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Der Mensch kommt durch die Unbehilflichkeit seines tierischen Zustandes zu Einsichten.
Seine Einsichten führen ihn zum Erwerb.
Der Erwerb zum Besitzstand.
Der Besitzstand zum gesellschaftlichen Zustand.
Der gesellschaftliche Zustand zur Macht und zur Ehre.
Ehre und Macht zur Unterwerfung, zur Beherrschung.
Unterwerfung und Beherrschung zum Adel, zum Dienststand, zur Krone.
Alle diese Verhältnisse rufen einen gesetzlichen Rechtszustand herbei.
Das gesetzliche Recht ruft der bürgerlichen Freiheit.
Der Mangel dieses Rechts führt die Tyrannei und die Sklaverei herbei, d.i. einen Zustand, in welchem die Menschen ohne gegenseitig bildende und bindende Gesetze dennoch gesellschaftlich vereinigt leben.
Ich folge dem Gang der Natur von einer anderen Seite. Ich finde in mir selbst ein Wohlwollen, bei dessen Dasein Erwerb, Ehre, Eigentum und Macht mich in meinem Innersten veredeln und durch dessen Mangel alle diese Vorzüge meines gesellschaftlichen Daseins auf Erden mich in meinem Innersten entwürdigen.
Ich forsche der Natur dieses Wohlwollens nach und finde dasselbe in seinem Wesen sinnlich und tierisch: aber ich erkenne auch eine Kraft in mir selbst, dasselbe in meinem Innersten zu veredeln und heiße dieses also veredelte Wohlwollen Liebe. Aber auch die Liebe gefahret, durch mein Lechzen nach eigener Behaglichkeit sich in meinem Innersten zu verlieren; wenn dieses geschehen, so finde ich mich in mir selbst verödet und als eine Waise; dann suche ich mich durch die Kraft meines Ahnungsvermögens über die Grenzen alles hier möglichen Forschens und Wissens zu der Quelle meines Daseins zu erheben und bei ihr Handbietung gegen die Verödung meiner selbst in mir selbst und gegen alle Übel und Schwächen meiner Natur zu suchen.
Ich frage mich jetzt: Ist die Reihe dieser Vorstellungen richtig? Geht die Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts diesen Weg? und faßte dann jeden Hauptbegriff dieser Sätze einzeln ins Auge.
Der Mensch labet sich an der Quelle seines Wissens mit reinem Wasser und wenn er sich weiter wagt, wenn er die großen Wellen der ewigen Meere durchbricht und über ihre unergründlichen Tiefen daherschwimmt, so erhebt sich sein Herz im schwellenden Busen. Einer trinkt dann auch wohl in der Brandung am Felsengestad giftigen Schaum; einer wagt sich in Untiefen, die er nicht kennt; ein anderer in den Strom, wo er Gebirge mit sich in seinen Schlund reißt; sie gehen in der Kühnheit ihrer Bestrebungen einzeln vielseitig dem Tod entgegen. Aber das Grab der Menschheit, worein unser Geschlecht ungezählt und zu Haufen hineinsinkt, sind die weiten Ebenen, wo eingezwungene Wasser zum stehenden Sumpf werden; du findest in ihrem weiten Raum keine Stelle zum Trinken, keine zum Schwimmen, keine zum Baden, aber du sinkest mit jedem Schritt in ihren unergründlichen Kot.
Die menschliche Erkenntnis entspringt aus der Unbehilflichkeit unserer Natur in ihrer tierischen Freiheit, diese führt unser Geschlecht zur Vereinigung seiner Kräfte und der erste Zweck dieser Vereinigung ist die Genüsse des Lebens, die unsere Natur fordert, uns selber leichter, sicherer und befriedigender verschaffen zu können als dieses uns ohne Vereinigung unserer Kräfte mit andern möglich wäre.
Der ursprüngliche Zweck des menschlichen Wissens ist seiner Natur nach mit dem Zweck der menschlichen Vereinigung der nämliche; aber es ist nichtsdestoweniger gewiß, daß die gesellschaftliche Menschheit sich durch ihr Wissen immer mehr von diesem Zweck entfernt, daß unsere Kenntnisse immer mehr auf einer schwärmenden Neigung beruhen uns den Kopf mit fremden, uns gar nicht mehr berührenden Gegenständen anzufüllen. Daher eine Menge Menschen mit den ausgebreitetsten Kenntnissen dennoch in ihren wesentlichsten Angelegenheiten handeln, als wenn sie nichts wüßten und verführt durch die Ausartung ihrer Kenntnisse dahin kommen Träumer, Bettler und Schurken zu werden.
Gott sprach zum Menschen in Eden: Du sollst die Früchte des Baums der Erkenntnis nicht mit tierischer Roheit an dich reißen, tust du es, so wird deine Erkenntnis eine unversiegliche Quelle des Todes für dich sein, wirst du dich aber, deiner Pflicht getreu, zum ruhigen Beschauen seiner Früchte erheben, so wirst du glücklich leben auf Erden, ich selber will mit dir in deinen Gefilden wohnen. Aber der Tiersinn des Menschen wand sich wie eine Schlange um den Baum der Erkenntnis und sagte zum lüsternen Geschlecht: Warum solltest du sehen, was wahr und gut ist, und nicht mit aller Macht, die in deiner Hand ist, darnach greifen? Da riß seine tierische Begierlichkeit mit weibischer Schwäche die verbotene Frucht von den Aesten des Baums; jetzt war seine Unschuld dahin, die Scham blieb ihm übrig. Er suchte jetzt Feigenblätter gegen die Wahrheit seiner Natur und ein Recht gegen seinen Verführer. – So war es im Anfang und so ist es immer.
Er entspringt wie die Erkenntnis aus der Unbehilflichkeit meines Geschlechts im Verderben seines Naturzustands. Diese führt uns durch die Vereinigung unserer Kräfte zu den unzähligen Mitteln, Künsten, Fertigkeiten, Einrichtungen, Verträgen, Vorkommnissen und Gesetzen, durch welche wir im gesellschaftlichen Zustand den Endzweck zu erzielen suchen, uns untereinander unsere Lebensgenüsse leichter, sicherer und befriedigender machen zu können.
Der Erwerb geht also ebenfalls von meiner Selbstsorge aus und soll mich, seiner Natur und seinem Zweck gemäß, einfach und gerade zur Befriedigung meiner selbst in meinen nächsten Verhältnissen hinführen.
Das Recht des Erwerbs ruhet daher auf dem Zweck der gesellschaftlichen Vereinigung. Aber der Mensch dehnt im gesellschaftlichen Zustand das Recht des Erwerbs weit über den Zweck dieser Vereinigung aus; darum gibt der gesellschaftliche Zustand dem Menschen auch bald allgemein die verschrobene Richtung, daß er den Zweck desselben nicht erzielt, wohl aber durch die Schwerfälligkeit seiner Anstrengung die wonnevolle Behaglichkeit des Naturlebens in sich selbst auslöscht und die wohlwollende Gemütsstimmung ganz verliert, die das wesentliche Kennzeichen seiner innern Befriedigung und seiner Kraft ist, seine Nebenmenschen in irgend einer Sache durch sich selbst freundlich und froh befriedigen zu können.
Sein Zweck und sein Recht muß ebenfalls von meiner Selbstsorge ausgehen und mich zur Befriedigung meiner selbst in meinen nächsten Verhältnissen hinführen. Aber der gesellschaftliche Mensch genießt dieses Recht und erkennt diesen Zweck nicht; im Gegenteil, das Eigentum ist in seiner Hand Pandorens Büchse geworden, aus der alle Uebel der Erde entsprungen. Es ist durch die Nahrung, die es der Selbstsucht unserer tierischen Natur gibt, das große Hindernis des gesellschaftlichen Zwecks geworden und hat den Menschen bald allgemein dahin gebracht, daß er dasselbe entweder wie ein beladener Esel auf wundem Rücken herumträgt oder wie ein spielendes Kind als ein nichtiges Ding versplittert.
Eine ursprüngliche Rechtmäßigkeit des Besitzstandes oder eine Möglichkeit den ursprünglich rechtmäßigen von dem ursprünglich unrechtmäßigen Besitzstand zu sondern vermag ich mir nicht zu denken.
Der Besitzstand ist geheiligt, weil wir gesellschaftlich vereinigt sind und wir sind gesellschaftlich vereinigt, weil der Besitzstand geheiligt ist. Welchen Ursprung er auch immer gehabt habe, das geht uns weiter nichts an, wir müssen ihn respektieren, weil er ist und größtenteils wie er ist oder unsere Bande alle auflösen. Aber wie er gebraucht wird und wie er gebraucht werden dürfe, das geht uns unendlich viel an. Je größer das gesellschaftliche Eigentum, je mehr ist es mit den Rechten vieler anderer, die auf eine nähere oder entferntere Art daran Teil haben, belastet und kann folglich dem Zweck der gesellschaftlichen Vereinigung nur insoweit ein Genüge leisten, als die an demselben teilnehmenden Mitnutznießer derselben, in ihren Rechten gesichert, sich durch dasselbe einen befriedigenden Ersatz ihrer Naturrechte verschaffen können. Die Beschränkung der Nutznießung des Eigentums muß daher nach dem Grade seiner Ausdehnung immer steigen und nach dem Grade seiner Einschränkung muß die Nutznießung immer abnehmen. Die Natur führt uns allgemein auf diese Bahn. Der Mann mit beschränktem Vermögen zieht, mit gleicher Tätigkeit und mit gleichen Kenntnissen, Nutzen aus demselben, dem sich der große Reichtum nie nähern kann.
Auch ruhet dieser Grundsatz ganz und gar nicht auf willkürlichen Voraussetzungen, sondern auf der Natur der gesellschaftlichen Rechtmäßigkeit des Besitzstands selber. Wenn dieser nicht als der fortdauernde Genuß aller Folgen meiner bloß tierischen Kraft soll angesehen werden, so muß seine Benutzung notwendig soweit in gesetzliche Schranken gelenkt werden, daß es dem untergeordneten Nutznießer des großen Besitzstands immer möglich bleibt im gesellschaftlichen Zustand durch diese Nutznießung diejenige Befriedigung zu finden, um deren willen er das bürgerliche Joch beruhigt am Halse trägt. Hier schlägt also natürlich die Frage ein: Was ist in einem Staat das Verhältnis der Eigentümer gegen die Nichteigentümer? Der Besitzstand gegen die Menschen, die keinen Teil an der Welt haben? Gehört diesen unseren Mitmenschen, die mit gleichen Naturrechten wie wir geboren uns den Besitzern der Erde mit gleichen Ansprüchen ins Angesicht sehen, gehört diesen Staatsbürgern, die jede Last der gesellschaftlichen Vereinigung siebenfach tragen, keine ihre Natur befriedigende Stellung in unserer Mitte? Fürchtet euch nicht, Besitzer der Erde, es ist hierin wahrlich mehr um Grundsätze als um Almosen, mehr um Rechtsgefühl als um Spitäler, mehr um Selbständigkeit als um Gnaden zu tun.
Aber wenn ich frage: Kennt die Welt diesen Grundsatz? Findet der Mensch, der keinen Teil an der Welt hat, in den bestehenden Einrichtungen der Staaten einen wirklichen Ersatz seiner Naturansprüche an das Gemeinrecht der Erde? Oder findet er in denselben sichere Bildung und Mittel sich diesen Ersatz wirklich zu verschaffen?
