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Ein Windstoß kam von links und brachte Mondhaus und Strickleiter in heftige Oszillationen, so daß die dunkle Baracke in ihrem Gebälk wie ein Schiffskörper knirschte und ächzte. Wir standen beide noch immer laut schnaufend auf unseren Sprossen; mein Nasenbluten hatte aufgehört und ich bemerkte auch, daß, wenn ich mich ruhig verhielt, ich genügend Luft zum Atmen bekam. – Dagegen war die Kälte entsetzlich. Mein nächster Gedanke war: Wie soll ich da hinein kommen? Denn, – mag der Leser eine Auffassung haben, welche nur immer – es war doch klar, ich mußte hier ein Unterkommen finden, ich war totmüd, hungrig und durchkältet; ich hatte nur dort drinnen Hoffnung mich zu stärken. – Ob ich die dunkle Baracke für den Mond halte? – In drei Teufels Namen, daß weiß ich doch nicht! Habe ich gesagt, daß es der Mond sei? Vermutlich war es der Mond. Ich habe nur gesagt, daß meine Absicht war, dort hinein zu kommen, koste es, was es wolle, denn meines Bleibens auf der Strickleiter war nicht länger. Und zurücksteigen wäre Wahnsinn gewesen. Ich blickte unwillkürlich hinunter, wo wir etwa die Erde zurückgelassen: Alles war mattgrau und verloren. – Inzwischen wurde es aber immer heller; kein Zweifel, zur Linken hatten wir Osten und der Tag nahte. Zu beiden Seiten der dicken Mondfrau erkannte ich jetzt, wie sich eine Menge jugendlicher abgehärmter Gesichter herausdrängten, die mit ihren verwirrten und in die Stirne hereinhängenden blonden Haaren zweifellos armen, hungernden und, wie es schien, halberfrorenen Kindern angehörten; sie hielten sich teils an der Luke, teils am Rock der Mondfrau fest, und blickten mit blassen und gespannten Mienen ebenso unbeweglich auf den Ankömmling und seinen Sack wie die alte Frau selbst. Dieser, der Mondmann, schien endlich ausgeschnauft zu haben, er erhob sich mit seiner Last und rückte der Türklinge näher. – »Papa, Papa!« riefen in diesem Moment mindestens ein Dutzend Kinderstimmen. Also ist das der Nährvater, – dachte ich mir. Ich hielt mich dicht hinter dem Sack; denn so viel war mir klar, daß, wenn ich unbemerkt in das Mondhaus kommen wollte, es in dem Moment geschehen mußte, wenn oben die ganze Familie an der Hereinschaffung dieses ungeheuren Sackes mithalf. – Das Mondhaus schwankte unter diesen letzten Anstrengungen des alten, keuchenden Mannes erschreckend auf und ab. Jetzt, – Bum! – ein dumpfer Stoß; der Sack war oben an die Eingangsluke gestoßen, und halb gebückt, halb auf zwei Füßen und der einen freien Hand kriechend, verschwand der Mondbauer mit seiner Last allmählich in dem dunklen Innenraum. – Ich bemerkte, die Strickleiter lief hier am Ende wie über eine Art Holz-Welle, – wohl um nicht durch den Abwärtszug zu stark geknickt zu werden, – und verlor sich erst von hier aus wie ein kleiner Eisenbahnstrang in der Dunkelheit des Innenraumes, wahrscheinlich um an einer entfernteren Stelle erst fest mit dem Gebäude verkoppelt zu werden. – Der Mondmann schien doch ganz allein den Sack bis weit in die Stube hinein zu schleppen, und indem ich vorsichtig und kriechend nachrückte, kam ich gerade recht, wie die Kinder, die wenigstens doppelt so stark an Zahl waren, als ich vorhin vermutete, ihren Vater umringten, seine Kniee umklammerten und ein schreckliches Geschrei ausführten, aus dem ich nur immer verstand: »Papa! Papa! Papa!« und »Hast Du? Hast Du? Hast Du?« – »Mein Gott! Mann, wo Du so lange wieder bleibst?« ließ sich nun auch die Mondfrau in einem ziemlich unangenehmen Baß vernehmen. – »Ach Gott, – die Käse werde immer rarer!« – »Du lieber Himmel, so jammerst Du jedesmal!« – »Ach, wenn es so fortgeht, werden wir für unsere Kinder nichts mehr zu essen haben!«
Der so gesprochen, warf ermüdet seinen Sack hin, setzte sich auf eine Bank und fing laut zu schluchzen an. – Das Gemach war ganz dunkel; und nur allmählich fing mein Auge an, die Gegenstände zu unterscheiden. Ich benützte die Dunkelheit und die Überraschung und Freude der sich Begrüßenden, mich in den Hintergrund des Gemaches zu stehlen und mich dort zu verbergen. Es war ein runder, saalartiger Raum, oben zur Kuppel gewölbt; ziemlich kleine Verhältnisse; der Fußboden schnitt von der Hohlkugel ein Stück ab; etwa das untere Drittel, sodaß die Wände gebaucht aufstiegen, wie in einem Tunnel, um sich oben im Bogen zu vereinigen; das Ganze in Holzkonstruktion, alt, geschwärzt und von schlechtem Material; die Stützung der Kuppel durch vortretende Holzrippen mit queren