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Reise von Wien nach Konstantinopel

Seit Jahren lebte der Wunsch in mir, eine Reise in das Heilige Land zu machen. Jahre gehören dazu, um mit dem Gedanken eines so gewagten Unternehmens vertraut zu werden. Als daher meine häuslichen Verhältnisse sich so gestaltet hatten, daß ich mich wenigstens auf ein Jahr entfernen konnte, hatte ich nichts eifriger zu tun, als mich auf diese Reise vorzubereiten. Ich las manche Werke darüber und war auch so glücklich, mit einem Herrn bekannt zu werden, der einige Jahre früher jene Länder bereist hatte. Ich konnte mündlich manche Belehrung und manchen Rat über das Fortkommen und Verhalten auf dieser gefahrvollen Wanderung erhalten.

Vergebens suchten meine Verwandten und Freunde, mich von diesem Vorsatz abzubringen. Höchst lebhaft stellte man mir all die Gefahren und Beschwerden vor, die den Reisenden dort erwarten. Männer hätten Ursache zu bedenken, ob ihr Körper die Mühen aushalten könne und ob ihr Geist den Mut habe, dem Klima, der Pest, den Plagen der Insekten, der schlechten Nahrung usw. kühn die Stirn zu bieten. Und dann erst eine Frau! So ganz allein, ohne alle Stütze hinauszuwandern in die weite Welt, über Berg und Tal und Meer, ach, das wäre unmöglich. Dies war die Meinung meiner Freunde.

Ich konnte nichts als meinen festen unabänderlichen Willen entgegensetzen. Mein inneres Vertrauen auf Gott gab mir Ruhe und Kraft, meine irdischen Angelegenheiten mit voller Besonnenheit zu ordnen. Ich machte mein Testament, bestellte alles derart, daß im Fall des Todes, worauf ich mehr gefaßt sein mußte als auf eine glückliche Rückkehr, die Meinigen alles in bester Ordnung fänden.

Und somit trat ich am 22. März 1842 meine Wanderung von Wien aus an.

Ich fuhr um ein Uhr mittags zu den Kaisermühlen, dem Platz, von welchem die Dampfschiffe nach Pest usw. abgehen. Freudig überraschte mich am Ufer die Anwesenheit einiger Verwandter und Freunde, die mir nochmals Lebewohl sagen wollten. Die Trennung war freilich recht hart, denn unwillkürlich erfaßte uns der Gedanke, ob wir uns in dieser Welt wohl noch einmal sehen würden.

Ein lebhafter Streit an Bord des Schiffes zerstreute ein bißchen unsern trüben Sinn. Ein Reisender mußte auf Ansuchen eines Herrn, statt mit Sack und Pack nach Ungarn zu flüchten, mit der Polizei in die Stadt zurückkehren. Ersterer schuldete letzterem tausenddreihundert Gulden, und glücklicherweise wurde er noch vor der Abfahrt des Schiffes eingeholt. Kaum war dies geordnet, so gab die Glocke das Zeichen der Abfahrt, die Räder begannen ihre Bewegung und entzogen mich für diesmal meinen Lieben nur zu schnell.

Reisende gab es noch wenige. Die Witterung war zwar schön und mild, aber die Jahreszeit noch zu früh, um andere Reisende als Geschäftsleute oder solche mit so umfassenden Plänen, wie ich sie im Kopfe hatte, in die Welt zu führen. Die meisten gingen nach Preßburg oder höchstens nach Pest. Bald hörte man vom Schiffskapitän, daß eine Frau auf dem Schiff sei, die bis Konstantinopel zu reisen gedenke, und nun betrachtete man mich von allen Seiten. Einer der Herren, der dieselbe Reise machte, sprach mich an und bot mir seine Dienste an, wenn ich deren benötigen sollte, und wirklich stand er mir überall schützend zur Seite.

Die schöne milde Witterung wechselte bald mit Wind und Kälte, als wir hinaus in die große Donau kamen. Ich schlug mich in meinen Mantel ein und blieb auf dem Verdeck, um die Umgebung zu sehen, die von Wien bis Preßburg wohl recht lieblich sein mag, wenn sie im Frühlingsschmuck prangt, jetzt aber nur kahle Bäume, nackten Boden darbot, ein unfreundliches Bild des Winters.

Hainburg mit dem alten Schloß auf dem Bergrücken und noch weiter hinab die bedeutende königliche Freistadt Preßburg nehmen sich recht artig aus.

In drei Stunden erreichten wir letztere und landeten in der Nähe des Krönungsberges, einer künstlichen Erhöhung am Ufer der Donau, wohin der König nach der Krönung im feierlichen Ornat mit dem Schwert in der Hand reiten und dasselbe gegen Osten, Westen, Süden und Norden schwingen muß, zum Zeichen, daß er das Königreich gegen alle Feinde, woher sie immer kommen mögen, verteidigen wolle. Unweit von diesem Hügel ist der schöne Gasthof »Zu den drei grünen Bäumen«, wo es so teuer, ja noch teurer wie in Wien ist. Stromabwärts darf man bis unter Pest nicht auf dem Schiff übernachten.

 

23. März 1842

Heute fuhren wir um sechs Uhr morgens ab. Gleich unterhalb Preßburg teilt sich die Donau in zwei Arme und bildet die sehr fruchtbare Insel Schütt, welche zehn Meilen lang und sechs Meilen breit ist. Die Gegend bis Gran ist ziemlich einförmig, dann aber wird sie hübscher. Schöne Hügel und mehrere Berge umschließen dieselbe und bringen Abwechslung ins Gemälde.

Gegen sieben Uhr abends kamen wir in Pest an. Schade, daß es schon ganz finster war. Die wunderschönen Häuser, man könnte sagen Paläste, welche das linke Ufer der Donau zieren, sowie gegenüber die altertümliche und berühmte Festung und Stadt Ofen gewähren einen herrlichen Anblick und verdienen einen längeren Aufenthalt. Ich blieb nur über Nacht, weil ich schon einige Jahre früher mehrere Tage in Pest zugebracht hatte.