Wenn ich das und dergleichen frage, so kann ich mir nicht verhehlen, das erleuchtete Jahrhundert kennt diesen Grundsatz nicht, je aufgeklärter unsere Zeiten werden, je weniger lassen die Staaten solche Fragen an sich kommen. Unsere Gesetzgebungen haben sich zu einer solchen Höhe geschwungen, daß es ihnen unmöglich ist an die Menschen zu denken. Sie besorgen den Staat und machen alle Kronen glänzend, indessen ist der, so keinen Teil an der Welt hat, zum voraus von ihnen vergessen, man steckt ihn aber unter das Militär oder erlaubt ihm sich selber darunter zu stecken, zu Zeiten macht man für ihn eine Lotterie, darin ein jeder sein Glück mit wenigen Kreuzern probieren kann.
Gewiß ist es, daß der große Besitzstand in der Welt nicht einmal in einem realen Verhältnis mit dem kleinen belastet ist und daß man die Reichen ihre Fonds täglich mehr auf eine Art anhäufen läßt, die die Welt mit elenden, tief verdorbenen Menschen voll macht. Auch das ist wahr, wenn die Folgen dieses Volksverderbens sichtbar werden, so wirft man die Schuld auf diejenigen, die verdorben worden sind und nicht auf diejenigen, so sie verdorben haben und immer fortfahren zu Befriedigung ihrer Selbstsucht und ihrer Gelüste tausend Umstände zu veranstalten, einzulenken, durchschlüpfen zu lassen und sogar mit Gewalt zu erzwingen, durch deren Dasein das Volk immer von Schlechtheit zu Schlechtheit, von Verderben zu Verderben, von Niedrigkeit zu Niedrigkeit herabsinken muß. Gewöhnlich sieht die Schwachheit des Volkes nicht, was diesfalls zu seinem Nachteil geschieht und wenn der Fall eintritt, das dennoch zur Sprache kommt, was diesfalls wahr ist, so werfen diese Leute im Gefühl dessen, was sie im Lande dürfen, ein beati possidentes zu ihrer Rechtfertigung hin und schicken die Klagenden mit einem »sie sind selber schuld« und » habeant sibi« vor die Türe.
Bis die Macht das Wort ausspricht, sie wolle, daß der gesellschaftliche Zustand als ein nur auf ihrer List, auf ihrer Gewalt und auf ihrem Glücke ruhender Zustand angesehen werde, nimmt der Mensch allgemein an, sie wolle, daß dieser Zustand als gesellschaftlich rechtmäßig angesehen werde und handelt auf der ganzen Erde wie er ohne diese Voraussetzung nicht handeln würde und nicht handeln könnte.
Er legt mit der trägen Gutmütigkeit seiner sinnlichen Natur das Unrecht, aus welchem der Besitzstand und die bestehende Gewalt entsprungen sein mag, allenthalben gerne in ewige Vergessenheit und begnügt sich mit der schwankenden Hoffnung, daß das fernere Beieinanderwohnen der Staatsbürger vor Gewalttätigkeit und Anrecht gesichert werde. Sowohl das Eigentum als der gesellschaftliche Zustand wird durch den Anspruch an Rechtmässigkeit etwas, das er vorher und in seinem Ursprung nicht war. nämlich ein auf einem stillen aber wahren Vertrag ruhender Besitzstand, dessen erste Bedingung ist alles Anrecht ihres Ursprungs zu vergessen, aber dasselbe für die Zukunft unmöglich zu machen. Wenn es also schon wahr ist, daß die Staaten sich nicht durch einen gesellschaftlichen Vertrag gebildet, so ist dennoch auch wahr, daß die Menschen nicht ohne den Geist eines solchen Vertrags in der bürgerlichen Gesellschaft leben und daß Recht und Gerechtigkeit, auf welche alle Staaten ihre Einrichtungen zu gründen sich rühmen, nicht anders sind als ein lautes Anerkennen des allgemeinen Bestehens eines solchen Vertrags, der ihre Verwalter zu dem Wesen desselben, zu Recht und Gerechtigkeit als zu ihrer Pflicht hinlenkt.
Indessen sagen die Erfahrungen aller Zeiten, daß der Mann am Platz jeden Verein zwischen sich und seinen Untergebenen zuerst zu seinen Gunsten motivieren, stilisieren, zu Zeiten auch radieren und variieren läßt und dann noch das wenige, was nach allem diesem dem Untergebenen noch dienen könnte, als der Herrschaft lästige Eingriffe erklärt, die als bloße Gnadensachen gar nicht nach dem Buchstaben, sondern nach dem Befinden der Herrschaft erklärt werden müssen.
Allenthalben wendet der Mensch im Besitz der Macht alles mögliche an, um ohne wirkliche Anerkennung des gesellschaftlichen Rechts in der bürgerlichen Gesellschaft doch Meister zu sein. Die Ursachen davon liegen so tief in unserer tierischen Natur, daß wir uns darüber gar nicht verwundern sollen.
Alles gesellschaftliche Anrecht ist in seinem Wesen immer eine Folge des freien Spielraums, den meine tierische Natur im gesellschaftlichen Zustand gegen den Zweck der gesellschaftlichen Vereinigung findet. Alle Maßregeln der gesellschaftlichen Ordnung sind daher nichts anderes als gesellschaftliche Einrichtungen diesen Spielraum meiner tierischen Natur zugunsten des gesellschaftlichen Zwecks einzuschränken und der gesellschaftliche Vertrag selber ist nichts anders als der sichere Willen gesellschaftlich vereinter Menschen, der diese Einschränkung zugunsten des gesellschaftlichen Zwecks gebietet. Der Geist dieses Vertrags soll mich sichern, das nicht zu entbehren, was ich vermöge meiner Natur im gesellschaftlichen Zustand immer wollen muß und das nicht zu leiden, was ich in demselben nicht wollen kann.
Die Macht kann dem Vertrauen, das die gutmütige Schwäche meines Geschlechts allenthalben in sie setzt, als Macht nicht entsprechen Wenn ich in ihrem Besitz Löwenkräfte in meinen Gebeinen fühle, was soll mir das Recht der kleinen Tiere und der kindische Wahn, sie haben mich zum Löwen gemacht? Gehen ihre Scharen zugrunde, ich bin der Löwe, meine Zähne und meine Klauen sind mein. Also denke ich im Besitze der Macht nicht, weil ich ein Narr bin oder ein Sonderling oder ein vorzüglich ungerechter Mann, ich denke also, weil ich den Kopf gern in den Lüften trage und am milden Strahl der Sonne gern der Vergangenheit und der Zukunft vergesse.
Aber muß sich der Mensch der Macht in diesem Sinne unterwerfen, muß er ihre Ansprüche, die einfache Folge ihrer tierischen Begierlichkeit sind, als solche anerkennen?
Er tut es.
Soweit die Erde rechtlos ist, hat sie auch den Begriff und die Vorstellung von ihrem Recht verloren.
Der Mensch steht in dieser Lage vor dem Bild seines eigenen Rechts wie ein Verschnittener vor dem Bild der Göttin, die er bedient, er hat sie gesehen, denkt an sich selber, schüttelt den Kopf und geht von ihr weg, zu seinem Reistopf. Aber ist eine solche Unterwerfung unter den Tiersinn der Macht Pflicht der Menschen? Als man Jesum Christum dieses fragte, nahm er einen Pfennig und sagte: Wes ist das Bild und die Überschrift? Sollte er mit diesen Worten mehr gesagt haben, als, der Mensch müsse sich vermöge seiner Natur notwendig dem unterwerfen, der Gewalt über ihn hat; sollte er damit mehr gesagt haben, als die Pflicht der Menschen in dieser Lage sei seine Not und was Gott und ihr gutes Herz weiter aus dieser Not heraus zu bringen vermögen?
Einmal eine gesellschaftliche Pflicht, das ist, eine Folge des gesellschaftlichen Rechts, kann eine solche Unterwerfung nicht sein. Der Mensch tut in der bürgerlichen Gesellschaft nicht einseitig auf sein Naturrecht Verzicht; die Macht tut es wie der Mensch; wann nun diese ihr Wort bricht und ihrerseits das bluttriefende Recht der Naturverwilderung aufstellt, so tritt sie mit diesem so Schritt unwidersprechlich in den Naturstand und probiert ihre Tierkraft außer allen Schranken des Rechts; was soll dann das Volk, was ist sein unwillkürliches allgemeines Wollen in dieser Lage? Im Innersten seines Gefühls ist sein Vertrag mit der Macht gebrochen, woher soll ihm jetzt das bindende Gefühl seiner Pflicht kommen? Durch was für Mittel muß es in seine Seele hineingebracht werden, die Macht habe nicht bloß Gewalt, sondern auch ein Recht gegen das allgemeine unwillkürliche Naturwollen des Volks? Entweder schüttelt das Volk beim Fühlen des allgemeinen Anrechts wie der Verschnittene den Kopf oder es erwachen in ihm die lebhaften Gefühle der Selbsterhaltung.
Ein dritter Fall ist möglich: Ein Mensch, aber nicht ein Volk, höher als sein Geschlecht, entweicht dem Anrecht einer solchen gesellschaftlichen Zerrüttung und stirbt in lauter Verehrung von Pflichten, die höher sind als die gesellschaftlichen, ihnen zum Zeugnis einen Tod, der wenigen Sterblichen zu sterben vergönnt ist. Aber die gesellschaftliche Menschheit ist auf der ganzen Erde fern von dieser Höhe und das gesellschaftliche Recht nimmt von ihr keine Kunde. Das menschliche Geschlecht teilt sich beim Leiden des äußersten Unrechts nur in zwei Teile, entweder greift es nach seinen Erdäpfeln oder nach seiner Keule.
Das ist nicht meine, das ist die Meinung meiner Natur, deren hohen ewigen Gang die Meinungen der Zeit weder viel fördern noch viel hindern.
Möge deine Gesetzgebung noch so eine trefflich geweißete Wand sein, möge der Tiersinn der Macht sich hinter ihrem Blendwerk auch noch so menschlich gebärden, ewig unterwirft sich der Mensch mit wahrem, freiem Willen nie einer Ordnung, die irgend jemand das Recht gibt ihm in den Verirrungen seines Tiersinns die Haut über die Ohren herabzuziehen. Das Verhältnis der Menschen im Staat gegen einander ist ein bloß tierisches Verhältnis. Der Mensch als Geschlecht, als Volk unterwirft sich dem Staat gar nicht als ein sittliches Wesen; er tritt nichts weniger als deswegen in die bürgerliche Gesellschaft, damit er Gott diene und seinen Nächsten lieben könne. Er tritt in die bürgerliche Gesellschaft seines Lebens froh zu werden und alles das zu genießen, was er als ein sinnliches, tierisches Wesen unumgänglich genießen muß um seine Tage froh und befriedigt auf dieser Erde zu durchleben.
Das gesellschaftliche Recht ist daher ganz und gar kein sittliches Recht, sondern eine bloße Modifikation des tierischen.
Inzwischen liegt der Macht freilich alles daran, daß ich ein sittlicher Mensch sei und sie nie in den Fall komme, daß mein Tiersinn sich an dem ihrigen reibe. Sie leitet es deswegen auf der ganzen Erde dahin dem Menschengeschlecht das Verhältnis zwischen ihr und dem Volk und zwar einseitig als ein sittliches Verhältnis in die Augen fallen zu machen. Aber die Neigung der Macht sich für ein sittliches Verhältnis auszugeben ändert die wahre Lage ihres Verhältnisses gegen das Volk nicht und wann das Personale der Macht diese Neigung, von innerer Unsittlichkeit gereizt, nur für eigenen Vorteil nähret und sie nur zum Deckmantel ihrer bürgerlichen Gesetzlosigkeit und ihres gesellschaftlichen Unrechts braucht, so tut sie hierin nichts anders als was der Wolf und der Fuchs, wenn sie könnten, auch tun würden um das Schaf und die Henne zu einem unbedingten Zutrauen zu bewegen. Indessen tut die Henne wohl, wenn sie des Nachts auf den Bäumen schläft und das Schaf, wenn es trotz allem, was der Wolf sagt, sich an den Hirten hält.