Bretterfüllungen eine schrecklich verpfuschte Arbeit; man sah wohl, der Schreiner, oder wer es nur immer gemacht hatte, wußte, worauf es ankam, er hatte Ähnliches gesehn, und man erkannte klar seine Intention, aber es war ohne jede vorausgegangene Übung gemacht, von Eleganz nicht zu reden. Das Holz schien übrigens gut ausgetrocknete Eiche. Der durch den Fußboden abgesonderte Raum war ebenfalls hohl; man hörte dies an dem dumpfen Auftreten; eine Klapptür führte hinunter, und die Mondfrau schickte sich eben an, den Inhalt des Sackes in diesem durch eine Holzstiege zugänglichen Raum zu bergen: es waren lauter runde, außen rotgefärbte, kindskopfgroße, holländische Käse, wie sie jetzt auch in Deutschland viel gegessen werden. Also das war der Ballast, den der Mondmann mit heraufgeschleppt hatte! Zweifellos war es die Verproviantierung. Natürlich! Es war ja sonst nichts da! Ich sah keinen Küchenschrank und dergleichen. Zu einer Vorratskammer war gar kein Platz. Es sei denn, daß unten im Mondkeller, ich meine den unterirdischen Raum unter dem Fußboden, sich Lebensmittel befanden. Aber wer schleppt denn neunzig holländische Käse an die fünfzehn Meilen weit herauf mit übermenschlicher Anstrengung und durch immer dünnere Luftschichten hindurch? Doch zum Essen! – Meine Betrachtung wurde durch ein plötzliches, donnerähnliches Geräusch unterbrochen, das unten aus dem unterirdischen Raum kam; der ganze Mond erzitterte in seinen Fugen, und angsterfüllt klammerte ich mich an eine Bettlade an; gleich darauf kam die Mondfrau etwas keuchend von unten herauf, mit drei Käsen im Arm und schloß die Falltür mit einem fürchterlichen Schlag; es waren die Käse, die die Hausmutter unten aufgeschüttet hatte, und die in der verdünnten Atmosphäre mit so schrecklichem Getöse aufeinanderstießen. Wenn ich jetzt überlegte, wie schon im Heraufsteigen unsere Füße schwer wie Eisen auf die Sprossen fielen, wie mein Körper von Viertelstunde zu Viertelstunde sich immer kolossaler ins Gewicht gelegt hatte, so war es klar, daß der Mondmann die letzten paar Meilen faktisch mit seinen Käsen das Gewicht von ebenso vielen Kanonenkugeln in seinem Sack heraufgeschleppt hatte, und die ausgemergelte Gestalt dieses armen Teufel ward mir nun ebenso begreiflich, wie, daß er jetzt noch immer teilnahmslos auf der Bank saß, den Kopf in die Hand gestützt, und weinte, wie ich glaube, nicht über sein Schicksal, sondern aus Nervenschwäche, vor Ermüdung. – Inzwischen aber hatte sich die übrige Familie, wie ich aus dem aus der Mitte der Stube kommenden munteren Schmatzen entnehmen konnte, zur ersten frohen Mahlzeit wieder vereinigt. – Ich wagte es jetzt, mich aus meiner gebückten Position, die ich hinter einer Bettlade eingenommen, mit großer Vorsicht zu erheben, und mich etwas weiter umzusehen! – Rings an den Wänden des kuglichen Raumes, bemerkte ich, stand eine große Anzahl von kleinen Bettchen, vielleicht an die dreißig, und, wenn ich an die große Schar der armen, ausgehungerten Kinder dachte, so konnte es nicht zweifelhaft sein, für wen sie bestimmt waren. Diese ganze Reihe kleiner Betten war eingeschlossen von je einem größerem Bett, zweifellos für den Mondmann und die Mondfrau. – Ich bemerke hier, daß es mir unangenehm wäre, wenn der Leser glaubt, ich hätte kein Recht, Ausdrücke wie: Mondmann, Mondfrau zu gebrauchen, da doch nicht bewiesen sei, daß ich auf dem Mond sei. Ich habe nie behauptet, daß ich auf dem Mond bin. Ich habe nur vermutet, es könne der Mond sein; daß es höchstwahrscheinlich der Mond sei. Und ich gebrauche die obigen Ausdrücke, weil sie mir als die verständlichsten erscheinen und ich angesichts der geradezu extraordinären Situation, in der ich mich befinde, keine besseren zur Hand habe. Ich weiß ja doch nicht wer der lange Kerl ist, der dort auf der Bank hockt und weint! – Mit diesen zwei größeren Betten war also die ganze Bettreihe abgeschlossen, und zugleich die äußere Periferie des Mond-Innenraums ausgefüllt; doch so, daß an zwei Stellen eine Unterbrechung geschah: ein schmaler Gang führte zur Außentreppe, wo wir herein gekommen waren, und wo die Strickleiter mündete; dieser Gang flankiert vom Bett des Mondmanns und der Mondfrau; und außerdem zwischen dem fünfzehnten und sechzehnten Kinderbett ein schmales Gängchen zu dem einzigen Fenster der Mondstube, dessen Schutz-Laden ich schon beim Heraufsteigen links außen bemerkt hatte. – In der Mitte des Zimmers blieb inseits der Bettstatten ein parabolischer Raum zurück; dort stand ein langer