Da hier das Dampfschiff gewechselt wird, muß man beim Landen vorzüglich auf jenes Gepäck achthaben, welches man zu Wien nicht im Bureau übergeben hat.

Ich stieg im Gasthof »Zum Jägerhorn« ab. Es ist ein höchst eleganter Ort, aber unverschämt teuer. Ein kleines Stübchen im Hof kostete über Nacht vierundfünfzig Kreuzer.

Schon diesen ganzen Tag war mir sehr unwohl. Heftige Kopfschmerzen, Fieberschauer und wiederholtes Erbrechen ließen mich eine Krankheit und Unterbrechung meiner Reise befürchten. Wahrscheinlich waren diese Übelkeiten eine Folge des schmerzlichen Abschieds von geliebten Freunden und der Veränderung der Luft. Ich konnte nur mühsam mein bescheidenes Kämmerchen erreichen und legte mich gleich zu Bett. Doch glücklich besiegte meine gute Natur all diese Feinde der Gesundheit, und ziemlich erholt begab ich mich des folgenden Tages am

 

24. März 1842

auf unser neues Dampfschiff, die »Galatha« von sechzig Pferdekräften, welche mir aber nicht so nett und niedlich vorkam wie die »Marianne«, die uns von Wien nach Pest geführt hatte. Unsere Reise ging schnell vonstatten, denn schon um zehn Uhr morgens waren wir bei Földvár, welches sich von fern groß und schön ausnimmt, in der Nähe aber gleich einer Seifenblase in nichts zerfließt. Um zwei Uhr kamen wir nach Paks. Hier und an allen wichtigen Orten wird ein Viertelstündchen haltgemacht. Ein Kahn rudert vom Land her, bringt und holt Menschen mit einer solchen bewundernswürdigen Schnelligkeit, daß man kaum die an den Nachbarn gerichtete Rede vollenden kann. Man hat nicht Zeit, sich Lebewohl zu sagen.

Um acht Uhr abends erreichten wir den durch zwei Schlachten berühmten Marktflecken Mohács. Die Festung daselbst wird als Gefängnis für Verbrecher benützt. Wir sahen weder Festung noch Ortschaft. Es war finstere Nacht, als wir ankamen, und um zwei Uhr morgens, den

 

25. März 1842

lichteten wir schon die Anker. Man versicherte mir, daß ich dadurch nichts verloren hätte.

Nach einigen Stunden bekam unser Schiff plötzlich einen so gewaltigen Stoß, daß alles auf das Verdeck eilte, um nach der Ursache zu sehen. Unser Steuermann hatte vermutlich mehr Schlaf als Sehkraft im Auge, gab dem Schiff eine ungeschickte Wendung, und ein Rad blieb nach dem Verlust mehrerer Schaufeln an vorstehenden, über das Wasser ragenden Baumpflöcken hängen. Schnell eilten die Matrosen in die Boote, das Schiff wurde rückwärts geleitet, und so gelang es mit vieler Mühe, uns wieder flottzumachen.

Wir hielten auf Augenblicke zu Dalina und kamen gegen zwei Uhr an der herrlichen und großartigen Ruine des Stammschlosses der Grafen Palffy vorüber. Noch schöner nimmt sich das dem Fürsten Odescalchi gehörige Schloß Illok aus, welches auf einem Berge liegt.

Um vier Uhr landeten wir bei Neusatz, der berühmten Festung Peterwardein gegenüber, deren bedeutende Werke auf einer weit in die Donau reichenden Felszunge liegen. Von dem Freistädtchen Neusatz ist nicht viel zu sehen, indem vorspringende, den Strom selbst beengende Hügel es dem Blick entziehen. Die Donau ist hier ziemlich zusammengeengt. Eine Schiffbrücke verbindet beide Ufer. Hier fängt die Militärgrenze von Österreich an. Die Gegend ist sehr hübsch, besonders gut nimmt sich das Städtchen Karlowitz aus, das in einer kleinen Entfernung vom Ufer an artigen Hügeln, umpflanzt von Reben, liegt. Von diesem Punkt an wird aber die Gegend einförmiger bis Semlin. Die Donau breitet sich schon recht stattlich aus und gleicht oft mehr einem See als einem Fluß.

Um neun Uhr nachts erreichten wir die Stadt Semlin, an deren Ufer haltgemacht wurde. Semlin ist befestigt, liegt an der Einmündung der Save in die Donau, hat dreizehntausend Einwohner und ist die letzte österreichische Stadt am rechten Donauufer.

Als wir uns dieser Stadt näherten, wurden einige Böller auf unserem Schiff gelöst. Man berichtete dem Kellner zu spät davon, er hatte nicht mehr Zeit, die Fenster zu öffnen, und leider zersprang eines davon; ein unersetzlicher Schaden für uns, da die Gegend überall in Schnee gehüllt und die Temperatur auf Null gesunken war. Den Ofen hatte man schon in Wien von seinem Plätzchen verbannt, da die Sonne durch einige Tage ihre milden Strahlen ausgebreitet hatte und man vermessen auf ihre Beständigkeit rechnete. Überhaupt würde ich keinem Reisenden raten, den zweiten Platz auf einem Dampfschiff der Wiener Gesellschaft zu nehmen. Eine größere Unordnung wie da kann es nicht leicht geben. Wer nicht imstande ist, den ersten Platz zu zahlen, der bleibe nur gleich auf dem dritten, nämlich auf dem Verdeck, besonders wenn die Reise nicht weiter als bis Mohács geht. Ist das Wetter schön, so bleibt man ohnehin lieber im Freien, um das Panorama der Donau an sich vorübergleiten zu sehen. Ist das Wetter unfreundlich, so kann man ohne Anstand in die Kajüte des zweiten Platzes gehen, denn niemand ist aufmerksam auf die Reisenden des zweiten und dritten Platzes. Sie können sich wenigstens bei Tag sowohl auf dem Verdeck als unter demselben aufhalten. Von Pest abwärts sind die Frauen gezwungen, mit den Männern in einer Kajüte die Nacht zuzubringen. Dies ist unangenehm und auch unschicklich. Ich lernte später die Schiffe des österreichischen Lloyd und auch französische und italienische kennen und mit ihnen eine gute zweckmäßige Einteilung, Absonderung beider Geschlechter und keine Vernachlässigung des zweiten Platzes.

