unrecht in schlechten Ruf kommen. So muß also eine Frau alle Kunst anzuwenden wissen, nicht etwas nicht zu tun, sondern keinen Anlaß zu geben, daß man Geschichten von ihr erfinde. Dazu wird ihr auf der einen Seite helfen, daß sie gegen niemand unhöflich ist, und auf der andern, daß sie gegen jemand allzu liebenswürdig ist. Sie muß vielmehr im allgemeinen auf beides verzichten und die Tugenden anderer mehr dadurch belohnen, daß sie sie sich merkt und in ihrem Herzen würdigt, als daß sie ihre Anerkennung allzu deutlich zu erkennen gibt, denn es könnte ein zwiefacher Schaden für sie daraus entstehen: einmal bekämen die bösen Zungen, die es merken, dadurch Anlaß, ihre Ränke zu spinnen, und dann würden jene, denen die Anerkennung zuteil wird, sich Hoffnungen machen, und wenn diese sich nicht verwirklichen, würden auch sie glauben, sie hätten Anlaß, sich zu beklagen. Und würden sie dennoch, durch irgend eine Hoffnung bewogen, durch Worte oder Taten zu weit gehen, so muß sie darauf bedacht sein, ihnen gleich die Schwungfedern zu stutzen und darf nicht das Geringste tun, wo sie einhaken könnten. In bezug auf diese Dinge muß eine Edeldame stets an allen Orten, wo sie sich befindet, auf ihrer Hut sein: bei allen Festen, Spielen, Abendgesellschaften, Bällen, Tanzvergnügungen und Sonderunterhaltungen, die heute so sehr im Schwunge sind, zu meiner Zeit aber getadelt wurden. Bei allen diesen Gelegenheiten muß sie stets denken, sie sei von Leuten umgeben, die ihr Fallstricke legen oder ihr nachstellen wollen, sei es, weil sie sich irgendwie Hoffnung machen, sei es, um auf irgend etwas zu lauern, was ihm Anlaß geben könnte, sie zu verleumden. Sie muß hundert Augen und hundert Ohren, dagegen nur eine Zunge haben, und diese letztere muß sehr klug und wohlbedacht sein; denn wenn ein Wort ihrem Munde entflieht, ist es nicht mehr möglich, es zurückzurufen. Darum heißt es alles zuvor überlegen. Nun aber hat uns der Lauf meiner Rede zu dem Punkte geführt, Margarita, der wichtiger ist als alles übrige und den zu erwähnen ich mir bis zuletzt aufgespart habe. Es wird also gut sein, wenn ich dir jetzt davon spreche; denn man darf ihn nicht übergehen, da ohne ihn alles, was wir bisher gesprochen haben, null wäre.
Margarita: Was mag das wohl sein? scheint mir doch, wir hätten bereits über alles gesprochen; und glücklich die, die so zu sein vermöchte, wie ihr sie heute als Ideal hingestellt habt! Ich will mich jedenfalls bemühen, mich diesem Ideal, so weit es in meinen Kräften liegt, zu nähern.
Raffaella: Was uns noch zu besprechen bleibt, ist das Verhalten, das sie ihren Liebhabern gegenüber zu beobachten hat, und wie sie es anstellen muß, um unter allen einen zu erwählen, der mit jenen Eigenschaften begabt ist, die von einem edlen und wahrhaft liebenden Manne verlangt werden. Nachdem sie diesen erwählt hat, muß sie ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele lieben, muß ihn begünstigen und ihm liebreich begegnen, wie es ihm zukommt. Davon werde ich noch sprechen.
Margarita: Ihr verlangt also, daß eine Edeldame an Liebschaften denkt, Madonna Raffaella?
Raffaella: Du sprichst wie ein dummes kleines Ding. Was nützen die Reize oder die Tugenden und guten Sitten einer Dame – besonders wenn sie vornehm und von hohem Ansehn ist, ohne die Liebe, die jede andere schöne Eigenschaft hebt und vollkommen macht, und der gegenüber alle andern Freuden und Vergnügungen schal und leer sind? Denn die Feste, Bälle, Spiele, Abendgesellschaften, Tugenden, körperlichen Reize sind ohne Liebe genau wie ein schönes Haus zur Winterszeit ohne Feuer; oder wie die Messe ohne das Vaterunser. Jedes geringste Vergnügen gewinnt an Stärke, wo sie waltet; die Landsitze erscheinen durch ihre Anwesenheit als Paradiese; die Waldpartien, Jagden, Fischfänge, Ausritte sind ohne sie ganz kalt und mit ihr überaus süß und beglückend. Wozu kann wohl eine Jugend gut sein, die vorübergeht, ohne daß man erfährt, was Liebe sei? Wie sehr sind die zu bemitleiden, die erst, nachdem sie die Vierzig hinter sich haben, der Liebe inne werden und zuvor durch ihre Torheit sie nicht kennengelernt haben! Man kann sie wahrlich unglücklich, mißgeschickt und überflüssig auf dieser Welt heißen, hingegen selig jene Männer und Frauen, die vor ihrem zwanzigsten Lebensjahr auf Kosten der andern die Macht und Gewalt kennengelernt haben, welche die Liebe in den Jahren zwischen zwanzig und fünfunddreißig und vor allem in der Mitte dieses Zeitraums besitzt. Diese kann man in den Kalender der Seligen aufnehmen. Aber es gehört viel Urteilskraft und Verstand, viel Kunst und Umsicht dazu, sich in dieser Beziehung richtig zu verhalten, hauptsächlich für eine Frau, da für eine solche die Gefahr, die sich für sie daraus ergibt, von größerer Tragweite ist.
Margarita: Da Ihr es sagt, muß ich es wohl glauben; denn ich vertraue Euch in dieser Beziehung mehr als mir selber. Sagt mir daher ein wenig, wie sich unsere Edeldame zu verhalten hat, diese Liebe zu bewahren, und wie sie es anstellen muß, einen zu erwählen, der so ist, wie er sein soll.
Raffaella: Bevor ich dir von den Eigenschaften spreche, die ein Jüngling besitzen muß, damit er es verdiene, von einer Edeldame zu ihrem wahren Geliebten ausersehen zu werden, wollen wir ein wenig davon sprechen, welche jungen Männer von den Frauen mehr gemieden werden müssen als die Schlangen; denn wenn man diese zuvor kennt, wird man die guten Eigenschaften weit besser kennzeichnen können, die ein Geliebter haben muß. Ist dies geschehen, kann man weiter von der Art und Weise sprechen, welche die Edeldame denen gegenüber beobachten muß, die sie meiden, und dem gegenüber, dem sie folgen soll.
Margarita: Es ist mir recht; sprecht also!
Raffaella: Meine Erfahrung in diesen Dingen sagt mir, daß die noch nicht zwanzigjährigen und auch die noch nicht zweiundzwanzigjährigen Jünglinge, die ja auch noch Milchbärte sind, für eine Dame sehr gefährlich und wie der Teufel zu fliehen sind; denn infolge ihrer ganz geringen Erfahrung vermögen sie eine Liebe keine drei Tage durchzuhalten. Ihre Reden sind frivol und kraftlos; sie würden in einem Glase Wasser ertrinken; sind hochmütig und anmaßend, weil sie sich jung wissen, jähzornig und streitsüchtig; zumeist prahlerisch und aufschneiderisch; wenn ihnen die geringste Gunst erwiesen wird, so rühmen sie sich dieser sogleich mit Bedacht oder aber lassen sich das Geheimnis von tausend Aufpassern, die stets um sie sind, entlocken. Bei Lustbarkeiten sind sie so unbedacht, daß sie beständig strahlen und die Wände es merken würden, daß sie außer sich vor Wonne sind. Wenn sie sich ärgern, geraten sie ebenfalls so sehr in Hitze, daß jeder es notwendigerweise merken muß; zuletzt rühren sie's Maul, indem sie der armen Edeldame, die sich ihnen zur Beute gegeben hat, das Schlimmste nachsagen, was sie nur können. Kurz, unter ihren Sitten und Gewohnheiten ist keine, die man gut nennen könnte. Und sollte sich unter ihnen zufällig einer befinden (ein ganz seltener Vogel wär's), der um jeden Preis das Geheimnis wahren wollte, so würde er es doch nicht können; denn er wird innerhalb zweier Tage offenbar machen, was ihm begegnet ist und noch weit mehr argwöhnen lassen. Allerdings gestehe ich dir, daß, wenn es möglich wäre, die Natur zu zwingen, einen Jüngling dieses Alters verständig und erfahren zu machen, es sehr empfehlenswert wäre, ihn zu lieben. Aber es ist nicht geraten, sich in diese Gefahr zu begeben; denn unter tausend findet sich nicht einer, der nicht einfältig, hochmütig, hitzig, grillenhaft, prahlerisch, beschwerlich, streitsüchtig und unerzogen wäre. Darum soll eine Edeldame diese Sorte unter allen Umständen meiden, wenn sie nicht in vier oder fünf Tagen in Siena in aller Leute Mund sein will.