Tisch, auf jeder Seite mit einer ebenso langen Bank; es waren die Plätze der Kinder; und außerdem oben und unten an den Schmalseiten des Tisches je eine kleine Bank; für den Herrn des Hauses und für die Frau. – Ich wunderte mich nicht wenig über die Knappheit der Verhältnisse. Denn was ich jetzt überblickte, war die ganze Mondwohnung. Ein einziges Fenster für einen Raum, in dem zweiunddreißig Betten standen; und dieses führte direkt hinaus in den Weltenraum; ich sah dies an dem zeitweisen Durchblitzen der Gestirne, die eine fabelhafte Schärfe hatten. Der Laden mußte also jetzt offen stehen; ich weiß nicht, wer ihn aufgemacht hatte; denn beim Heraufsteigen hatte ich bemerkt, daß er geschlossen war; vermutlich war er beim Ausleeren der Käse durch die Erschütterung aufgefahren. – Inzwischen ging das muntere Schmatzen der dreißig Mäulchen ohne Unterbrechung weiter. – Wenn ich überlegte, wie dieses Fenster, das ein ganz gewöhnliches Fenster mit bogig glänzenden Scheiben war, wie diese Bettstellen, die paar Möbel hierher an diesen beschränkten Ort kamen, wo doch von einer Industrie, von einem Rohmaterial zur Industrie nicht entfernt die Rede sein konnte, so war es kein Zweifel, der arme, brave Mondmann hatte die Gegenstände alle auf seinem Buckel heraufgeschleppt. Dieser hagere, ausgemergelte alte Kerl, der jetzt dort auf der Bank saß und weinte, und allein nicht essen wollte, während das schmatzende Geräusch der Seinen vielleicht sein Ohr entzückte, schleppt, wer weiß, seit vielen Jahrzehnten, seinen Jungen das Futter herauf, und läuft schnüffelnd und vigilierend auf der Erde herum, und wenn er irgendwo bei einem Bauern ein halbes Fenster herauslehnen sieht, dann nimmt er's mit und stiehlt zusammen, was er finden kann, Runkelrüben, Scherben, Hanf, einen alten Schuh, Lumpen und Knöpfe, um den Seinen hier oben das Nest warm zu machen und die Fensterluken zu stopfen. – Aber, daß man das Signalement dieses Menschen noch nicht erfahren hat. Ein Kerl, der so gewohnheitsmäßig stiehlt, muß doch bekannt werden; gar mit diesem konfiszierten Gesicht; in dieser kittgelben Montur. – Allerdings, er muß ja nicht immer zwischen Leyden und D'decke Bosh absteigen; der Mond geht ja um die ganze Erde. – Ja, aber die holländischen Käse, die bekommt er doch am ehesten in Holland! – Wer sagt denn, daß diese Kleinen immer holländische Käse essen? Die können ja doch auch einmal Bananen bekommen! – Ja, dann wär' aber den Kleinen die Veränderung aufgefallen und sie hätten irgend eine Äußerung gemacht, wie: »So! Heute gibt's Käse!« – Dreißig Kinder! sagte ich zu mir; wie kann man nur in so ärmlichen Verhältnissen so viel Kinder in die Welt setzen, – in den Mond wollte ich sagen?! Und lauter Mädchen! – Der Mann ließ sich gar nicht abschrecken. – Freilich, es geht ihm da heroben, wie manchen Lehrern bei uns auf den Dörfern: sie haben Nichts zu tun. – Die Kinder sahen schrecklich schlecht aus; – als hätten sie vierzehn Tage lang gehungert. Der Mondmann blieb doch nur etwa acht Stunden aus, – denn das Hinabsteigen kann unmöglich so lange gedauert haben wie das Hinaufsteigen. – Vermutlich ist ihnen früher die Nahrung ausgegangen. – »Mann, was gibt's denn Neues auf dem großen Käs?« – Diese Worte, die plötzlich die Mondfrau an ihren apathisch dortsitzenden Mann richtete, rüttelten auch mich aus meinen Betrachtungen auf und erinnerten mich, daß ich nach Aufheben der Tafel entdeckt werden müsse. Die Räumlichkeiten waren zu beschränkt, um mir die Wahl eines Versteckes schwer zu machen. Ein Kleiderkasten war nicht da. Von Vorhängen war keine Rede. Daß ein Bett frei bleiben werde, wäre Wahnsinn gewesen zu denken. Bei der Armut der Leute, bei den mühseligen Versuchen zur Fristung ihres Lebens, hätte doch der Mondmann seiner Zeit statt einer überflüssigen Bettstatt lieber ein paar Schinken heraufgeschleppt! – So machte ich mich denn kurz entschlossen daran, unter das eine der größeren Betten zu kriechen, wo ich wenigstens hoffte, freien Raum zum Atmen zu finden, als unter einem der kleinen; es war, wie der Leser sehen wird, das Bett der Mondfrau. Doch gingen die Längsseiten der Bettladen tiefer herunter, als ich geglaubt hatte; es waren uralte Betten; ich mußte beim Hinunterschlüpfen noch im letzten Moment mit der Brust platt den Boden entlang rutschen; meine Rockknöpfe verursachten dabei ein knirschendes Geräusch, und voller Angst, gehört worden zu sein, hielt ich inne und starrte in den schwarzen Unter-Bett-Raum der Mondfrau. Doch das