Die Kälte war so unleidlich, daß man gern jede Öffnung geschlossen hätte, aber des vielen Tabakrauchens und der Ausdünstung all der armen Leute wegen, die einen großen Teil der Fracht im Ungarland ausmachen und bei der geringsten schlechten Witterung von ihrem gezahlten dritten Platz auf den zweiten eilen, hätte man gerne Tür und Fenster aufgerissen. Es ist gar nicht zu beschreiben, was man alles auf diesen Schiffen auszustehen hat. Ungepolsterte Bänke gehören bei Tag zum Sitzen, bei Nacht zum Schlafen. Von einem Waschbecken des Morgens ist keine Spur zu entdecken; und so ging es fort bis zum dritten Dampfschiff, dem »Zriny«, welches wir unterhalb der Donaufälle bestiegen; da fanden wir wenigstens bequeme gepolsterte Bänke. Allein auf keinem Schiff, selbst nicht auf dem »Ferdinand«, mit welchem man schon in das Schwarze Meer kommt und der fatalen Seekrankheit anheimfällt, ist eine Absonderung von Männern und Frauen.

Ich sollte doch glauben, daß man für die hohen Preise dieser Fahrt auf etwas Besseres Anspruch machen könnte. Der erste Platz bis Konstantinopel kostet ohne Zehrung und mit Ausnahme der Nachtlager in Preßburg und Pest hundertzwanzig Gulden, der zweite Platz fünfundachtzig Gulden.

 

26. März 1842

Die verflossene Nacht war für uns Reisende keine Nacht der Ruhe, sondern des Lärmens. Niemand konnte die Augen schließen.

Semlin ist ein bedeutender Ladeplatz; es wurden über hundertachtzig Zentner Waren ab- und dagegen Steinkohlen, Holz und wieder Waren aufgeladen. Die zerbrochene Maschine wurde zurechtgemacht, und dies alles geschah mit einem solchen Lärm und Gepolter, daß man glaubte, das ganze Gebäude müsse über uns zusammenbrechen. Dazu Kälte und Wind, die durch die gebrochene Scheibe ihren beständigen Eingang hielten und uns die Nacht zu einer wahren Höllenqual machten. Um sechs Uhr morgens wurden wir endlich flott. Diesem zufälligen Aufenthalt hatten wir das Glück zu danken, Belgrad, welches der Stadt Semlin gegenüber liegt, die erste türkische Festung und Stadt in Serbien mit 29 000 Einwohnern, sehr gut zu sehen.

Die Lage von Belgrad ist sehr schön. Die Festungswerke ziehen sich vom Ufer der Donau längs eines Berges stufenweise hinauf. Die Stadt mit ihren schlanken Minaretten liegt eine Viertelstunde rückwärts. Hier sah ich die ersten Moscheen und Minarette. Die Moscheen, welche ich von Bord aus sehen konnte, haben ungefähr die Form eines runden, nicht sehr hohen Gebäudes und sind mit einer Kuppel gedeckt, an welche sich ein bis zwei schlanke Minarette, eine Art hoher, runder Säulen schließen. Nun wird die Fahrt teilweise sehr interessant und reich an Abwechslung und an schönen, wie durch einen Zauber malerisch vorübergleitenden Bildern. Die Gebirge beengen den Strom, bis er sich frei und fessellos in der Nähe von Pancsova wieder zu einer Breite von achthundert Klaftern ausdehnt.

Von dem Innern der Städte und der meisten Orte, die man berührt, ist wenig zu sehen, weil nur auf Augenblicke angehalten wird. Da läuft und drängt sich alles durcheinander, die Glocke läutet plötzlich, die Bretter werden aufgezogen, und wer von den Fremden sich um einige Augenblicke verspätet hat, muß bis zur nächsten Station auf dem Schiff bleiben.

In Neusatz geschah dies einem Bedienten, der die Effekten seiner Herrschaft nicht gleich auf das Verdeck warf, sondern sie erst in die Kajüte trug. Der Ärmste mußte bis Semlin mitfahren, um dann eineinhalb Tage zu Fuß nach Hause zu wandern.

Von Pancsova aus erreichten wir, nach einer zweistündigen, äußerst angenehmen Fahrt, die türkische Festung Semendria, die eine wahrhaft schöne Lage hat. Besonders verleihen ihr die vielen Spitzen und Zacken ihrer im maurischen Stil gebauten Wälle und Türme einen eigentümlichen Reiz. Überhaupt zeichnen sich die türkischen Festungen durch ihre schöne Lage aus.

Die Dörfer aber, ganz vorzüglich jene am rechten serbischen Ufer, gleichen an Ärmlichkeit jenen, deren ich leider so viele in Galizien sah: elende Hütten von Lehm, mit Stroh gedeckt, und weit und breit kein Baum und Strauch, der sowohl für das Auge des Reisenden als auch für den Bewohner selbst sehr wünschenswert wäre. Der arme Landmann könnte im Schatten seinem müden Körper einige Erholung gönnen, und dem Reisenden bliebe die Nacktheit und Armut solcher Wohnplätze, die doch jedes fühlende Herz mit Wehmut erfüllt, ein bißchen verborgen.

An dem linken Ufer, welches zu Ungarn gehört und das Banat heißt, ist es wohl nicht gar so arg, es bleibt aber auch da noch gar manches zu wünschen übrig, und man muß sich um so mehr über diese Armut wundern, da dieser Landstrich, überreich an Naturprodukten, die Getreidekammer Ungarns genannt wird.

Auf der österreichischen Seite der Donau sind, von zweihundert zu zweihundert Schritten, Grenzwachen aufgestellt, welche Einrichtung auch von den andern Regierungen an dem linken Ufer bis an die Mündung dieses Stromes in das Schwarze Meer beibehalten wird.

