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Es war gerade an einem Dienstag, als ich Konstantinopel betrat. Ich erkundigte mich sogleich, was es Sehenswertes gebe, und man riet mir, die tanzenden Derwische zu besuchen, die an diesem Tage in Pera ihre Andachtsübungen hatten.
Bei der Moschee um eine Stunde zu früh angekommen, verfügte ich mich indessen in den anstoßenden Garten, der als Sammelplatz für die türkische Frauenwelt bestimmt ist. Mehrere hundert Damen waren hier in den verschiedenartigsten Gruppen auf dem Rasen gelagert, umgeben von ihren Kindern und deren Wärterinnen, die sämtlich Negersklavinnen sind. Mehrere dieser türkischen Frauen rauchten mit wahrer Götterlust eine Pfeife Tabak und schlürften ein Schälchen schwarzen Kaffee dazu. An einer und derselben Pfeife rauchen oft zwei, drei Freundinnen, sie geht von Mund zu Mund. Sie scheinen auch gern zu naschen, denn die meisten waren mit Rosinen, Feigen, gebrannten Haselnüssen, Bäckereien und dergleichen reichlich versehen und aßen trotz der Kleinen. Ihre Sklavinnen scheinen sie sehr gut zu halten, sie sind gut gekleidet, sitzen mitten unter ihnen und essen ebenfalls tapfer mit. Nur die Farbe des Gesichts unterschied Frau und Dienerin.
Auch in der Folge meiner Reise bemerkte ich mit Vergnügen, daß das Los des Sklaven im Hause eines Muselmanes bei weitem nicht so drückend ist, als wir glauben. Von lebhaften Gesprächen sind die türkischen Frauen keine großen Freundinnen, aber dennoch ging es immer noch lauter zu als bei den Versammlungen der Männer, die wortkarg im Kaffeehaus sitzen und halb verschlafen, die Pfeife im Mund, einem Märchenerzähler gedankenlos zuhören.
Dieser Garten gleicht einem Friedhof. Überall blicken Grabmonumente unter Zypressen hervor, an und um welche die Frauen gelagert waren und mit fröhlicher Miene plauderten und scherzten. Und ebenso plötzlich stand manche unter ihnen auf und breitete neben ihren Gefährtinnen einen Schal oder Teppich aus, um ihre Andacht zu verrichten.
Alle waren entschleiert, weil kein Mann anwesend sein durfte. Ich fand viele hübsche Gesichter unter ihnen, allein von großer, seltener Schönheit sah ich nichts. Lebhafte, große Augen, blasse Wangen, breite Gesichter, viel Korpulenz, und die Dame ist gezeichnet. Die Blattern müssen in diesen Gegenden noch ziemlich heimisch sein, denn viele trugen die Narben derselben an sich. Ihr Anzug war auch nicht sehr malerisch. Wenn sie ausgehen, sind sie ganz eingehüllt in ein Oberkleid, meistens von dunklem Merino. Im Harem oder auch an einem solchen Ort, der den Männern verschlossen bleibt, legen sie dies Oberkleid und das weiße Tuch, in welches Kopf und Gesicht gehüllt sind, ab. Ihr eigentlicher Anzug besteht aus sehr weiten Beinkleidern, die unter dem Knöchel zusammengezogen sind, einem Hemd mit langen weiten Ärmeln und einer breiten Binde um die Mitte, über welche einige einen Kaftan, andere nur eine Art Spenser, meist alles von Seide, anhatten. Feine Stiefeletten, darüber Pantoffeln von gelbem Saffian, haben sie an den Füßen, und den Kopf bedeckt ein kleiner Fez, unter welchem die Haare in lauter dünnen Flechten über die Schultern fallen. Jene Türken oder Türkinnen, die von Mohammed abstammen, tragen entweder ein grünes Oberkleid oder einen grünen Turban. Diese Farbe ist ihnen so heilig, daß sie fast von niemandem getragen werden darf. Selbst den Franken ist es zu raten, diese Farbe an Kleidern zu meiden, wenn sie sich nicht Unannehmlichkeiten aussetzen wollen.
Nachdem ich über eine Stunde Zeit hatte, alles zu betrachten, entstand plötzlich ein Lärm im Vorhof und eine Bewegung unter den Frauen. Ich schloß daraus, daß es Zeit sei, in den Tempel zu gehen. Ich fand im Vorhof ein großes Gedränge, denn der Sultan wurde erwartet. Nun sollte mir gleich am ersten Tag meiner Ankunft dieses Glück zuteil werden. Ohne große Bemühung ließ man mich als Fremde in die ersten Reihen, eine Gutmütigkeit und Artigkeit der Türken, die manchen Franken zu empfehlen wäre. Und doppelt ist diese Eigenschaft an diesem Volk zu rühmen, da es für mein Geschlecht keine Achtung hat und uns armen Wesen seiner Meinung nach sogar die Seele abspricht.
Kaum stand ich einige Augenblicke, als der Sultan zu Pferde, von seinem Hofstaate umgeben, erschien. Nur er ritt in den Vorhof, die übrigen stiegen außer demselben ab und betraten ihn zu Fuß. Das Pferd, worauf er saß, war von einer ausgezeichneten Schönheit, wie man mir sagte ein echter Araber. Es war mit einer reich in Gold gestickten Decke geziert; die Steigbügel hatten die Form von Schuhen, waren aus Gold und von feinster getriebener Arbeit.
Der Sultan ist ein schmächtiges, aufgeschossenes Herrchen von neunzehn Jahren, blaß, matt und abgelebt. Seine Züge sind hübsch, seine Augen schön. Wenn er sich nicht zu frühzeitig allen Genüssen der Sinne hingegeben hätte, so wäre ohne Zweifel ein stattlicher Mann aus ihm geworden. Ein langer, dunkelblauer Tuchkragen, vorn mit einer Brillantschließe zusammengehalten, umgab seinen Körper. Ein hoher Fez mit einem Reiher und einer Brillantagraffe schmückten das Haupt. Die Begrüßung des Volkes und der Dank des Sultans ist gerade wie bei uns, nur erhebt das Volk manchmal ein leises Freudengeschrei.
Nachdem der Sultan den Tempel betreten hatte, stürmte alles hinein. Die Frauen sitzen auf Galerien, die aber so dicht vergittert sind, daß man sie gar nicht sieht. Die Männer und die Franken, letztere ohne Unterschied des Geschlechts, sitzen und stehen unten im Tempel. Der Tempel oder, besser gesagt, Saal ist nicht groß, und die Zuseher sind von den Priestern durch ein niederes Geländer getrennt.
Um zwei Uhr erschienen die Derwische in langen, bis an die Ferse reichenden Weiberröcken mit unzähligen Falten. Auf dem Kopf tragen sie hohe, zugespitzte Hüte aus weißem Filz. Sie breiteten Teppiche und Tierfelle aus und begannen ihre Zeremonien mit einer Unzahl von Verbeugungen und Küssen des Bodens. Endlich erscholl Musik, die aber so unter aller Kritik war, daß ich noch in meinem Leben nichts Erbärmlicheres gehört habe. Eine Kindertrommel, eine Hirtenpfeife und eine jämmerliche Geige waren die Instrumente. Dazu fingen mehrere Stimmen an zu krächzen und zu schnarren, alles ohne Takt und Melodie.
Zwölf Derwische begannen nun ihren Tanz, wenn man ein Drehen im Kreis mit ausgestreckten Armen, wobei ihr faltenreiches Kleid ein schönes Rad bildet, so nennen darf. Sehr geschickt wissen sie einander auszuweichen, ohne sich zu berühren, da doch der Raum sehr beschränkt ist. Von Verzückungen oder anderen Zuständen, wie ich in mehreren Beschreibungen las, habe ich nichts bemerkt.
Die Zeremonie endete um drei Uhr. Der Sultan stieg nun wieder zu Pferd und begab sich mit seinem Gefolge und den Verschnittenen hinweg. Im Lauf dieses Tages sah ich ihn nochmals, als er von dem Besuch der medizinischen Fakultät zurückkehrte. Es ist überhaupt sehr leicht, den Sultan zu sehen, nämlich oft an Dienstagen, aber gewiß an jedem Freitag, dem Feiertag der Türken.
Imposanter ist der Zug des jungen Herrschers, wenn er sich zu Schiff begibt, um eine Moschee zu besuchen. Zwei Stunden vor seinem Auszug erfährt man erst, in welche Moschee er willens ist, sich zu begeben. Mittags zwölf Uhr setzt sich der Zug in Bewegung. Zu diesem Zweck sind zwei wunderschöne Barken in Bereitschaft; sie sind weiß angestrichen und mit Schnitzwerk und Vergoldung überladen. Auf jedem dieser Fahrzeuge befindet sich ein schöner Baldachin aus schwerem, dunkelrotem Samt, mit Goldborten und Tressen reich verziert. Der Boden ist mit den geschmackvollsten Teppichen ausgelegt. Die Ruderer sind kräftige schöne Jünglinge, deren Anzug in einem Hemd, Hosen und Jacke aus weißem Seidenzeug besteht; ein Fez deckt den Kopf. An jeder Seite des Schiffes sind vierzehn Ruderer, unter deren angestrengter Arbeit das Schiff über Woge und Welle gleich einem Delphin dahinschießt. Gar schön macht sich die ganz gleichförmige Bewegung der Matrosen. Auf einen Schlag fallen alle Ruder in das Wasser, zugleich erheben sie selbe wieder und fallen auf ihre Sitze zurück.