Margarita: Ich sehe, daß Ihr recht habt, Madonna Raffaella; denn Messer Donatos Gattin ist durch ihren Neffen für immer erledigt worden.
Raffaella: Die Alten, Margarita, muß man nicht weniger laufen lassen; denn wenn sie auch vernünftiger sind, ein reiferes Urteil und mehr Welterfahrung haben, besitzen sie doch noch so viele schlechte, abstoßende und üble Eigenschaften, daß diese den geringen Vorzug, den ihnen ihre Erfahrung bietet, reichlich aufwiegen. Unter ihren schlechten Eigenschaften ist eine ganz besonders abscheulich: du findest unter ihnen nämlich nicht einen, der nicht eine ganz böse Zunge hätte und neidisch wäre. Der Grund davon ist, daß sie sich bewußt sind, nicht mehr anziehend zu sein und daher vor Ärger platzen, wenn sie sehen oder glauben, daß einer sich des Liebesgenusses erfreut. Sie entschädigen sich, indem sie in den Läden um die Wärmepfannen herumsitzend klatschen und an den armen Frauen kein gutes Haar lassen. Und wenn einer von ihnen zufällig Glück bei einer Frau hat, so rühmt er sich dessen sogleich, um zu zeigen, daß er die Gunst der Frauen noch nicht verloren habe, wie seine Genossen meinen könnten. Doch was brauche ich mich über sie weiter zu verbreiten. Gesetzt den Fall, was aber unmöglich ist, daß sie verschwiegen, verständig, vorsichtig, wohlwollend wären und alle Tugenden des Herzens besäßen, die man haben kann – was will denn ein schönes junges Weib mit der Liebe eines grauhaarigen, geifernden, schmutzigen, rotzigen, beschwerlichen, geschwätzigen Alten mit stinkendem Atem und tausend andern Fehlern, die die Hunde zum Erbrechen bringen und ohne Sünde büßen lassen, anfangen?
Margarita: Erspart mir bitte weiteres: ich versichere Euch, wen es nach einer solchen ekelerregenden Liebe verlangt, der muß von allen guten Geistern verlassen sein.
Raffaella: Eine ganz üble Sorte sind auch jene Schwätzer, Geschichtenerzähler und Prahlhänse, jene weibischen Menschen, die auf den Sitzmauern vor den Palästen herumhocken und nichts weiter können als sich parfümieren, schminken, sich den Bart streichen, die Schuhe binden, mit allem prahlen, was ihnen gerade in den Sinn kommt und das Paradies in den Mund der Leute bringen würden. Und wenn sie unglücklicherweise die Gunst irgendeiner unseligen Frau besitzen, trachten sie mit aller List danach, daß sie ihnen in dem Augenblick einen Gunstbeweis gibt, in dem einer zugegen ist, der es bemerkt; und wenn ihnen ein solcher heimlich zuteil geworden ist, suchen sie, wenn sie mit ihren Kumpanen zusammen sind, es durch tausend schlaue Kniffe dahin zu bringen, daß man davon erfährt, indem sie auf der einen Seite so tun, als wollten sie nichts sagen, auf der andern aber sich so verhalten, daß man daraufkommen muß. Kurz, auf die eine oder die andere Weise muß ihr Geheimnis in wenigen Tagen offenbar werden, indem sie sich entweder seiner rühmen oder bei den Abendgesellschaften und geselligen Zusammenkünften sich mit der ihnen eigenen Unverschämtheit um so mehr an ihre Dame herandrängen, je mehr Leute zugegen sind, und von ihr offene Gunstbeweise zu erlangen trachten. Werden ihnen solche aber nicht zuteil, so geben sie ihren Zorn deutlich zu erkennen, auf daß jeder es merke. Und wenn sie etwas erlangen, was ihnen gefällt, strahlen sie sofort übers ganze Gesicht und begehen tausend Torheiten, so daß selbst die Wände merken, was los ist. Auch lassen sie ihre Dame keinen Fuß aus dem Hause setzen, ohne ihr zu folgen. Daher kommt es, daß, wenn eine Dame einem solchen ihre Gunst gewährt hat, sie gar schnell genötigt ist, sie ihm wieder zu entziehen oder im Mund der Leute zu bleiben. Und so haben diese Leute nie eine Liebschaft, die zwei Monate dauerte, und die meisten von ihnen sind dann, wiewohl sie sich in Gegenwart anderer Zwang auferlegen müssen, im geheimen die größten Schurken.
Margarita: Ihr erinnert mich, Madonna Raffaella, an einen dieser lästigen Patrone, einen Sienesen, der seiner Dame in Gegenwart des Marchese del Vasto die Zitronen zuwarf und tausend Faxen machte, damit sie ihm in Gegenwart des Marchese ihre Gunst zu erkennen gebe und die Zeichen mit dem übereinstimmten, was er ihm offenbar vorerzählt hatte.
Raffaella: Ja, er wohnte in der Via Camollia, ich habe ihn wohlgekannt. Nicht viel weniger ferner muß die Sorte von jungen Leuten gemieden werden, die sich wegen ihrer vermeintlichen Vorzüge oder ihrer Reize für etwas so Besonderes halten, daß sie glauben, die Frauen müßten sich aus Liebe zu ihnen aus den Fenstern stürzen. Die Ärmsten müssen immer nach ihrer Pfeife tanzen, und über die geringste Kleinigkeit geraten sie in Zorn und wollen nicht einmal, daß sie mit ihrem Gatten sprechen, geschweige denn mit ihren Brüdern, Schwägern oder andern. Und es dünkt sie recht und billig, daß sie sozusagen die Dame seien, daß von ihnen die Gunstbeweise und die Befehle ausgehen, wie wenn die Frauen einfach gar nicht anders könnten, als ihnen nachlaufen. Sich mit solchen in ein Liebesverhältnis einzulassen, muß eine Frau sich wohl hüten; sie würde es sonst schnell bereuen und nie eine frohe Stunde haben.
Margarita: Darüber könnte, wenn ich nicht irre, die Nichte jenes Ritters – Ihr wißt schon, wen ich meine – Auskunft geben.
Raffaella: Ich weiß es sehr wohl. Eine Edeldame darf ferner ihre Liebe niemand schenken, der verheiratet ist; denn du mußt wissen, daß die Liebe den ganzen Mann verlangt; und wer ein wahrer und vollkommener Liebhaber sein will, der muß sein Herz von jeder andern Sorge und jedem andern Gedanken freimachen, darf Tag und Nacht an nichts anderes denken als an den geliebten Gegenstand. Dieses aber kann ein verheirateter Mann nicht; denn er muß, will er nicht von jedermann verspottet werden, notwendigerweise hauptsächlich und vor allen andern Dingen die Sorge um sein Haus, die Liebe zu Weib, Kind und Besitz im Sinne haben. Und es gibt wenige, die ihre Frau – mag sie nun schön oder häßlich sein – nicht lieben; denn der beständige Umgang mit ihr nötigt sie dazu. Und wenn er dennoch all das außer acht läßt und alle seine Gedanken auf den geliebten Gegenstand richtet, so schlägt es ihm zum größten Schimpf aus. Dies muß ihn unvermeidlicherweise verstimmen, so daß er beständig in der schlechtesten Laune ist. Und wenn jemand behaupten wollte, er könne heimlich seiner Liebe dienen und vor der Öffentlichkeit so tun, als dächte er nur an sein Haus, so erwidere ich, daß er das nicht kann, und will es dir beweisen. Für einen richtigen Verliebten ist es notwendig, daß die Befriedigung, die er in der Liebe findet, und die Verstimmungen, die manchmal über ihn kommen, stets ganz verborgen bleiben und er sie möglichst geheimhalte, indem er vor andern immer die gleiche Miene zeigt. Um sich vor andern besser verstellen zu können, muß er sich manchmal der Schmerzen und der Freuden, welche die Liebe zu bringen pflegt, entledigen, und hat dafür keinen geeigneteren Ort als sein Kämmerlein und sein Bett; denn wenn er heimkommt und sich in seine Kammer einschließt, kann er sein Herz erleichtern und darüber nachdenken, wie er sich den verschiedenen Erlebnissen und Erfahrungen, die er in der Liebe macht, gegenüber verhalten soll, kann bisweilen weinen, klagen, lachen, rasen, je nach Ursache und Stimmung, um dann nach dieser Erleichterung seines Herzens unter den Leuten besser seine Gedanken zu verbergen. All dies kann nun ein verheirateter Mann nicht; er muß vielmehr daheim und in seinem Bette sich mehr verstellen als anderswo, um seine Gattin zu täuschen. Und nach tausend Vorsichtsmaßregeln kann er es schließlich doch auf keine Weise vermeiden, bei seiner Frau Argwohn zu erwecken. Das hat dann zur Folge, daß sie anfängt wie ein entfesselter Teufel zu spektakeln, das Haus mit Streit und bösen Worten zu erfüllen und nachzuforschen, wer wohl die Geliebte sein könnte. Hat sie es dann herausgebracht, so beschimpft und verleumdet sie sie überall, wo sie sich befindet, und die Folge davon sind das Verderben jener Dame, die Verzweiflung des Gatten und tausend andere Widerwärtigkeiten, die du dir leicht selbst vorstellen kannst.
