Friedrich Wilhelm Nietzsche
Jenseits von Gut und Böse. Zur Genealogie der Moral
Friedrich Wilhelm Nietzsche

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Vorrede.

1.

Wir sind uns unbekannt, wir Erkennenden, wir selbst uns selbst: das hat seinen guten Grund. Wir haben nie nach uns gesucht, – wie sollte es geschehn, dass wir eines Tags uns fänden? Mit Recht hat man gesagt: »wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz«; unser Schatz ist, wo die Bienenkörbe unsrer Erkenntniss stehn. Wir sind immer dazu unterwegs, als geborne Flügelthiere und Honigsammler des Geistes, wir kümmern uns von Herzen eigentlich nur um Eins – Etwas »heimzubringen«. Was das Leben sonst, die sogenannten »Erlebnisse« angeht, – wer von uns hat dafür auch nur Ernst genug? Oder Zeit genug? Bei solchen Sachen waren wir, fürchte ich, nie recht »bei der Sache«: wir haben eben unser Herz nicht dort – und nicht einmal unser Ohr! Vielmehr wie ein Göttlich-Zerstreuter und In-sich-Versenkter, dem die Glocke eben mit aller Macht ihre zwölf Schläge des Mittags in's Ohr gedröhnt hat, mit einem Male aufwacht und sich fragt »was hat es da eigentlich geschlagen?« so reiben auch wir uns mitunter hinterdrein die Ohren und fragen, ganz erstaunt, ganz betreten »was haben wir da eigentlich erlebt? mehr noch: wer sind wir eigentlich?« und zählen nach, hinterdrein, wie gesagt, alle die zitternden zwölf Glockenschläge unsres Erlebnisses, unsres Lebens, unsres Seins – ach! und verzählen uns dabei... Wir bleiben uns eben nothwendig fremd, wir verstehn uns nicht, wir müssen uns verwechseln, für uns heisst der Satz in alle Ewigkeit »Jeder ist sich selbst der Fernste«, – für uns sind wir keine »Erkennenden«...

2.

– Meine Gedanken über die Herkunft unserer moralischen Vorurtheile – denn um sie handelt es sich in dieser Streitschrift – haben ihren ersten, sparsamen und vorläufigen Ausdruck in jener Aphorismen-Sammlung erhalten, die den Titel trägt »Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister«, und deren Niederschrift in Sorrent begonnen wurde, während eines Winters, welcher es mir erlaubte, Halt zu machen wie ein Wandrer Halt macht und das weite und gefährliche Land zu überschauen, durch das mein Geist bis dahin gewandert war. Dies geschah im Winter 1876-77; die Gedanken selbst sind älter. Es waren in der Hauptsache schon die gleichen Gedanken, die ich in den vorliegenden Abhandlungen wieder aufnehme: – hoffen wir, dass die lange Zwischenzeit ihnen gut gethan hat, dass sie reifer, heller, stärker, vollkommner geworden sind! Dass ich aber heute noch an ihnen festhalte, dass sie sich selber inzwischen immer fester an einander gehalten haben, ja in einander gewachsen und verwachsen sind, das stärkt in mir die frohe Zuversichtlichkeit, sie möchten von Anfang an in mir nicht einzeln, nicht beliebig, nicht sporadisch entstanden sein, sondern aus einer gemeinsamen Wurzel heraus, aus einem in der Tiefe gebietenden, immer bestimmter redenden, immer Bestimmteres verlangenden Grundwillen der Erkenntniss. So allein nämlich geziemt es sich bei einem Philosophen. Wir haben kein Recht darauf, irgend worin einzeln zu sein: wir dürfen weder einzeln irren, noch einzeln die Wahrheit treffen. Vielmehr mit der Nothwendigkeit, mit der ein Baum seine Früchte trägt, wachsen aus uns unsre Gedanken, unsre Werthe, unsre Ja's und Nein's und Wenn's und Ob's – verwandt und bezüglich allesammt unter einander und Zeugnisse Eines Willens, Einer Gesundheit, Eines Erdreichs, Einer Sonne. – Ob sie euch schmecken, diese unsre Früchte? – Aber was geht das die Bäume an! Was geht das uns an, uns Philosophen!...