Eine Menge eleganter Barken und Kaïks folgt dem Zug. Die Flaggen der türkischen Flotte und Schiffe sind aufgezogen, und mit einundzwanzig Kanonenschüssen wird der Sultan begrüßt. Er verweilt nicht lange in der Moschee und besucht dann gewöhnlich noch eine Kaserne oder sonst eine öffentliche Anstalt. Fährt der Monarch zu Wasser hin, so kehrt er zu Wasser zurück und umgekehrt.
Die beliebtesten Spaziergänge in Pera sind der große und kleine Campo, richtiger gesagt: Friedhöfe in Zypressenhainen. Dies ist eine eigentümliche Gewohnheit der Türken, daß alle ihre Feste, Spaziergänge, Unterhaltungen und Wohnungen inmitten der Grabstätten sind. Nicht leicht wird man dies bei einer anderen Nation finden. Überall, in Konstantinopel, Pera, Galata usw., kann man kaum einige Schritte gehen, ohne auf einzelne oder mehrere Gräber zu stoßen, die mit Zypressen umgeben sind. Hier wandelt man beständig zwischen Toten und Lebendigen, eine Sache, an welche man sich in den ersten vierundzwanzig Stunden gewöhnt. Ich ging in der Nacht mit derselben Ruhe und Gleichgültigkeit an den Gräbern vorüber wie an den Häusern. Von der Ferne verleihen diese zahlreichen Zypressenhaine den Städten einen eigentümlichen, feenartigen Zauber, den man mit nichts vergleichen kann. Man sieht nur überall die Bäume hervorragen, die Monumente sind dem Blick verborgen.
Weniger schnell konnte ich mich an die vielen herrenlosen Hunde gewöhnen, die in allen Ecken, auf Plätzen und Straßen den Fremden entgegentreten. Sie sind von einer auffallend häßlichen Rasse, dem Schakal ganz ähnlich. Bei Tag machen sie zwar wenig Ungelegenheit; sie sind zufrieden, wenn man sie ruhig in der Sonne liegen oder ihre Beute verzehren läßt. Bei Nacht geht es freilich nicht so gelassen her. Sie bellen beständig, packen aber niemanden an, besonders wenn man einen Diener bei sich hat, der mit einem Stock und einer Laterne versehen ist. Unter sich haben sie oft Händel und Raufereien, wobei es manchmal sogar Tote gibt. Sie leiden durchaus nicht, daß ein fremder Hund ihr Gebiet, nämlich die Gasse oder den Platz betrete, den sie innehaben. Über einen solchen Fremdling fallen alle her und verfolgen ihn, bis er den Platz räumt oder tot liegen bleibt. Darum sieht man höchst selten, daß jemand einen Haushund mit sich nimmt, man müßte das Tier beständig tragen, und dessenungeachtet würden diese ungebetenen Gäste nachlaufen und immerwährend bellen und heulen. Die Hundekrankheit, die Wut, kennt und fürchtet man bei diesen herumirrenden Tieren nicht, obwohl niemand für ihre Nahrung sorgt. Sie nähren sich von den ekelhaftesten Exkrementen, die sie im Überfluß auf allen Straßen finden, da jeder Unrat aus den Häusern hinausgeworfen und hinausgeschüttet wird. Vor einigen Jahren wollte man sie aus Konstantinopel verbannen und gab sie auf zwei unbewohnte Inseln im Meer von Marmara, und zwar die Männchen auf die eine, die Weibchen auf die andere. Allein der Unrat nahm nun in der Stadt dermaßen überhand, daß man sie gern wieder zurückberief.
Die Stadt ist nicht beleuchtet. Jedermann, der nachts ausgeht, muß eine Laterne mit sich tragen. Wird er von der herumstreifenden Wache ohne diese ertappt, so muß er ohne Gnade und Barmherzigkeit aufs nächste Wachthaus wandern und die Nacht dort zubringen. Die Stadtteile werden nach Sonnenuntergang geschlossen.
Sosehr ich von der himmlischen Lage Konstantinopels entzückt war, in ebendem Grad mißfiel mir das Innere. Schmutz und Gestank, die man überall antrifft, die engen, häßlichen Gassen, das ewige Bergauf- und Bergabsteigen auf den schlechtesten Wegen verleidet nur zu schnell den Aufenthalt in dieser Stadt. Und alles dieses wird noch durch die beständige Angst vor Feuergefahr überboten.
In jedem Haus sind große Koffer und Körbe bereit, damit man, wenn irgendwo Feuer ausbricht, seine Habseligkeiten schnell hineinwerfen und fortschaffen kann. Zu diesem Zweck macht man mit zwei oder drei Türken einen Vertrag, zahlt ihnen jeden Monat eine Kleinigkeit, und dafür müssen sie zur Stunde der Not erscheinen, um die gepackten Kisten und Koffer an sichere Orte zu schaffen und überall helfend zur Hand zu sein. Auf die Ehrlichkeit der Türken kann man sicherer bauen als auf die der Christen und Griechen. Höchst selten soll ein Beispiel vorkommen, daß der Türke von dem ihm anvertrauten Gut etwas entwendet. Die ersten Nächte erschrak ich vor jedem Lärm, besonders wenn der Wächter durch die Straße zog und mit dem Stock auf die Steine stieß. Im Fall einer Feuergefahr schlägt er an jedes Haustor und schreit: »Feuer! Feuer!« Gott sei Lob und Dank! ich erlebte keines.
Ich wählte zu dem Ausflug nach diesem berühmten Begräbnisort der Türken einen Freitag, um zugleich die schreienden Derwische besuchen zu können.
Auf einem leichten Kaïk durchschnitt ich, in Gesellschaft eines französischen Arztes, den Bosporus. Wir fuhren an dem einige hundert Schritt von der Küste Asiens im Meer stehenden, so viel besungenen Leanderturm vorüber und gelangten sehr bald an unser Ziel.
Ein eigenes Gefühl ergriff mich, als ich zum erstenmal in meinem Leben einen andern Weltteil betrat. Es war mir, als ob ich jetzt erst getrennt, unendlich weit von meiner Heimat wäre. Später, als ich an Afrikas Küste landete, machte es nicht halb soviel Eindruck mehr auf mich.
Nun stand ich also in dem Weltteil, aus dem der Mensch seinen Ursprung herleitet, in dem er hochgestiegen und auch wieder so tief gefallen, daß ihn Gott in seinem gerechten Zorn bald für immer vertilgt hätte. Und hier in Asien war es wieder, wo Gottes Sohn erschien, um den gefallenen Menschen die Palme der Rettung zu reichen. Mein lang genährter, heißer Wunsch, diesen merkwürdigsten der Weltteile zu betreten, war nun erfüllt, und mit Gottes Hilfe hoffe ich mit froher Zuversicht auch jene Stellen zu erreichen, von welchen das wahre Licht der Menschheit ausging!
Skutari ist der Ort, nach dem der Muselman mit dem Verlangen sieht, dort einst begraben zu werden. Kein anderer Glaubensgenosse darf da unter ihnen aufgenommen werden. Hier fühlen sie sich heimisch und ihres Propheten würdig. Es ist daher auch der großartigste Begräbnisort der Welt. Stundenlang kann man in diesem Zypressenwald von Grab zu Grab wandeln, ohne das Ende zu erreichen.
Auf den Grabsteinen der Männer sind Turbane, auf jenen der Frauen und Kinder Blumen und Früchte ausgemeißelt, meistens eine erbärmliche Arbeit.
Die Hauptstraße und die Nebengassen sind in Skutari nicht eben, aber doch etwas besser gepflastert und nicht gar so eng wie in Pera. Ganz besonders schön nimmt sich die große Kaserne auf der Spitze im Vordergrund aus, mit der wundervollen Aussicht nach dem Meer von Marmara und nach dem einzig schönen Bosporus.
Um zwei Uhr betraten wir den Tempel, ein elendes, hölzernes Haus. An der Andachtsübung kann jeder Muselman teilnehmen, er muß sich nicht erst zur Würde eines Derwisches emporgeschwungen haben. Ja Kinder von acht bis zehn Jahren reihten sich schon außerhalb des Kreises der Männer an, um sich beizeiten für diese Übungen geschickt zu machen.