Wahr ist indessen doch auch, wenn die Macht durch persönlichen Edelmut freiwillig oder durch die Weisheit der Gesetze gezwungen in den Schranken einer gesetzlichen Rechtlichkeit feststeht, so ist ihre desfallsige Meinung, wenn sie sich schon auf Irrtum gründet, in diesem Fall dem Staat oft ganz unschädlich, sie kann ihm unter gewissen Umständen sogar vorteilhaft sein. Wenn sie aber, aus welchen Ursachen es auch immer sein mag, dahin versunken ist Volksdummheit und Volkssittlichkeit in ihren Begriffen miteinander zu verwechseln und beide als Polster ihrer tierischen Behaglichkeit und als Mittel anzusehen sich selbst im Besitz jedes gesellschaftlichen Unrechts soweit zu sichern, daß sie weder durch die Kraft der Gesetze noch durch diejenige des Volks im Genuß derselben beeinträchtigt werden, sondern in Sardanapalischer Sorglosigkeit jede noch so unrechtmäßige Handlungsweise ohne irgend eine Art von ihrer Sinnlichkeit unangenehmen Folgen zu gefahren, forthin als rechtmäßig oder wenigstens als sicher behaupten kann. In diesem Fall ist dann aber freilich die sinnliche Neigung der Macht ihr Verhältnis zum Volk diesem als ein sittliches Verhältnis in die Augen fallen zu machen, durchaus nichts anders als ein Ausdruck der Selbstsucht ihres eigenen inneren Verderbens.
Indessen wird sie in jedem, so auch in diesem Fall dich allemal mit der Miene der Unschuld fragen: Wie sollte ein Staat bestehen können, dessen Gesetzgebung nicht auf Sittlichkeit gegründet ist? Sie sollte zwar freilich diese Frage nicht tun um den Verirrungen ihres eigenen Tiersinns einen Anstrich zu geben. Aber es begegnet ihr in diesem Fall, was dem Menschen überhaupt begegnet, wenn er seinen Leidenschaften unterliegt. Sie kommt mit sich selbst in Widerspruch und glaubt auf der einen Seite wirklich, der Staat müsse auf Sittlichkeit gegründet sein, auf der andern Seite führt sie ihre Bürger selber zu hundert und hundert Verhältnissen, Umständen und Genüssen, die alle Fundamente der Sittlichkeit in unserm Geschlecht auslöschen und im Gegenteil dem Tiersinn des Volks eine gesellschaftliche Verhärtung, Schlauheit und Verwegenheit erteilen, daß das Zwischenspiel der mitten durch alle diese Umstände angepriesenen Sittlichkeit selbst zu dem frommen Betrug nicht mehr dienen kann, zu dem es eigentlich bestimmt ist. Wenn es also der Macht schon zu verzeihen ist, daß sie das Verhältnis des Volks gegen sich selbst als ein sittliches ansehe und anpreise, so darf ein Gesetzgeber sich von diesem Irrtum nicht täuschen lassen, er darf weder den König noch das Volk sittlich glauben und muß die Rechte und Pflichten aller Stände im Staat also bestimmen, daß der allgemeine Tiersinn unsere Natur bei dem ersten Bürger wie bei dem letzten nicht zum Nachteil der andern in seiner bürgerlichen Lage Nahrung und Begünstigung finde.
So sehr also die Macht wünscht, daß ich ein sittlicher Mensch sei, so darf sie es als Macht nicht von mir fordern.
Die Macht darf nur insoweit von mir fordern, daß ich ein sittlicher Mensch sei, als sie selbst sittlich, d. i., als sie nicht Macht ist, nicht als Macht handelt. Sie darf es nur insoweit von mir fordern, als sie in der Göttlichkeit ihrer Kraft lebt und wallt, nicht, daß ihr gedient werde, sondern daß sie diene und ihr Leben gebe zur Erlösung für viele. Das ist der Stein in der Krone der Fürsten, der ihr Recht göttlich macht.
Wo er glänzt, da kniet das Volk und begehrt kein Recht, aber wo er mangelt und falsch ist, da hat es ein Recht nötig. Die Macht als Macht ist auf der ganzen Erde gesetzlos und die gesetzlose Macht ist wie das Schlagen der Wellen im Sturm, diese vergeht, indem sie eine andere verschlingt.
Wer will das Recht dieser Wellen, dieses Verschlingens, dieses Vergehens ansprechen?
Herr verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun!
Wenn der Wilde in seine Haut wie in ein hölzernes Brett schneidet, wenn er sich Farben anstreicht, die schlechter sind als er selber, wenn er sich Nase und Ohren durchsticht, damit etwas an ihm hange, das glänzt, so tut er mit allem diesen weniger und macht sich weniger Plage als der Europäer zu gleichem Zweck.
Der Schmuckkasten des Otaheiden ist von dem Schmuckkasten des Europäers nicht sehr verschieden und der Beinorden des Südländers ist mit allen Orden unseres Weltteils die nämliche Sache.
Allenthalben führt der Trieb zur Auszeichnung den tierischen Menschen dahin, daß er die Schleppe seines Kleides und einen Ring an der Nase mehr achtet als sich selber und für Branntwein, Glaskorallen und Bänder einen jeden totschlägt, der dahin gekommen um Mord und Unterdrückung seines Geschlechts durch Glaskorallen, Branntwein und Orden anzuzetteln und bezahlen zu können.
Der Grund der Unterwerfung ist nichts weniger als ein unserm Geschlecht natürlicher Dienstwille; es ist keine Spur eines solchen Willens in unserer tierischen Natur.
Der Grund der Unterwerfung ist Selbstsorge.
Das gesellschaftliche Recht kann also die Grundsätze der Unterwerfung auf kein anderes Fundament bauen als auf dasjenige, auf welches unsere Natur sie selber gebauet hat. Auch kann die äußere Form, in welcher der unterworfene Mensch den tierischen Trieben seiner Selbsterhaltung und Selbstversorgung entgegenzustreben genötigt ist, das Wesen seines gesellschaftlichen Rechts auf keine Weise verändern. Er soll durch Unterwerfung nichts weniger als den Zweck der gesellschaftlichen Vereinigung, den Ersatz seiner Naturansprüche verlieren, er soll ihn vielmehr durch dieselbe sicher stellen. Er hat als unterworfener Mann vorzüglich Anspruch an eine weise Organisation des bürgerlichen Erwerbs, an gesetzliche Sicherstellung der niederen Rechte, des untergeordneten Eigentums, an gesicherte und allgemeine Volksbildungsanstalten, an Schutz eines jeden, dem Armen möglichen Erwerbs, an gesetzliche Beschränkung der Reichen in jeder gemeinschädlichen Benutzung ihrer Fonds.
Eine andere Frage ist: Genießt der unterworfene Mann in den wirklich bestehenden bürgerlichen Einrichtungen sein gesellschaftliches Recht? Oder ist im Gegenteil wahr, daß die Unterwerfung in den Jahrbüchern des Menschengeschlechts allgemein bloß als ein Zwang- und Notstand zum Vorschein kommt, in welchem die Schwäche unseres Geschlechts, von aller Sicherheit des Rechts so viel als gesetzlich ausgeschlossen und in den wesentlichsten Bedürfnissen des Lebens beeinträchtigt, sich in Lagen versetzt sieht, die ihm nicht einmal erlauben sein Leben anders, wenn auch nicht mühsam und elend, doch in seinen ersten Gefühlen gekränkt und durch Rechtlosigkeit und Ehrlosigkeit erniedrigt, zu durchsterben. Eben diese Jahrbücher aber sagen dann auch, daß das Menschengeschlecht unter diesen Umständen allgemein neidisch, tückisch, diebisch, niederträchtig, untreu und verräterisch werde, daß sein Innerstes sich gegen jede größere gesellschaftliche Kraft und gegen einen jeden Menschen, der in einer gesellschaftlich besseren Lage ist, empöre.
Die tierische Selbständigkeit, die meine Natur fordert, findet nur in der gesellschaftlichen Selbständigkeit einen befriedigenden Ersatz.
Die Grundgefühle meiner tierischen Natur sind alle wider die Unterwerfung, sie stößt in ihrem Wesen an den gewaltsamen Trieb in den Angelegenheiten meiner Selbsterhaltung unabhängig und selbständig zu sein oder wenigstens mich unabhängig und selbständig machen zu können und gegen das mit so vieler Kraft in mir liegende Mißtrauen gegen alles, was diese Selbständigkeit entreißen oder erschweren kann.
Das Gefühl meiner rechtlosen, unsichern Lage im gesellschaftlichen Zustand tötet alle Grundlagen des menschlichen Geistes, durch welche die Veredlung der Nation allein möglich gemacht wird. Die Geschlechter der Menschen versinken durch bürgerliche Erniedrigung in jedem Staat in Sümpfe hinab, in denen sich die Schlechtheit der Menschennatur so behaglich befindet als die Frösche in der Fette des Teichs und das Schwein in der Fette der Pfütze. Diese Geschlechter aber erheben sich denn auch durch die gesellschaftliche Selbständigkeit, in welcher sich die bürgerliche Würde entfaltet, zu jeder Kraft und zu jeder Tugend des gesellschaftlichen Zustandes. Daher der Unterschied zwischen dem Edelmut des ungarischen Adels und der Kriecherei des * * * schen und * * * schen; daher der Unterschied zwischen einem gesetzlich gesicherten Handlungsstand und tief erniedrigten, auch reichen Fabrikknechten, zwischen einem ehrenfesten bürgerlichen Arbeitstand und ehrlosem Fabrikgesindel: daher auch bestimmt der Unterschied zwischen den freien Hirtenvölkern in Helvetiens Bergen und den belandvogteten Bewohnern ihrer acker- und weinbautreibenden Talbauern.
Wesentlich von der Regierung verschieden, ist sie eine bloße Folge des Privateigentums, der Privatbedürfnisse und der Privatrechte. Die Regierung hingegen ist eine bestimmte Folge des allgemeinen Eigentums, der allgemeinen Bedürfnisse und Rechte.
Sowohl Beherrschung als Regierung müssen den Grund ihres Rechts beiderseits in dem Zweck der gesellschaftlichen Vereinigung suchen. Die Beherrschung muß ihr Recht mehr als die Regierung auf diesen Zweck, insoferne er durch die Bedürfnisse und Neigungen der Individuen im Staat bestimmt wird, gründen. Die Regierung hingegen muß dasselbe mehr als die Beherrschung auf diesen Zweck, insoferne er durch die Abstraktion der allgemeinen Bedürfnisse und des allgemeinen Willens bestimmt ist, gründen.
Es liegen aber sowohl in der Natur der herrschaftlichen als der Regierungsrechte so viele Reize gegen diese beiden Grundgesichtspunkte, daß es unmöglich zu erwarten ist, daß dieselben den Menschen, die im Besitz sowohl der einen als der andern gesellschaftlichen Vorzüge stehen, von selbst auffallen. Sowohl im einen als im andern Fall ist seine ganz tierische Stellung dagegen, er faßt sie also nicht.
Es ist nicht möglich, es kann im Besitz großer gesellschaftlicher Kräfte nie mein tierischer Wille sein mich im Gefühl meiner Rechte durch allgemeine oder durch Privatbedürfnisse und Neigungen eingeschränkt und gehemmt zu sehen.