Margarita: Ihr wollt also, Madonna Raffaella, daß man sich einen erwähle, der noch unbeweibt ist, aber sich noch verheiraten will.
Raffaella: Das wäre nicht das schlimmste, aber auch nicht das beste; denn wenn er später eine Frau nimmt, wird man sagen können, daß seine Liebe erheuchelt sei. Und ich bin der Meinung, daß eine Liebe, nachdem sie einmal angefangen hat, erst mit dem Tode aufhören dürfe.
Margarita: Ei, wie muß sie sich denn dann verhalten? sind doch alle Männer entweder beweibt oder werden sich beweiben?
Raffaella: Es gibt deren, die keine Frau haben und auch keine nehmen werden, wie du hören wirst. Sehr gefährlich ist es ferner im allgemeinen, sich mit den Fremden einzulassen, namentlich mit jener Sorte, die vor wenigen Jahren hergekommen ist: ich könnte dir dafür unendlich viele Gründe angeben, will dich aber nicht langweilen. Begnüge dich damit, Madonna Giacchetta, Madonna Leonarda, die Baratina, deine Mieterin und noch einige andere anzusehen (freilich alles Frauen, die nicht viel wert sind) und die Frucht zu betrachten, die ihnen solche Liebschaften gebracht haben. Verderblich ist die Liebe der Großen und Mächtigen in einer Stadt. Ich könnte dir dafür eine Unzahl von Beispielen anführen, doch weiß ich, daß du sie sehr wohl kennst. Um nun nicht im einzelnen alle die Arten von jungen Leuten aufzuzählen, deren Liebe man ablehnen muß, beschränke ich mich darauf, folgendes zu sagen: abgesehen von den Vorgenannten soll eine Frau sich auch von jenen fernhalten, die öffentlich für anmaßend, beschwerlich, langweilig, lügnerisch, argwöhnisch, häßlich, gemeiner Herkunft, verleumderisch, spielsüchtig, zum Fluchen geneigt, zu stark geschnürt, leichtfertig, unverschämt, verhurt, Tagediebe und ähnlich unerfreuliche Gesellen gelten.
Margarita: Nachdem ich nun gehört habe, von welcher Art von Männern man sich fernhalten muß, möchte ich wissen, welche Eigenschaften der haben muß, dem die Liebe einer Edeldame gebührt.
Raffaella: Er muß zunächst ganz das Gegenteil von denen sein, die wir eben getadelt haben. Und um dir die Hauptsache mit wenigen Worten zu wiederholen, sage ich dir, daß, wer der Liebe einer Edeldame würdig sein soll, zwischen zwanzig und fünfunddreißig alt sein muß, am besten so mitten drin, also zwischen sieben- und achtundzwanzig, in welchen Jahren die Vernunft reif und bereits Erfahrung in Dingen der Liebe vorhanden ist und alles, was damit zusammenhängt, richtig angefaßt wird. Er soll ferner edlen Blutes sein, was größte Befriedigung gewährt, und schön und anmutig nicht allein in seinem Äußern, sondern auch in seinen Bewegungen; denn wenn auch die Schönheit nicht das Haupterfordernis für die Liebe ist, so ist sie doch von sehr großer Wichtigkeit und befriedigt sehr, wenn die andern Eigenschaften vorhanden sind. Er muß wohlgesittet und bescheiden und in allen seinen Worten und Handlungen artig und fein sein, doch ohne erkünsteltes Wesen; ferner im allgemeinen respektvoll, ein Verteidiger der Frauenehre und der seinigen insbesondere. Gemessen und ruhig in allen seinen Bewegungen, mache er sich stets einen Beruf daraus, alle Damen zu verehren – mehr oder weniger, je nach ihren Verdiensten. Er muß vollkommen verschwiegen sein, so daß er sich in wichtigen Dingen kaum selbst traue, und darauf achten, nicht nur wichtige Dinge geheimzuhalten, sondern jede kleinste Gunst, damit nachher kein Geschwätz darüber entstehe. Er muß sich auch stets davor hüten, mit irgend jemand ins Gespräch über die Dame seines Herzens zu kommen; sieht er sich zufälligerweise doch dazu genötigt (weil er sonst fürchten müßte, größeren Argwohn zu erregen), so soll er es so klug wie möglich und mit ganz wenigen Worten tun. Wenn er es aber einrichten kann, soll er solche Gespräche geschickt vermeiden, da sie gefährlich sind. Denn wer Liebespein leidet, kann während eines solchen Gespräches, je nachdem er zuhört oder selbst spricht, rot oder blaß werden. Er muß stets denken, daß die Leute, die ihn hören, darauf aus sind, ihm etwas zu entlocken, und darum seine Worte sorgsam überlegen. Er muß es ferner verstehen, seiner Dame bisweilen unauffällig den Hof zu machen, aber nicht zu häufig, muß sich hie und da dort einfinden, wo sie ist, doch so geschickt, daß er es aus einem andern Anlaß und sozusagen gezwungen getan zu haben scheint. Er darf ihr nicht beständig folgen. Er muß auch darauf sehen, daß man ihn für einen artigen, höflichen und freigebigen Mann halte, letzteres im allgemeinen und besonders den Frauen gegenüber. Seine Kleidung muß gut und geschmackvoll sein; seine Tracht darf nicht von Unbeständigkeit und wenig Verstand zeugen, sondern von Festigkeit und Gesetztheit. Die Masken, Leibfarben, Embleme und dergleichen soll er nicht tagtäglich verwenden, so daß man nichts weiter sieht als ihn; doch soll er sie auch nicht ganz beiseite lassen, sondern sich ihrer mit so viel Maß und Überlegung bedienen, daß niemand erkenne, aus welchem Grunde er es eigentlich tut. Dazu wird ihm sehr dienlich sein, wenn er den Anschein zu erwecken weiß, als sei sein Sinnen auf einen bestimmten Gegenstand gerichtet, während er den eigentlichen streng geheimhält. Ich wünsche ihn nicht nur unverheiratet, sondern daß es auch unzweifelhaft sei, daß er sich nicht verheiraten werde, ganz als ob er Priester wäre, doch ohne Tonsur, so daß das Gewand für ihn nichts weiter wäre als ein Vorwand, um keine Frau nehmen zu müssen, damit er sich dann mit ganzem Herzen an der Liebe seiner Dame erfreuen könne. Kurz, er muß bemüht sein, als edler, beständiger, kunstfertiger, gebildeter Mann zu gelten, als offener Verteidiger der Frauen, als hochherzig und geschickt im Ergreifen der sich ihm bietenden günstigen Gelegenheiten, als einer, der sich zu verstellen, seine Gedanken zu verbergen, seiner Dame treu zu sein, sie heiß und beständig zu lieben weiß; denn wenn die Liebe einmal erwacht ist, muß sie auch bis zum Tode dauern. Vor allem aber muß er es verstehen, sich klug nach den Umständen zu richten, wie sie jeder Tag neu schafft. Es lassen sich dafür ja nicht bestimmte Regeln aufstellen; er muß sich eben auf sein Urteil verlassen. So also muß ein junger Mann beschaffen sein, wenn er die Gunst einer Edeldame verdienen soll, und auf solch einen muß ihre Wahl fallen.