3.

Bei einer mir eignen Bedenklichkeit, die ich ungern eingestehe – sie bezieht sich nämlich auf die Moral, auf Alles, was bisher auf Erden als Moral gefeiert worden ist –, einer Bedenklichkeit, welche in meinem Leben so früh, so unaufgefordert, so unaufhaltsam, so in Widerspruch gegen Umgebung, Alter, Beispiel, Herkunft auftrat, dass ich beinahe das Recht hätte, sie mein »A priori« zu nennen, – musste meine Neugierde ebenso wie mein Verdacht bei Zeiten an der Frage Halt machen, welchen Ursprung eigentlich unser Gut und Böse habe. In der That gieng mir bereits als dreizehnjährigem Knaben das Problem vom Ursprung des Bösen nach: ihm widmete ich, in einem Alter, wo man »halb Kinderspiele, halb Gott im Herzen« hat, mein erstes litterarisches Kinderspiel, meine erste philosophische Schreibübung – und was meine damalige »Lösung« des Problems anbetrifft, nun, so gab ich, wie es billig ist, Gott die Ehre und machte ihn zum Vater des Bösen. Wollte es gerade so mein »A priori« von mir? jenes neue, unmoralische, mindestens immoralistische »A priori« und der aus ihm redende ach! so anti-Kantische, so räthselhafte »kategorische Imperativ«, dem ich inzwischen immer mehr Gehör und nicht nur Gehör geschenkt habe?... Glücklicher Weise lernte ich bei Zeiten das theologische Vorurtheil von dem moralischen abscheiden und suchte nicht mehr den Ursprung des Bösen hinter der Welt. Etwas historische und philologische Schulung, eingerechnet ein angeborner wählerischer Sinn in Hinsicht auf psychologische Fragen überhaupt, verwandelte in Kürze mein Problem in das andre: unter welchen Bedingungen erfand sich der Mensch jene Werthurtheile gut und böse? und welchen Werth haben sie selbst? Hemmten oder förderten sie bisher das menschliche Gedeihen? Sind sie ein Zeichen von Nothstand, von Verarmung, von Entartung des Lebens? Oder umgekehrt, verräth sich in ihnen die Fülle, die Kraft, der Wille des Lebens, sein Muth, seine Zuversicht, seine Zukunft? – Darauf fand und wagte ich bei mir mancherlei Antworten, ich unterschied Zeiten, Völker, Ranggrade der Individuen, ich spezialisirte mein Problem, aus den Antworten wurden neue Fragen, Forschungen, Vermuthungen, Wahrscheinlichkeiten: bis ich endlich ein eignes Land, einen eignen Boden hatte, eine ganze verschwiegene wachsende blühende Welt, heimliche Gärten gleichsam, von denen Niemand Etwas ahnen durfte... Oh wie wir glücklich sind, wir Erkennenden, vorausgesetzt, dass wir nur lange genug zu schweigen wissen!...

4.