Man würde sich aber sehr irren, wenn man dächte, daß diese Soldaten in Uniform auf ihren Posten stünden. Sie beziehen in ihren erbärmlichen und zerrissenen Kleidern, oft mit nackten Füßen, ihre Station auf acht Tage. Ihre Hütten gleichen einem Stall. Ich trat in einige, um die innere Einrichtung zu sehen, die unmöglich einfacher sein könnte. In der einen Ecke befindet sich eine Feuerstelle, in der andern ein seinsollender Ofen von Lehm zusammengestoppelt. Eine unförmliche Öffnung in der Wand, anstelle des Glases mit Papier überklebt, bildet das Fenster, eine hölzerne Bank die Einrichtung. Was der Bewohner während dieser Zeit zum Unterhalt des Lebens bedarf, muß er sich mitbringen. Dafür erhält er von der Regierung Grund und Boden.

Auf dem russischen Gebiet haben die Soldaten wenigstens Uniformen an.

Immer schöner und reizender wird nun die Reise. Der große mächtige Strom eilt oft brausend und schäumend an hohen Bergen dahin, die ihm kaum einen Ausweg zu gestatten scheinen. Bald bespült er wieder freundlich und ruhig die ihn umgebenden Ufer. Jede Wendung zeigt neue Schönheiten; man weiß nicht, auf welche Seite man das begierige Auge wenden soll. Und stolz und majestätisch beherrscht ihn das Schiff, das sicher und schnell durch die wildromantischen Gegenden dahineilt.

Gegen ein Uhr mittags kamen wir nach Pasiest. Hier ist weiter nichts als ein großer Vorrat von Steinkohlen für die Dampfschiffe, nebst einigen Hütten. Vom Städtchen selbst ist nichts zu sehen.

Eine Stunde unterhalb Pasiest gewährt der mitten aus den Fluten sich erhebende, einzeln stehende Fels Babakai einen imposanten Anblick. Mit ihm vereint sich die am serbischen Ufer lehnende Ruvia Golubac zu einer wunderschönen Landschaft.

 

27. März 1842

Daß doch nie alles vereint sein kann. Jetzt befinden wir uns in den schönsten Gegenden und hofften hier Entschädigung zu finden für die vielen Unannehmlichkeiten, mit denen wir bisher zu kämpfen hatten, allein der Himmel begünstigt uns nicht. Die Witterung ist häßlich, und Schneegestöber treibt uns in die Kajüte. Der Sturm bringt die Donau dermaßen in Aufruhr, daß sie, dem Meere gleich, Wellen wirft. Wir leiden ungemein von Kälte und können uns nirgends erwärmen und betrachten wehmütig die Stelle, wo einst – ein Ofen stand.

Um vier Uhr gelangten wir zwar ohne Unglück, aber ganz erstarrt zu Drencova an und eilten in das von der Dampfschiffahrtsgesellschaft errichtete Gasthaus, wo wir einen gutgeheizten Saal, vortreffliche Kost und ein ziemlich bequemes Lager fanden. Dies war seit Pest der erste Ort, an welchem man sich erholen und erwärmen konnte.

In Drencova ist nichts als dieses Gasthaus und unweit davon ein Wachtposten. Am Ufer zeigte man uns die Barke, welche im Jahre 1839 mit den Reisenden verunglückte, als sie aufwärts der Donaufälle fuhren. Acht Personen, die in der Kajüte saßen, verloren dabei ihr Leben, und nur jene, die außen waren, wurden gerettet.

 

28. März 1842

Frühmorgens bestiegen wir die mit einer Kajüte versehene Barke »Tünte«.

Die Donau wird von Felsen und Bergen immer mehr zusammengedrängt, so daß ihre Breite zwischen Drencova und Fetislav an manchen Stellen nicht über achtzig Klafter beträgt und sie mit doppelter Eilfertigkeit ihrem nahen Ziele, dem Pontus Euxinus, zuströmt.

Der Donaufälle wegen, die zwischen Drencova und Fetislav zu passieren sind, muß man das Dampfschiff mit einer Barke vertauschen. Die Hinabfahrt des Schiffes würde ohne Gefahr stattfinden, allein die Rückkehr desselben wäre mit großen Schwierigkeiten verbunden. Darum bleiben die Dampfschiffe in Drencova zurück, und man befördert die Reisenden stromabwärts in Barken und seit dem Unglücksfall vom Jahre 1839 stromaufwärts in bequemen guten Wägen.

Die Kälte war heute so unleidlich wie gestern, und wenn einer der Reisenden nicht so gefällig gewesen wäre, mir seine Bunda (großer ungarischer Pelz) zu leihen, hätte ich in der kleinen Kajüte sitzen bleiben müssen und würde die interessantesten Stellen der Donau nicht gesehen haben. So aber hüllte ich mich vom Kopf bis zum Fuß tüchtig in den Pelz ein, setzte mich außerhalb der Kajüte auf eine Bank und konnte mit voller Muße die herrlich abgeschlossenen Bilder des Stromes, einer Kette von Seen ähnlich, in mein Gedächtnis aufnehmen. Beinahe bis Alt-Orsova blieben diese Ansichten gleich pittoresk.

Eine Stunde unterhalb Drencova, bei Islaz, riefen uns die Schiffer plötzlich zu: »Der erste Fall!« Gespannt vor Erwartung blickte ich vor. Das Wasser warf kleine Wellen, strömte etwas heftiger und verursachte ein leises Brausen. Wenn man mir es nicht gesagt hätte, daß die Donau hier einen Fall bildet, würde ich es nicht geahnt haben. Ich fand die Klippen und die Gewalt des Stromes zwischen Linz und Krems nicht viel unbedeutender. Freilich hatten wir großen Wasserstand, und da ist die Gefahr nicht halb so groß und das Ganze nicht so schaudererregend anzusehen. Die vielen Felsenzacken, die bei niederem Wasserstand überall drohend hervorblicken und durch die sich der Schiffer mit großer Kunstfertigkeit durchwinden muß, waren unseren Augen verborgen. Wir glitten unbeschädigt darüber weg, und nach ungefähr zwanzig Minuten hatten wir den ersten Fall im Rücken. Die beiden folgenden Fälle sind noch unbedeutender.