Margarita: Ihr habt ihn mir so vollkommen geschildert, wie meiner Meinung nach keiner auf der Welt zu finden ist, liebe Madonna Raffaella.
Raffaella: Ich kenne ihrer freilich wenige, die so sind; um so glücklicher darf sich die Frau schätzen, die von einem solchen geliebt wird. Doch wisse, Margarita, daß, wenn eine junge Frau nicht alle diese Eigenschaften in einem Manne vereinigt finden kann, sie mit allem Fleiß Umschau halten und sich an einen anschließen soll, der wenigstens die meisten und wichtigsten davon besitzt.
Margarita: Das liegt im Bereich der Möglichkeit, ich gebe es zu.
Raffaella: Nun haben wir noch zu besprechen, wie eine Edeldame sich, wenn ihre Wahl auf einen Liebhaber gefallen ist, wie ich ihn geschildert habe, ihm gegenüber benehmen muß, wenn sie sich mit ihm unterhält, und wie sie sich den andern gegenüber verhalten soll, die sie beständig wie Raubvögel umschwärmen; denn eine Frau kann nicht so überlegen und klug sein, daß sie andern die Schwungfedern so beschneidet, daß nicht einige, wenn auch nicht durch Hoffnung angezogen, so doch um sie zu ärgern oder weil sie nicht wissen, was sie sonst tun sollen, sich damit vergnügen, sie zu umschwärmen.
Margarita: Sagt mir also, wie sie sich ihrer erwehren kann, auf daß sie ihr nicht zur Last fallen, und sich zugleich die Liebe ihres Erwählten erhält.
Raffaella: Zunächst muß sie sich hüten, diese Wahl zu schnell zu treffen, sie könnte sonst leicht getäuscht werden; denn die jungen Leute von heute wissen sich zu verstellen und nach Belieben Tränen zu vergießen und eitel Honig zu sein, um sich nachher als Gift und Galle zu erweisen. Man erkennt sie nicht gleich am ersten Tag, darum muß man sie einen Monat, zwei Monate, acht Monate, ja ein Jahr lang scharf beobachten und jede Kleinigkeit gründlich in Betracht ziehen. Wenn sich dann alles gut macht, muß man sich entschließen, den Betreffenden als einzigen Liebhaber anzunehmen und ihm seine Gunst zuzuwenden. Hat man seine Wahl getroffen, muß man sich vor allem zweierlei vornehmen, um dieses Verhältnis aufrecht zu erhalten: einmal, den erwählten Liebhaber einzig und allein zu lieben, von ganzem Herzen und von ganzer Seele als das Teuerste, was man auf der Welt hat, beständig an ihn denken, alles andere ihm gegenüber für nichts achten, damit er ebenso wiederliebe; denn wer geliebt werden will, muß selbst lieben. Dies ist das eine. Anderseits aber muß man seinen ganzen Verstand und alle Kunst aufbieten, um es geheimzuhalten; denn die Heimlichkeit ist der Nerv der Liebe. Damit dies gelinge, muß man sich aufs Heucheln verstehen und darf, wenn es möglich ist, weder im Guten noch im Bösen von dem Geliebten sprechen. Ist man aber zufälligerweise gezwungen, ein paar Worte über ihn zu sagen, wenn nämlich das Schweigen Verdacht erwecken würde, so darf man seiner nur mit Vorsicht erwähnen und von ihm sprechen; denn man muß stets denken, daß wer einem von ihm spricht, es tue, um hinter ihr Geheimnis zu kommen. Darum muß man solche Gespräche soviel wie möglich vermeiden, damit man nicht durch Erröten, Blaßwerden oder durch sonst ein Zeichen seine Gedanken erraten lasse. Bei den geselligen Zusammenkünften und Abendgesellschaften hüte man sich, viel mit ihm zu sprechen, zeige sich ihm gegenüber aber auch nicht allzu zurückhaltend; denn die Leute sind heutzutage arglistig und passen auf alle Mittel und Wege, die sie ihrem Zwecke näherbringen können. Man muß sich daher bemühen, den wahren Geliebten in der Öffentlichkeit genau so zu behandeln wie alle andern, die ihre Liebe zu erkennen geben. Du mußt nämlich wissen, daß man sich von vornherein davor hüten muß, Argwohn zu erregen; denn hat sich einmal auch nur der geringste Verdacht beim Gatten oder bei andern erhoben, so wird man doppelt scharf beobachtet, und es wird dann notwendigerweise binnen kurzem alles oder doch ein Teil entdeckt. Man benehme sich also klug, zeige stets dem Gatten oder andern gegenüber die gleiche Stimmung und verändere nicht den Gesichtsausdruck, gleichviel ob Freude oder Schmerz einen bewegen; denn auf solche Zeichen wird heute scharf geachtet, da sie meist die Wahrheit offenbaren und es schwer ist, sie zu verbergen.
Margarita: Wenn man sich nach Eurer Meinung, Madonna Raffaella, im Gespräch mit seinem Liebhaber so zurückhaltend benehmen muß, welche Freude kann man da von dieser Liebe haben, da man nie ein Wort zu ihm sagen kann. Wollt Ihr vielleicht, daß man sich heimlich schreibe? Das scheint mir doch sehr gefährlich, da man es nicht könnte, ohne sich einer Kupplerin anzuvertrauen.
Raffaella: Äußerst gefährlich und so sehr wie nur möglich zu fliehen; denn auf eine durch Vermittler gut geführte Sache kommen hunderte, die schief gehen. Doch wenn jemand dazu gezwungen ist und keinen andern Ausweg sieht, nimmt er weit besser die Hilfe von Dienern als von Dienerinnen in Anspruch – erstens weil letztere einfältiger und geschwätziger sind, so daß sie die Dinge von selbst ausplaudern oder sie sich, ohne es zu merken, herauslocken lassen, und dann weil man sich nicht so in sie schicken kann, daß sie sich nicht über die geringste Kleinigkeit mit ihren Herrinnen erzürnen und sie aus Rache erzürnen, fürchten sie doch nicht, daß ihnen von Seiten des Liebhabers etwas zuleide getan wird, da es gemein ist, sich an einem Weibe zu vergreifen. Bei einem Diener ist das Gegenteil der Fall. Er führt die Sache besser und würde sich schämen, eine so niedrige Rache zu nehmen. Davon abgesehen, schwebt er in Angst; denn er weiß sehr wohl, daß, wenn er nicht ehrlich verfährt, sein Leben in Gefahr ist. Es sprechen auch noch tausend andere Gründe dafür, die aufzuzählen zu weit führen würde. Demnach so, wer darauf verzichten kann, weder den einen noch den andern vertrauen und sie als letzte Zuflucht aufsparen.
Margarita: Wie muß eine Frau es also anstellen, um mit ihrem Geliebten über ihre Liebe zu sprechen?
Raffaella: Das werde ich dir noch sagen, bevor ich gehe. Jetzt will ich noch betonen, daß die Dame, von der wir sprechen, nicht eilfertig und hastig, sondern geduldig und bedächtig sein soll. Sie muß warten, bis die günstigen Gelegenheiten kommen – wenn nicht heute, so morgen; wenn nicht morgen, dann bis sie da sind. Und wenn sie da sind, muß sie sich ihrer zu bedienen wissen und darf sie um keinen Preis vorübergehen lassen; denn sie kehren nicht wieder, mag man sie noch so sehr zurückrufen.
Margarita: Für das Schreiben seid Ihr also nicht eingenommen?
Raffaella: Wenn man der Treue und Klugheit eines Dieners sicher wäre, könnte man es unbesorgt tun, und es gewährt große Befriedigung; und was den Geliebten anlangt, so könnte unsere Dame beruhigt sein; denn ich nehme ihn als durchaus treu und als klug an, und es besteht keine Gefahr, daß irgendwer in seiner Kammer oder in seinen Truhen nach Briefen oder Gunstbeweisen ohne seine Zustimmung wühle, sofern er nicht etwa verheiratet ist; denn dann stände es mit ihm darin wie in allen andern Dingen übel.
Margarita: Ihr habt mir vorhin gesagt, Madonna Raffaella, daß eine Frau vor allem ihren Mann und ihr Haus lieben müsse, und jetzt scheint Ihr das Gegenteil zu wünschen, nämlich daß die Liebe zum Geliebten über alles gehen müsse.
