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Quelle: de.wikipedia.org. Idealisierendes Gemälde von Joseph Karl Stieler, ca. 1820
Ludwig van Beethoven

[Vorwort]

Die Musik, so sehr sie die populärste aller Künste ist und jede Brust mit wehmuthsvoller Freude erfüllt, ja selbst bloße Sinnenwesen zu freudigem Aufzucken durchbebt, ist doch in ihren letzten Erzeugnissen ein seltsam vornehm abgeschlossenes Wesen, und nicht ohne Grund verlangt man Bildung und Vorübung, ja Anlage und Entwicklung für die Aufnahme ihrer Geheimnisse. »Von seinesgleichen will man mit dem Verstande gehört sein, Rührung paßt nur für Frauenzimmer, dem Manne muß die Musik Feuer aus dem Geiste schlagen«, so ungefähr sagte Beethoven selbst, und wir wissen, wie langsam des größten Symphonikers Werke sich allgemein Gehör und Anerkennung errungen haben.

Und dennoch, wer kennt heute nicht den Namen Beethoven! – Und wen erfüllt nicht, wenn ihm ein Werk dieses Heroen entgegentritt, auch sogleich die Ahnung einer erhabenen allwaltenden Macht, die aus den tiefsten Quellen alles Lebens stammt! Mit dem Gefühl einer geheimen Verehrung ergreift uns schon der bloße Name, und wir glauben gern, wenn berichtet wird, daß vor der von Gestalt zwar kleinen, aber in ihrer gedrungenen Kraft dennoch imponirenden Erscheinung mit der vorwärts strebenden Haltung und dem aufgerichteten Haupt mit wallendem Haar und fast stechendem Blick selbst der Fremde in einer gewissen Ehrfurchtsscheu zurückwich. Jene beiden Kohlenbrenner aber hielten sogar in einem Hohlweg ihr schwerbeladenes Fuhrwerk an, als ihnen der in der ganzen Umgebung Wiens wohlbekannte »kraupete Musikant« begegnete, der sinnend stand und summend weiterging, wenn er so bienengleich von Sonnenaufgang an in der Natur umherschweifte und das Notirbuch in Händen hielt, von dem er wie Jeanne d'Arc sagte: »Nicht ohne meine Fahne darf ich kommen!«

Was diese Männer des Volks mit unwillkürlichem Respect vor der Würde ergriff, die diese ganze Erscheinung umfloß, ergreift uns bei Nennung seines Namens, wie viel mehr beim Anhören seiner Musik! Hier ist, das fühlen wir, der Geist thätig, der alle Welt belebt und erhält und stets neues Leben schafft. Selbst dem Laien hallt aus diesen hohen Schöpfungen die Gewißheit des Waltens des schöpferischen Geistes entgegen und ertönen diese Laute als die Stimmen der tiefsten Menschenbrust, die das allgemeine Weh- und Wonnewesen unseres Geschlechts im Innersten getheilt hat. Es überkommt uns die sichere Ueberzeugung, daß der hier spricht, uns wirklich etwas zu sagen hat und zwar von unserem eigenen Leben, weil er, was wir Alle fühlen und leben, tiefer fühlte und lebte als wir Andern, und alles was wir lieben und leiden, tiefer liebte und litt als sonst die Staubgebornen. Durchaus tritt uns hier ein Mann entgegen, der an Gemüth wie an Geisteskraft wirklich groß war und uns zu einem erhabenen Vorbilde werden konnte, weil er das Leben wie das künstlerische Schaffen ernst nahm und es sich zur Pflicht machte, »für sich nicht, nur für Andere Mensch zu sein.« Es ist der hohe Grad selbstverläugnungsvoller Kraft, was aus dieser Künstlererscheinung hervorstrahlt und uns selbst wieder erhebt. Hier wurden, wie nur je bei einem großen Künstler, die Aufgaben des Lebens mit der gleichen Treue erfaßt wie die der Kunst. Sein Leben ist völlig auch die Grundlage seines Schaffens: der große Künstler floß aus dem großen Menschen. Wenn irgendwo, so deckt hier die Darstellung des Lebens auch in einer solchen bloß überschauenden Skizze die inneren Quellen des künstlerischen Schaffens selbst auf, und wir werden erkennen, was sich hier darstellt, es ist ein Stück Geschichte des höheren geistigen Lebens unserer Zeit und der Menschheit.


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