Der Anfang dieser Zeremonie ist ebenso wie bei den tanzenden Derwischen; sie haben Teppiche oder Tierfelle vor sich ausgebreitet und beginnen mit Bücklingen und Bodenküssen, dann stehen sie auf und bilden, mit den Laien gemischt, einen Kreis, worauf der Vorbeter mit gellender Stimme die Gebete aus dem Koran vorschreit und nach und nach die im Kreise Stehenden einfallen und mitschreien. In der ersten Stunde geht es noch etwas gelassen her, sie setzen öfters aus, um ihre Kraft nicht zu erschöpfen, die erst gegen das Ende in höchsten Anspruch genommen wird. Dann aber erscheint das Gräßlichste, was man nur sehen kann. Sie suchen einander im Schreien und Heulen zu übertreffen und machen dabei alle nur denkbaren Bewegungen und Grimassen mit dem Körper, Kopf und Gesicht. Dieses Gebrüll wie von wilden Tieren, diese gräßlichen Zuckungen und Verzerrungen machen diese Andachtsübung zu einem schaudererregenden Schauspiel.
Sie stoßen mit den Füßen auf den Boden, werfen den Kopf mit Blitzesschnelle vor- und rückwärts und gebärden sich gewiß ärger als einst die vom Teufel Besessenen. Während dieser Übung legen sie die Kopfbedeckung, sowie auch nach und nach alle Kleidungsstücke bis auf das Beinkleid und Hemd ab. Die beiden Oberpriester, welche im Kreise stehen, empfangen ein Stück nach dem andern, küssen es und legen alles zusammen an einen Ort. Die Priester geben mit den Händen den Takt, der nach der Entkleidung in ein immer schnelleres Tempo übergeht. Allen läuft der Angstschweiß in schweren Tropfen vom Gesicht, einigen kommt sogar Schaum aus dem Mund. Am Ende ist das Gebrüll und Geheul so fürchterlich, daß es Ohren und Sinne betäubt.
Einer dieser Wahnsinnigen stürzte leblos zu Boden. Der Oberpriester und einige aus dem Kreise eilten auf ihn zu, streckten seinen Körper aus, legten Füße und Hände kreuzweis übereinander und bedeckten ihn mit einem Tuch.
Der Herr Doktor und ich erschraken sehr, weil wir dachten, er sei vom Schlag getroffen. Doch freudig wurden wir überrascht, als er nach sechs bis acht Minuten plötzlich das Tuch von sich warf, aufsprang und sich neuerdings in den Kreis stellte, um mitzuwüten.
Um vier Uhr war alles beendet. Ich würde keinem nervenschwachen Menschen raten, dies Schauspiel anzusehen, er könnte es nicht aushalten. Ich dachte nicht unter vernünftigen Menschen, sondern unter lauter Rasenden und Besessenen zu sein. Lange konnte ich nicht zu mir selber kommen und begreifen, daß der Wahnsinn des Menschen so weit gehen könne. Man sagt, daß sie vor dieser Übung Opium genössen, um sich recht zu exaltieren.
Wer die reizende Lage von Konstantinopel im vollen Maße genießen will, besteige den Turm in Galata nächst Pera oder den Serasker in Konstantinopel. Ersterer verdient nach meiner Meinung den Vorzug. In diesem Turm befindet sich ein Saal mit vierzehn Fenstern in der Rundung, und von diesen Fenstern aus erblickt man Bilder, welche die kühnste Einbildungskraft nicht schöner zu schaffen vermag.
Zwei Weltteile liegen vor uns an zwei Meeren ausgebreitet, die der Bosporus verbindet. Die herrlichen Hügel mit ihren Städten und Dörfern, die Menge von Palästen, Gärten, Kiosken und Moscheen, die Prinzeninseln, das Goldene Horn, das ewige Leben auf dem Meer, die ungeheure Flotte nebst den vielen Schiffen anderer Nationen, das Gewühl der Menschen in Pera, Galata und Tophane: alles dies vereint gewährt einen entzückenden Anblick. Die reichste Phantasie ist nicht imstande, ein solches Gemälde hervorzubringen, die geübteste Feder unvermögend, eine Beschreibung davon zu entwerfen. Dieses herrliche Bild wird nie meinem Gedächtnis entschwinden, wenn ich gleich nicht die Kraft besitze, es zu schildern.
Oft und mit großem Vergnügen bestieg ich diesen Turm, und stundenlang saß ich an den Fenstern, Gottes und der Menschen Werke zu bewundern. Ermüdet und ermattet vom vielen Schauen, kehrte ich stets in meine Wohnung zurück. Ich glaube behaupten zu können, daß kein Punkt der Welt ein ähnliches Bild darbietet oder sich mit ihm vergleichen kann. Wie sehr hatte ich recht, diese Reise jeder andern vorzuziehen. Hier ist eine andere Welt vor meinen Augen entfaltet. Alles ist anders: Natur, Kunst, Menschen, Sitten, Gebräuche und Lebensart. Hierher muß man kommen, wenn man etwas anderes als das Alltägliche der europäischen Städte und ihrer Bewohner sehen will.
In die eigentliche Stadt Konstantinopel gelangt man auf einer großen, langen und breiten hölzernen Brücke, die über das Goldene Horn führt. Die Stadt hat etwas bessere Gassen und Pflasterung wie Pera. Reges Leben herrscht nur auf und in den Bazaren und am Meeresgestade. In den übrigen Gassen ist es ziemlich tot.
Der Bazar ist von unendlichem Umfang, mit bunten, gedeckten, sich durchkreuzenden Gassen, die das Licht von oben erhalten. Jeder Handelsartikel hat seine eigene Straße. In der einen sitzen lauter Goldarbeiter, in der andern die Schuhmacher, hier sieht man nichts als Seidenstoffe, dort wieder echte Schals usw.
Jeder Kaufmann hat einen kleinen, offenen Kramladen, vor welchem er sitzt und die Vorübergehenden beständig zum Kaufen einlädt. Wer etwas kaufen oder ansehen will, setzt sich auch vor die Bude. Die Kaufleute sind sehr gutmütig und gefällig: willig entfalten und zeigen sie ihre Schätze, selbst wenn sie merken, daß man nicht im Sinn hat, etwas zu kaufen. Ich stellte mir jedoch die Auswahl und Pracht der Waren viel großartiger vor, als ich sie fand; das kommt aber daher, weil man die wahren Schätze der Kunst und Natur wie echte Schals, Edelsteine, Perlen, kostbare Waffen, Goldstickereien und so weiter nicht hier suchen darf; diese sind in den Wohnungen oder Magazinen der Eigentümer hinter Schloß und Riegel wohl verwahrt. Dorthin muß man wandern, wenn man das Vorzüglichste sehen will.
Am zahlreichsten sind die Gassen der Schuh- oder Pantoffelmacher. Da sieht man eine Pracht und einen Reichtum, den man sich nicht leicht vorstellen kann. Es gibt Pantoffeln, von denen das Paar tausend Piaster (ein Piaster gilt in der Türkei fünf Kreuzer), ja wohl noch mehr kostet. Sie sind mit Gold bestickt und mit Perlen und Edelsteinen geziert.
Auf dem Bazar ist beständig eine so große Lebhaftigkeit, daß man Mühe hat sich durchzudrängen, obwohl der Mittelraum sehr breit ist und man nur selten Reitenden oder Fahrenden auszuweichen braucht. Allein die Bazare und Bäder sind die Versammlungs- und Unterhaltungsorte der türkischen Frauenwelt. Unter dem Vorwand des Kaufens oder Badens schlendern sie oft halbe Tage herum und unterhalten sich mit Plaudern, mit Liebesabenteuern oder mit Warenansehen.
Der Eintritt in die Moscheen ist ohne bedeutende Kosten sehr schwer zu erhalten. Man muß sich einen Ferman lösen, der auf tausend bis tausendzweihundert Piaster zu stehen kommt. Gewöhnlich ist ein spekulierender Lohndiener so vernünftig, in den größeren Gasthöfen sich nach Reisenden zu erkundigen, die die Moscheen zu besuchen wünschen. Er läßt sich von jeder Person vier bis fünf Collonati (ein Collonato ist ein spanischer Taler im Wert von zwei Gulden) bezahlen, verschafft sich den Ferman und gewinnt oft bei diesem Geschäft vierzig bis fünfzig Gulden. Die Gelegenheit, auf diese Art in die Moscheen zu kommen, bietet sich gewöhnlich einigemal im Lauf eines jeden Monats.
Auch ich hatte gedacht, Konstantinopel unmöglich verlassen zu können, ohne die vier Wundermoscheen Hagia Sophia, Sultan Ahmed, Nuru-Osmaniye und Süleimaniye gesehen zu haben.
Ich war so glücklich, gegen eine ganz kleine Gabe hineinzukommen, und heute noch würde es mich reuen, wenn ich fünf Collonati dafür gezahlt hätte.
Für einen Architekten mögen diese Moscheen recht interessant sein, aber für profane Menschen gleich mir ist nicht viel Anziehendes daran. Die Schönheit besteht gewöhnlich allein in den kühnen Wölbungen der Kuppeln. Im Innern sind sie leer, nur einige große Lüster mit sehr vielen, ganz einfachen Glaslampen sind hin und wieder angebracht. Die Marmorböden sind mit Strohmatten bedeckt. In der Hagia Sophia stehen einige Säulen, welche von Baalbek und Ephesus hierhergebracht wurden, und in einer Nebenabteilung sieht man mehrere Sarkophage.