Auf der österreichisch-walachischen Seite zieht sich längs des Ufers eine sechs bis acht Stunden lange Straße, die oft von Mauerwerk unterstützt, oft auch den Felsen abgerungen ist. In der Mitte dieses Weges sieht man hoch oben in einer Felsenwand die berühmte Veteranihöhle, eine der unbezwingbarsten Stellen an der Donau, die es gibt. Sie ist mit etwas Schanzwerk umgeben und ganz geeignet, die Durchfahrt auf dem Strom zu sperren. Sie soll so geräumig sein, daß fünfhundert Mann Platz darin haben. Schon zu Zeiten der Römer wurde sie als Verteidigungspunkt der Donau benützt. Dritthalb Stunden abwärts von dieser Höhle sieht man die Trajanstafel, welche in den vorspringenden Felsen eingehauen ist.

Auf der türkisch-serbischen Seite erstrecken sich die Felsenmassen so nahe und tief in den Strom, daß an den meisten Stellen nicht Raum für einen Fußweg ist. Hier war die berühmte Trajansstraße. Man sieht weiter nichts mehr davon als längs des Stromes auf einer Strecke von vier bis fünf Meilen hin und wieder Löcher in die Felsen gehauen, worin starke Stämme eingelassen waren, auf denen einst Bretter lagen, welche die Straße gebildet haben sollen.

Um elf Uhr vormittags kamen wir zu Alt-Orsova an, der letzten Stadt Österreichs im Banater oder Walachischen Militärgrenzbezirk. Hier mußten wir den übrigen halben Tag bleiben.

Die Stadt nimmt sich ziemlich gut aus, sie hat hübsche, meistens neue Häuser. Besonders groß und schön ist jenes der Dampfschiffahrtsgesellschaft. Es gehört aber nicht zur Unterbringung der Reisenden wie zu Drencova. Hier, wie in Preßburg und Pest, muß der Reisende abermals die Kosten des Nachtquartiers zahlen; eine Einrichtung, die ich etwas sonderbar finde, da auf diese Art der Reisende doppelt zahlt, nämlich für seinen Platz auf dem Schiff und für jenen im Gasthof.

Es war gerade Sonntag, als wir ankamen, und ich sah viele Leute in die Kirche gehen. Die Bauern sind ziemlich gut und nett gekleidet. Männer und Weiber tragen lange, blautuchene Röcke. Die Weiber haben um die Köpfe große, weiße, leinene Tücher geschlagen, die hinten lang hinabhängen, und an den Füßen derbe Stiefel; die Männer runde Filzhüte und Sandalen von Baumrinde.

 

29. März 1842

Nachdem wir uns in dem guten Gasthof »Zum goldenen Hirschen« vollkommen erholt hatten, bestiegen wir heute morgen abermals eine neue Barke, den »Saturnus«, der nur oben gedeckt und von allen Seiten offen ist.

Sobald man diese Barke betritt, wird man schon für unrein, d. h. für halb verpestet, angesehen und darf nicht mehr an Land, ohne Quarantäne zu halten; auch begleitete uns ein Guardian bis Gallatz.

Gleich unterhalb Alt-Orsova verläßt man Österreichs Grund und Boden gänzlich.

Nach einer halben Stunde kommt man an der Festung Neu-Orsova vorüber, welche auf einer Insel liegt und eher den Namen einer Ruine verdient. Gegenüber liegt das Fort Elisabetha, bestehend aus einem Turm und mehrerem Mauerwerk, das sich längs des Berges hinanzieht. Dieses Fort liegt an einem der herrlichsten Punkte der Donau.

Nun nähert man sich immer mehr und mehr der gefährlichsten Stelle dieses Stromes, dem Eisernen Tor, von den Türken Demir-Kapu genannt. Wohl eine halbe Stunde vorher verkündet schon das Rauschen des Wassers den gefürchteten Ort. Viele Felsenriffe durchziehen den Strom und bilden eine Menge Wirbel. Diese gefährliche Strecke legten wir in fünfzehn Minuten zurück. Der große Wasserstand half uns ebenso glücklich über das Eiserne Tor wie vorher über die Fälle.

Ich fand diese Fälle tief unter meiner Erwartung und beinahe alles lang nicht den oft so poetisch schönen Beschreibungen entsprechend. Ich schildere alles, wie ich es finde, wie es meinen Augen erschien, ungeschmückt, aber wahr.

Am Ende des Eisernen Tores kommt man an einem Dorf vorüber, in dessen Nähe bei niederem Wasserstand einige Pfeiler der Trajansbrücke zu sehen sind.

Die Gegend fängt an flacher zu werden, besonders am linken Ufer, wo sich die ungeheure Ebene der Walachei ausbreitet und dem Auge nirgends ein Anhaltspunkt geboten wird. Rechts ziehen sich mehrere Staffagen von Hügeln und Bergen hin, deren Hintergrund die feingeformten Linien des Balkans, der durch den Übergang der Russen im Jahr 1829 berühmt ist, schließen. Die Dörfer, deren man höchst selten einige an den Ufern sieht, werden immer erbärmlicher. Sie gleichen mehr Ställen für Vieh als menschlichen Wohnungen. Das Vieh kampiert im Freien, obwohl das Klima nicht viel milder sein mag wie bei uns in Österreich, denn heute, so nahe an April, hatten wir einen Grad Kälte und gestern fünf Grad Wärme nach Réaumur.

Merkwürdig ist es auch, auf welch schnelle und einfache Art das Vieh in diesen Gegenden frei von der Pest erklärt wird. Wenn die Tiere von einem unreinen Ort zu Schiff in die Nähe eines gesunden kommen, so muß das Schiff ungefähr vierzig bis fünfzig Schritte vom Ufer entfernt halten, dann wird jedes Stück in das Wasser geworfen und an das Ufer getrieben, wo schon Leute harren, sie zu empfangen. Nach dieser einfachen Operation sind sie vom Peststoff befreit.