munter fortgehende Schmatzgeräusch belehrte mich, daß ich nicht gehört worden. Gleichwohl hielt ich lang in dieser Position inne. Das breitmäulige Schmatzen der Mondfrau hob sich dick und stark ab von dem dünnsilbigen, mehr knispenden Geräusch der Kleinen; vom Alten war nichts zu hören; er schien auch zu pensiv, ermüdet und mißlaunig, – und, wie ich glaube, schwerhörig, – um auf etwas zu merken, was unter dem Bett vorging. Endlich brachte ich mich, – eine Drehung meines Körpers um die Längsachse ausführend, – in eine etwas bessere Position. Die Aussicht, die ich da drunten hatte, war merkwürdig genug: dicht über mir die querlaufenden Bretter des Bettgerüstes, die die ganze hochaufgetürmte Last des Bettzeuges trugen und zwischen denen sich ein Drilch-Strohsack gröbster Gattung kröpfig hervorwölbte. Entlang dem Boden, wo die Unter-Bett-Räume der ganzen Stube sich meinem Blick darboten, bemerkte ich eine Menge von Schuhen und Pantoffeln, von denen je zwei in zierlicher Ordnung neben einem in Größe schwankenden Nachttopf plaziert, das zu jedem Kinderbett gehörige Inventar bildeten. Nach dieser Einrichtung zu schließen, sagte ich zu mir, müssen doch diese Leute einmal drunten auf der Erde gewesen sein; ist es denn denkbar, daß eine Frau von dem selbständigen Charakter des Mondweibs sich von ihrem Manne sagen läßt: so schläft man drunten auf der Erde, ich habe drunten bei den Bauern nachts durch die Scheiben geguckt, erst kommt ein Strohsack, dann kommt irgend eine alte Pferdedecke und dergleichen, dann ein dünnes, weiches Flaumbett als Unterbett, dann ein festes, grobes Leintuch, dann zwei karierte Kissen oben für den Kopf, und zwei karierte Plümeaus, jedes fast so dick wie das ganze Bett, zum Zudecken? Wird sich eine Frau das sagen lassen und es befolgen, ohne sich durch den Augenschein überzeugt zu haben? – Nein! – Also muß die Mondfrau unten auf der Erde gewesen sein! – Aber war sie mit diesem Körper-Umfang im Stande heraufzusteigen?! Vielleicht war sie früher jung und elastisch, wie sie jetzt dick und schwappig war! – Meine Rückenlage wurde mir unbequem, und vorsichtig wandte ich mich auf die andere Seite, als plötzlich dicht vor mir eine große, glänzendweiße Kugel auftrat. Doch der Leser erwarte nicht, daß, weil wir uns auf dem Monde befinden, – zwar vermutungsweise, aber doch höchst wahrscheinlich – irgend ein leuchtender Himmelskörper oder sonst siderisches Gebilde vor unseren Augen auftauchen werde; es war ein höchst irdisches Stück; sogar ein irdenes: es war der gewaltige Nachttopf der Mondfrau; ich drehte ihn um, »Hazlitt und Söhne, Heilbronn«, war unten eingebrannt. Also auch dieses Stück, sagte ich zu mir, hat er heraufgeschleppt, und alle die übrigen Stücke, und wahrscheinlich die ganze Einrichtung – und was zerbricht, ergänzt er. Und immer kam mir in der Einbildung wieder der lange, keuchende Mondmann vor, wie er auf dem Teerseil hinaufklettert, den dicken, schweren Sack auf dem Rücken, und auf dem Sack eine Bettlade, und in der Bettlade ein halbes Fenster, und neben dem Fenster einige Nachttöpfe. Und der Mann überwindet die Anziehungskraft der Erde und klettert, und klettert, und wenn er oben angekommen, dann setzt er sich hin und weint. – »Was gibt's denn neues auf dem großen Käs?« rief jetzt die Mondfrau, die, wie mir schien, fertig gegessen hatte, in weit stärkerem Ton als vorhin. Der Alte, dem diese Frage galt, drehte – dies konnte ich von unter'm Bett gerade beobachten – drehte sein Kinn, das in seiner Hohlhand wie in einem Scharnier ruhte, langsam gegen die Mondfrau am unteren Ende des Tisches, glotzte eine Zeitlang, und sagte dann ruhig und trocken: »Nichts!« – »Hast Du denn nichts mitgebracht?« – Antwort: »Ihr habt ja alles!« – »Ich hab' Dir doch gesagt, daß den Kindern die Hemden am Leib verfaulen!« – »Soll ich die Erdenkinder auf der Straße anfallen und ihnen die Hemden nehmen?« – »Du fällst ja die Käse auch nicht an!« – »Die Käse sind tot! Die Hemden leben am Menschen!« – »Du bist doch sonst so geschickt!« – »Mager bin ich, nicht geschickt; wenn ich nicht mager wäre, bekäm ich auch keine Käse!