Wenn man in die Moschee geht, muß man entweder die Schuhe ausziehen oder Pantoffel darüber nehmen. Die Vorhöfe, in welche jedermann gehen darf, sind sehr groß, mit Marmorplatten gepflastert und äußerst rein gehalten. In der Mitte steht ein Brunnen, wo sich der Muselman Hände, Füße und Gesicht wäscht, ehe er die Moschee betritt. Rings um die Moschee läuft meistens eine offene Vorhalle, auf Säulen gestützt. Herrliche Platanen und Ahornbäume verbreiten vor denselben den angenehmsten Schatten.
Die Moschee Sultan Ahmeds auf dem Hippodrom ist von sechs Minaretten umgeben. Die andern haben oft nur zwei, drei, höchstens vier an den Seiten.
Eine schöne und lobenswerte Einrichtung sind die Garküchen für Bedürftige, die ganz nahe an den Moscheen errichtet sind. Hier wird der arme Muselman mit einfachen Gerichten wie Reis, Bohnen, Gurken usw. auf Kosten des Staates gespeist. Sehr wunderte es mich, an dergleichen Orten kein Gedränge zu finden. Eine ebenso zweckmäßige Einrichtung sind, da die Religion jedes hitzige Getränk verbietet, die überall befindlichen Brunnen mit reinem, gutem Wasser. An vielen solchen Brunnen sind eigens Diener angestellt, die nichts anderes zu tun haben, als zehn oder zwölf glänzend reine, messingene Trinkschalen stets mit diesem erfrischenden Nektar zu füllen und jedem Vorübergehenden, er mag Türke oder Franke sein, zu reichen. Bier- und Weinhallen findet man hier nicht. Wollte Gott, dies wäre überall so. Wie mancher Teufel würde wenigstens kein armer sein, und wie viele blieben bei ihrer hellen Vernunft.
Unweit der Nuru-Osmaniye-Moschee ist der
Ich betrat ihn mit Herzklopfen und bedauerte schon im voraus diese armen Geschöpfe. Wie erfreut war ich daher, sie nicht halb so traurig und verwahrlost zu finden, wie wir Europäer es uns gewöhnlich vorstellen. Überall sah ich freundlich lächelnde Gesichter, aus deren Grimassen und Bewegungen man deutlich schließen konnte, daß sie über jeden Fremden ihre Glossen und Bemerkungen machten.
In einem großen Hof laufen ringsherum kleine Kammern, in welchen die Sklaven wohnen. Bei Tag können sie im Hof herumspazieren, sich gegenseitig besuchen und schwatzen nach Belieben.
Auf so einem Markt sieht man natürlich alle Farbabstufungen von Lichtbraun bis ins Rabenschwarze. Die Weißen und die ausgezeichnet schönen Schwarzen sind nicht dem Auge jedes Fremden preisgegeben. Sie werden besonders in den Wohnungen der Seelenverkäufer verwahrt. Die Bekleidung dieser Leute ist höchst einfach. Entweder haben sie nur ein großes Tuch, in welches sie sich einhüllen, oder sonst ein Stück von einer einfachen Kleidung, das den Körper notdürftig bedeckt, und selbst dieses müssen sie ablegen, wenn ein Käufer erscheint. Solange sie in den Händen der Makler sind, werden sie freilich nicht am besten gehalten, sie sehen daher auch mit wahrer Freude dem Augenblick entgegen, wo ihnen das Los einen Herrn bestimmt. Dann ist ihr Schicksal gewöhnlich erträglich. Sie nehmen immer die Religion ihrer Herrschaft an, werden mit Arbeit nicht überhäuft, sind gut gekleidet und genährt und werden nicht mißhandelt. Auch Europäer kaufen Sklaven, dürfen sie aber nicht als solche behandeln; von dem Augenblick, da ein Sklave von einem Franken gekauft ist, erhält er seine Freiheit. Sie bleiben aber gewöhnlich bei ihrem Kaufherrn.
ist natürlich für uns Europäer ein höchst anziehender Punkt. Mit der gespanntesten Neugierde begab ich mich dahin, um abermal wieder viel weniger zu sehen und zu finden, als ich gehofft hatte. Das Ganze zwar ist ungemein großartig; manche kleine Stadt wird nicht soviel Raum einnehmen wie dieser Ort: eine Menge von Häusern und Gebäuden, Kiosken und Sommersitzen, erstere umgeben von Platanen und Zypressen, letztere in Gärten und Bosketten halb verborgen, aber alles ohne Symmetrie und Geschmack. Ich sah etwas vom Garten, betrat den ersten und zweiten Hof und blickte sogar in den dritten. In den beiden letzteren Höfen zeichnen sich die Gebäude besonders durch viele Kuppeln aus. Ich sah einige Zimmer und Säle, welche mit lauter europäischen Erzeugnissen, mit Möbeln, Uhren, Spielkästen, Vasen usw., überladen waren. Meine Erwartung war bald enttäuscht!
Der Ort, wo einst die Köpfe der in Ungnade gefallenen Paschas aufgesteckt wurden, befindet sich im dritten Hof, aber, Gott sei Dank, abgehauene Köpfe sieht man nicht mehr an den Pfählen stecken.
In den kaiserlichen Harem war ich nicht so glücklich zu kommen, ich hatte zu wenig Verbindungen. Doch gelang es mir in der Folge meiner Reise, einige Harems besuchen zu können.
Der schönste und größte Platz in Konstantinopel ist der Hippodrom. Er ist nach jenen in Kairo und Padua der größte, den ich sah. Zwei Obelisken von rötlichem Granit, mit Hieroglyphen überladen, sind die einzige Zierde dieses Platzes. Die ihn umgebenden Häuser sind wie überall aus Holz und mit verschiedenen Ölfarben angestrichen. Ich sah hier eine Menge recht niedlicher Kinderwagen, die von Menschen gezogen wurden. Gar viele Eltern versammeln sich auf diesem Platz, um ihre Kinder so spazierenfahren zu lassen.
Unweit des Hippodroms sind die ungeheuren Zisternen mit den tausend Säulen. Einst mag dieser großartige Bau einen wundervollen Anblick geboten haben. Jetzt führt eine erbärmliche, höchst beschädigte hölzerne Treppe von fünfunddreißig bis vierzig Stufen in die Tiefe einer der Zisternen, deren Decke von dreihundert Säulen getragen wird, die aber nicht mehr mit Wasser gefüllt ist, sondern Seidenspinnern zur Werkstätte dient. Zu diesem Zweck ist dieses Lokal aber auch wie geschaffen, es erhält das Licht von oben und ist im Sommer ein kühler, im Winter ein warmer Aufenthalt. In die tieferen Stöcke kann man nicht mehr dringen, weil sie größtenteils verschüttet oder mit Wasser gefüllt sind.
Die Justinianische und Valentinianische Wasserleitung, welche sich auch in der Stadt befinden, sind unermeßliche Werke. Sie ziehen sich von Belgrad bis über die Süßen Wasser, eine Strecke von sieben Stunden, und versehen ganz Konstantinopel hinlänglich mit Wasser.
Bevor ich der Stadt Konstantinopel für diesmal Lebewohl sagte und nach Pera zurückwanderte, ersuchte ich meinen Begleiter, mich in einige Kaffeehäuser zu führen, um auch da das eigentümliche Leben der Türken kennenzulernen. Einen Vorgeschmack solcher Lokale bekam ich zwar schon in Giurgiu und Galatz, allein in dieser Kaiserstadt dachte ich sie mir ein bißchen netter und schöner. Der Eintritt in das erste nahm mir aber sogleich diesen Wahn. Eine elende, schmutzige Stube, in welcher Türken, Griechen, Armenier und andere auf hölzernen Diwanen mit kreuzweis untergeschlagenen Beinen saßen, rauchten und Kaffee tranken, war das Ganze, was sich meinem Blick darbot. In einem zweiten sah ich mit großem Ekel, wie die Kaffeebude zugleich eine Barbierstube vorstellte; auf der einen Seite wurde Kaffee serviert, auf der andern rasierte man gerade den Kopf eines Türken. Selbst Aderlässe sollen in diesen Buden stattfinden.
In einem etwas besseren Kaffeehaus fanden wir einen sogenannten Märchenerzähler. Da sitzen die Zuhörer im Halbkreis, vorn steht der Erzähler. Ganz gelassen fängt er seine Geschichten aus »Tausendundeiner Nacht« an, doch mit der Fortsetzung steigt seine Begeisterung, und am Ende fällt er in ein Schreien und Agieren wie der beste Kulissenreißer einer wandernden Bühne.
Scherbet wird nicht in allen Kaffeehäusern gereicht; man findet aber überall Buden und Ständchen, wo dieses kühlende, schmackhafte Getränk zu bekommen ist. Es besteht aus Abgüssen von Obstsäften, gemischt mit Zitronen- und Pomeranzensaft. Gefrorenes bekommt man nur in Pera, im fränkischen Kaffeehaus oder bei dem fränkischen Zuckerbäcker. Den Kaffee müssen die Kaffeesieder alle gebrannt und gestoßen von der Regierung nehmen, dieser Artikel ist ein kaiserliches Monopol. Es besteht auch zu diesem Zweck ein eigenes Gebäude in Konstantinopel, wo der Kaffee durch Maschinen pulverisiert wird. Der Kaffee wird allgemein samt dem Bodensatz und sehr stark gemacht getrunken, woran ich mich nicht gewöhnen konnte.