Raffaella: Ich habe dir gesagt, sie müsse sich so verhalten, daß er es glaubt und davon überzeugt ist, aber im Herzen sei ihr Denken dahin gerichtet, wo es am liebsten verweilt, und so wiederhole ich dir noch einmal, daß es dem Gatten gegenüber genügt, Liebe zu heucheln, und dieses genügt ihm. Eine Edeldame muß es sich überdies angelegen sein lassen, gegen alle, die mit ihr zusammentreffen, liebenswürdig und höflich zu sein, dennoch aber in der Öffentlichkeit stets ihre Zurückhaltung und Ehrbarkeit wahren. Denn abgesehen davon, daß diese Höflichkeit, wie ich dir gesagt habe, alle andern Tugenden einer Frau ins rechte Licht setzt, schafft sie auch die Gelegenheit, daß sie bisweilen in aller Sicherheit ihrem Liebhaber irgendeine Aufmerksamkeit erweisen kann, sei es, indem sie mit ihm spricht oder sonst auf eine Art. Geschieht dies auf eine geschickte Weise, so wird man es eher dem Charakter und Wesen der Dame, die eben von Natur höflich erscheint, zuschreiben, als irgend etwas anderes darin suchen. Und wisse, Margarita, daß die Gewohnheit der jungen Frauen von heute, sich mit jedem zu unterhalten, mit dem sich dazu die Gelegenheit bietet, ihnen dabei sehr zu statten kommt und ihnen die Möglichkeit gibt, manchmal ganz unbesorgt mit ihrem Geliebten zu sprechen. Jeder Augenblick, den sie mit ihm in einer Abendgesellschaft, bei einer geselligen Zusammenkunft oder auf der Straße plaudern kann, ist manchmal von größter Wichtigkeit, kann man doch in wenig Worten leicht eine ganze Menge sagen, wenn man es nicht gerade mit einem Redensartenmacher oder Hasenfuß zu tun hat, da die wenige Zeit, die so notwendig zu anderem wäre, mit Phrasen vertut wie: »Jawohl, Signora; nein, Signora; wollen Eure Herrlichkeit in die Messe gehen?« und ähnlichen Einfaltspinseleien, die allen, die sie mit anhören, Übelkeit verursachen. Allerdings muß sie sich hüten, diese Höflichkeit, die sie, wie ich meine, allen denen erweisen soll, mit denen sie zusammenkommt, so sehr zu betonen, daß der andere sich Hoffnungen macht. Es würden daraus sonst unerquickliche Dinge entstehen; denn diejenigen, die zu hoffen begonnen haben, würden kühner werden und in ihren Worten so weit gehen, daß sie gezwungen wäre, gegen die bisher geübte Höflichkeit zu verstoßen, um nicht in einen schlechten Ruf zu geraten. Daraufhin aber würden sie, zornig über das Mißlingen ihrer Absicht, sich zu rächen suchen und ihr alles erdenkliche Üble zufügen. Die Frauen müssen also ganz langsam und behutsam vorgehen und ehe sie jemand eine besondere Freundlichkeit erweisen, sich vergewissern, mit wem sie es zu tun haben; denn es gibt gewisse unersättliche Menschen, die, wenn man ihnen einen Finger zeigt, den ganzen Arm nehmen und aus der geringsten Gunst schließen, daß eine Frau ganz weg in sie ist, und diese Leute entwickeln sich zu den zudringlichsten und beschwerlichsten Menschen von der Welt. Andere, die erfahrener sind, nehmen das Gute, wie es kommt, und führen die Frauen in Versuchung, um herauszubringen, ob sie mehr von ihnen erlangen können als eine kleine Gunst, und zwar mit solcher Gewandtheit, daß die Frauen es kaum merken: finden sie den Zugang offen, so gehen sie beherzt weiter, finden sie ihn verschlossen, so kehren sie um, ärgern sich aber nicht darüber. Darum muß man, wie ich dir bereits sagte, wissen, wem man mehr und wem man weniger Gunst bezeigen darf, und muß von vornherein dem, der weitergehen will, als er soll, die Möglichkeit dazu nehmen. Eine Edeldame darf ferner unter keinen Umständen neidisch und eifersüchtig auf das Glück der anderen sein und deshalb auf Klatschereien hören und, um irgend jemand zu ärgern, einem unliebenswürdig begegnen oder zu freundlich, wie so viele, die ich kenne, welche beständig die Angelegenheiten der anderen ausspionieren, über die lachen, von jener Schlechtes sprechen, sich vom Verdruß andrer nähren und sich über deren Freuden giften. All das ist sehr gemein und mit dem edlen Sinn einer vornehmen Dame unvereinbar und verstrickt die Frauen, die sich dazu verleiten lassen, in Intrigen, aus denen sie selbst das Paradies nicht lösen könnte. Sollte sie aber ohne ihre Schuld von anderen beneidet werden und eine sich finden, die ihr zum Verdruß und andere zur Freude das Schlimmste von ihr spricht und sie über die Achsel ansieht, so soll sie sich über all das hinwegsetzen und niemals, weder im Guten noch im Bösen daran denken, vielmehr ihre guten Eigenschaften pflegen und die Lebensweise befolgen, die ihr, wie ich ausgeführt habe, ziemt, und sich stets davor hüten, daß man ihr mit Recht Übles nachreden könne. Im übrigen aber soll sie die Dinge gehen lassen, wie sie mögen, und sich giften lassen, wer sich giften will.
Margarita: Ihr erinnert mich an jemand, der in diese Klatschereien ärger verstrickt ist als irgendeiner, den ich je gekannt habe. Um eine gewisse Frau zu ärgern, beginnt er, sobald er am Anfang einer bestimmten Straße ist, zu singen; je näher er ihrem Hause kommt, desto mehr erhebt er seine Stimme, ist er vorüber, so senkt er sie, bis er an eine Stelle kommt, wo er nicht mehr gehört zu werden meint und ganz verstummt. Ich glaube aber, offen gestanden, nicht, daß sie auch nur im entferntesten daran denkt, sich deswegen die Augen auszukratzen.
Raffaella: Der hat sich wahrhaftig eine nette Beschäftigung ausgesucht! aber lassen wir ihn laufen! Unsere Edeldame darf aber auch nicht geizig sein, Margarita, noch geldgierig, wenn sie auch nicht sehr reich ist. Denn abgesehen davon, daß die Geldgier bei einer Frau ein sehr häßlicher Makel ist, ist er auch sehr gefährlich für sie. Sobald man nämlich merkt, daß sie auf Geschenke, Gewinne und dergleichen aus ist, werden sich viele finden, die ihr deren zukommen und sich etwas abgewinnen lassen, und alsbald werden sie sie zu besitzen glauben; denn wenn eine Frau Geschenke annimmt, macht sie den Schenker sich gegenüber sehr kühn. Darum darf sie auf keinen Fall solche annehmen, Kleinigkeiten ausgenommen, oder wenn sie nicht aus Furcht vor irgendwelchen Nachteilen sich dazu gezwungen sieht. Von ihrem Geliebten aber soll sie deren annehmen, und sie muß sie wert halten und ihm bisweilen auch solche machen, damit er sieht, daß sie ihn liebt und nicht geizig ist. Über das Verhalten einer Edeldame, die sich ihren Geliebten bewahren und mit den andern in gutem Einvernehmen bleiben will, wüßte ich nun nichts Besonderes mehr zu sagen; denn da jeder Tag sein eigenes Gesicht hat, kann man nicht für alles Regeln aufstellen. Sie muß ihn vor allem mit aller Treue lieben, deren sie fähig ist und ihr Geheimnis um jeden Preis hüten. Wie sie sich im einzelnen am besten zu verhalten hat, das muß ihrem Verstande überlassen bleiben.
Margarita: Ihr habt so eingehend von ihr gesprochen, daß die Hälfte der Eigenschaften, die Ihr aufgezählt, schon genug wären. Etwas anderes aber möchte ich wissen: welche Gunstbeweise soll sie, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet, ihrem wahren oder sagen wir erwählten Geliebten, gewähren, und wie weit darf sie in der Gewährung gehen, um ihn zu erfreuen und zugleich ihre Ehrbarkeit zu bewahren?
Raffaella: Du sprichst wie ein rechtes Kind: was soll das heißen: Ehrbarkeit, Dummerchen?
Margarita: O, habt Ihr mir denn nicht gesagt, daß eine Frau vor allem ihre Ehrbarkeit bewahren soll?
Raffaella: Gewiß, in den Augen der andern; doch mit ihrem Geliebten muß sie sich, sooft sich ihr eine Gelegenheit dazu bietet, heimlich zu treffen suchen.