Es kann im Besitz der Macht nie mein tierischer Wille sein den Zweck der gesellschaftlichen Vereinigung gegen mich selbst anzuerkennen und im Gefolg dieser Anerkennung nicht anders als gesellschaftlich rechtsmäßig zu regieren.
Dieser Wille bestehet in einem jeden Staat nur insoweit, als die Weisheit und Kraft der Gesetzgebung die Ansprüche unserer tierischen Natur in den Teilhabern der gesellschaftlichen Vereinigung allgemein mildert, indem sie die ursprünglich ungesellschaftliche und gesellschaftlich unrechtmäßige Ungleichheit aller gesellschaftlichen Kräfte durch eine mit dem Endzweck der gesellschaftlichen Vereinigung übereinstimmende Organisation des Gebrauchs derselben rechtmäßig zu machen und durch Vorsorge für die Menschenrechte derer, die keinen Teil an der Welt haben, den Geist des gesellschaftlichen Vertrags in ein Geschlecht hineinzubringen sucht, bei welchem die Natur den Hang zu allem gesellschaftlichem Unrecht mit solchem Reiz verwoben. Es ist gewiß, der reine gesellschaftliche Wille besteht in einem jeden Staat nur insoweit, als die Gesetzgebung das ganze Wirrwarr des im namenlosen Chaos des Zufalls wie in Macbeths Kessel gekochten Undings unseres Reichtums und unserer Armut, unserer Rechte und unserer Rechtlosigkeit, unserer Ansprüche und unserer Niederträchtigkeiten in eine solche Ordnung zu bringen sucht, die auch der Schwäche unseres Geschlechts die Möglichkeit offen läßt durch den gesellschaftlichen Zustand wirklich gesellschaftliche Rechte zu erhalten und durch dieselbe unter den Schranken der bürgerlichen Vereinigung wahre Befriedigung zu finden.
Freilich geschiehet das alles nicht, unsere Gesetzgebungen lassen der Hexe ihren Kessel und wir leben in dem Unding, das sie uns gekocht hat wie die Frösche im Sumpf, unbesorgt für die, so der Storch frißt. Der alternde Weltteil hat die Grundsätze der wahren gesellschaftlichen Ordnung wie aus dem Gedächtnis verloren.
Die Masse des Volks hat keinen Begriff von seinem gesellschaftlichen Recht, also auch keinen gesellschaftlichen Willen und Verkleisterungsmittel unserer bürgerlichen Entmannung sind weder ein Ersatz des mangelnden bürgerlichen Rechts noch ein Fundament einer wahren gesellschaftlichen Ordnung und die Gewaltsordnung, die die Macht nicht für das Menschengeschlecht sondern für ihren Dienst einrichtet, ist noch schlimmer als das Unding, das uns die Hexe gekocht hat.
Indessen ist das, was geschieht um deswillen nicht das, was geschehen soll.
Der herrschaftliche Stand ist gar nicht durch seinen Ursprung, sondern nur durch das Gesetz rechtmäßig, das Gesetz aber darf den Grund seiner Rechte weder in den Gewaltgelüsten übergroßer Herren noch in den demütigen Niederträchtigkeiten überschwacher Knechte suchen. Es muß ihn in dem Zweck und dem Wesen der gesellschaftlichen Vereinigung suchen. Aber die meisten Staaten tummeln sich in den baroken Formen des Unrechts, dem sie die Gestalt des Rechts und der Ordnung wie dem Esel die Löwenhaut über die Ohren herumziehen. Wenn wir indessen von Herrschafts wegen Genüsse und Rechte fordern, die den Zustand derer, die sich um unser Eigentum bewerben, um unseres größern Vorteils willen abhängig, ehrlos und rechtlos machen, so handelten wir, wenn auch die ganze Welt das gleiche tut, hierin nicht nach den Gesetzen des gesellschaftlichen Rechts, sondern nach denjenigen unserer tierischen Selbstsucht und die Folgen, die diese Handlungsweise dann haben mag, sind in jedem Fall nicht Folgen unserer gesellschaftlichen Rechtlichkeit sondern des Gegenteils.
Ich sahe unter allen vorstehenden Abschnitten den entscheidenden Einfluß meiner selbstsüchtigen Natur auf das allgemeine Zugrundrichten des gesellschaftlichen Zwecks im gesellschaftlichen Zustand.
Die ersten Bedürfnisse der gesellschaftlichen Menschheit rufen deswegen gebietend einer Kraft, die den Vergehungen meiner Selbstsucht in diesem Zustand allgemein und wirksam Einhalt zu tun imstande sei.
In dem Gefühl dieser Bedürfnisse liegt der Ursprung aller gesetzlichen Einrichtungen unseres Geschlechts.
In der Übereinstimmung dieser Einrichtungen mit dem gesellschaftlichen Zweck liegt das Wesen des gesellschaftlichen Rechts.
Im Mangel dieser Übereinstimmung hingegen liegt das Wesen des gesellschaftlichen Unrechts oder die Quelle der Übereinstimmung derselben mit dem Gelüsten derer, die das physische Übergewicht der Gewalt, die in ihrer Hand ist, zum Fundament ihrer gesellschaftlichen Einrichtungen legen und vermöge ihrer Natur nicht anders können als dieses zu tun.
Der Mensch kann und will als tierisches Geschöpf nicht anders als selbstsüchtig handeln; er ist in dem freien Spielraum seiner Naturtriebe allenthalben zur Gesetzlosigkeit geneigt und lebt als Tyrann und Sklave nach den gleichen Grundtrieben seiner tierischen Gefühle und wenn er jetzt im öffentlichen Getümmel des Aufruhrs wütet, so schlich er vorher in trügender Staatsruh der Rechtlosigkeit wie ein stilles grundfressendes Wasser einher.
Man muß daher das letzte Unglück des Staats nie ohne Rücksicht auf den Einfluß ihres früheren Verderbens ins Auge fassen. Nur Betrüger und Betrogene berühren die Ursachen nicht, wenn von Wirkungen die Rede ist.
Meine tierische Natur bindet mich durch meine Ehre wie durch mein Gut an mein Kind. Ich muß, vermöge derselben, notwendig es dahin lenken jeden Lebensgenuß, den ich in meine Hand gebracht, in der Hand meines Kindes fortdauernd zu machen. Also liegt Anspruch an erbliche Ehre in dem Grundgefühl meiner tierischen Natur wie der Anspruch an erbliches Eigentum.
Der Grad der Kultur und des Bedürfnisses, die wesentliche Eigenheit des Besitzstands, kurz der bestehende Fuß aller Dinge entscheidet an jedem Ort und in jedem Zeitalter über die Schicklichkeit oder Unschicklichkeit eines jeden Mittels unser Geschlecht dem Endzweck der gesellschaftlichen Vereinigung näher zu bringen.
Der Adel war in der Feudalform der Vorzeit als der Mittelpunkt des allgemeinen Besitzstands ein Mittel zu diesem Zweck. Es ist wahr, das Mittel fraß den Zweck, der Adel stellte den Fortschritt des Menschengeschlechts still, wie der Priester, er haßte das Recht der Schwächern, insoferne es ihm entgegenstand, wie alle Stärke der Welt das Recht der Schwäche, das ihr entgegensteht, haßt. Er ward selbstsüchtig wie die Reichen und gewalttätig wie die, die Gewalt haben. Aber sein Unrecht lag offen und scheinend vor den Augen der Welt. Es ward ihm selbst zur Last und geriet ihm selbst zum schnellen Verderben, da hingegen das Unrecht der Könige und der Großreichen, in deren Hände das Unrecht, in deren Seelen die Irrtümer des Adels hinübergegangen ihnen nicht so leicht selber zur Last fallen und nicht so leicht zum schnellen Verderben gereichen werden.
Die Welt wird große Mühe haben über das Unrecht und die Ungesellschaftlichkeit unserer Souveränitäts- und Finanzanmaßungen das zu gewinnen, was sie über das Unrecht und die Ungesellschaftlichkeit des Feudaleinflusses wirklich gewann. Die Welt, die in der Feudalform der Vorzeit wie in eisernen Banden stillstand, ist jetzt durch die Koalition der Gewaltsrechte des Throns mit allen Schlüpfrigkeiten des Geldeinflußes zu einer Tontine gemacht worden, wo endlich niemand und nichts bleibt, was es ist und was es war.
Indessen hat die Handlung, die jetzt aus den Trümmern des Adels und durch die Finanzlücken der Höfe ihr allmächtig gewordenes Haupt emporhebt, nirgends als in England, einen in das Wesen der Regierung eingewobenen großen Geist wie das Feudalsystem der Vorzeit einen solchen hatte.
Jetzt ist die Welt in der Hand des Gelds oder vielmehr des Geldmangels und der gefährlichen Nothelfer im Geldmangel, der Hofjuden und diese in der Hand des Volks, das die Schätze der Welt in der Mitte der dürren Ebenen seiner eigenen Volksarmut als Hügel und Berge des Einzelreichtums aufgetürmt. Indessen flattert der allgemeine Besitzstand des Lands, vom Boden losgemacht, wie ein verscheuchter Vogel auf demselben herum. Vor altem garantierte das Landeigentum dem Staat die Treue und Anhänglichkeit des Großreichtums; der Edelmann saß auf seiner Burg wie der Adler auf seinem Nest; seine Burg war auf Felsen gebaut und dadurch an sein Land gekettet. Seit ein paar Jahrhunderten fangen viele Staaten an eine Vorliebe für das herumflatternde Fluggeld der Handlung zu zeigen. Der Wahn ist eingerissen, das Fluggeld trage mehr Zins ein als das angebundene und man sagt auch als Beleg zu der Wahrheit dieser Ansicht: die kleinen Vögel legen mehr Eier als die großen. Und das ist auch bei den Vögeln ganz wahr, die Hühner legen mehr Eier als die Adler; aber dann ist auch wahr, die Handlung umwandelt oft durch Glücksstreiche eierlegende Hühner in hühnerfressende Raubtiere, in Adler, und der Staat muß die Gegenwirkung des Geldeigentums auf das Landeigentum und des Landeigentums auf das Geldeigentum in jedem Fall genau ins Auge fassen, wenn er irgend ein großes Nest im Staat zu gunsten eines andern zerstören will, sei es jetzt um das seine in das Gold der Welt einzufassen oder das Gold der Welt in demselben zu versplittern. Ob die Zeitmacht bei irgend einem Eingriff in Geldangelegenheiten das eine oder das andere bezwecke, das ist gleichviel; auf dem einen und auf dem andern Weg wird das Geld des Weltteils verschwinden und wir werden nach einigen Erfahrungen, die nahe sind, wieder froh sein unser Eigentum wie vor alters an Grund und Boden anzuketten. Wenn man indessen die Formen der Vorzeit für den Geist unserer Tage zu enge findet, so werfe man dennoch kein Mittel, das unser Geschlecht wirklich einmal weiter gebracht hat, mit unbedingter Sorglosigkeit weg.
Der Barbar lebt nur unter der willkürlichen Gewalt gesellschaftlich und welche Form der Besitzstand auch immer in einem Staat haben mag, so ist dieses gewiß, wenn der Endzweck der gesellschaftlichen Vereinigung in demselben erzielt werden soll, so muß man dem Bürger in demselben immer einen seinem Eigentum verhältnismäßigen gesetzlichen Wert und Einfluß erteilen.
Das Eigentum regiert immer besser als der Mensch.