Den ersten Anstoss, von meinen Hypothesen über den Ursprung der Moral Etwas zu verlautbaren, gab mir ein klares, sauberes und kluges, auch altkluges Büchlein, in welchem mir eine umgekehrte und perverse Art von genealogischen Hypothesen, ihre eigentlich englische Art, zum ersten Male deutlich entgegentrat, und das mich anzog – mit jener Anziehungskraft, die alles Entgegengesetzte, alles Antipodische hat. Der Titel des Büchleins war »der Ursprung der moralischen Empfindungen«; sein Verfasser Dr. Paul Rée; das Jahr seines Erscheinens 1877. Vielleicht habe ich niemals Etwas gelesen, zu dem ich dermaassen, Satz für Satz, Schluss für Schluss, bei mir Nein gesagt hätte wie zu diesem Buche: doch ganz ohne Verdruss und Ungeduld. In dem vorher bezeichneten Werke, an dem ich damals arbeitete, nahm ich gelegentlich und ungelegentlich auf die Sätze jenes Buchs Bezug, nicht indem ich sie widerlegte – was habe ich mit Widerlegungen zu schaffen! – sondern, wie es einem positiven Geiste zukommt, an Stelle des Unwahrscheinlichen das Wahrscheinlichere setzend, unter Umständen an Stelle eines Irrthums einen andern. Damals brachte ich, wie gesagt, zum ersten Male jene Herkunfts-Hypothesen an's Tageslicht, denen diese Abhandlungen gewidmet sind, mit Ungeschick, wie ich mir selbst am letzten verbergen möchte, noch unfrei, noch ohne eine eigne Sprache für diese eignen Dinge und mit mancherlei Rückfälligkeit und Schwankung. Im Einzelnen vergleiche man, was ich Menschl. Allzumenschl. S. 51 über die doppelte Vorgeschichte von Gut und Böse sage (nämlich aus der Sphäre der Vornehmen und der der Sklaven); insgleichen S. 119 ff. über Werth und Herkunft der asketischen Moral; insgleichen S. 78. 82. II, 35 über die »Sittlichkeit der Sitte«, jene viel ältere und ursprünglichere Art Moral, welche toto coelo von der altruistischen Werthungsweise abliegt (in der Dr. Rée, gleich allen englischen Moralgenealogen, die moralische Werthungsweise an sich sieht); insgleichen S. 74. Wanderer S. 29. Morgenr. S. 99 über die Herkunft der Gerechtigkeit als eines Ausgleichs zwischen ungefähr Gleich-Mächtigen (Gleichgewicht als Voraussetzung aller Verträge, folglich alles Rechts); insgleichen über die Herkunft der Strafe Wand. S. 25. 34., für die der terroristische Zweck weder essentiell, noch ursprünglich ist (wie Dr. Rée meint: – er ist ihr vielmehr erst eingelegt, unter bestimmten Umständen, und immer als ein Nebenbei, als etwas Hinzukommendes).

5.

Im Grunde lag mir gerade damals etwas viel Wichtigeres am Herzen als eignes oder fremdes Hypothesenwesen über den Ursprung der Moral (oder, genauer: letzteres allein um eines Zweckes willen, zu dem es eins unter vielen Mitteln ist). Es handelte sich für mich um den Werth der Moral, – und darüber hatte ich mich fast allein mit meinem grossen Lehrer Schopenhauer auseinanderzusetzen, an den wie an einen Gegenwärtigen jenes Buch, die Leidenschaft und der geheime Widerspruch jenes Buchs sich wendet (– denn auch jenes Buch war eine »Streitschrift«). Es handelte sich in Sonderheit um den Werth des »Unegoistischen«, der Mitleids-, Selbstverleugnungs-, Selbstopferungs-Instinkte, welche gerade Schopenhauer so lange vergoldet, vergöttlicht und verjenseitigt hatte, bis sie ihm schliesslich als die »Werthe an sich« übrig blieben, auf Grund deren er zum Leben, auch zu sich selbst, Nein sagte. Aber gerade gegen diese Instinkte redete aus mir ein immer grundsätzlicherer Argwohn, eine immer tiefer grabende Skepsis! Gerade hier sah ich die grosse Gefahr der Menschheit, ihre sublimste Lockung und Verführung – wohin doch? in's Nichts? – gerade hier sah ich den Anfang vom Ende, das Stehenbleiben, die zurückblickende Müdigkeit, den Willen gegen das Leben sich wendend, die letzte Krankheit sich zärtlich und schwermüthig ankündigend: ich verstand die immer mehr um sich greifende Mitleids-Moral, welche selbst die Philosophen ergriff und krank machte, als das unheimlichste Symptom unsrer unheimlich gewordnen europäischen Cultur, als ihren Umweg zu einem neuen Buddhismus? zu einem Europäer-Buddhismus? zum – Nihilismus?... Diese moderne Philosophen-Bevorzugung und Überschätzung des Mitleidens ist nämlich etwas Neues: gerade über den Unwerth des Mitleidens waren bisher die Philosophen übereingekommen. Ich nenne nur Plato, Spinoza, La Rochefoucauld und Kant, vier Geister so verschieden von einander als möglich, aber in Einem Eins: in der Geringschätzung des Mitleidens. –

6.