Margarita: Und was muß sie dann tun, wenn sie heimlich mit ihm zusammen ist?
Raffaella: Ei was wohl? Was muß sie wohl tun? Um Haselnüsse spielen? Närrchen! Du bist doch einfältiger, als ich geglaubt habe. Wenn sie beisammen sind, merk dir's, sollen sie alle Heuchelei beiseite lassen und sich mit Leib, Seele, Gedanken, kurz auf jede Weise innig vereinigen.
Margarita: Eure Rede ist dunkel, Madonna Raffaella: wollt Ihr vielleicht sagen, daß eine Edeldame in solchem Falle ihrem Gatten einen krummen Streich spielen solle?
Raffaella: Einen krummen? Im Gegenteil, einen kerzengeraden! Krumm ist das, was man mit dem Gatten macht.
Margarita: Setzt man ihm damit aber nicht Hörner auf?
Raffaella: Hörner wären es, wenn es bekannt würde; wenn man's aber geheimzuhalten weiß, so sehe ich nicht ein, welche Schande ihm daraus erwachsen könnte.
Margarita: Nun habe ich Euch verstanden; wäre nie daraufgekommen, dacht' ich doch, diese Liebe müßte geistig und ehrbar sein; denn so hört' ich's einmal bei einer Abendgesellschaft, als ein Spiel aufgeführt wurde, aus dem Munde eines der Intronati, den sie den Dickschädel oder den Hartnäckigen – genau entsinne ich mich nicht mehr – nannten.
Raffaella: Wie versündigen sich doch die Leute, die den jungen Frauen solches Zeug, solche Wolkenkuckucksheimereien in den Kopf setzen! Sei überzeugt, daß der sich nur einen Scherz machen wollte und hör auf mich, wenn er auch den Ehrbaren spielt und sein Mund von Ehrbarkeit überfließt. Was heißt Ehrbarkeit? Die Sache ist, wie ich dir sage. Glaubst du mir oder glaubst du mir nicht?
Margarita: Auf der einen Seite weiß ich nicht, was ich sagen soll und würde glauben, meinem Gatten unrecht zu tun, auf der andern muß ich freilich sagen, daß Eure Gründe mir heute gefallen.
Raffaella: Du würdest ihm unrecht tun, Margarita, wenn du es so machtest, daß er's merkt. Wenn er's aber nicht weiß, macht's ihn auch nicht heiß. O, es würde alles in Ordnung sein, wenn eine Edeldame seelisch und körperlich mit ihrem Manne übereinstimmte und nicht trachten müßte, sich mit einem zusammenzufinden, der in Leibesbeschaffenheit, Blut und Gedanken mit ihr sich berührte! Denn wo das Herz keine Befriedigung findet, bleibt alles fad und wertlos; wenn aber die Herzen übereinstimmen, entwickelt sich etwas Göttliches, entwickelt sich das denkbar größte Glück.
Margarita: Diese Übereinstimmung des Blutes, wie Ihr sie nennt, Madonna Raffaella, muß doch bei vielen Frauen und deren Männern vorhanden sein.
Raffaella: Im Gegenteil, bei sehr wenigen, und zwar darum, weil Mann und Weib sich blind heiraten, ohne sich je gesehen zu haben; da wäre es ein großer Zufall, wenn sie von Herzen liebten und nicht nur äußerlich und pflichtgemäß, oder sagen wir lieber gezwungenerweise.
Margarita: Auf jeden Fall ist diese Gepflogenheit, die Ehen sozusagen im Dunkeln zu schließen, von Übel; denn oft müssen sich zwei Menschen von entgegengesetzter Natur und verschiedenen Gewohnheiten miteinander ehelich verbinden.
Raffaella: Was macht dies, wenn es dagegen das so ausgezeichnete und wirksame Mittel gibt, sich ganz und gar der Liebe eines andern hinzugeben, der auf geschickte Weise das Mißvergnügen auszugleichen weiß, das man mit dem Manne empfindet?
Margarita: Da muß man aber notwendigerweise zuletzt in Sünde verfallen.
Raffaella: Habe ich dir nicht schon zehnmal gesagt, daß, wenn du dir getraust, die Jugend und sodann das Alter hinzubringen, ohne je die geringste Sünde zu begehen, ich dir dazu rate und dir versichere, daß du wohl daran tust? Aber sieh zu, daß deine Kräfte dir ausreichen; denn bis jetzt haben sie noch keinem Sterblichen ausgereicht. Damit du also nicht in größere Sünde verfallen willst, indem du in den letzten Jahren solche Liebe suchst, rate ich dir so, wie ich dir riet. Und weißt du, was in jenen späten Jahren dann geschieht? Du wirst andere bitten müssen, statt von ihnen gebeten zu werden; denn jene, von denen du glauben wirst, daß sie dich lieben, werden sich im geheimen über dich lustig machen und dich geringschätzen. Und wenn du es schließlich merkst, wirst du in Verzweiflung geraten und bittere Reue empfinden über die nutzlos hingebrachten Tage; denn dies ist die größte Sünde, die man begehen kann. O, meine Tochter, bedenke es jetzt, wo es noch Zeit ist und baue der größeren Sünde durch die geringere vor! Denke daran, daß es später nichts nützt, über die ungenutzte Jugend zu jammern, und wenn dir in jener Zeit einer gefällt und du zufälligerweise dazu gelangst, ihn zu genießen, so bedenke, daß du ihm nicht gefallen wirst. Und du mußt wissen, daß das Vergnügen, im Geiste zusammenzusein, wenig wert ist und so gut wie nichts bedeutet, wenn nicht auf beiden Seiten Liebe vorhanden ist. Wenn du jemand liebst, ist es wichtig, daß du weißt, daß er dich auch liebt, sich nicht weniger danach sehnt, Liebeswonne mit dir zu genießen, und sie genießt, wie du mit ihm. Ohne diese Vereinigung der Herzen würde ich für solche Dinge keinen Groschen geben.
Margarita: Ihr habt in jeder Beziehung recht, Madonna Raffaella, ich stimme Euch in allem zu; und ich sehe nun endlich ein, daß man mit einem Wissenden sprechen muß, wenn man gescheit werden will. Mir scheint wirklich, daß ich in der kurzen Zeit, die ich mit Euch verbracht habe, mehr an Einsicht gewann als in meinem ganzen übrigen Leben.