Ungemein lohnend ist ein
der größten Vorstadt Konstantinopels und zugleich dem Ort, wo sich die reichsten und vornehmsten Türken begraben lassen.
Eyub Ansari, der Fahnenträger Mohammeds, ruht hier in einer der schönsten Moscheen, die ganz aus weißem Marmor erbaut ist. Kein anderer Glaubensgenosse als der Muselman darf dieses Heiligtum betreten. Von außen kann man jedoch durch die Fenster, die hoch und breit sind und beinahe bis an den Boden reichen, sehr gut hineinsehen. Im Saal steht der Katafalk mit einer reich mit Gold bestickten Decke und mit fünf oder sechs echten Schals überlegt. An der Stelle, wo der Kopf ruht, liegt ein schöngewundener Turban, ebenfalls aus echten Schals. Um den Hauptkatafalk stehen noch mehrere andere, in welchen seine Gemahlinnen, Kinder oder nächsten Verwandten ruhen. Hart an der Moschee befindet sich ein wunderschöner Brunnen aus weißem Marmor, mit einem eisernen, aber vergoldeten Geländer umgeben, an welchem zwölf glänzend reine, messingene Trinkschalen stehen. Ein Türke hat eigens Dienst, selbe den Vorübergehenden zu reichen. Ein geschnörkeltes Gärtchen zieht sich hinter der Moschee entlang. Auf dieselbe Art wie die Moschee Eyubs sind auch alle jene gebaut, in welchen die Sultane liegen, nur liegt auf dem Katafalk statt des Turbans ein schöner Fez mit dem Reiher. Die Moschee, in welcher der letztverstorbene Kaiser Mahmud der Zweite liegt, gehört zu den schönsten.
In Eyüp sieht man viele der kostbarsten Monumente, welche mit reichvergoldeten, geflochtenen Eisengittern, auf deren Zacken der Halbmond glänzt, umgeben sind. Diese Gitter sind außerordentlich hoch und bilden eine Wölbung, unter welcher ein steinerner Sarkophag steht, der mit Rosen und kleinen Zypressenbäumen, an welchen sich Efeu und Myrten winden, umpflanzt ist. Man würde sich aber sehr irren, wenn man dächte, daß nur der Reiche hier begraben liege. Der Arme findet ebenso sein Plätzchen, und gar häufig sieht man neben dem Prachtmonument den einfachen Stein, der das Grab des letzteren deckt.
Auf dem Rückweg begegnete ich der Leiche eines türkischen Armen. Wenn man mich nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, würde ich sie ganz übersehen haben. Der Körper war in eine Decke gerollt, oben und unten zusammengebunden und auf einem Brett befestigt, welches ein Mann auf der Achsel trug. Am Grab wird der Tote nochmals gewaschen, in reine Leinwand gewickelt und so in die Grube versenkt. Sehr einfach, und so ist es auch recht gut. Muß denn der Pomp und die Verschwendung den Menschen noch bis an das Grab geleiten? Sehr wünschenswert wäre es, legten wir hierin von unsern Gebräuchen, von dem irdischen Flitter etwas ab. Ich will damit nicht sagen, daß die Bestattung gar so einfach zu sein brauchte; überall ist der Mittelweg das beste. Eine einfache Bestattung erhebt gewiß mehr zur Andacht als die Pracht und Herrlichkeit, welche nur zu häufig bei solchen Gelegenheiten an der Tagesordnung sind. Ach, da haben die Menschen viel zuviel zu schauen und zu kritteln, es bleibt ihnen keine Zeit, auch nur eine würdige Betrachtung für sich oder ein andächtiges Gebet für den Verstorbenen zu Gott zu senden.
Die Häuser in ganz Konstantinopel, wozu Pera, Tophane usw. gehören, sind sehr leicht und nachlässig gebaut. Keine Tür, kein Fenster schließt und paßt, die Fußböden haben oft zollbreite Fugen, und dennoch sind die Mieten außerordentlich teuer. Die Ursache davon ist die beständige Feuergefahr, welcher man in diesen aus Holz gebauten Städten ausgesetzt ist. Jeder Hausherr fürchtet, im Lauf von fünf bis sechs Jahren abzubrennen, während dieser Zeit will er sein Kapital samt Zinsen hereinbringen. Man findet daher hier nirgends so schön und bequem eingerichtete Wohnungen wie in den übrigen europäischen Städten.
In Pera ist ein Theater, das bei sechs- bis siebenhundert Menschen fassen mag. Zu der Zeit, als ich daselbst war, gab eine italienische Sängergesellschaft wöchentlich vier Vorstellungen. Man hörte Opern der berühmtesten Meister. Ich hatte mit einer Vorstellung genug. Es ist zu wundern, daß sich eine solche Unternehmung rentiert, denn der Türke hat zuwenig Sinn für Musik, und der Franke hat wieder zuviel dafür, um bald mit etwas zufriedengestellt zu werden.
Die Wagen, in welchen gewöhnlich nur Frauen fahren, sind von zweierlei Art; die erstere Art ist ballonartig, schön bemalt und vergoldet, mit hohen Rädern. An beiden Seiten haben sie Öffnungen, zu welchen man mittelst hölzerner Schemel gelangt, die der Kutscher bei jedesmaligem Ein- und Aussteigen anlegt. Diese Fenster oder Öffnungen kann man mit Jalousien schließen. Der Wagen enthält weder Sitze noch Polster. Jedermann, der ausfährt, nimmt Teppiche und Polster mit, breitet sie in den Wagen und setzt sich mit untergeschlagenen Beinen hinein. In einem solchen Fuhrwerk haben vier Personen Platz. Die zweite Art Wagen unterscheidet sich durch noch höhere Räder, auf welchen ein länglicher Kasten ruht, der oben gedeckt und von allen Seiten offen ist. Man steigt von hinten ein. In diesen haben oft acht Personen Raum. Ein Wagen ersterer Art wird von einem Pferd gezogen, das in der Gabel geht; oft sind auch zwei Pferde eingespannt. Das andere Fuhrwerk wird von einem oder zwei Ochsen gezogen, die ebenfalls in der Gabel gehen, nur wölbt sich ober denselben noch ein Bogen, der mit Blumen, farbigem Papier und Bändern geziert ist. Der Kutscher geht neben jedem dieser Fuhrwerke zu Fuß, um seine Tiere mit größerer Aufmerksamkeit durch die holperigen, löcherigen Straßen, die auch dazu beständig bergab und bergauf führen, leiten zu können.
Lastwagen gibt es nicht; alles wird entweder von Menschen, Pferden oder Eseln getragen. Nirgends sieht man daher auch so viele Lastträger wie hier. Sie sind gewandt und sehr kräftig; oft trägt ein Mann eine Last von hundert bis hundertfünfzig Pfund auf diesen schlechten, bergigen Straßen. Holz, Kohlen, Eßwaren, Baumaterialien werden von Pferden und Eseln geschleppt. Das mag auch viel Ursache an der Teuerung sein, die in Konstantinopel herrscht.
An einem Sonn- oder Feiertag sind die Süßen Wasser von Europa sehr besucht. Man fährt gewöhnlich in einem Kaïk über das Goldene Horn, in welches das Süße Wasser einmündet, gegen fünf viertel Stunden. Man kann aber auch zu Land dahin gelangen.
Ein großer Rasenplatz, umschattet von Bäumen, ist das Ziel der dahin wogenden Menge. Da sieht man Menschen von allen Gegenden der Welt und von allen Farben in größter Harmonie auf Teppichen, Matten und Polstern gelagert, die Pfeife im Mund, sich mit Kaffee und Naschwerk labend. Recht viele hübsche Jüdinnen sieht man darunter, die meist unverschleiert gehen.
An dem türkischen Feiertag, dem Freitag, geht es ebenso lebhaft in den asiatischen Süßwassern zu, und hier gibt es für uns Europäer mehr und Interessanteres zu sehen, indem da die Mehrheit aus Türken und Türkinnen besteht. Letztere haben wie überall das Gesicht ganz verhüllt, das Schönste aber, ihr feuriges Auge, ist doch sichtbar.
Die Fahrt auf dem Meer zu den asiatischen Süßwassern ist ohne Vergleich schöner und erhabener als die zu den europäischen. Man fährt im Bosporus dem Schwarzen Meer zu, bei dem neuen, wunderschönen Palast des Sultans vorüber. Dieser Palast ist zwar auch nur aus Holz, aber die Säulen, Treppen und das Erdgeschoß sind aus blendend weißem Marmor überraschend schön gebaut. Die zwei vergoldeten Flügeltore sind aus Gußeisen und sind Meisterwerke zu nennen. Sie wurden in England um achttausend Pfund Sterling gekauft. Der Palast ist oben terrassenartig, und eine wunderschöne Galerie, ebenfalls nur aus Holz, aber künstlich geschnitzt, läuft um diese Terrasse. Man fährt nun noch an den beiden alten Schlössern, welche die Einfahrt nach Konstantinopel beschirmen, vorüber und lenkt rechts nach den Süßen Wassern ein. Die Lage dieses Ortes ist herrlich, er liegt in einem schönen Tal, von grünenden Hügeln umfangen.