Der Viehbestand scheint in diesen Gegenden sehr bedeutend zu sein. Überall sieht man große Herden Hornvieh, darunter sehr viel Büffel. Ebenso sieht man ganze Scharen Ziegen und Schafe.

Auf dem »Saturnus« fuhren wir höchstens zwei Stunden und bestiegen sodann gegenüber der Festung Fetislav das Dampfschiff »Zriny«.

Um fünf Uhr abends kamen wir an der Festung Vidin vorüber und hielten gegenüber in der Nähe des Ortes Calafat. Hier sollten nur Waren abgeladen und sollte gleich wieder weitergefahren werden, allein der Agent war nirgends zu finden, und so mußten wir Reisende das Opfer dieser Fahrlässigkeit sein und hier über Nacht vor Anker bleiben.

 

30. März 1842

Noch immer war der Agent nicht zum Vorschein gekommen, und es blieb dem Kapitän nichts anders übrig, als den Oberkellner als Wache bei den Waren zurückzulassen. Um halb sieben Uhr früh wurde die Maschine endlich in Bewegung gesetzt, und nach einer schönen angenehmen Fahrt von sechs Stunden erreichten wir Nicopol.

Alle türkischen Festungen liegen am rechten Ufer meistens in schönen Gegenden. Die größeren Städte und Ortschaften sind umgeben von Gärten und Bäumen, welche ihnen ein gar freundliches Ansehen gewähren. Das Innere derselben soll freilich dem Äußern nicht entsprechen. Schmutzige, wirklich enge Gassen, baufällige Häuser und dergleichen sollen dem Fremdling überall störend entgegentreten. Wir landeten bei keiner der Festungen und Städte, für uns war das rechtseitige Ufer das verbotene Paradies, und somit blieb uns das Schöne schön, die Enttäuschung ward uns nicht zuteil.

Ziemlich spät warfen wir Anker in der Nähe eines unbedeutenden Ortes.

 

31. März 1842

Früh morgens wurde abgefahren, und so kamen wir um acht Uhr schon nach Giurgiu.

Diese Stadt liegt am linken Ufer, der Festung Rustschuk gegenüber. Sie zählt sechzehntausend Einwohner und ist ein Hauptstapelplatz der Walachei. Wir mußten bis vier Uhr nachmittags hier verweilen, denn es wurden über sechshundert Zentner Waren nebst acht Wagen abgeladen und Steinkohlen dagegen eingenommen, und hatten daher Muße, das Innere dieser walachischen Stadt in Augenschein zu nehmen.

Doch wie wurden meine Reisegefährten von der Häßlichkeit dieser von außen so vielversprechenden Stadt unangenehm überrascht! Auf mich machte sie nicht halb diesen Eindruck, weil ich dergleichen noch von Galizien her im Gedächtnis hatte. Die Gassen und Plätze sind voll Gruben und Löcher, die Häuser ohne den geringsten Geschmack, ohne Symmetrie ausgeführt; das eine stand in die halbe Gasse hinein, das andere wieder ganz zurück usw. An einigen Orten zogen sich an beiden Seiten hölzerne Buden mit den gemeinsten Lebensmitteln oder sonstigen Bedürfnissen versehen hin, und dies nannte man den Bazar. Die Neugierde zog uns in ein Wein- und in ein Kaffeehaus. In beiden fanden wir nichts als hölzerne Tische und Bänke, beinahe keine Gäste, und diese wenigen der ärmsten Klasse angehörig. Gläser und Tassen werden den Gästen gereicht, ohne sie vorher auszuspülen.

Wir kauften Eier und Butter und gingen in ein Bürgerhaus, um uns ein Gericht nach deutscher Art zuzurichten. Bei dieser Gelegenheit sah ich auch die innere Beschaffenheit eines solchen Hauses. Der Boden des Zimmers war nicht gedielt, die Fenster nur zur Hälfte mit Glas, der andere Teil entweder mit Papier oder feiner Blase überklebt. Übrigens war alles nett und einfach eingerichtet. Ja sogar ein recht bequemer guter Diwan fehlte nicht. Um vier Uhr verließen wir diese Stadt.

Nun wird die Donau nur auf kurze Strecken breit. Sie ist mit Inseln wie besät und deshalb immer mehr getrennt als vereint.

In den Ortschaften sieht man schon griechische und türkische Trachten, jedoch sind die Frauen und Mädchen noch unverschleiert.

An der Festung Silistra kamen wir leider sehr spät vorüber und konnten sie nicht mehr sehen. Unweit davon blieben wir am linken Ufer über Nacht.

 

Den 1. April 1842

kamen wir zeitig an Hârsova vorüber, und um zwei Uhr hielten wir bei Braila, einer Festung, welche die Russen seit dem Jahre 1828 im Besitz haben. Hier wollte man die Reisenden nicht an Land steigen lassen, weil man sie für verpestet hielt, allein unser Guardian trat hervor und gab Zeugnis, daß weder am rechtseitigen Ufer gelandet noch von dort jemand aufgenommen worden sei; darauf durften die Ankömmlinge das feste Land betreten.

Um vier Uhr lagen wir vor Galatz, einer der bedeutendsten Handelsstädte mit achttausend Einwohnern und dem einzigen Hafen der Russen an der Donau. Hier sahen wir die ersten Kauffahrer, Segelschiffe und Barken aller Art, die aus dem Schwarzen Meer kommen. Auch Möwen, die Verkündiger des nahen Meeres, schwirrten über unsern Köpfen.

Es geht hier schon äußerst bunt und lebhaft zu, denn Galatz ist der Sammelplatz von Kaufleuten und Reisenden aus zwei Weltteilen, aus Europa und Asien; es ist der Vereinigungspunkt von drei der größten Monarchien: Österreich, Rußland und der Türkei.

Nachdem der Guardian auch hier dieselben Versicherungen wiederholt hatte wie zu Braila, durften wir das Schiff verlassen. Ich hatte einen Empfehlungsbrief an den österreichischen Konsul, welcher mich nach Übergabe meines Briefes sehr freundlich empfing und für meine Unterkunft auf das gefälligste sorgte.