« – Was! rief ich in mir aus, – zu den Käsen kommt er nur durch seine Magerkeit? Dann stiehlt er sie auch! Weiß der Himmel, durch welches Kellerloch er hineinschlüpft! – Eine lange Pause folgte, in der niemand sprach. Auch die Kinder schienen jetzt gesättigt. Man hörte, wie draußen leise der Wind ging und am Fensterladen etwas nockelte, ohne aber den Mondbau im Geringsten in Mitleidenschaft zu ziehen. In solcher Stille hätte man drunten auf der Erden eine Schwarzwälder-Uhr picken gehört; aber auf dem Mond hatten sie keine Schwarzwälder-Uhr. Hier war nur, was zum nackten Leben gehörte. – Und trotzdem sah ich, von meinem Platz unter dem Bett aus, an der Wand zur Rechten, wo kein Fenster war, eine Art Tafel, eine Abbildung, eine große gelbe Kugel mit hellen und dunkleren Flächen, wie einen Himmelskörper, auf schwarzem Grund abgebildet. – Weiß der Himmel, dachte ich mir, aus welchem holländischen Schulzimmer er diese Abbildung sich angeeignet! – Nachdem lange weder der Mondmann noch die Mondfrau etwas gesprochen, und auch die Kinder sich ganz ruhig verhielten, ebenso wie ich auch, erhob sich plötzlich die Alte und, indem sie einen Teil der Käsrinden vom Tisch zusammenkratzte, rief sie: »Kinder, zu Bett!« – Was, zu Bett? rief ich fast laut vor Verwunderung, ich glaubte, der Tag geht an? – In der Tat überzeugte ich mich, daß das eigentliche Zwielicht, welches um nichts besser als Dämmerung war, sich auch nicht um einen Grad der Lichtskala aufgehellt hatte. – Ich zog meine Uhr heraus; – nach meiner Berechnung mußte es beiläufig sieben Uhr Morgens sein; zwei Stunden mochte ich jetzt auf dem Mond sein. Aber wie erstaunte ich, als ich die zwei stahlblauen Zeiger auf dem weißen Zifferblatt, untereinander zusammengepappt, in rückläufiger Bewegung begriffen sah. Was für tellurische, oder magnetische, oder lunäre Einflüsse diese kleine Revolution in meiner linken Westentasche verursacht hatten, – ich weiß es nicht, – aber ich beschloß, indem ich meine Uhr wieder an ihren Platz brachte, sobald die Mondbewohner in Schlaf versunken, hervorzukriechen, das Fenster aufzumachen und mich womöglich nach dem Stand der Sonne zu orientieren. Aber noch aus einem andern, für mich schwerwiegenden Grund, war mir das Zu-Bett-Gehen der Leute nicht unwillkommen. Ich hatte schrecklichen Hunger. Seit mindestens zwölf Stunden hatte ich nichts gegessen und dabei eine Heroen-Arbeit vollendet. Wenn ich die Phrase vermeide: ich habe den Mond bestiegen, – so tue ich es mit Rücksicht auf einen gar zu skrupulösen Leser, der den ontologischen Beweis vielleicht noch nicht für erbracht sieht: aber so viel darf ich sagen: ich habe mindestens zwanzig Meilen in senkrechter Richtung von der Erde entfernt einen Punkt im Himmelsraum erklommen. – Mit Wonne dachte ich an die etwa auf dem Tisch zurückgebliebenen Käsrinden. Ja, ich dachte sogar dem Keller einen Besuch abzustatten. – Freilich, wie das weiter gehen werde: ein Esser unter diesen vielen Kindern, die selbst oft zu hungern schienen, – und ein Student, – ich vermied es, mir diesen Gedanken weiter auszumalen. Inzwischen hatten die meisten Kinder sich ausgezogen und waren in ihre Betten geschlüpft: hie und da fiel ein Kleidungsstück aus Versehen zu Boden und damit in meinen Gesichtskreis; ich betrachtete es; lauter zerlumptes, verschossenes und durchgewetztes Zeug. Jedes Kind, – ich darf dies nicht verschweigen, – bevor es in sein Bett stieg, zog sein Nachttöpfchen hervor, setzte sich im Hemdchen darauf und machte Pipi. Es waren lauter Mädchen, wie ich schon oben bemerkt habe. Die Nachttöpfe waren alle verschieden, an Farbe wie an Form; einer war gar kein Nachttopf, sondern offenbar ein kleiner Kochhafen: ich erwähne dies, weil es für mich der Beweis war für die schon oben ausgesprochene Vermutung, daß diese Geschirre alle von der Erde drunten, und zu verschiedenen Zeiten, heraufgeschleppt waren, und aus Gegenden – weiß der Himmel, wo sie alle her waren. – Aber auch die Mädchen waren verschieden, – wenigstens an Alter. Die ältesten waren mindestens vierzehn, sechszehn und selbst zwanzig Jahre und darüber; nur blieben sie schrecklich klein; das Haar war flachsig, die Augen wasserblau, die Haut teigig und käsweiß; so machten sie den Eindruck von Treibhauspflanzen, die keine Sonne haben. Die Jüngsten waren fast noch unbeholfene Dinger, und wurden von der Mutter zu Bett gebracht. – Diese dreißig Pipi mitanzuhören war gewiß kein Vergnügen, der Leser darf davon überzeugt sein; auch verbreitete sich in diesem Mondzimmer ein nicht gerade angenehmer Geruch, dessen Grundlage übrigens Käsrinden waren. – Während so Kinder und Mutter allseitig beschäftigt waren, ging der Mondmann in einem gelben Schlafrock in langen Schritten im Zimmer auf und ab, d. h. in dem Raum, der inseits der Betten zurückblieb, den langen Tisch jeweilig zur Rechten und zur Linken habend. Er sprach kein Wort, und