Sehr interessant ist die Fahrt nach Chalcedon, einer Halbinsel im Marmarameer auf der Seite Asiens, die mit Skutari zusammenhängt. Wir fuhren auf einem zweirudrigen Kaïk in fünf viertel Stunden hin. Das herrlichste Wetter begünstigte uns. Eine Menge Delphine umgaukelte unsern Kahn, und überall sah man diese zahmen Fische sich herumtummeln und in die Lüfte schwingen. Eine besondere Eigenheit dieser Tiere ist, daß sie nie einzeln, sondern immer in Gesellschaft schwimmen, zu zweien, vieren usw.
Die Ansichten, welche man auf dieser Fahrt genießt, sind überaus reizend. Links fährt man ziemlich nah an Skutari, den Vordergrund bilden niedere Gebirge, über welche der entfernte, schneebedeckte Olymp herüberschillert. Die öden Prinzeninseln nebst den beiden Hundsinseln sind gerade nicht das Schönste in dieser Landschaft, dagegen sieht man aber rechts weit ins Meer von Marmara und den größten Teil von der eigentlichen Stadt Konstantinopel.
Auf Chalcedon ist nichts als ein Leuchtturm. Schöne Rasenplätze mit einigen Bäumen und ein Kaffeehaus sind die Anziehungspunkte der Städter.
Ein Ausflug zu Wasser nach Balukli ist empfehlenswert. Man kommt an der ganzen türkischen Flotte, die sehr bedeutend ist, vorüber und sieht das größte Schiff der Welt, den Mahmudie mit hundertvierzig Kanonen, der unter dem letztverstorbenen Sultan Mahmud erbaut wurde. Auch mehrere Dreidecker mit hundertzwanzig Kanonen, wovon einige abgetakelt sind, und außerdem viele Kriegsschiffe mit vierzig bis sechzig Kanonen liegen im Hafen. Man fährt bei anderthalb Stunden im Marmarameer links des großen Kais, der die Mauern Konstantinopels umgibt. Hier sieht man erst recht die ungeheure Ausdehnung dieser Riesenstadt. Wir kamen auch an den Sieben Türmen vorüber, deren man aber nur fünf sieht, die beiden anderen sollen zusammengestürzt sein. Haben diese Türme keine andere Bestimmung, als die europäischen Gesandten bei Unruhen oder Feindseligkeiten einzusperren, so können die andern fünf wohl auch noch zusammenstürzen, denn eine solche Schmach werden sich die europäischen Mächte von den hinfälligen Türken schwerlich mehr gefallen lassen.
Gleich hinter den Sieben Türmen stiegen wir an Land und gingen eine halbe Stunde lang durch öde, menschenleere Gassen zum Stadttor hinaus in den Zypressenhain, der einen großen freien Platz, worauf eine recht artige griechische Kirche steht, dem spähenden Blick noch auf kurze Zeit verbirgt. An den griechischen Osterfeiertagen soll es hier oft so toll zugehen, daß blutige Köpfe nicht zu den seltensten Erscheinungen gehören. In der Kirche befindet sich eine kalte Quelle mit kleinen Fischen. Die Sage spricht, daß an den Osterfeiertagen diese armen Tiere halb gebacken und dennoch lebend herumschwimmen, weil einst, als Konstantinopel belagert wurde, ein Feldherr behauptete, daß diese Stadt ebensowenig eingenommen werde, als jenes Wunder sich ereignen könne. Konstantinopel wurde eingenommen, und das Volk sieht seit jener Zeit noch immer an diesem Tag dies unerhörte Wunder.
Auf dem Rückweg zu unserm Kaïk sahen wir am Ufer einen ungeheuren Tintenfisch von mehr als vierzehn Fuß Länge, welcher soeben gefangen und getötet worden war. Eine Menge Fischer bemühte sich, dieses Untier mit Stricken und Stangen an das Land zu bringen.
Die nähern Spaziergänge bei Pera sind der große und kleine Campo, und etwas weiter entfernt die große Brücke, welche Tophane mit Konstantinopel verbindet, eine der unterhaltendsten Promenaden, indem man das Leben und Treiben auf den beiderseitigen Ufern sieht. Auf dem kleinen Campo befinden sich zwei fränkische Kaffeehäuser, vor welchen man ganz nach europäischer Art auf Stühlen sitzt, sich einer angenehmen Musik erfreut und sich dabei mit Gefrorenem laben kann.
Während meiner Anwesenheit in dieser Stadt war ich so glücklich, einigen recht interessanten Festen beizuwohnen. Das schönste darunter war jenes am 23. April, dem Sterbetag Mohammeds.
Schon am Vorabend hatten wir ein feenartiges Zauberbild. Es wurden die Spitzen aller Minarette mit Hunderten von Lämpchen erleuchtet, und da es eine große Menge solcher schlank gebauter Türmchen gibt, so kann man sich das Flammenmeer in den Lüften vorstellen. Die türkischen Schiffe boten dasselbe Schauspiel im Hafen dar. An jeder Luke, wo sonst der Schlund einer Kanone herausstarrte, stand statt derselben eine große Lampe. Um neun Uhr abends wurden von jedem Schiff Salven gegeben, und in demselben Augenblick, als geschossen wurde, verschwanden die Lampen, Blitz und Pulverdampf umgaben die Schiffe, und gleich darauf, wie durch einen Zauberschlag, standen die Lampen wieder an ihrem Platz. Dies wiederholte sich dreimal.
Der Morgen des 23. wurde mit dem Donner der Kanonen begrüßt. Alle türkischen Schiffe hatten ihre Flaggen gehißt, und farbige Papiergirlanden schlangen sich bis an die höchsten Spitzen der Masten.
Um neun Uhr ging ich in Gesellschaft mehrerer Fremden nach Konstantinopel, um den feierlichen Zug des Großherrn nach der Moschee zu sehen. Militär war so wie bei uns zu beiden Seiten aufgestellt. Den Anfang des Zuges bildeten das Offizierkorps und die Beamten des Staates, jedoch folgte immer nach zwei Offizieren oder Beamten deren Dienerschaft, meist zwölf bis fünfzehn Leute in sehr gemischten Anzügen, halb europäisch, halb türkisch, halb militärisch; kurz ein rechtes Quodlibet. Dann kamen die Prachtpferde des Sultans, herrliche Tiere, größtenteils echte Araber, die mit reich mit Gold, Edelsteinen und Perlen bestickten Decken geziert waren und stolz ihre Köpfe unter schönen Schwungfedern wiegten. Ihre stolze Haltung und ihr schöner Gang entzückten alle Pferdekenner. Hierauf folgten viele Pagen zu Fuß; diese sind aber keine Jünglinge wie in andern Ländern, sondern erprobte Männer. In ihrer Mitte ritt der jugendliche Kaiser, gehüllt in seinen Mantelkragen, den Fez geschmückt mit einem schönen Reiher, welcher von dem größten Diamant, der in Europa existiert, gehalten wird, auf dem Kopf. Wo der Sultan vorüberzog, begrüßte ihn der Freudenruf des Militärs, nicht der des Volkes. Das Militär beschloß den Zug; die Haltung desselben ist jedoch nicht halb so stolz und erhaben wie jene der Pferde, was ich ganz natürlich finde; letztere darf kein böses Auge betrachten, während erstere ganz der Willkür ihrer Offiziere anheimgestellt sind. Auch ich möchte lieber des Sultans Pferd als dessen Soldat sein.
Die Uniformen der Offiziere, die mit Gold überladen sind, gleichen sehr jenen unserer Husaren. Die Gemeinen haben recht bequeme Hosen und Jacken aus blauem Tuch mit roten Aufschlägen; manche hatten ganz rote Jacken. Die Artilleristen haben rote Brustlätze. Ihre Fußbekleidung ist unter aller Kritik; einige haben Stiefel, oft sogar mit Sporen, andere Schuhe, die hinten eingetreten und ganz zerrissen waren; manche wieder Pantoffeln. Strümpfe trägt keiner, und so blickt überall der nackte Fuß hervor. Ebenso ungeregelt ist die Zusammenstellung der Mannschaft, gar oft steht ein Zwerglein neben einem Riesen, ein zwölf oder vierzehnjähriger Junge neben einem angehenden Greis, ein Schwarzer neben einem Weißen usw.
Es war bei diesem Fest sehr viel Volk versammelt, und bei allen Fenstern sah man nichts als vermummte Frauenköpfe.
Man warnte uns, diesem Fest beizuwohnen, da es ein rein religiöses sei und der Fanatismus der Muselmänner den Franken Unannehmlichkeiten zuziehen könne. Aber Gott sei Dank, die Neugierde der Gesellschaft, mit welcher ich ging, war größer als ihre Furcht, wir drängten uns überall durch, und ich hatte abermals Gelegenheit, mich zu überzeugen, daß man den guten Türken in manchem unrecht tut. Nicht nur, daß wir von niemandem beleidigt wurden, wir errangen sogar mit leichter Mühe recht gute Plätze.