Dies Problem vom Werthe des Mitleids und der Mitleids-Moral (– ich bin ein Gegner der schändlichen modernen Gefühlsverweichlichung –) scheint zunächst nur etwas Vereinzeltes, ein Fragezeichen für sich; wer aber einmal hier hängen bleibt, hier fragen lernt, dem wird es gehn, wie es mir ergangen ist: – eine ungeheure neue Aussicht thut sich ihm auf, eine Möglichkeit fasst ihn wie ein Schwindel, jede Art Misstrauen, Argwohn, Furcht springt hervor, der Glaube an die Moral, an alle Moral wankt, – endlich wird eine neue Forderung laut. Sprechen wir sie aus, diese neue Forderung: wir haben eine Kritik der moralischen Werthe nöthig, der Werth dieser Werthe ist selbst erst einmal in Frage zu stellen – und dazu thut eine Kenntniss der Bedingungen und Umstände noth, aus denen sie gewachsen, unter denen sie sich entwickelt und verschoben haben (Moral als Folge, als Symptom, als Maske, als Tartüfferie, als Krankheit, als Missverständniss; aber auch Moral als Ursache, als Heilmittel, als Stimulans, als Hemmung, als Gift), wie eine solche Kenntniss weder bis jetzt da war, noch auch nur begehrt worden ist. Man nahm den Werth dieser »Werthe« als gegeben, als thatsächlich, als jenseits aller In-Frage-Stellung; man hat bisher auch nicht im Entferntesten daran gezweifelt und geschwankt, »den Guten« für höherwerthig als »den Bösen« anzusetzen, höherwerthig im Sinne der Förderung, Nützlichkeit, Gedeihlichkeit in Hinsicht auf den Menschen überhaupt (die Zukunft des Menschen eingerechnet). Wie? wenn das Umgekehrte die Wahrheit wäre? Wie? wenn im »Guten« auch ein Rückgangssymptom läge, insgleichen eine Gefahr, eine Verführung, ein Gift, ein Narcoticum, durch das etwa die Gegenwart auf Kosten der Zukunft lebte? Vielleicht behaglicher, ungefährlicher, aber auch in kleinerem Stile, niedriger?... So dass gerade die Moral daran Schuld wäre, wenn eine an sich mögliche höchste Mächtigkeit und Pracht des Typus Mensch niemals erreicht würde? So dass gerade die Moral die Gefahr der Gefahren wäre?...

7.