schien nachdenklich: in dem gemessenen, gleichmäßigen Schritt lag etwas Würdevolles. Dabei streifte er im auf- und abgehen wiederholt an das Fußende des Bettes der Mondfrau, unter dem ich lag, und da er hier jedesmal umkehrte, so gabs einen kleinen Aufenthalt. Ich betrachtete mir dabei genau seinen Schlafrock, schon wegen der seltenen Farbe: aber das war gar kein Schlafrockstoff, sondern ein geblümter, schmutzig-gelber Sofa-Bezug, wie man ihn Anfang dieses Jahrhunderts zum Empire-Stil, auf den auf hohen Füßen stehenden Kanapee's, verwandt hatte; ich sah auch unten am Rand, der um seine nackten Beine schlappte, ganz deutlich die kleine Loch-Reihe, die die Tapezier-Nägel darin zurückgelassen hatten; und das ganze Dinge war zusammengestopft und zusammengeschnitten. – Nun, – dachte ich mir, – das paßt zum Andern! – In Wahrheit aber laborierte ich in mir an jener phosphorescierenden Erscheinung, mit der mir der Mondmann drunten auf Erden entgegengetreten war. – Noch lange ging der hagere Alte schweigend auf und ab, – aber endlich hörte ich über mir einen Plumpser; die Bettstatt erkrachte, und das ganze Mondgehäuse kam in oszillierende Bewegung: die Mondfrau war in ihr Bett gestiegen. – Dies war auch für den wortkargen Mondmann das Zeichen zum Einstellen seiner Wanderungen; mit einem halblaut hingesprochenen »Scheußlich!« als hätte er mit diesem Wort irgend eine geheime Gedankenreihe abgebrochen, begab er sich an seinen Gang, zog die Schlappen aus und legte sich mitsamt dem Schlafrock auf's Bett. – Es währte nicht lange und die ganze Gesellschaft lag im tiefen Schnarchen.
In Wirklichkeit bedeutete dieses Schnarchen für mich gar nichts; wenigstens keine Sicherheit. Für mich war die Frage: Schnarcht oder schläft der Mondmann? Dieser magere, geheimnisvolle Mensch – schien mir – hatte zu viel Gedanken im Kopfe, um schlafen zu können. Wegen der Mondfrau und der Kinder war mir garnicht bange, das heißt: die Mondfrau schnarchte, dieses hörte ich zu mir herunter; aber wegen der Kinder – nehmen wir selbst an, es wäre eines durch meine Gegenwart aufgewacht und hätte geschrien: »Papa!« oder »Mama! es läuft ein zweiter Mondmann,« oder »ein zweiter Papa im Zimmer herum!« (denn hätten die Kinder sich anders ausdrücken können nach ihren Mondbegriffen?) was wäre geschehen?: Ich wäre schnell unter mein Bett geschlüpft und das Kind hätte wegen unzeitiger Störung der Nachtruhe von Mama oder Papa eine Ohrfeige bekommen. – So stand also die Sache, als ich mich leise wie eine Ratte mit dem Oberkörper unter dem Bett der Mondfrau hervorbog, gegen den Gang zu, der zwischen den zwei großen Betten lag, und mit auf die Hände gestütztem Körper mich vorsichtig dem Bette des Mondmannes in Matratzen-Höhe näherte. Ich bemerkte nur, daß es nicht Nacht war, sondern Dämmerung. Weiß der Himmel, was es für ein Bewandtnis mit dem Ausbleiben der Sonne hatte, oder, was auf dem Mond für speziale Verhältnisse existierten, aber es wurde weder Tag noch auch ganz Nacht. Also mußte ich vorsichtig sein. Entdeckte mich der Mondmann, dann war mir das Schicksal Hephästos', an einem Fuße gepackt und vom Himmel auf die Erde geschleudert zu werden, möglicherweise sicher; die Tür war ja dicht neben dran! – Oder weiß einer von den Lesern, ob die Leute auf dem Mond einem muskelstarken Schlag angehören? Ich weiß es nicht. – Doch ich hatte Glück! Der Mondmann schnarchte nicht, aber er schlief; seine langsamen regelmäßigen Atemzüge bekundeten mir dies auf's Unwiderleglichste. Ich kroch unter mein Bett zurück und verließ dann am Fußende desselben mein schwarzes Gefängnis, dessen Aufenthalt mir während der letzten Viertelstunde noch der reichlich gefüllte Nachttopf der Mondfrau etwas vergällt hatte. Mein erster Gang war zum Fenster: Alles lag in schwindelhafter Ferne; kein Baum, kein Strauch, keine Wolke, nicht einmal ein Nebel, weder Ton noch Geräusch, kein Vogel, kein Sonnenstrahl, nur in weiter Ferne einige scharf blitzende Gestirne auf einer dunkel-violetten Wand. Gott! – sagte ich zu mir – welch' ein Leichtsinn, sich auf eine so unberechenbare Bahn begeben zu haben. Ebensogut konnte man sich ja von einem Lämmergeier in die Lüfte entführen lassen. Ich dachte an meine Hausfrau in Leyden. Sie erschien mir in den süßesten Farben. Welch' ein edles Herz, sagte ich zu mir, trotz aller langen Zähne, trotz allen Gekeifes, aller giftigen Blicke und teuflischen Gewohnheiten. – Eines war sicher, – dies lehrten mich die Sternbilder, von denen ich einige erkannte, – ich