Raffaella: Ich kann dir sagen, du armes Kind, daß du ihrer bedurftest. Und was hast du eigentlich geglaubt? Dachtest du vielleicht, die Freuden der jungen Frauen beständen darin, ein wenig mehr oder weniger angeschaut zu werden, oder in dergleichen Nichtigkeiten? Du armes Ding! Gott selbst hat mich zu dir geschickt. Ach! eine Schönheit wie die deine sollte bei Rocken und Herd verwelken? Meinst du, daß Gott sie dir darum gegeben habe? Wieviel besser wäre es für solche Frauen, wenn Gott sie häßlich machte wie Furien, da sie das Gute nicht zu erkennen vermögen, wenn sie es besitzen! Und was nützen, du Dummerchen, einer Frau die Schönheit und die andern guten Eigenschaften ohne die Liebe? und was nützt die Liebe ohne ihre Krönung? Sie ist wie das Ei ohne Salz oder noch schlimmer. Feste, Gastmähler, Bankette, Maskeraden, Komödienaufführungen, Ausflüge aufs Land und tausend andere derartiger Ergötzlichkeiten sind ohne Liebe kalt und eisig, mit ihr aber gewähren sie so große Befriedigung und eine so wonnige Empfindung, daß ich nicht glaube, daß man dabei alt werden könnte. Die Liebe erhöht die Höflichkeit, das edle Benehmen, die Gewähltheit in der Kleidung, die Beredsamkeit, die Anmut der Bewegungen und jede andere schöne Eigenschaft; ohne sie findet dies alles jedoch wenig Schätzung, gleich als wäre es etwas Verlorenes, Nichtiges. Die Liebe entflammt die Männer zu den tüchtigen Leistungen, hält sie von den Lastern und niedrigen Handlungen ab, erfüllt ihr Herz mit Großmut, erfüllt das Herz mit strahlender Befriedigung, löscht jedes Leid aus, läßt das Leben heiter und zufrieden verbringen, und ist überhaupt stets die Ursache des Guten. Sag mir doch, welchen Trost, glaubst du, gewährt es, zwei Wesen, die sich ohne Falsch lieben, wenn sie nach mehrtägigem vergeblichem Sehnen und Bemühen sich endlich zusammenfinden und sich gegenseitig ihr Herz unverhüllt zeigen und ihre Gedanken rein und wahr, wie sie sind, offenbaren, sich den erlittenen Kummer erzählen, einander trösten und aufrichten, ihre Gesichter gegenseitig mit Freudentränen netzen? Ach! Margarita, wie süß ist, was sie einander zuflüstern! das Raunen, das Ineinanderversenken der Augen, das Seufzen und der Hauch der Seufzer, der von Mund zu Mund geht! O die himmlische Wonne! diese Lust, die nicht ihresgleichen hat auf der Welt! das einzigartige Glück, das niemand kennt noch zu fassen vermag, der es nicht an sich selbst erfährt! Ach, Margarita, wie dankbar wirst du mir sein, wenn du es einmal kostest! Wie verwandelt wirst du dir vorkommen! Wie wirst du über dein bisheriges Leben lachen! Für wie unglücklich wirst du die Frauen halten, die es nicht kosten! Dieses Glück muß man suchen, so lange man noch jung ist: alles andere ist dummes Zeug. Dafür ist die Jugend da, und wer sie ungenützt hingehen läßt, wird es eines Tages gewahr werden und es würde dann besser für ihn sein, wenn er es nicht inne geworden wäre. Und es ist nicht wahr, was viele behaupten, daß, wenn die Lust vorüber sei, es sei, als hätte man sie gar nicht genossen. Ganz im Gegenteil ist die Befriedigung darüber, seine Schuldigkeit getan zu haben, die köstliche Erinnerung an die gut verwandte Zeit, das Denken an alle kleinsten Handlungen, an den Ort, an dem, an die Zeit, zu der man sie getan und die Wonne empfunden, fast noch süßer als der Genuß der Lust selbst. Ich selbst bin der Beweis dafür. Hätte ich nicht diese Befriedigung gehabt, deren ich mich oft und oft erinnere, dächte ich nicht daran, unter welchen Umständen und wann ich solche Freuden genoß, mein Leben würde das einer Verzweifelten sein, obwohl ich viele Freuden nicht gehabt habe, die ich hätte haben können, da ich jene damals noch nicht kannte, die ich heute kenne. Glaube mir getrost, Margarita, daß alle Freude und Lust, während man sie genießt, gut ist und auch nachher noch, solange das Leben dauert. Sei daher endlich verständig und bedenke, daß in zehn oder zwölf Jahren die Liebesfreuden und -genüsse alt schmecken; denke, daß in deinem Alter ein Tag tausend aufwiegt und wolle nicht so einfältig weiterleben wie bisher!
Margarita: Madonna Raffaella, wenn ich Euch höre, komme ich mir ganz dumm und ungeschickt vor, so sehr gefällt mir, was Ihr sagt. Eines aber beunruhigt mich, und das ist der Gedanke, daß es nur wenigen Frauen je vergönnt ist, sich mit ihren Liebhabern zusammenzufinden.
Raffaella: Da irrst du dich: es gibt keine, die nicht dann und wann dazu Gelegenheit hätte, die eine allerdings mehr, die andre weniger; denn es wird Frauen geben, die das Glück haben, daß ein Hausfreund oder der Freund ihres Gatten oder eines ihrer Verwandten ihr Geliebter ist. In einem solchen Falle können sie sich sprechen, sich verabreden und oftmals auch ziemlich sicher zusammenkommen. Die Betreffende bedarf dann keiner Mittelspersonen, und das ist wirklich ein großes Glück. Jene aber, denen ein so gutes Los nicht beschieden ist, sind gezwungen, sich eines Vermittlers zu bedienen und müssen dann wohl achtgeben, wem sie sich anvertrauen. Und da halte ich, wie ich dir bereits gesagt habe, einen Diener für geeigneter als eine Zofe. Er wird alles sagen können, was erforderlich ist, und beide Teile benachrichtigen. In solchem Falle darf der Liebende nichts übereilen, sondern geduldig abwarten, bis sich eine günstige Gelegenheit bietet. Ist eine solche da, so muß er sie wahrzunehmen wissen und darf sie nicht vorübergehen lassen; denn wenn sie sich selten bieten, fällt es sehr ins Gewicht, wenn man eine verliert. Du mußt auch wissen, daß, wenn eine Frau das Haus selbst voller Verwandten hat und diese alle eifersüchtig wie der Teufel sind, sie doch stets irgendwann eine Gelegenheit wird finden können. Dann muß sie den Geliebten sogleich Stunde und Ort wissen lassen, und alles wird sich gut machen. Sei auch versichert, daß, wäre sie selbst beständig in einem Zimmer eingesperrt, trotzdem in irgendeinem günstigen Augenblick mit Hilfe von Strickleitern oder andern Mitteln die Sache glücken würde. Wenn sie so ist, wie wir sie geschildert haben, wird sie sich allerdings so zu verhalten wissen, daß weder ihr Mann noch sonstwer eifersüchtig ist; und in der Zeit, die zwischen zwei Zusammenkünften liegt, können sie sich schadlos halten, indem sie einander sehen und in Liebe an einander denken. Wisse auch, daß es für eine Frau eine große Freude ist, wenn sie sich mit ihrem Geliebten am gleichen Orte befindet, mit ihm geschickt Blicke zu wechseln, mit einem Blick einander an das zu erinnern, was zwischen ihnen geschehen ist, sich heimlich über die andern, die nichts davon wissen, lustig zu machen und bei sich zu sprechen: »Ich fühle tief innen im Herzen ein solches Glück, daß selbst der Himmel es kaum ahnt.« O wie sehr wirst du mir glauben, wenn du es erprobst, Margarita.
Margarita: Ihr habt mich, Madonna Raffaella, dermaßen, ich weiß nicht mit was, entflammt, daß ich ganz außer mir bin. Eines aber macht mir noch Angst und das ist, daß sich, wie ich glaube, nur wenige Liebhaber finden, die keine Verräter sind. Ich schwanke daher, wenn ich daran denke, einen zu erwählen, weil ich fürchte, er könnte mich nachher verderben. Darum schätze ich die Frauen glücklich und selig, die ihre Liebe einem schenken, der nur den kleinsten Teil der Eigenschaften hat, die ihr heute dem wahren Liebhaber zugeschrieben habt. Ich verlange gar nicht, daß er sie alle besitze, weil ich nicht glaube, daß es so vollkommene Liebhaber geben könne.
Raffaella: Ich kenne einen solchen, obgleich es allerdings wenige gibt.
Margarita: Glücklich also darf sich nennen, wer ihn besitzt.
Raffaella: Wenn je ein Weib auf der Welt glücklich war, so bist du es, Margarita, wenn du klug bist.
Margarita: O, wieso denn? Sagt es mir, bitte!
Raffaella: Das mag dir genügen: mehr will ich dir nicht sagen.
Margarita: Ich bitte Euch, Madonna Raffaella, sagt es mir: fangt mir nie von einer Sache zu sprechen an, wenn Ihr nicht zu Ende reden wollt.
Raffaella: Es ist besser, ich sage dir's nicht; denn du würdest es mir sicherlich nicht danken.
Margarita: Ich verspreche, es Euch zu danken; denn ich habe eine Zuneigung zu Euch gefaßt, daß es nichts gibt, was ich für Euch nicht tun würde.
Raffaella: Versprichst du mir's?
Margarita: Ich verspreche es Euch!
Raffaella: Die Hand drauf!
Margarita: Da habt Ihr sie; und nun sprecht.
Raffaella: Ich kenne jemand, Margarita, der aus Liebe zu dir krank ist; und wenn je ein Mann eine Frau treu und von Herzen geliebt hat, so liebt er dich; und wenn je einer mit den Eigenschaften ausgestattet war, die ein wahrer Liebhaber besitzen muß, wie ich dir gesagt habe, und sogar noch viel mehr, so ist er es. Und dessen bin ich so sicher wie dessen, daß ich hier bin. Nun sieh zu, daß du mir dein Versprechen hältst und ihm deine Gunst schenkst, die du, wie ich weiß, noch niemandem geschenkt hast.
Margarita: Weh! was sagt Ihr zu mir, Madonna Raffaella, wollt Ihr Euch über mich lustig machen?
Raffaella: Wieso lustig machen? Meinst du, ich mache mich über eine lustig, die ich wie eine Tochter liebe? Glaube das nicht; das würde ich niemals tun.
Margarita: Nein, ich kann es nicht glauben.
Raffaella: Es ist so, sage ich dir; du tust vielleicht als glaubtest du's nicht, weil du mir dein Versprechen nicht halten willst.