Ich glaube wenigstens, es sei nur durch den Geist von Gesetzen. die diesen Gesichtspunkt zum Fundament haben, möglich den alternden Weltteil vor der gedoppelten Gefahr zu bewahren in allen seinen Abteilungen entweder von den Anmaßungen der Krone verschlungen oder den Anmaßungen des Sanskulottismus zerrissen zu werden.
So lebhaft uns auch die Irrtümer und das Anrecht des Adels vor Augen stehen, so sollen wir doch nicht vergessen, daß das Eigentum immer der Fuß unseres gesellschaftlichen Daseins ist und sein muß und daß also der Naturkampf zwischen dem Eigentümer und Nichteigentümer im gesellschaftlichen Zustand ewig nicht aufhören kann. Wir dürfen das alte Heiligtum des Pflugs und seinen ewigen Vorzug vor allem Judenwesen ohne Gefahr für die Pflanzschule aller wahren Staatskräfte, ohne Gefahr für den Mittelstand und den mit der Kraft des Mittelstands innig zusammenhängenden, allgemeinen Wohlstand des Volks nicht aus den Augen verlieren. Man mache einen Unterschied zwischen dem Recht des Adels als Eigentümer und den Anmaßungen dieses Standes, die keinen Grund im Recht des Eigentums haben; man überlaste die letzteren dem Zahn der Zeit, der so kraftvoll an ihrem Irrtum nagt und unterwerfe die ersten den Grundsätzen, ohne welche das Eigentum kein gesellschaftliches Recht sein kann. So scheint mir der Streit gehoben, der, indem er in unsern Tagen ohne Edelmut und ohne großen gesetzgeberischen Geist geführt worden ist, nicht anders konnte als das Wohlwollen des Menschengeschlechts unter einander weit mehr als es gut und nützlich gewesen ist zu stören.
In seinem Ursprung schwankend zwischen den Gefühlen des Privatrechts oder vielmehr der Privatanmaßungen in dem Besitz der unverhältnismäßigen gesellschaftlichen Kräfte und den Ansprüchen des öffentlichen Rechts und des öffentlichen Bedürfnisses. Einzig durch seine Übereinstimmung mit dem gesellschaftlichen Zweck und dem gesellschaftlichen Recht gesellschaftlich und nur insoweit rechtsmäßig.
In der Hand der Individuen als solche ist es bloße tierische Kraft und insoweit in seinen Wirkungen nicht bloß wie das Eigentum, die Macht und die Ehre allgemeine Nahrung unseres tierischen Sinns und aller Verirrungen, zu welchen dieser Sinn uns alle hinführt. sondern die bestimmte höchste Stufe, das bestimmte non plus ultra aller möglichen Attentate gegen alle Fundamente gesellschaftlicher Wahrheit und des gesellschaftlichen Rechts.
Könige können Anbetung verdienen, aber es ist gleich wahr: der Begriff des Kronrechts, als ein allgemeiner Begriff, erregt beim sinnlichen, selbstsüchtigen Menschen eben die Gefühle, welche die Wörter Freiheit und Gleichheit bei den französischen Sanskulotten erregt haben.
Unser Geschlecht hat eine allgemeine und starke Neigung in dem Genuß seiner Lebensansprüche unabhängig und selbständig zu sein. Naturfreiheit ist Genuß dieser Selbständigkeit in vollem Leben meiner tierischen Kraft. Bürgerliche Freiheit ist Ersatz der Naturfreiheit, Besitz gesellschaftlicher Selbständigkeit. Das Recht der Naturfreiheit ruhet auf dem allgemeinen unwillkürlichen und unwandelbaren Gefühl des Bedürfnisses meiner Selbständigkeit im Naturstand.
Das Recht der bürgerlichen Freiheit ruhet auf dem eben so allgemeinen Gefühl des Bedürfnisses eines Ersatzes dieser Naturfreiheit im gesellschaftlichen Zustand.
Der tierische Reiz dieses Gefühls ist eine einfache Folge der Eigenheiten der Tierart meines Geschlechts. Ich bin vermöge desselben kein trauliches kraftloses Haustier, das unter den Füßen eines stärkeren ruhig gaukelt und frißt; im Gegenteil, ich gehöre vielmehr zu den gewaltsamen, unruhigen, die Sicherheit selbst dem Genuß vorziehenden Raub- und Waldtieren. Es ist freilich auch wahr, meine Neigung zur Selbständigkeit wird durch meine Trägheit und mein Hang zur Sicherstellung meines Rechts durch denjenigen zum Genuß in mir selbst geschwächt und es ist unstreitig, man kann mich durch sichern Sinnengenuß unter allen Umständen zum schwächlicheren Haustier umbilden, aber von Natur bin ich kein solches, ich will ja immer lieber herrschen als dienen.
Das Mittel zwischen Herrschen, Dienen, Selbständigkeit, ist Bedürfnis meiner Natur. Das Herrschen ist Bedürfnis überwiegender tierischer Kräfte oder wenigstens der Einbildung davon. Das Dienen ist Bedürfnis verlorener oder geschwächter tierischer Kräfte oder wenigstens der Einbildung davon. Auch gemäßigte tierische Kraft spricht in ihrem gesunden Zustand Selbständigkeit an. Dieser Anspruch ist in meinem Geschlecht eine unwillkürliche Folge der Unverdorbenheit meines Bluts und des freien Spiels meiner Säfte in Hirn und Herz. Ich verlange sie, weil dieses Herz in mir wie in einem Mann schlägt, weil dieses Hirn nicht vom Schlage getroffen in einem ohnmächtigen, bettlägrigen Kopf stockt, ich verlange sie, weil mein Blut in Jünglingsfarbe meinen Geist in jeder Ader frei und ohne Gift nährt. Also beschaffen, muß ich sie verlangen, weil ich bin, was ich bin und ich höre auf zu sein, was ich im gesunden tierischen Zustand notwendig bin. wenn ich aufhöre tierische Selbständigkeit zu verlangen.
Im bürgerlichen Leben ist alles Tun und Lassen des gesellschaftlichen Menschen ein ewiges Haschen nach Selbständigkeit, freilich ein ohnmächtiges und fast immer mit der Kränkung des Fehlgreifens gebrandmarktes Haschen. Es läßt sich gar nicht leugnen, es gelingt ihm in diesem Zustand selten von Gesetzen abzuhängen, die auf dem Recht ruhen, das in seiner Brust schlägt und das er sich selber gegeben.
Bald hängt er allgemein von der Willkür der Gewalt, die immer nur darnach trachtet unser Geschlecht auf den Ruinen seiner zertrümmerten Selbständigkeit, als ein neugeschaffenes, menschheitsloses und menschheitsleeres Wesen bloß zu regieren, demselben alle Kraft und alles Recht seiner Natur zu rauben und dann, wenn dieses geschehen, in ihm die also erniedrigte Menschheit zu beglücken und zu begnaden.
Armes Geschlecht, das höchste Ziel deiner Gesetzgebung geht dahin dich entwürdigt zu füttern und der alternde Weltteil lobt seine Weisheit, wenn du von diesem Futter nur fett wirst!
Tyrannei ist Kränkung meiner Selbständigkeit ohne und wider den gesellschaftlichen Zweck. Es gibt eine barbarische und eine zivilisierte Tyrannei. Unter der barbarischen blute, unter der zivilisierten schmachte ich: ihr Wesen ist in beiden Fällen das nämliche, Gebrauch der Macht ohne Respekt für ihre Bestandteile und ohne Rücksicht auf ihren Zweck. Sie ruhet allgemein auf dem Tiersinn meiner Natur, der im Vollgefühl unverhältnismäßiger Kräfte nicht anders kann als die Schwäche meines Geschlechts zu erniedrigen und mißbrauchen.
Sie ist nichts anderes als die Unterdrückung des bürgerlichen Rechts durch die Naturfreiheit der Macht.
Wer diese Unterdrückung leiden muß, ist Sklave.
Wer sie nicht leiden muß, ist frei.
Wer sie leiden macht, ist Tyrann.
Wer sie leiden machen kann, kann Tyrann sein.
Wer das nicht kann, kann nicht Tyrann sein.
Völker, deren Fürsten nicht Tyrannen sein können, haben ein Recht.
Völker, deren Fürsten Tyrannen sein können, haben kein Recht.
Fürsten, die Tyrannen sein können und nicht sind, sind Engel oder Schatten.
Der Anspruch an Tyrannei ist nicht Bosheit, er ist Menschennatur. Nur der Schafskopf spricht sie nicht an, wenn er kann. Der wahrhaft Reine, Tugendhafte freilich auch nicht, aber es ist von reiner Tugend nicht die Rede, wenn man vom gesellschaftlichen Recht und von der öffentlichen Einrichtung des bürgerlichen Verhältnisses als solchen spricht.
Das Wimmern des Menschengeschlechts unter dem Druck des gesellschaftlichen Unrechts und der gesetzlosen Gewalt ist nicht Aufruhr. Auch lauter Tadel der öffentlichen Unordnung ist an sich nicht Aufruhr. Das Streben des Menschengeschlechts die Maßregeln der öffentlichen Ordnung und des gesellschaftlichen Rechts, wo sie mangeln, einzuführen und wo sie geschwächt sind, zu stärken, dieses Streben liegt im Innersten meiner unentwürdigten Natur. Jedes Volk, dem es mangelt, ist in tiefe, niedere Schlechtheit versenkt worden. Hin bist du, Name Vaterland, wenn dieses Streben in der Brust deiner Bürger tot ist! Deine entwürdigten Söhne sind nicht mehr Staatsbürger, sie sind in der Erniedrigung eines verdorbenen Staatsdiensts als Bürger zugrunde gegangen und als Menschen ist jede gute Kraft, die sie noch zu besitzen vermögen, außer allem Einfluß auf den Volkssegen, auf das Wohl des Vaterlandes geworfen, folglich für sie als Bürger zu einer toten Kraft geworden.
Selbst du. meine Menschlichkeit, bist hin, wenn ich ohne Interesse für das öffentliche Recht und ohne Abneigung gegen das öffentliche Unrecht und gegen seine Quelle, die willkürliche Gewalt, in der bürgerlichen Gesellschaft lebe. Aber wie kann man das Interesse für die Angelegenheiten des Vaterlandes bei den Individuen im Land also lebhaft werden lassen und dabei den Staat aus jeden Fall vor Aufruhr sicher stellen?
Also fragt ein Zeitalter, das nie einfach und geradehin recht tun, aber sich bei allem Nichtrechttun selber bestens gesichert wissen will.
Ich weiß auf diese Frage, wie sie gestellt ist, keine Antwort. Ich weiß gegen die Ausartung keiner einzigen menschlichen Kraft und keiner einzigen menschlichen Tugend auf jeden Fall Mittel. Aber das weiß ich doch, daß keine Kraft und keine Tugend in meiner Seele deswegen ausgelöscht werden soll, damit sie nicht ausarten könne und daß die lebendige Anhänglichkeit des Bürgers an das Recht seines Landes eben so wenig zu einer Kraftlosigkeit, in der sie gar kein gesellschaftliches Übel mehr veranlassen könne, versenkt werden darf. Gewiß ist wenigstens, um dem Aufruhr vorzubeugen, muß ich doch nicht die menschliche Seele ändern, daß sie zu allen Phantasien der Willkür und zu allem Unflat der Rechtlosigkeit passe.