befand mich im Weltall. Ich befand mich auch noch im Bereich der Anziehungskraft der Erde, oder sonst eines respektablen Weltkörpers, denn sonst wäre ja unsere kleine Mondbaracke längst zerschellt an der Oberfläche irgend eines streunenden Gestirns angekommen, während hier im Inneren alles auf stabile und geordnete Verhältnisse hinwies: einige Bettladen waren aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts, dies ließ sich trotz ihrer Ärmlichkeit an einigem Schnörkelwerk in den Füllungen feststellen; ebenso war die gewölbten Konstruktion der Decke ein verunglücktes Ingenieur-Stück von hohem Alter; also mußte diese kleine, in verdünnter Luft schwimmende Holz-Bude sich doch, was man sagt, eine gewisse astronomische Existenz im Himmel verschafft haben.
Aber wo war die Sonne? Dieser Quell alles Lichts, alles Lebens und aller Bewegung! – Ich hätte zu gerne das Fenster aufgemacht, aber was konnte da nicht alles passieren! Vielleicht hatten wir hierin verdünnte Luft, und beim Öffnen wäre die äußere mit der Vehemenz einer Explosion hereingestürzt und hätte alles drunter und drüber gebracht. Was mir auffiel: ich fror nicht. Draußen auf der Strickleiter hatte ich heftig gefroren. Da nirgends ein Feuer, ein Licht oder ein Ofen war, so mußte die Wärme von wo anders herkommen, ich blickte um mich: »dreißig Kinder,« sagte ich mir, »in einem so engen Raum zusammengepfercht, – die zwei Mondleute und ich macht dreiunddreißig, – das gibt schon aus; und so lange Nahrung vorhanden, ist eine gegenseitige Erwärmung nicht ausgeschlossen; aber es genügt nicht, um die äußere Abkühlung des Mondhauses in dieser verdünnten Region, und was außerdem durch die Ritzen der schlechtschließenden Türen und Fenster hereindringt, zu kompensieren.« Ich machte einen Gang durch den Innen-Bettraum des Zimmers; meine Stiefeln hatte ich unter dem Bett der Mondfrau zurückgelassen: es fiel mir auf, daß die drübere Seite, die Bettreihe gegenüber dem Fenster, schon in der Luft wärmer war als die Fensterseite; auch schliefen dort die kleineren Kinder; ich zwängte mich durch zwei dieser Bettladen durch und fühlte an die Holzwand, wo das gestohlene astronomische Bild hing; sie war badwarm. »Ich laß mich hängen, »rief ich leise vor mich hin, »wenn auf dieser Seite nicht die Sonne steht!« Ich versuchte durch eine Ritze zu spähen, aber da war alles dicht vermacht, es schienen noch dicke Lagen von Werg und sonstigem schlechtleitendem Füllmaterial im Inneren zu kommen, auch roch die ganze Wand stark nach Teer. – Nun, wenn dort die Sonne steht, – sagte ich zu mir, – wird sie schon hervorkommen, oder der Mond wird sich zu ihr hinüberdrehen. – Beim Zurückgehen aus meiner Bettladen-Enge fiel mein Blick auf eines der schlafenden Kinder. Mich frappierte die Gesichtsbildung, die insofern eine sehr tiefe Entwicklungsstufe aufwies, als gerade die äußeren Sinnesorgane wie Ohren, Augen, Nase, nur durch minimale Läppchen oder Erhebungen sich anzeigten, im Übrigen aber der Schädel mitsamt dem Gesicht eine kreisrunde Kugelform einhielt; und da die meisten Kinder, in tiefem Schlaf versunken, mit hochgeröteten Backen dalagen, so machte es den Eindruck, als wären von den runden, holländischen Käsen welche mit kleinen Einschnitten versehen oben am Anfang des Plümeaus gelegt worden. Ich konnte mir nicht versagen, die Rundtour um diese Betten zu machen, um bis zu den erwachseneren Mädchen zu kommen; überall die gleichen Pfannkuchengesichter, der Mund meist ein nach oben gekrümmter Halbkreiseinschnitt, die Nase eine plattgedrückte Zwetsche mit rechts und links einem kleinen Loch, die Augen zwei Schlitzchen, die Ohren zwei Läppchen. Dagegen machte man sich auf der Erde keinen Begriff von dem wunderschönen Goldglanz dieser Kinderhaare, und ebenso war ihre Haut von seltener Reinheit und Glätte. – Inzwischen machte sich aber mein Hungergefühl in immer heftigerer Weise bemerkbar; ich habe wohl oben nicht erwähnt, daß ich schon, als ich vom Fenster wegging, auf meinem Weg zur gegenüberliegenden Seite den Tisch befühlte, um die unangenehme Entdeckung zu machen, daß die Mondfrau sämtliche Speisereste bis auf die letzte Käsrinde zusammengescharrt hatte; was tun? – Ich wußte wohl, wo Käse waren; drunten im Keller; aber war es nicht im höchsten Grade riskant einen Raum in der Dunkelheit zu betreten, von dem ich weiter nichts wußte, als das er den Hohlraum eines Kugelabschnitts darstelle, mit anderen Worten muldenförmig sich vertiefe, und dies nur vermutungsweise?! – Stärker jedoch als diese Erwägung erwies sich mein Hunger. Die Klappe, das ist die Kellertür, wußte ich, lag gerade vor dem Fußende des Mondmann-Bettes; ich begab mich auf allen Vieren in diese gefährliche Gegend; nach langem Tasten in der Dunkelheit fand ich einen eisernen Ring; ich hielt ihn für den Griff und zog; ich hatte mich nicht getäuscht: auch war die Türe nicht verschlossen; natürlich! für wen denn? – Aber in dem Moment, da ich die Türe etwas hob, – mit gespreizten Beinen über ihr stehend, – kam aus der Ecke das halb hingezischte Wort »Scheußlich!