Margarita: Wollte Gott, es wäre wahr! denn dann würde ich es nicht nur halten, sondern mich auch überglücklich schätzen.
Raffaella: Ich wünschte, Margarita, du glaubtest mir, wenn ich dir etwas sage. Ich versichere dir, es ist so, wie ich sage, und daß er keine frohe Stunde noch je Gelegenheit gehabt hat, es dir auch nur durch einen Wink zu erkennen zu geben, obwohl ich glaube, daß du bisweilen etwas hättest merken müssen, wenn du in diesen Dingen etwas erfahrener gewesen wärest.
Margarita: Spannt mich nicht länger auf die Folter, sagt mir, wer es ist.
Raffaella: Versprich mir, ihm deine Gunst zu schenken.
Margarita: Dann müßten, wie Ihr gesagt habt, sein Blut und sein Charakter mit dem meinigen übereinstimmen; aber wenn er so ist, wie Ihr sagt, kann es ja gar nicht anders sein. Und ich will sagen, daß ich mich bereits in Flammen fühle und ohne daß ich weiß, wer es ist, eine seltsame Hitze durch seine Liebe meinen ganzen Körper durchströmen spüre.
Raffaella: Kennst du nicht Messer Aspasio? er ist das, was ich dir sage, und noch viel mehr.
Margarita: Oh! Messer Aspasio! Gewiß kenne ich ihn, und ich schwöre Euch, daß ich einmal beinahe etwas gemerkt habe. Ich habe mich, Euch die Wahrheit zu sagen, ich weiß nicht wie, zu ihm hingezogen gefühlt, aber ich hielt mich zurück, einmal weil ich glaubte, es sei eine sehr große Sünde, sich einer solchen Liebe hinzugeben, und dann, weil ich überzeugt war, er tue mir gegenüber nur so; denn ich hatte gehört, daß er es mit andern so gemacht habe und nur aus selbstsüchtigem Grunde liebe; und dieses scheint mir eine Art, die Frauen zu betrügen, zu sein.
Raffaella: Glaube mir, was ich dir sage, ist die Wahrheit; ich gestehe dir gern, daß er einige Male so getan hat, als liebe er die oder jene Frau, aber er tat es nicht, um sie zu betrügen, sondern um dadurch die Liebe, die er für dich empfunden hat und empfindet, besser zu verbergen.
Margarita: Es läßt sich, nach dem zu schließen, was ich gehört habe, allerdings nicht leugnen, daß er alle guten Eigenschaften habe, aber ich habe tatsächlich versichern hören, er sei heftig in Madonna Jacopa verliebt, verzehre sich nach ihr und sei mit allen seinen Gedanken nur bei ihr, und das glaube ich auch.
Raffaella: Das tat er alles absichtlich, damit man nicht darauf verfallen könne, wo sein Herz wirklich ist; und es ist schon recht lange her, daß diese seine Liebe begonnen hat, nämlich seit dem Augenblick, da er dich bei der kleinen Abendgesellschaft, die hier in der Nähe deines Hauses abgehalten wurde, zum erstenmal sprach, wenn du dich recht erinnerst. Und niemals hat er den Mut gehabt, sich das Geringste merken zu lassen, außer vor wenigen Tagen, als er sich mir anvertraute; denn er liebt mich wie seine Mutter; und auch hier besann er sich lange, ob er mir vertrauen dürfe oder nicht. Aber Gott weiß, ob er es getrost tun konnte!
Margarita: Gut, wenn es so ist, danke ich Gott und will in Zukunft klug sein, will dieses Glück nicht vorübergehen lassen und ihm seine Liebe mit gleicher und, wenn ich kann, mit noch größerer vergelten. Vor allem, weil ich mich gleich anfangs zu ihm hingezogen gefühlt hatte, ohne es mir erklären zu können. Aber, wie gesagt, mich schreckten die Dinge zurück, von denen ich Euch erzählt habe. Da ich aber heute aus Euern Worten erkenne, daß eine junge Frau, wenn sie eine schlimmere Sünde vermeiden will, genötigt ist, ihrem Herzen in der Jugend Luft zu machen, und da ihr so gut und mit solcher Wärme von Messer Aspasio und der Liebe, die er zu mir hat, sprecht, so will ich mein Leben genießen.
Raffaella: O, welch ein trefflicher Entschluß! Gott segne dich dafür. Ihr Glücklichen! Vielleicht bietet sich euch keine Gelegenheit und fehlt euch ein Vermittler, auf den ihr euch verlassen könnt – da werde ich euch zur Verfügung stehen und nie verfehlen, zu euer beider Nutz und Frommen stets alles zu tun, was ich euch zu Freude und Befriedigung und zu Ehre bei den Leuten gereichen sehe – vorausgesetzt, daß du nicht wieder anderen Sinnes wirst.
Margarita: Wieso anderen Sinnes? Ich sage Euch ja, daß ich mich schon jetzt so Feuer und Flamme fühle, daß Gott mir helfen muß, daß alles gut geht und ich den Jubel, der mein Herz erfüllt, zu mäßigen vermag. Und seht, bitte, zu, daß der morgige Tag nicht vorübergeht, ohne daß Ihr, koste es was es wolle, mit Messer Aspasio sprecht und ihm das ganze Ergebnis unseres Gesprächs erzählt. Und dann müßt Ihr wieder zu mir kommen und mir Antwort bringen.
Raffaella: Laß mich nur machen.
Margarita: O, wie glücklich ich bin!
Raffaella: Du kannst dich wahrlich glücklich und selig preisen, daß du in der Blüte deiner Jugend einen Liebsten besitzen wirst, der gleichfalls in der Blüte seiner Jahre steht. O überglückliches Liebespaar! Du wunderschön und er schön! Du klug und verschwiegen und er äußerst vorsichtig und seine Geheimnisse bewahrend; du standhaft und er die Festigkeit selbst; du treu, er die Treue selbst; du gütig, er die äußerste Höflichkeit und Liebenswürdigkeit: alle beide jung, anmutig, edel, zur Liebe geneigt, tugendhaft, wohlgesittet, vornehm. Gott lasse euch blühen und erhalte euch gesund und ineinander verliebt und halte euch stets alle Skandale und Gefahren fern, die euch im Genusse eurer Liebe drohen können; dagegen erleichtere er es euch, euch zusammenzufinden und schicke euch oft die Gelegenheit dazu, kurz, er lasse euch zeitlebens glücklich und zufrieden sein. Und ich werde ihn in meinen Gebeten stets anflehen, daß er es tue. Nun aber will ich gehen; denn ich kann es kaum erwarten, ihm die gute Nachricht zu überbringen und weiß mich kaum zu lassen vor Freude, daß ich heute die Ursache des glücklichen Lebens geworden bin, das ein so reizendes Liebespaar vor sich haben muß.
Margarita: So geht denn, Madonna Raffaella, und kommt bald wieder; ich werde unterdessen an nichts anderes denken.
Raffaella: Sieh nur zu, daß dein Gatte nichts von diesem Sinneswandel merkt.
Margarita: Mein Gatte ist nicht in Siena; und wenn er auch hier wäre, so traue ich mir doch zu, verständig genug zu sein, wenn das Glück mir nicht abhold ist.
Raffaella: Das Glück hilft stets denen, die sich selbst helfen, und die Liebe erleichtert alles; darum sei getrost und nicht kleinmütig und verbannt allen Zweifel. Gott befohlen!
Margarita: Gott befohlen! Ihr seht, Madonna Raffaella, ich vertraue mich Euch ganz an.
Raffaella: Schon gut.
Margarita: O, o! Madonna Raffaella, noch ein Wort: wollt Ihr Brot, oder Käse, oder Schinken, oder sonst etwas, was ich habe? sagt es nur!
Raffaella: Morgen werde ich dir's sagen, wenn ich wieder zu dir komme; bedenke, daß es mir an allem fehlt.
Margarita: Ich will Euch gegenüber nicht viel Worte machen: was in meinem Hause ist, steht immer zu Eurer Verfügung.
Raffaella: Ich danke dir, meine Tochter; für alles wird die Zeit kommen: für jetzt sei guter Dinge; denn mein Sinnen und Trachten ist nur auf deine Angelegenheit gerichtet.
Margarita: Und ich werde mich Euch dafür erkenntlich erweisen. Geht mit Gott.
[Illustrationen von Fritzi Löw (1892 - 1975) aus Urheberrechtsgründen nicht aufgenommen. Re]