Wenn aber eine Regierung aus Gründen, die sie nicht protokolliert, die Grundfrage des bürgerlichen Rechts und der bürgerlichen Selbständigkeit nicht mehr will oder nicht mehr darf an sich kommen lassen, dann bleibt gegen den Aufruhr, das ist, gegen die beim Volke unter diesen Umständen notwendig erwachenden lebhaften Gefühle von der Unsicherheit und Unrechtmäßigkeit ihrer Lage, freilich kein Mittel übrig, als der Gebrauch physischer Kraft ratio ultima regum und dieses wirket dann auch so viel sicherer, wenn man im Fall ist mit ganz verstockter Stille zu Werke zu gehen; das aber weiß ich freilich dann auch nicht, wie dieses auf jeden Fall möglich ist ohne das Volk noch schlechter zu machen, als es durch den Aufruhr selber kaum hätte werden können.
Wenn ich indessen schon zweifle, ob die Lage der Umstände, unter denen der Mensch zum Giftmischen geneigt werden kann, denen vorzuziehen sei, durch die wir gereizt werden mit Kains Keule zu morden, so billige ich das Totschlagen mit der Keule so wenig als das Giftmischen. Und wenn ich schon zweifle, ob das Volk durch den Aufruhr schlechter werde, als durch politische Täuschung, so billige ich den Aufruhr sowenig, als die falsche Gewalttätigkeit der Staatskunst. Das Verderben des gesellschaftlichen Zustandes führet uns offenbar zu zwei Extremen, die unser Geschlecht auf ungleichen Wegen, aber beiderseits gleich zugrunde richten und diese sind Ruchlosigkeit und Erschlaffung. Wir dürfen aber um der Gefahren willen, welche die Ruchlosigkeit und ihr äußerstes Verderben, der Aufruhr, über unser Geschlecht verhängt, diejenigen nicht verkennen, welche die bürgerliche Erschlaffung im gesellschaftlichen Zustand veranlaßt. Und wenn auch mein Zeitalter, durch Umstände verführt, der letzten allgemein das Wort redet oder wenigstens über sie hinschlüpft wie über glühendes Eisen, ich werde es nie tun. Sie ist gänzlicher Mangel des Glaubens an bürgerliche Tugend, gänzliche Gleichgiltigkeit für das Wesen des gesellschaftlichen Rechts. Wer durch sie entwürdigt ist, verachtet sich selber und hasset den, der es nicht tut.
Wenn vom Recht die Rede ist. so spricht er: Wir haben ja zu essen und zu trinken und schöne Häuser; wenn vom Volk die Rede ist, so fragt er: Was ist das? Das Menschengeschlecht, meint er, sei die Geldkiste, Freiheit alles, was sie einträgt, und alles, was wohltut, Sklaverei, alles was kostet und alles, was wehtut.
Mein Geschlecht verbindet in diesem Zustand die ekelhafteste Großsprecherei mit der tiefsten Niederträchtigkeit. Belastet mit Fluch des bürgerlichen Jochs, ohne bürgerliche Kraft, entblößt von irgend einem stärkeren Gefühl einer befriedigenden Selbständigkeit, tanzt es dann, den Ring an der Nase, ums Brot, bückt sich, kniet und purzelt vor dem Mann, der es diesen Diensttanz mit dem Prügel in der Hand gelehrt hat. Der Mensch trägt in diesem Zustand nicht einmal die Kraft und die Ruhe des stärkeren Viehs in seiner Brust, das Herzklopfen des Schwächsten wird dann sein Teil. Von jedem Reiz gelockt und von jeder Drohung geschreckt, meint er dann, alles, was er tut, sei Sünde und tut doch alles, was er meint, das Sünde sei. Er ist ohne Wohlwollen gegen sein eigen Geschlecht; wenn von der Not seiner Kinder die Rede ist, so sagt er, sorgen sie auch, ich habe auch müssen sorgen und eben so wenig rühret ihn die Nachwelt, sein Geschlecht und sein Volk.
Die Frage ob der Mensch durch eine solche Erschlaffung nicht schlechter werden könne als durch den Aufruhr, ist also, so Gott will, keine verfängliche Frage.
Es ahndete mir jetzt alle Wonne des Lebens scheitere an den öffentlichen Einrichtungen des gesellschaftlichen Zustandes; ich mußte mich fragen: Was ist das Staatsrecht? Aber unwillkürlich stand mir Goethes Lied vor der Seele:
Edel sei der Mensch,
hilfreich und gut!
Denn das allein
unterscheidet ihn
von allen Wesen,
die wir kennen.
Heil den unbekannten
höhern Wesen,
die wir ahnen!
Ihnen gleiche der Mensch;
sein Beispiel lehr' uns
jene glauben.
Nach ewigen ehrnen
großen Gesetzen
müssen wir alle
unseres Daseins
Kreise vollenden.
Nur allein der Mensch
vermag das Unmögliche,
er unterscheidet,
wählet und richtet,
er kann dem Augenblick
Dauer verleihen.
Denn unfühlend
ist die Natur.
Es leuchtet die Sonne
über Bös' und Gute
und dem Verbrecher
glänzen wie dem Besten
der Mond und die Sterne.
Er allein darf
den Guten lohnen,
den Bösen strafen,
heilen und retten,
alles Irrende, Schweifende
nützlich verbinden.
Wind und Ströme,
Donner und Hagel
rauschen ihren Weg
und ergreifen
vorübereilend
einen um den andern.
Und wir verehren
die Unsterblichen als
wären sie Menschen,
täten im Großen,
was der Beste im Kleinen
tut oder möchte.
Auch das Glück
tappt unter die Menge,
faßt bald des Knaben
lockige Unschuld,
bald auch den kahlen
schuldigen Scheitel.
Der edle Mensch
sei hilfreich und gut,
unermüdet schaff' er
das Nützliche, Rechte,
sei uns ein Vorbild
jener geahneten Wesen!
Warum steht dieses Bild meiner Natur vor meiner Seele, wenn ich mich frage: Was ist das Staatsrecht? Ist es, weil wir alle nach ewig ehernen, großen Gesetzen unseres Daseins Kreise vollenden, also kein Recht, folglich auch kein Staatsrecht statt hat? Oder ist es, weil jedes Recht meines Geschlechts, folglich auch das Staatsrecht, wesentlich dahin wirken soll, das, was den Menschen von allen Wesen, die wir kennen, unterscheidet, in ihm seiner möglichsten Entwicklung näher zu bringen? Unstreitig würde die Staatskunst, wenn sie sich die Entwicklung der menschlichen Kräfte als ihre Bestimmung vorsetzte, mehr leisten als die Welt bis jetzt von ihr empfangen zu haben scheint. Aber kann sie sich diesen Zweck vorsetzen, würde sie durch Anerkennung derselben in der Hand der Gewalt, in der sie immer sein muß, dadurch das Menschengeschlecht nicht mehr verhunzen, als selbiges durch alle Not und den unsäglichen Drang, zu welchen es ihre Fundament- und Rechtlosigkeit seit einem Jahrhundert hingeführt hat, wirklich verhunzt worden ist?
Aber ich wollte mit dieser Frage: Was ist das Staatsrecht? eigentlich nicht so viel wissen: sie war eine bloße Folge der Ahnung: Alle wahre, alle gegründete, alle meine Ruhe sichernde Wonne des Lebens scheitere an den öffentlichen Einrichtungen des gesellschaftlichen Zustands und wollte in Verbindung mit den Gefühlen, welche die Gegenstände, die ich bis jetzt ins Auge faßte, in mir rege gemacht, eigentlich so viel sagen: Ist die Staatskunst gesellschaftlich rechtsmäßig, wenn der Mensch in und zu ihrem Dienst durch sein Wissen und seine Kenntnisse zum Träumer, zum Schurken und zum Bettler gemacht wird, wenn das Eigentum in seiner Hand, vorzüglich durch ihre Einmischung in und zu ihrem Dienst zu Pandorens Büchse wird, aus der alle Abel sich über die Erde verbreiten?
Hat sie ein Recht gegen das allgemeine unwillkürliche Naturwollen des Volks und gegen den Geist des gesellschaftlichen Vertrags. der auf diesem Naturwollen ruht? Hat sie ein Recht, den gesellschaftlichen Zustand auf die List, die Gewalt und den Betrug der Macht zu gründen? Ist sie gesellschaftlich rechtmäßig, wenn sie selber die Auswahl der Bürger durch die Verirrungen der Ehre bis dahin entmenschlicht, daß diese ihr eigen Geschlecht auf den Wink eines jeden totschlagen, der soweit gekommen, über Glas-Korallen, Branntwein, Likör, Edelsteine und Ordensbänder disponieren zu können? Darf sie meinem Geschlecht durch Unterwerfung den Ersatz seiner Naturansprüche entreißen und für den herrschenden Stand diesen Ersatz in Genüsse verwandeln, die ihn zu aller Sinnlichkeit und zu aller Gewalttätigkeit des Naturlebens herabwürdigen müssen? Darf sie die Unverdorbenheit meines Bluts und das freie Spiel meiner Säfte in Hirn und Herz mir zu Grunde richten und wider meinen Willen und Wider mein Recht mich dahin bringen, daß dieses Herz in mir nicht mehr wie in einem Manne schlägt, daß dieses Hirn wie vom Schlage getroffen in meinem ohnmächtigen Kopf stockt und mein Blut in Todesfarbe umwandelt in jeder Ader vergiftet dahin fliehe? Ist sie gesellschaftlich rechtmäßig, wenn sie mein Geschlecht dahin erniedrigt sich selber als ein bloßes Mittel den Tiersinn der Macht zu befriedigen und allmählich zu verfeinern anzusehen? Ist sie gesellschaftlich rechtmäßig, wenn sie mein Geschlecht durch Rechtlosigkeit und Ehrlosigkeit zum Gesindel macht und zur Erhaltung der Staatsruhe die Leiber und Seelen der Menschen dahin entnervt, daß sie zu allen Phantasien der willkürlichen Gewalt und zu allem Unflat der Rechtlosigkeit passen? Hat sie ein Recht das Ebenmaß der bürgerlichen Stände auszuheben, welches bestehen muß, wenn die Menschen nicht in einem ewigen Krieg miteinander sich selber auffressen oder zu einer solchen bürgerlichen Erschlaffung versinken sollen, daß es denn selber einem Dück d' Alba keine Freude machen könnte. dasselbe noch ferner zu drücken? Ist sie gesellschaftlich rechtmäßig, wenn sie die Privatangelegenheiten ihrer Günstlinge, die Ausschweifungen der Staatsehre, die Staatshoffart. die Staatseitelkeit und die Staatsgemächlichkeit eine Richtung nehmen läßt, die, indem sie bei dem Personale der Menschen, die auf die Sitten des Landes den größten Einfluß haben, Anmaßungen, Bedürfnisse und Gelüste erzeugt, die, da sie mit dem wirklichen Fundament des Staats kein Verhältnis haben, dahin wirken müssen, der arbeitenden und erwerbenden Klasse der Bürger die Gewohnheiten, Sitten und Lebensart und selber den bürgerlichen Spielraum zu rauben, der wesentlich ist sie im Stand zu erhalten, die gesellschaftlichen Rechte und Vorzüge, die sie von ihren Vätern geerbt, ihren Kindern nicht als ein bloßes Schattenwerk sondern wirklich zu hinterlassen? Ich gehe weiter. –
Harmlose Behaglichkeit ist die Mutter meines bloß tierischen Wohlwollens.
Du findest dasselbe beim unmündigen Kind und beim behaglichen Wilden wie beim Hirten, der seine Weiden nicht verzinset und mit seinem Nachbarn nicht market, du findest es allenthalben, wo der Sinnengenuß des Menschen erquickend und leicht ist.