Die Stadt verspricht viel, aber man sieht ein ebenso schmutziges, erbärmliches Nest wie Giurgiu. Die meisten Häuser sind aus Holz oder Lehm und mit Stroh gedeckt; nur jene der Konsuln und reichen Kaufleute sind aus Stein. Die schönsten Gebäude sind die christliche Kirche und der moldauische Gasthof.

Obwohl Galatz an der Donau liegt, kommt den Einwohnern das Trinkwasser dennoch sehr teuer. Es gibt weder Brunnen in den Häusern noch auf den Plätzen. Die Leute müssen sich alles Wasser von der Donau zutragen und -führen lassen, was eine bedeutende Beschwerde für die Armen und eine ziemliche Ausgabe für die Wohlhabenden ist, da im Winter an den entfernteren Gegenden der Stadt für ein Fäßchen Wasser von zwei Eimern zehn bis zwölf Kreuzer bezahlt werden müssen. Man begegnet beständig an allen Orten und Ecken nichts als Wasserträgern und Wägelchen mit Wasserfässern. Schon öfters hatte man Versuche gemacht, nach diesem unentbehrlichen Element zu graben; es kam zwar zum Vorschein, aber leider ungenießbar, da es salzig schmeckte.

In Galatz wird vierundzwanzig Stunden haltgemacht; ein Aufenthalt, der eben nicht zu den angenehmsten gehört, da weder Stadt noch Umgebung etwas Sehenswertes bieten. Und dennoch werde ich immer mit Vergnügen und Dankbarkeit an diesen Tag denken. Der Herr Konsul H. ist ein gebildeter und gefälliger Mann, der mir, da er selbst viel gereist ist, manchen Rat und manche Verhaltungsregel mit auf die Reise gab. Die Ruhe, Ordnung und Bequemlichkeit, welche ich in seinem Hause fand, war nach einer Reihe so vieler Tage der Entbehrungen eben auch nicht zu verwerfen, und so fand ich hier Erholung für Geist und Körper.

 

2. April 1842

Die Gegend um die Stadt ist so wenig einladend, daß ich gar keine Lust bekam, einen Spaziergang dahin zu machen. Ich blieb also in der Stadt und ging in den holprigen Gassen bergauf und bergab. Kaffeehäuser gibt es hier schon eine Menge, wenn aber die Menschen nicht vor denselben säßen, Kaffee trinkend und Tabak rauchend, so würde man diesen schmutzigen Stuben schwerlich die Ehre antun, sie für solche zu halten.

Auf dem Markt und an den Plätzen sieht man bedeutend weniger Frauen als Männer: letztere tummeln sich überall umher und besorgen zum Teil gleich den Italienern auch die Geschäfte des anderen Geschlechtes. Man sieht ein Gemisch der verschiedenartigsten Nationen.

Der Bazar ist überhäuft mit Südfrüchten aller Art. Orangen und Zitronen sind in solcher Menge vorhanden wie bei uns das gemeinste Obst. Natürlich ist auch der Preis dafür sehr gering. Ganz besonders schön ist der Blumenkohl, der aus Kleinasien gebracht wird. Man findet viele Stücke darunter von der Größe eines Mannskopfes.

Abends mußte ich mich wieder nach dem Hafen begeben, um mich einzuschiffen.

Von dem Wirrwarr, der hier herrscht, kann man sich keinen Begriff machen. Ein hölzernes Geländer ist die Scheidewand zwischen den Gesunden und jenen, welche aus einem Land der Pest kommen oder in dasselbe gehen. Wer diese Grenze überschreitet, darf nicht mehr zurück. Soldaten, Offiziere, Beamte und Aufseher, letztere mit Stöcken und Zangen bewaffnet, stehen am Eingang, um jene, die sich mit Worten nicht abfertigen lassen, mit Gewalt zurückzutreiben. Die Lebensmittel oder sonstigen Effekten werden zum Teil hinübergeworfen oder an die Grenze gestellt, dürfen aber erst berührt werden, wenn sich die Überbringer davon entfernt haben. Ein Herr auf der verpesteten Seite wollte jemandem auf der anderen einen Brief geben; augenblicklich riß man ihm denselben aus der Hand und reichte ihn mittels einer Zange hinüber. Und dabei ist beständig ein solcher Lärm und ein solches Geschrei, daß man sein eigenes Wort kaum hört. Der eine ruft: »Langen Sie mir mein Gepäck herüber«, der andere: »Ach, kommen Sie mir nicht in die Nähe! Rühren Sie mich ja nicht an!« Dazwischen schreien wieder die Aufseher: »Zurück! Zurück!« usw.

Im ganzen kommt mir diese ängstliche Vorsicht doch gar zu übertrieben vor, besonders zu einer Zeit, wo in der Türkei weder die Pest noch sonst eine ansteckende Krankheit herrscht. Einer unserer Reisegefährten wurde schon den vorhergehenden Tag auf unser künftiges Schiff verbannt, weil er das Unglück hatte, an einen Guardian zu streifen, als er nach seinen Effekten sehen wollte.

Um sieben Uhr ertönt der Zapfenstreich, das Gitter wird geschlossen, und die Komödie hat ein Ende. Wir begaben uns nun auf das vierte und letzte Dampfschiff, auf den »Ferdinand«. Im ganzen werden von Wien bis Konstantinopel die Fahrzeuge sechsmal gewechselt, viermal die Dampfschiffe und zweimal die Barken, was eben nicht zu den Annehmlichkeiten der Donaureise gehört.

Der »Ferdinand« ist kein großes, aber ein starkes und bequem gebautes Schiff. Sogar die Kajüte des zweiten Platzes ist nett, und ein niedliches Öfchen verbreitete, da wir selten mehr als sechs bis acht Grad über Null hatten, eine sehr wohltuende Wärme. Eine besondere Abteilung für Frauen ist leider auf dem zweiten Platz nicht vorhanden, jedoch wird wenigstens darauf gesehen, daß von dem dritten Platz niemand auf den zweiten darf. An den Wänden laufen ringsherum zwölf Schlafstellen, und vor denselben befinden sich gut gepolsterte breite Bänke.