«. Vor Schrecken ließ ich die Türe fallen; ein dumpfer Schlag! – Dann lautlose Stille. Mein erster Gedanke war, eine weitere Person sei auf dem Mond und habe Alles, – vielleicht vom Dach aus, – mit angesehen. Dann erinnerte ich mich, daß das ja das Wort war, mit dem der Mondmann zu Bett gegangen. – Zum Glück blieb alles still. Bald hörte ich wieder von allen Seiten regelmäßige Schnarch- und Atem-Züge, und, indem ich mir sagte: der Mondmann ist noch bei seinen Einschlaf-Gedanken, machte ich mich neuerdings an die Arbeit. Es gelang mir, die Falltür bis zur rechtwinkligen Lage emporzuheben, hätte aber beinahe wieder Malheur gehabt, da das eine Scharnier losgerissen war. Ein schwarzes Loch gähnte mir entgegen, ohne die Spur einer Beleuchtung. Ich lehnte die Tür vorsichtig an die nächste Kinderbettstatt, die fast bis ganz heranreichte, und stieg mit größter Vorsicht hinunter; um nicht mit dem Podex an einen unerwarteten Gegenstand zu stoßen, mit dem Gesicht voran; ein süßlich-bitterer Geruch aus Käs und Teer gemischt empfing mich; unten angelangt ging ich aber wohl im Glauben, daß das Schwierigste vorüber, etwas zu eilfertig, wiewohl tappend, nach vorwärts, und plötzlich fühlte ich einen heftigen Schlag vor der Stirn; ungewiß, ob er geführt, oder passiv erteilt, griff ich in die Luft, und faßte ein Querholz, welches, wie es schien, als Handgriff mit einem Triebrad, ähnlich wie bei einem Ziehbrunnen, in Verbindung war. Obwohl ich fast betäubt vor Schmerz war, lauschte ich doch erst, ob die Kollision nicht oben im Mondzimmer vernommen worden, um dann, da dies nicht der Fall zu sein schien, unbekümmert um die abenteuerliche Windmaschine, vom Geruch geleitet, meinen Weg zu den Käsen fortzusetzen. – Richtig! Da lagen etwa ein viertel oder halbes Hundert von den bekannten roten kugelrunden Käsen; wie eine Braut umarmte ich diesen kostbaren Haufen; waren sie doch das Einzige, das noch vor zwölf Stunden mit mir auf der Erde weilend, den fürchterlichen Anstieg da herauf in Gemeinschaft mit mir zurückgelegt hatte. Ich zog aber sofort mein Taschenmesser heraus um den, der nur gerade im Weg war anzuschneiden. Neue Enttäuschung! Mein Messer war, magnetisch vermute ich, festgefroren, das heißt: die Klinge im Heft eingekeilt und unbeweglich. So machte ich mich denn nach Art der Ratten an meine Mahlzeit und verspeiste mit großem Behagen etwa ein Drittel eines Käses. Es fiel mir auf, daß ich weder das Brot vermißte, noch auch durstig war. Wer von den Lesern so gelehrt ist, mag es mit meteorologischen Verhältnissen erklären, ich kann es nicht. Ich hatte den Rest meines Käses schon zum Haufen geworfen, und den Rückweg angetreten, der mir, wie überhaupt jede Bewegung in diesem Mondkeller, sehr erleichtert wurde, da der überall abschüssige Boden mit einem eigentümlich weichen Stoff belegt war, als mir ein neuer Gedanke kam: wenn die Mondfrau morgen oder eines Tages den angebissenen Käse findet, werde ich sie nicht unnötigerweise auf die Spur meiner Anwesenheit lenken, es sei denn, daß Ratten heroben sind, was ich nicht weiß, und die nebenbei der Mondfrau nicht einzufallen brauchen? Also: Du nimmst den angebissenen Käse mit hinauf, – sagte ich mir, – droben riecht es so wie so nach Käse. Ich ging zurück, fand erst nicht den Haufen, stieß an eine Kiste, die schepperte, als wenn eiserne Werkzeuge drinnen wären, zog mich hastig zurück und schlug eine andere Richtung ein, kam schließlich in der Dunkelheit zwar an die Käse, aber an eine ganz andere Stelle als vorhin, griff überall herum, fand aber keinen angebissenen Käse: der Haufen war doch größer als ich dachte, es mögen meinetwegen an die neunzig, oder hundert Stück gewesen sein; ich kroch über den ganzen Haufen und suchte, und suchte, der angebissene Käse erschien mir nun von der größten Wichtigkeit; zum Glück hatte ich keine Stiefel an, und konnte also die übrigen Käse nicht verletzen, höchstens rote Hosenkniee bekommen.