Aber sowie es Anstrengung erfordert, sowie er durch Sorgen und Angst unterbrochen, sowie er durch Gefahr und Kränkung begleitet ist. sowie meine tierische Natur keine harmlose Befriedigung mehr findet, also mindert sich dieses Wohlwollen in derselben. So wie das Kind das Übel empfindet, sowie es weint, sowie es leidet und mangelt, also mindert sich bei ihm diese tierische Quelle seines Wohlwollens, seine Harmlosigkeit. Also auch beim Wilden, sowie ihm die Behaglichkeit mangelt, sowie seine Sonne nicht mild ist, sowie er sich des vergangenen Übels erinnert, das Zukünftige fürchtet und vom Gegenwärtigen leidet, also mindert sich sein Wohlwollen.
Da wo seine Haut vom Frost erstarrt und er beschneites Moos mit seinem magern Rentier teilt, da wird er falsch und hart wie der Bauer, der den unbezahlten Pflug auf rohem Land treibt und der mühselig lebende Bürger. Auch der Hirt, wenn er hinter magerm Vieh auf dürren Heiden flucht und jeden Zuber Milch hinter Schloß und Riegel verwahrt, ist ohne dieses Wohlwollen. Es verliert sich allenthalben da, wo der Sinnengenuß meiner Natur für mein Geschlecht mühsam ist und Anstrengung fordert und dieses ist bald auf der ganzen weiten Erde der Fall, nur selten gönnt ein ewiger Frühling den flötenden Hirten einen immerwährenden Scherz mit seinen Herden und mit seinem Geschlecht.
Aber es ist für den gesellschaftlichen Menschen wirklich gut, daß es so ist, das Menschengeschlecht bildet sich durch eben die Hemmungen, durch welche sein tierisches Wohlwollen verloren geht und es ist für diese Ausbildung wesentlich wichtig, daß der Boden, den er baut, Geld kostet. Er soll sich freuen, wenn er für Weib und Kind Milch bekommt von der Kuh, die nicht sein ist und Brot von dem Acker, den er für einen fremden Mann baut. Dennoch ist behagliche Wonne das allgemeine Ziel meines tierischen und meines gesellschaftlichen Daseins auf Erden.
Alle Kunst des Eigentums ist nichts anderes als das Streben meines Geschlechts die Behaglichkeit der ganzen Erde auf den Fleck zusammenzubringen, auf dem ein jeder lebt.
Alle Kunst des Staats ist nichts anders als das Streben meines Geschlechts die Behaglichkeit der ganzen Erde auf den Fleck zusammenzubringen auf welchem die Menschen leben, für die er wirklich sorgt, seien diese jetzt, welche sie wollen, seien es nur seine Lieblinge oder auch die Notleidenden unter den Seinigen, seien es wenige Auserwählte oder alle, die ein Recht auf seine Vorsorge haben. Alle Kunst des Staats ist in jedem Fall nichts anders als die Folge des Strebens meines Geschlechts die Behaglichkeit der ganzen Erde auf den Fleck zusammenzubringen, auf dem diejenigen leben, für die er wirklich sorgt.
Der Mensch setzt so wie es ihm gelingt sich selbst in eben die Lage, in welcher der harmlose Südländer die Gutmütigkeit mit sich ins Grab trägt, die die belasteten Völker nur mit sich auf die Welt bringen und der Staat tut, insoweit er seine Bürger in eine harmlose Lage setzt, in Rücksicht auf diejenigen, die er also setzt, die nämliche Sache. Das Wohlwollen der Paläste ist daher im allgemeinen nichts anderes als die Wirkung einer solchen Südseeluft und einer solchen Südseefülle.
Zürnet nicht, gute Töchter von Menschen, deren Amtleute hart sind, wenn ich die Liebe zu eurem Papagei und zu eurer Tante für nichts anders erkläre. Wenn ihr mitten in Genüssen, die auf dem Unrecht vollendeter Staatsverhärtung ruhen, wie die schuldlosen Südländerinnen empfindet, so ist euer Wohlwollen nichts anders als der Selbstbetrug der tierischen Neigung zur harmlosen Behaglichkeit, die auch den rohesten Mann dahin bringt, daß es ihm lieb ist, wenn ohne seinen Abbruch andere Leute auch essen, trinken und schlafen können.
Diese Neigung zur Behaglichkeit ist die allgemeine Triebfeder unseres tierischen Daseins. Du dankest ihr deine Betriebsamkeit, aber wenn du aus Unbetriebsamkeit verfaulest, so geschieht es aus gleicher Neigung. Um ihretwillen bist du barmherzig, aber auch um ihretwillen zerfleischest du unser Geschlecht. Um ihretwillen frohnest du der Meinung des Volks, aber auch um ihretwillen höhnest du das Urteil deines Geschlechts. Um ihretwillen bauest du der Ehre Altäre und um ihretwillen gründest du den Sitz der Throne auf die Ehrlosigkeit des Menschengeschlechts. Um ihretwillen erscheinst du unter deinem Geschlecht gern als gepriesene Mutter der Gnaden, aber auch um ihretwillen zertrittst du das Recht deines Geschlechts. Sie ist es, die zum Heldensinn der Freiheit erhebt, aber sie ist es auch, was dich jedes Joch der Knechtschaft zu ertragen gewöhnt.
Wenn der Mensch in aller Gedankenlosigkeit seiner sinnlichen Natur sein Dasein an der Sonne verträumt und in allem Nebel seines Tiersinns mit seinem schweifenden, irrenden Wissen weit von sich weg fliegt, die Not der Seinen bricht ihm doch das Herz, er wirft die Afterkrone seines Wissens zu ihren Füßen und liegt seiner Wirtschaft ob, ihr Leben zu retten.
Wenn vom ewigen Reiben des Eigentums seine Hand hart wird wie ein Stahl, wie der Fuß des schwerfälligen Tiers, das Sinnengefühl seiner tierischen Teilnehmung erhält ihm dennoch das Herz noch weich. Der Mann, der an seinem Pult für die Ordnung eines Kreuzers unerbittlich ist, gibt dem Elenden unter seiner Türe ungezähltes Geld.
Wenn du im Besitz der Macht mit unermeßlichem Tiersinn den Nacken der Völker unter deinem Fuß fühlst, dieser Sinnengenuß hält dich zurück, daß du mit deiner Ferse weniger hart auftrittst auf den Nacken der liegenden Völker. Und wenn dir der Atem fast stille steht vor dem Gefühle der Ehre und du das Blut und den Hohn der Unschuld nicht achtest, damit ein Weichling dir lächle und tausend Narren deinen Namen nennen, dieses Sinnengefühl bringt dich zu dir selber, daß das Lächeln des Schwächlings dir den Mord der Unschuld und den Hohn des Elends weniger vergütet und die tausende, die deinen Namen kennen, dir nicht mehr wert sind, um ihretwillen mit dir selber im Streit und ein Schurke zu sein vor deinem eigenen innern Richter.
Das tut die Liebe in der Hülle des tierischen Wohlwollens, aus dem sie entkeimt. Noch ist sie nicht Liebe! Sie ist es nur, wenn sie sich zum Göttersinn einer zuverlässigen Treue zu erheben vermag. Aber wo findest du diesen Göttersinn der zuverlässigen Treue? Ich habe sie auf Erden gesucht und nirgend anders gefunden als gepfropft auf Gehorsam und Furcht. Zeitalter! Ich danke es dir nicht, auch ich warf in deinen Fluten Zwang und Furcht als ein lästiges Gewand weg wie deine Jünglinge alle. Die Nachwelt wird sie wieder suchen, die heilige Furcht und den frommen Gehorsam, auf dem so menschliche Früchte gedeihen.
Sie weilen nicht ewig auf dem Stamm, dem sie entkeimten. Wenn dem Menschen auf Weisheit gegründete Furcht und auf Liebe ruhender Gehorsam zur zweiten Natur geworden, so finden die gereiften Früchte an dem Stamm, dem sie entkeimet, keine Nahrung mehr und das große Werk, das der Mensch in sich selbst erschafft, seine zuverlässige Treue, wird dann frei.
So allgemein das tierische Wohlwollen, so selten ist die Liebe. Wo du sie suchst, da findest du Untreue und wo du einen Menschen treu glaubst, da findest du ihn kraftlos.
Aber der Trug des Wohlwollens und die Lügen seiner Schwächen sind noch verachtungswürdiger als die Kraft des lieblosen Mannes.
Die Armseligkeit des tierischen Wohlwollens untergräbt alle Fundamente des gesellschaftlichen Lebens, seine Schwäche ist gedankenlos und fahrlässig, jeder Erwerb entschlüpft der ohnmächtigen Hand, die es mit der ganzen Welt wohlmeint. Undank überlebt den armseligen Mann, dieser hat von jeher das gedankenlose Wohlwollen mit Verachtung bezahlt; auch endet der Mensch diese Laufbahn so oft damit, daß er entweder ein Narr wird oder ein Menschenfeind.
Selber die Macht geht durch den Trug dieses Wohlwollens zugrunde, sie kann nicht anders, ihr Wesen ruht auf kraftvoller Erhaltung ihrer tierischen Stellung. Auf die Liebe macht sie zwar selten Anspruch, aber ihre Neigung zur Behaglichkeit reizt sie zuweilen auch dem Sinnengenuß des harmlosen Wohlwollens zu gelüsten, dann verdirbt sie sich selber; ebenso die Ehre. Schande ist die ewige Gefährtin aller bloß tierischen Harmlosigkeit.
Das kühnste Wagstück deiner Natur, o unbegreiflicher Mensch, die Erhebung deines Ahndungsvermögens über die Grenzen alles hier möglichen Forschens und Wissens, auch dieses ist in seinem Ursprung ein Kind deiner tierischen Neigung zur Behaglichkeit.
Kronen und Szepter, den Göttern gleich werden, sitzen auf Thronen, weder hungern noch dürsten, weder Frost noch Hitze dulden, mit erwünschten Leuten schmausen, alle diese Bilder zeigen, daß sie aus dem Hirn deiner nach Harmlosigkeit schmachtenden Natur entsprungen sind.
Aber sei mir auch in aller Schwäche deines Ursprungs, sei mir auch im Lallen deiner kindlichen Selbstsucht ehrwürdig, göttliche, weit angebetete Mutter meines Geschlechts.
Wenn ich dich in der Hülle deines Entstehens für tierisch erkläre, so setze ich das Ziel deiner Vollendung gar nicht in die Grenzen der Hülle deines Entstehens.
Ich achte das Innere deines Wesens für göttlich wie das innere Wesen meiner Natur; aber wie dieses in meinem tierischen Leib ruhet und aus dem Moder seines Todes entkeimt, so entkeimst und wallest auch du in meinem tierischen Leib und in dem Moder seines Todes.
Wenn der Mensch einen Baum oder eine Blume pflanzet, so gräbt er die Erde um, er legt Mist an die Wurzeln und deckt sie wieder mit Erde. Was tut er mit allem diesem für das innere Wesen des Baums und der Blume?
Der Stoff, durch den sich jeder Keim entwickelt, ist in der ganzen Natur unendlich geringer an Wert als der Keim selber.
Darum seid meine Richter, ihr freundlichen Guten, die ihr in der Weihe des himmlischen Funkens göttlicher lebet als unser Geschlecht! Seid meine Richter! Verdunkle ich damit der Sonne Licht, wenn ich sage, alle Wärme der Erde entkeimt aus dem Boden dieser Erde oder wenn ich sage, der Säugling müsse nach tierischen Gesetzen entwöhnt werden, behaupte ich damit, es gebe gar kein sittliches Gesetz in meiner Natur?
Nenne es Abtötung, nenne es Wiedergeburt, dieses kühne Wagstück deiner Natur, diesen salto mortale außer dich selbst, insofern du nur sinnliche Natur bist.