Die Griechen hatten an ihren Osterfeiertagen ein Fest auf dem großen Campo. An allen drei Tagen ziehen die Hamaks (Wasser- und Lastträger) nach dem Gottesdienst mit Spiel und Gesang, unter Lärm und Geschrei ihre Sacktücher in den Lüften schwingend, in Massen nach dem Campo, teilen sich da in verschiedene Gruppen und unterhalten sich so wie in allen Ländern. Es sind eine Menge Zelte aufgeschlagen, worunter gekocht und gebraten wird. Da sitzen ganze Gesellschaften auf dem Boden oder auf den Grabsteinen und essen und trinken in gemütlicher Ruhe; dort sieht man mehrere Schaukeln, überladen mit Männern und Kindern; da hört man einen Dudelsack sausen oder eine Pfeife und eine Trommel lärmen, daß man die Ohren zuhalten möchte, wobei ein wahrer Bärentanz aufgeführt wird. Sechs, acht Tänzer schließen um den Musikchor einen halben Zirkel, die beiden Flügelmänner dieser leichtfüßigen Erdentreter schwingen beständig ihre Sacktücher in die Höhe und tappen dabei plump und langsam im Kreis herum. Die Frauen können zwar bei diesem Fest erscheinen, aber sie dürfen weder am Tanz noch am Schaukeln teilnehmen. Sie halten sich dafür tapfer an das Naschwerk, an Kaffee und Leckereien jeder Art. Die wohlhabendere Klasse fährt an diesen Tagen nach Balukli, um das Wunder der halbgebackenen und dennoch lebenden Fische anzustaunen.
Da die Griechen nicht so gutmütig sind wie die Türken, so nehmen letztere selten teil an diesen Unterhaltungen. Türkinnen kommen gar nicht hin.
Am 8. Mai sah ich ein echt türkisches Fest in der Nähe des Pfeilplatzes.
In der Ebene, welche rings von Hügeln umgeben ist, bildeten Menschen aller Nationen einen weiten, aber dichten Kreis. Kawasse (Gendarmerie) hielten Ordnung, und einige Offiziere saßen im Kreis, um wieder ihre Kawasse im Zaum zu halten. Das Schauspiel begann. Zwei Ringer oder Gladiatoren traten auf, beinahe ganz entkleidet, nichts als ein Beinkleid von starkem Leder deckte die Hüften. Sie hatten sich den ganzen Körper mit Öl eingerieben, damit die Gelenke weich und rührig blieben und der Gegner bei jedesmaligem Anfassen abglitt. Sie machten dem Publikum mehrere Verbeugungen, fingen mit leichten Ringübungen an und setzten dazwischen auf Augenblicke aus, um Kraft und Ausdauer nicht zu schnell zu verlieren. Dann fing der Kampf neuerdings an und wurde immer hitziger, bis endlich einer von beiden als Sieger von der jubelnden Volksmenge begrüßt ward. Sieger ist der, welcher seinen Gegner so kräftig zu Boden wirft, daß er imstande ist, sich auf ihn wie auf ein Pferd zu setzen. Ein solcher Kampf währt gewöhnlich eine Viertelstunde. Der Sieger geht dann triumphierend im Kreis herum, den Lohn zu sammeln. Der arme Besiegte verbirgt sich hinter den Zusehern und wagt kaum den Blick zu erheben. Diese Spiele wiederholen sich durch mehrere Stunden; die einen treten ab, um von andern ersetzt zu werden.
Griechinnen, Türkinnen oder Armenierinnen dürfen an diesem Schauspiel nur von fern Anteil nehmen. Sie sitzen deshalb oben auf den Hügeln. Im übrigen geht es ebenso zu wie am griechischen Osterfest. Es wird gegessen, getrunken und getanzt. Von Bier, Wein oder Likör ist nirgend etwas zu sehen und folglich auch von keinem Betrunkenen.
Die türkischen Offiziere waren hier ebenfalls so artig, uns als Fremden die besten Plätze anzuweisen. Überhaupt hatte ich vielfach Gelegenheit, den Charakter des Muselmanen zu beobachten, und fand zu meiner Freude, daß er viel besser und ehrlicher ist, als die vorgefaßte Meinung uns glauben läßt. Selbst im Handel und in anderen Geschäften ist es besser, mit einem Türken zu tun zu haben als mit den andern Nationen, selbst unsere Glaubensgenossen nicht ausgenommen.
Die Witterung fand ich während meines Aufenthaltes in Konstantinopel vom 5. April bis 17. Mai 1842 ebenso veränderlich wie bei uns, so zwar, daß manchmal die Temperatur binnen vierundzwanzig Stunden um zwölf bis vierzehn Grad wechselte.
Die beiden Brüder, Freiherren v. B., und der talentvolle Maler Herr S. beschlossen, eine Partie nach Brussa zu machen, und als ich den gleichen Wunsch äußerte, waren sie so gefällig, mich als vierte Person ihrem Bund beitreten zu lassen; doch als es zur Ausführung kam, wäre ich bald wankend geworden. Es fragte mich nämlich jemand, ob ich gut reiten könne. Wäre dies nicht der Fall, dann sollte ich ja nicht mitgehen, denn von dem Hafenort Gemlik seien es vier deutsche Meilen nach Brussa, der Weg schlecht, und die Herren müßten scharf reiten, um von halb drei Uhr nachmittags, der gewöhnlichen Landungsstunde zu Gemlik, die Stadt vor Sonnenuntergang zu erreichen. Wenn ich nicht fortkäme, würde ich die Herren in große Verlegenheit setzen, oder sie müßten mich gar auf dem Weg zurücklassen.
Ich hatte noch nie auf einem Pferd gesessen und war nahe daran, die Wahrheit zu sagen, doch meine Neugier, Brussa, die schöne Stadt am Fuß des Olymps, zu sehen, war überwiegend, und ich behauptete ganz kühn, daß ich zu Pferd gewiß nicht zurückbleiben würde.
Am 13. Mai um halb sieben Uhr morgens fuhren wir auf einem kleinen Dampfschiff mit vierzig Pferdekräften von Konstantinopel ab. An den Prinzen- und Hundsinseln vorüber brausten wir durch das Meer von Marmara dem schneebedeckten Olymp entgegen, bis wir nach siebenstündiger Fahrt Gemlik erreichten.
Gemlik, vierunddreißig Seemeilen von Konstantinopel entfernt, ist ein erbärmliches Nest; allein als Hafen in Bithynien ziemlich lebhaft. Der Agent der Donauschiffahrtsgesellschaft war so gefällig, uns gute Pferde und einen echten, kräftig und wild aussehenden Turkomanen als Führer zu verschaffen. Dieser hatte im Gürtel einige Pistolen nebst einem Dolch, an der Seite einen stark gebogenen Säbel und statt der doppelten Beschuhung hohe Stiefel, die oben mit einem sehr breiten Streifen weißen Tuches, auf welchem blaue Blumen und Zierate gestickt, überschlagen waren. Den Kopf zierte ein schöner Turban.