Genug, dass ich selbst, seitdem mir dieser Ausblick sich öffnete, Gründe hatte, mich nach gelehrten, kühnen und arbeitsamen Genossen umzusehn (ich thue es heute noch). Es gilt, das ungeheure, ferne und so versteckte Land der Moral – der wirklich dagewesenen, wirklich gelebten Moral – mit lauter neuen Fragen und gleichsam mit neuen Augen zu bereisen: und heisst dies nicht beinahe so viel als dieses Land erst entdecken?... Wenn ich dabei, unter Anderen, auch an den genannten Dr. Rée dachte, so geschah es, weil ich gar nicht zweifelte, dass er von der Natur seiner Fragen selbst auf eine richtigere Methodik, um zu Antworten zu gelangen, gedrängt werden würde. Habe ich mich darin betrogen? Mein Wunsch war es jedenfalls, einem so scharfen und unbetheiligten Auge eine bessere Richtung, die Richtung zur wirklichen Historie der Moral zu geben und ihn vor solchem englischen Hypothesenwesen in's Blaue noch zur rechten Zeit zu warnen. Es liegt ja auf der Hand, welche Farbe für einen Moral-Genealogen hundert Mal wichtiger sein muss als gerade das Blaue: nämlich das Graue, will sagen, das Urkundliche, das Wirklich-Feststellbare, das Wirklich-Dagewesene, kurz die ganze lange, schwer zu entziffernde Hieroglyphenschrift der menschlichen Moral-Vergangenheit! – Diese war dem Dr. Rée unbekannt; aber er hatte Darwin gelesen: – und so reichen sich in seinen Hypothesen auf eine Weise, die zum Mindesten unterhaltend ist, die Darwin'sche Bestie und der allermodernste bescheidene Moral-Zärtling, der »nicht mehr beisst«, artig die Hand, letzterer mit dem Ausdruck einer gewissen gutmüthigen und feinen Indolenz im Gesicht, in die selbst ein Gran von Pessimismus, von Ermüdung eingemischt ist: als ob es sich eigentlich gar nicht lohne, alle diese Dinge – die Probleme der Moral – so ernst zu nehmen. Mir nun scheint es umgekehrt gar keine Dinge zu geben, die es mehr lohnten, dass man sie ernst nimmt; zu welchem Lohne es zum Beispiel gehört, dass man eines Tags vielleicht die Erlaubniss erhält, sie heiter zu nehmen. Die Heiterkeit nämlich oder, um es in meiner Sprache zu sagen, die fröhliche Wissenschaft – ist ein Lohn: ein Lohn für einen langen, tapferen, arbeitsamen und unterirdischen Ernst, der freilich nicht Jedermanns Sache ist. An dem Tage aber, wo wir aus vollem Herzen sagen: »vorwärts! auch unsre alte Moral gehört in die Komödie!« haben wir für das dionysische Drama vom »Schicksal der Seele« eine neue Verwicklung und Möglichkeit entdeckt –: und er wird sie sich schon zu Nutze machen, darauf darf man wetten, er, der grosse alte ewige Komödiendichter unsres Daseins!...

8.

– Wenn diese Schrift irgend Jemandem unverständlich ist und schlecht zu Ohren geht, so liegt die Schuld, wie mich dünkt, nicht nothwendig an mir. Sie ist deutlich genug, vorausgesetzt, was ich voraussetze, dass man zuerst meine früheren Schriften gelesen und einige Mühe dabei nicht gespart hat: diese sind in der That nicht leicht zugänglich. Was zum Beispiel meinen »Zarathustra« anbetrifft, so lasse ich Niemanden als dessen Kenner gelten, den nicht jedes seiner Worte irgendwann einmal tief verwundet und irgendwann einmal tief entzückt hat: erst dann nämlich darf er des Vorrechts geniessen, an dem halkyonischen Element, aus dem jenes Werk geboren ist, an seiner sonnigen Helle, Ferne, Weite und Gewissheit ehrfürchtig Antheil zu haben. In andern Fällen macht die aphoristische Form Schwierigkeit: sie liegt darin, dass man diese Form heute nicht schwer genug nimmt. Ein Aphorismus, rechtschaffen geprägt und ausgegossen, ist damit, dass er abgelesen ist, noch nicht »entziffert«; vielmehr hat nun erst dessen Auslegung zu beginnen, zu der es einer Kunst der Auslegung bedarf. Ich habe in der dritten Abhandlung dieses Buchs ein Muster von dem dargeboten, was ich in einem solchen Falle »Auslegung« nenne: – dieser Abhandlung ist ein Aphorismus vorangestellt, sie selbst ist dessen Commentar. Freilich thut, um dergestalt das Lesen als Kunst zu üben, Eins vor Allem noth, was heutzutage gerade am Besten verlernt worden ist – und darum hat es noch Zeit bis zur »Lesbarkeit« meiner Schriften –, zu dem man beinahe Kuh und jedenfalls nicht »moderner Mensch« sein muss: das Wiederkäuen...

Sils-Maria, Oberengadin, im Juli 1887.


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