Es ist die höchste Anstrengung deines ganzen Wesens den Geist herrschen zu machen über das Fleisch, eine in meiner Natur lebende bessere Kraft, die selbst mein tierisches Wesen entflammt gegen mich selbst und meine Hand aufhebt zu einem unbegreiflichen Kampf.
Der Mensch findet in seiner Natur keine Beruhigung, bis er das Recht seiner tierischen Sinnlichkeit in sich selbst verdammt hat, gegen sich selbst und gegen sein ganzes Geschlecht. Aber er scheint die Kraft nicht zu besitzen diesem Bedürfnis seines Wesens ein Genüge zu leisten. Die ganze Macht seiner ganzen tierischen Natur sträubt sich gegen diesen ihr so schrecklichen Schritt. Aber er setzt die Kraft seines Willens der Macht seiner Natur entgegen.
Er will einen Gott fürchten, damit er recht tun könne; er will einen Gott fürchten, damit der Tiersinn seiner Natur, den er an sich selber verachtet, ihn nicht länger in seinem Innersten entwürdige. Er fühlt, was er in dieser Rücksicht kann und macht sich nun das, was er kann, zum Gesetz dessen, was er soll. Diesem Gesetz, das er sich selber gibt, unterworfen, unterscheidet er sich vor allen Wesen, die wir kennen.
Ihm allein mangelt Schuldlosigkeit des Instinkts, durch dessen Genuß das Vieh beruhigt auf dem Punkt bleibt, den dieser ihm anweist.
Er allein vermag es nicht auf diesem Punkt stehen zu bleiben, er muß sich entweder über denselben erheben oder unter denselben versinken. Er hat eine Kraft, getrennt von Instinkt, Überlegung und Gedanken in sich selbst wollen zu lassen, auch gegen den Instinkt.
Er hat eine Kraft in sich selbst den Gedanken herrschen zu lassen über den Instinkt. Er kann aber im Gebrauche dieser Kraft von dem gedoppelten Gesichtspunkt, entweder dessen, was er soll oder dessen, was er gelüstet, ausgehen.
Wenn er im Gebrauch derselben von dem letzten ausgeht, so führt sie ihn dahin, ohne alle Aufmerksamkeit auf den Trug und das Anrecht seiner tierischen Natur zu handeln, sie führt ihn auf die Höhe des Tempels, zeigt ihm alle Reiche der Welt und lispelt ihm zu: das alles ist dein, wenn du nur willst.
Dann lebt der Mensch im Glauben an das Wort seiner tierischen Selbstsucht, unter seinem Geschlecht ein Verderber. Sein Auge glüht gegen den Mann, der sein will, was er ist, auf seiner Lippe ist Hohn gegen die Wahrheit und gegen das Recht seines Geschlechts, er liebt die Trägheit, die Gewalttätigkeit, die Galeeren, die Monopole, die Schikane, den Eigensinn und die gesellschaftliche Kraft des Eigensinns, die willkürliche Gewalt. Wenn er aber im Gebrauch dieser Kraft von dem ausgeht, was er soll, so führt sie ihn zu einer Gemütsstimmung, in der der Trug und das Unrecht, die Trägheit, die Gewalttätigkeit, die Galeeren, die Schikane, die Monopole, der Eigensinn und die willkürliche Gewalt von ihm verachtet werden, in der er tief fühlend, mit der ganzen Fülle seines Wesens strebend nach dem Besten, Edelsten, das er zu erkennen vermag, nur innere Vollkommenheit sucht und nichts anderes.
Und es ist in der Weihe dieses Strebens, daß er seine Traumkraft über die Grenzen der sinnlichen Wahrnehmung erhebe, damit er finde das Bild eines Gottes, das ihm Kraft gebe gegen den Tiersinn seiner Natur. Sollte der Mensch dieses nicht tun, sollte er die Handbietung seiner sinnlichen Natur, sollte er sein Ahndungsvermögen über die Grenzen alles hier möglichen Wissens nicht benützen? Sollte er der Wahrheit um der Wahrheit und dem Recht um des Rechts willen getreu sein? Fordere das nicht von ihm, bis er's kann und denke nicht, daß er's könne, solange er ein Tier ist und eben so wenig, daß er anders als tierisch dahin gebracht werden könne ein Mensch sein zu wollen.
Störe also das Werk deiner Natur, die tierische Einlenkung in das Gebiet der Sittlichkeit, nicht durch die Anmaßungen deines Tiersinns selber. Hätte der Mensch die sinnliche Ahndung einer Hoffnung über das Grab nicht, so wäre Recht und Wahrheit von der Erde verbannt, es würde sich's dem tierischen Menschen um der Seifenblase einer nichtigen Meinung willen nicht lohnen sich aus Wahrheit und Recht wie er solche in diesem Zustand zu erkennen vermöchte, vieles zu machen.
Also sei mir heilig, kühnstes Wagestück meiner Natur. Erhebung meiner Traumkraft über ihre tierischen Grenzen, du erhältst die Schamröte im Leibe meines Todes, du erzeugst die Tränen des reuenden Sünders, des kämpfenden Beters mächtige Kraft, des hohen Dulders sich opfernden Sinn, der Demut nie ermüdete Weisheit und der Selbstverleugnung menschenändernde Tugend.
Holde Mutter meines Geschlechts, wenn der Schwindelgeist meiner Natur sich in seinem Wissen und Nichtwissen blähet, ich kniee vor deinem Altar und der Dunst meines Kopfs weicht vor meiner Ahnung, wenn die bleierne Last meines nichtigen Daseins mich Himmel und Erde und mich selber vergessen macht, ich kniee vor deinem Altar und vergesse Himmel und Erde und mich selber nicht mehr. Wenn das Joch des Eigentums meinen Nacken beugt und ich im Wühlen seines Kots gegen die Wahrheit kalt und gegen das Recht hart werde, wenn auch die Liebe durch mein Lechzen nach eigener Behaglichkeit dahingeht und mir jetzt sogar auch die armselige Kraft des tierischen Wohlwollens in meinem Innersten mangelt, wenn nun mein Auge zum Schutz meiner Höhle glühet wie das Auge des Tigers, wenn im Sinnengenuß der Eitelkeit mir der Atem fast stillsteht vor dem tiefen Gefühl der Ehre und ich im Besitz der Macht die Menschen, die mich umschwärmen, wie das Licht trauliche Mücken verbrenne, kurz, wenn ich in den Verirrungen des Wissens, der Macht, der Ehre und selber der Liebe auch den letzten Funken der Menschlichkeit in meinem Innersten verloren, wenn Nacht und Tod mich umgibt und selber das Leben keinen Wert für mich hat, weil ich seiner nicht wert bin; was ist Wahrheit und was ist Recht für mich in diesem Zustand?
Es sind Worte, die noch im Trugsinn meines Tiersinns glänzen wie die Sterne am Himmel. Aber sie leiten weder mein Gehen noch mein Stehen, weder mein Liegen noch mein Aufstehen.
Ohne der Gottesfurcht sinnliche Handbietung ist Wahrheit und Recht meinem Geschlecht nur Täuschung und Schein.
Entwürdige ich damit das Heiligtum meiner Natur? Ich meine, nein! Wie bei der Treue und dem frommen Gehorsam die Früchte der Gottesfurcht nicht mehr an dem Stamm, dem sie entkeimen, angeheftet bleiben; Engel tragen sie dann in heiligen Händen.
Alles Äußere der Religion ist innigst mit meiner tierischen Natur verwoben.
Ihr Wesen allein ist göttlich.
Ihr Äußeres ist nur gottesdienstlich.
Ihr Wesen aber ist nichts anderes als das innere Urteil meiner selbst von der Wahrheit und dem Wesen meiner selbst. Es ist nichts anderes als der göttliche Funke meiner Natur und meiner Kraft mich selbst in mir selbst zu richten, zu verdammen und loszusprechen.
Das Äußere der Religion ist jede in die Sinne fallende Wartung und Pflege dieses Funkens.
Die Wahrheit der Religion ist die Übereinstimmung dieser Wartung mit ihrem Wesen.
Offenbarung: jede Führung zu irgend einer Wartung dieses Funkens, die sich meiner Vorstellungskraft, als von höheren Wesen herrührend, dargetan hat.
Glaube: eine auf reiner Neigung zu innerer Vervollkommnung ruhende Vorliebe für die Wahrheit von Geschichten. Meinungen und Lebensregeln, die sich meiner Vorstellungskraft als von höheren Wesen herrührend dargetan haben.
Andacht: jede an solche Geschichten, Meinungen, Lebensregeln angekettete Erhebung meiner Seele, die zum Zweck hat den Reiz meiner tierischen Sinnlichkeit durch die Kraft dieser Vorstellungen zu schwächen.
Alle äußeren Folgen der Erhebung meiner Traumkraft über ihre tierischen Grenzen, Gebet, Andacht. Glauben usw. sind an sich nicht göttlich, sondern nur gottesdienstlich und vermöge ihres Ursprungs mit sinnlichen Vorstellungen und tierischen Begierden innigst verwoben, also in ihrem Wesen allgemeine Nahrung meines tierischen Sinns und aller Verirrungen, zu welchen dieser Sinn uns alle hinführt. Deswegen auch die Erfahrungen aller Zeiten und aller Weltteile laut sagen, die Religionen gäben dem Menschengeschlecht allgemein die verschobene Richtung, daß ihre Wirkungen wie die Wirkungen des Eigentums, der Macht und der Ehre in den Jahrbüchern der Welt fast immer nur als schaudernde Denkmäler unseres kalten, selbstsüchtigen und blutdürstigen Tiersinns und aller List, alles Betrugs und aller Windbeutelei derselben zum Vorschein kommen.
Es ist nichts anders möglich, wo immer dein Geist, ehe er vom innern Wesen der Religion geheiligt ist. an irgend einem Bild deiner Traumkraft verweilet, da findest du im Bild deines Gottes das Bild deiner selbst.
Bist du dann dumm, dein Gott lohnt die Dummheit mit dem ewigen Leben und den Menschenverstand mit der ewigen Verdammnis.
Bist du ein Tyrann, dein Gott kennt keine Tugend als Untertänigkeit und seine Engel bücken sich vor seinem Thron wie deine Sklaven vor dir.
Bist du gefräßig, du legest die Fette der Stiere auf den Altar deines Gottes und deine Knechte machen das Recht deines Bratens zur * * * des Menschengeschlechts.
Verschobener Menschenverstand macht sich dann zum Lehrer des Volks.
Es ist diesem dann nicht genug, daß man bloß unwissend sei: bloße Unwissenheit läßt dem Menschensinn noch Spielraum.
Es erfordert dann Hörsäle, Akademien, Edikte, Seminare und militärische Gewalt, den verworfenen Menschenverstand gehörig sicher und allgemein zu verschieben.
Die Guillotine des Wahns wird dann notwendig. Menschenfresser braten dir dann dein Herz und skalpieren dir deinen innern Schädel.
Beklage dich nicht, ohne das könnte die Macht die Welt nicht mit den Priestern teilen und dein König könnte nicht an einen Gott glauben, der die Wahrheit so schwachköpfig fürchtet und das Recht so starrköpfig hasset wie er.
Ohne das würde die Menschheit ihr großes Verderben nicht auf den Thronen vergöttern und den vergötterten Elenden noch edler und reiner finden als seinen obersten Priester, dessen Vestalin dem Schönsten aller Schönen an einem schmutzigen Kreuz liebäugelt und dessen Mönche die ersten Grundsätze des gesellschaftlichen Rechts für Verbrechen der beleidigten Majestät erklären.