Um halb drei Uhr kamen die Pferde. Ich schwang mich ganz beherzt auf meine Rosinante, empfahl mich meinem Schutzgeist, und nun ging es zwar noch langsam, aber doch über Stock und Stein. Meine Freude war unbegrenzt, als ich mich fest sitzend auf dem Pferd fühlte, allein als der Trab anfing, wurde mir ganz kurios zumute, ich konnte mit den Steigbügeln nicht zurechtkommen, bald saßen sie mir auf der Ferse, bald verlor ich sie ganz und kam dadurch in Gefahr, das Gleichgewicht zu verlieren. Ach, daß ich hätte jemand um Rat fragen können! Leider konnte ich es nicht, ohne meine Unkenntnis des Reitens zu verraten. Ich blieb daher vorsätzlich die letzte, unter dem Vorwand, daß mein Pferd stützig sei und nur dann gut gehe, wenn es die andern vor sich habe; die eigentliche Ursache aber war, daß die Herren meine Manöver nicht sähen, denn alle Augenblicke glaubte ich herabzustürzen. Mit beiden Händen erfaßte ich oft den Sattel und schwankte bald auf die eine, bald auf die andere Seite. Der Galopp, auf den ich mich noch mehr fürchtete, ging zu meiner Verwunderung besser als der Trab. Mein Mut wurde belohnt, und ich erreichte zwar tüchtig zusammengerüttelt, aber doch ohne Unfall das Ziel unserer Reise. Während der Zeit, als es im Schritt ging, hatte ich auch Muße gehabt, die Gegend zu betrachten. Die Hälfte des Weges führt von einem Tal in das andere; sooft man einen Hügel erklimmt, hat man vor sich eine beschränkte Aussicht, allein man darf den Kopf nur rückwärts wenden, um einen schönen Überblick über das Marmarameer zu haben. Nach einem Ritt von dritthalb Stunden gelangten wir an einen kleinen Chan, wo wir ein halbes Stündchen Rast machten. Ein Chan ist ein steinernes Gebäude, das einige ganz leere Zimmer enthält, um den Reisenden, in Ermangelung der Gasthöfe, Schutz und Schirm gegen Nacht oder Wetter zu gewähren. Gewöhnlich hält sich ein Türke dabei auf, der den Reisenden schwarzen Kaffee serviert. Nicht weit davon erreichten wir den letzten Hügel und das große Tal, an dessen Ende Brussa, an den Olymp sich lehnend, liegt, öffnete sich dem erwartenden Blick, während man noch immer rückwärts, weit über Berg und Tal hinaus, das vom Horizont begrenzte Meer erblickt. Schön ist diese Ansicht, aber Schöneres sah ich doch schon in der Schweiz. Das ungeheure Tal, welches sich vor Brussa ausbreitet, ist unkultiviert, menschenleer und wasserarm; kein üppiger Rasenteppich, kein rauschender Strom, kein freundliches Dörfchen beleben die herrliche und dennoch einförmige Gegend, und keine Riesenberge, auf denen ewiger Schnee thront, starren in das ausgebreitete Tal. Ach, solche Bilder sah ich in der Schweiz, Tirol und Salzburg gar viele. Hier fand ich wohl auch einzelne Schönheiten, aber kein Ganzes. Der Olymp ist ein schöner, majestätischer Berg, der eine lange Grenze bildet, dessen Höhe aber kaum sechstausend Fuß überschreiten mag, und der noch diesen Monat seiner silberweißen Schneeflächen gänzlich beraubt wird. Brussa mit den unzähligen Minaretten ist der einzige Lichtpunkt, auf den das Auge immer fällt, weil sonst weit und breit nichts Anziehendes ist. Ein kleiner Bach, über welchen eine sehr hohe steinerne Brücke führt, der aber schon im halben Mai so wenig Wasser hatte, daß es unsern Pferden kaum den Huf deckte, und näher gegen Brussa ein elendes Dörfchen nebst einigen Oliven- und Maulbeerpflanzungen sind alles, was man auf diesem langen Weg sieht.
Den Olivenbaum fand ich überall, hier wie bei Triest oder in Sizilien, häßlich. Sein Stamm ist zerrissen, die Blätter sind schmal und schmutzig grün. Dagegen ist der Maulbeerbaum mit seinem üppig fetten, glänzend grünen Laub eine angenehme Erscheinung. Die Seide ist in diesen Gegenden von vorzüglicher Güte, weshalb auch die Stoffe von Brussa weit und breit berühmt sind.
Glücklich erreichten wir die Stadt noch vor Sonnenuntergang. Nichts Fataleres kann einem begegnen, als wenn man eine Stadt im Orient nach Sonnenuntergang erreicht; da sind die Tore geschlossen, und vergebens würde man sich um Einlaß bemühen.
Wir mußten, um zu dem Gasthof zu gelangen, beinahe durch die ganze Stadt reiten, wobei wir Gelegenheit hatten zu sehen, daß sie ebenso häßlich ist wie das Innere Konstantinopels. Die Straßen sind eng, die Häuser aus Holz, Lehm, manche sogar aus Stein erbaut, alle aber haben ein ärmliches und dabei eigentümliches Aussehen: das erste Stockwerk jedes Hauses nämlich hat so weit hervorragende Erker, daß selbe mehr als den halben Teil der Gasse einnehmen und diese dadurch eng und dunkel machen. Auch der Gasthof, in welchem wir abstiegen, sah von außen nicht sehr einladend aus, wir waren schon sehr wegen des Nachtquartiers in Angst. Allein so erbärmlich das Äußere war, so angenehm fanden wir uns im Innern überrascht. Ein geräumiger netter Hof, in dessen Mitte wir ein Bassin mit hellsprudelndem Wasser, umschattet von mehreren Maulbeerbäumen, erblickten, erregte gleich unsere Aufmerksamkeit. Ringsherum befanden sich in zwei Stockwerken große, reinliche, ganz einfach eingerichtete Zimmer. Die Kost war gut, und man kredenzte uns sogar eine Flasche vortrefflichen Weines von der untern Region des Olymps.
14. Mai 1842
Früh morgens besahen wir unter der Leitung und dem Schutz eines Kawassen die Stadt und deren Umgebung. Die Stadt selbst ist sehr groß; sie soll über zehntausend Häuser haben und wird nur von Türken bewohnt. In den Vorstädten, welche bei viertausend Häuser zählen, wohnen Christen, Juden, Griechen usw. Die Stadt zählt dreihundertsechzig Moscheen, die meisten darunter sind aber so verfallen und unansehnlich, daß man sie kaum bemerkt.
Der Eintritt in die Moscheen ist hier in Begleitung eines Kawassen erlaubt. Wir gingen in die vorzüglichsten, worunter unstreitig die Ulu-Cami gehört. Die Kuppel, welche ein wahres Meisterwerk sein soll, ruht auf zierlichen Säulen. Oben ist sie offen und verbreitet ein sanftes Licht und eine reine Luft in der Moschee. Gerade unter dieser Kuppel befindet sich ein großes Marmorbecken, in welchem kleine Fische sich erlustigen.
Die Moschee Sultan Mohammeds I. und die Yildirim-Cami sind wegen ihrer schönen Bauart nicht zu übersehen, und bei letzterer, die auf einer Anhöhe liegt, ist die Aussicht lohnend. In der Moschee Murads I. sieht man noch Stücke seiner Kleider und Waffen hängen. Kaiserliche Prachtgebäude, deren manche Schriftsteller erwähnen, sah ich nicht. Der kaiserliche Kiosk ist so einfach, daß, wenn man nicht der schönen Aussicht wegen hinaufginge, es um jeden Schritt schade wäre.
Eine steinerne, ganz gedeckte Brücke über ein ungeheuer hohes, aber wasserarmes Flußbett verbindet die Stadt mit den Vorstädten. Auf dieser Brücke sind an beiden Seiten kleine Wohnungen angebracht, in welchen Seidenweber wohnen und arbeiten. Diese Brücke erregte meine Bewunderung in hohem Grad, denn ihre Bauart schien eher unsern Ländern anzugehören als dem Orient. Ich sah auch keine zweite mehr, weder in Syrien noch in Ägypten.
Die Gassen sind alle höchst tot und menschenleer, was doch bei einer Bevölkerung von hunderttausend Seelen zum Verwundern ist. In den meisten Straßen sieht man mehr Hunde als Menschen. Nicht nur in Konstantinopel, sondern in den meisten Städten des Orients gibt es eine Unzahl herrenloser Hunde.
Einiges Leben ist wie überall in den Bazaren und besonders in den gedeckten. Der vorzüglichste Handelsartikel besteht in schönen, dauerhaften Seidenstoffen, wovon die schönsten und kostbarsten in den geschlossenen Magazinen aufbewahrt werden. Auf dem gemeinen Bazar fanden wir nichts als Eßwaren, darunter kleine, äußerst unschmackhafte Kirschen. Kleinasien ist das Vaterland dieser Frucht; aber Herrliches sah ich weder hier noch acht Tage später in Smyrna.
Brussa hat einen außerordentlichen Reichtum an kristallreinen, kalten Quellen, welche dem Olymp entströmen. Von allen Seiten durchschneiden unterirdische Kanäle die Stadt, in vielen Gassen hört man das Gemurmel des Wassers unter und neben sich, und jedes Haus hat Brunnen und Bassins, ja selbst in den Bazaren sind dergleichen angebracht.
In der Nähe nimmt sich der Olymp nicht halb so gut aus wie in einiger Entfernung. Der Fuß desselben ist von mehreren kleinen Hügeln umgeben, welche dem Gesamtüberblick hinderlich sind.
Die Bäder, die eine halbe Stunde von der Stadt entfernt sind, haben eine freundliche Lage und großen Reichtum an mineralischem Wasser; viele Fremde kommen hierher, ihre verlorene Gesundheit zu erlangen.
Das schönste unter den Bädern heißt Yeni Kaplica. Ein runder hoher Saal enthält ein großes Vollbad in Marmor gefaßt, darüber wölbt sich eine herrliche Kuppel mit einer Menge (man sagt sechshundert) Lichtgläser, die das Ganze magisch beleuchten.
Die Rückreise nach Konstantinopel lief nicht so ganz glücklich ab. Einer der Herren stürzte vom Pferd und zerbrach sich seine Taschenuhr. Sättel und Riemzeug sind gewöhnlich so schlecht, daß man alle Augenblicke etwas zu knüpfen und zu machen hat. Wir ritten gerade ein bißchen scharf, der Halfter riß, und Sattel und Reiter flogen hinab. Ich kam glücklich zurück, obschon ich oftmals in Gefahr war, vom Pferd zu stürzen, ohne daß ein Riemen zu reißen nötig gehabt hätte.
Die Herren waren mit mir sehr zufrieden, denn nie blieb ich zurück, und nirgends wurden sie meinetwegen aufgehalten. Erst als wir auf dem Schiff waren, gestand ich mein Wagestück und meine ausgestandene Angst.