 

3. April 1842

Um fünf Uhr morgens fuhren wir aus dem Hafen von Galatz. Etwas später wurden uns Waschbecken und Handtücher gereicht, eine Sache, die man auf den früheren Schiffen gar nicht kannte. Für die Verpflegung, welche ziemlich gut ist, zahlt man des Tages einen Gulden dreißig.

Gegen zehn Uhr gelangten wir an ein bessarabisches, sehr erbärmlich aussehendes Nest, Tchussu, wo eine Viertelstunde angelegt wurde, dann ging es unausgesetzt dem Meer zu.

Ich freute mich schon lang auf das Einlaufen in das Schwarze Meer und dachte mir die Donau in der Nähe dieser Stelle selbst einem Meer gleich. Wie es aber im Leben gewöhnlich geht – »große Erwartungen, kleine Erfolge« –, so war es auch hier. Bei Galatz ist die Donau sehr breit, aber eine geraume Strecke vor dem Ausfluß teilt sie sich in so viele Arme, daß eigentlich keiner majestätisch zu nennen ist.

Gegen drei Uhr nachmittags liefen wir endlich ins Schwarze Meer ein.

Da stürmen nun von allen Seiten die Arme der Donau heran und drängen mit Ungestüm das Meer so weit zurück, daß man nur in großer Ferne einen grünen Streifen desselben entdeckt. Über eine Stunde fährt man noch auf dem gelben, lehmigen, stark bewegten Süßwasser, bis man endlich die Grenze überschreitet und von den salzigen Meeresfluten getragen wird. Äquinoktialstürme und Unwetter trieben zu unserem Unglück ihr Unwesen noch so arg, daß ganze Ladungen des salzigen Elementes unser Verdeck überschütteten. Wir konnten uns kaum mehr auf dem Verdeck halten und gelangten nur mit Hilfe einiger Matrosen in die Kajüte, wohin uns ohnedies der Schall der Speiseglocke rief.

Einige der Reisenden, worunter auch ich gehörte, machten diesmal dem Koch wenig Ehre. Wir hatten kaum einige Löffel Suppe genossen, als uns das Seeübel so derb ergriff, daß wir nicht schnell genug vom Tisch eilen konnten. Ich legte mich nieder und war an diesem Tag nicht mehr imstande, mich zu bewegen und mich auf das Verdeck hinaufzuschleppen, um dies herrliche Schauspiel der Natur bewundern zu können. Die Wellen gingen oft so hoch, daß sie über der Heizröhre zusammenschlugen und uns von Zeit zu Zeit durch diese Öffnung ganze Ladungen Wasser in die Kajüte sandten.

 

4. April 1842

Der Sturm nahm von gestern auf heute bedeutend zu, so daß man sich in den Betten festhalten mußte, um nicht herausgeworfen zu werden. Einem der Reisenden geschah dieser Unfall, da er durch die großen Übelkeiten außerstande war, sich fest anzuklammern.

Da ich mich schon etwas besser fühlte, versuchte ich aufzustehen, wurde aber in demselben Augenblick mit solcher Gewalt an den gegenüberstehenden Tisch geschleudert, daß ich die Lust, einen abermaligen Versuch zu machen, auf lange verlor. An Schlaf war in der Nacht gar nicht zu denken. Das schreckliche Geheul des Windes in den Masten und Tauwerken, das furchtbare Gekrache des Schiffes, das aus seinen Fugen zu gehen schien, das ewige Hinundherlegen desselben, das Rollen der schweren Ankerketten ober uns, das Rufen, Befehlen und Schreien des Kapitäns und der Matrosen, dieser vereinte, unaufhörliche Lärm gönnte uns keinen Augenblick Ruhe. Des Morgens schleppte ich mich noch halb krank mit Hilfe des Dieners hinauf auf das Verdeck in die Nähe des Steuermanns, um die wundervollste Szene der Natur, einen Seesturm, betrachten zu können.

Ich klammerte mich fest an und trotzte kühn den Wellen, die hoch über dem Schiff zusammenschlugen und mich von allen Seiten benetzten, als wollten sie die Hitze meiner Krankheit kühlen. Dafür bekam ich aber auch den klaren, deutlichen Begriff eines Sturmes auf dem Meer; ich sah die Wogen schäumend daherstürmen, sah das Schiff bald in den Abgrund tauchen, bald wieder mit Blitzesschnelle auf den höchsten Wellengipfeln sich erheben. Es war ein grauses, fürchterliches Bild, dessen Anblick mich so ergriff und beschäftigte, daß ich gänzlich mein Übelbefinden vergaß.

Erst spät in der Nacht ließ der Sturm etwas nach, so daß wir nun einlaufen und Anker werfen konnten im Hafen von Varna, den wir schon zehn bis zwölf Stunden früher hätten erreichen sollen.

 

5. April 1842

Heute morgen konnte ich diese schöne Festung und Stadt, die die Russen im Jahre 1828 belagert und eingenommen haben, mit Muße betrachten. Wir blieben daselbst mehrere Stunden. Der obere Raum des Schiffes wurde hier dermaßen mit Geflügel aller Art beladen, daß der Raum für uns Reisende höchst beschränkt war. Dieser Artikel scheint von Türken und Franken in Konstantinopel sehr gesucht zu sein, denn der Schiffskapitän versicherte mir, daß sie bei jeder Abfahrt von Varna mit dieser Ware vollgeladen nach Stambul führen.

 

6. April 1842

Der schönste Anblick der Welt, auf welchen ich mich schon bei meiner Abreise freute, die Fahrt durch den Bosporus, wurde mir durch die Nacht entzogen. Erst einige Tage später machte ich diesen Ausflug auf einer Kaïk, einem äußerst leicht und schmal gebauten Kahn, und genoß da in vollen Zügen Ansichten und Bilder, die ich nicht vermögend bin zu schildern.


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