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Nachdem ich in meinen ersten Büchern »200 Mittagessen«, »Kalte Küche« und »Gerichte mit Eiern« die gemischte Kost behandelte, wurde ich von vielen Seiten gebeten, ein ebenso anschauliches Buch ausschliesslich für die fleischlose Küche herauszugeben. Ich kam diesem Wunsche mit umso grösserer Freude nach, als ich persönlich und meine Familie längst nach neuzeitlichen Ernährungsgrundsätzen leben und dabei die allerbesten Erfahrungen gemacht haben. Mir ist die Herausgabe dieses Buches eine Herzens- und Gewissenssache, weil ich hoffe, damit auch meine weiteren Mitmenschen zu dieser neuen Ernährungsweise, die in Wahrheit doch uralt ist, bekehren zu können, zum Heil ihrer Gesundheit und zur Förderung ihrer Lebensfreude und Lebenskraft!
Gesund, einfach, billig – und doch gut essen!
Dass die Gesundheit unseres Volkes durch den übermässigen Fleischgenuss in jeder Form und durch die Bevorzugung des Weissbrotes gelitten hat oder auf dem sichern Weg zu tiefen, chronischen Leiden sich befindet – darüber sind sich alle Einsichtigen klar. Viele Ernährungsforscher, die den Ernst der Lage erkannten und uns vor dem Jammer der Ernährungskrankheiten bewahren möchten, haben aufklärende Schriften herausgegeben, ernste Warnungssignale, an denen kein Denkender achtlos vorüber gehen sollte. Wie bei jedem bedeutenden Fortschritt, der je eingeleitet wurde, gewisse Uebertreibungen und Einseitigkeiten nicht zu vermeiden waren, so haben leider auch auf dem Gebiete der neuzeitlichen Ernährung etliche Fanatiker, exzentrische Rohköstler, der guten Sache geschadet. Dieses Buch geht den goldenen Mittelweg, es ist nicht für strenge Rohköstler geschrieben, sondern für solche, die von der früheren Küche das wirklich Gute nicht missen, aber doch die enormen Vorteile der neuen Richtung sich ganz zu eigen machen wollen. Durch das neue Küchen-Jahrbuch ist es unseren Frauen, die besonders berufen sind, im Kampf um diese wichtige Ernährungsreform mitzuwirken, leicht gemacht, ihren Lieben gesegnete Mahlzeiten voller Abwechslung und Wohlgeschmack vorzusetzen.
Alle, die da glauben, der Tisch der einfachen, neuen Ernährung sei weniger ansprechend, mögen sich die farbigen Abbildungen ansehen, damit sie inne werden: auch die neue Richtung legt Wert nicht nur auf gesundes und gutes Essen, sondern auch auf eine Auge und Gaumen reizende Aufmachung. Sie fordert keine Asketen, man darf und soll sich all der natürlichen Gottesgaben herzlich freuen, den alten Spruch bedenkend:
»Des Leibes Genüsse tut wohl anwenden,
So bleibt das Glück Euch in Händen!«
Verirrt
Wir Menschen von heute leben in einer steten Krankheitsfurcht – das Heer von Anpreisungen in den Zeitungen gegen alle möglichen Leiden ist der beste Beweis dafür – und doch gibt man sich so selten Rechenschaft über das Warum und Wieso. Es ist für uns traurige Tatsache, dass bei der allgemein üblichen Ernährung der letzten Jahrzehnte das Krankheitselend erschreckend zugenommen hat, ein Hauptgrund für die Krankheitsfurcht. In unsern frühern Schulbüchern hiess es und trichterte man uns ein, der Mensch brauche zum Unterhalt und Aufbau seines Körpers so und so viel Eiweiss, Kohlehydrate und Fett, oder man liess uns einen Einblick in die Kalorienlehre tun. Von den eigentlichen lebendigen Stoffen (Vitamine) und Nährsalzen (Mineralstoffe) schwieg man oder streifte sie als nebensächlich. Die alte Küche hat sie deshalb auch nicht geschätzt, ja, hat sie uns vielfach vorenthalten, indem sie das Auslaugen, Blanchieren, lange Kochen der nährsalzreichen Pflanzen, das Braten und die einseitige Betonung der vitaminarmen Fleischkost predigte. Und die Folgen der Eiweissvergiftung und Vorenthaltung des einzig Nährenden in der Nahrung bilden die lange Kette der verschiedensten Leiden.
Wiedergefunden
Wir Frauen können den ernsten Ernährungsforschern nicht genug danken, dass sie uns den richtigen Weg zur naturgemässen Ernährung durch die Pflanzenkost gewiesen haben, den Weg, der allein zu den geheimnisvollen Lebensstoffen und zu den wunderbar wirkenden Nährsalzen führt. Die gütige Mutter Natur hat uns damit reich bedacht. Sie will uns mit ihren herrlichen Gaben von der naturwidrigen, krankheitbringenden Ernährungskultur zurückführen, und zwar auf dem einfachen, billigen Weg, der nicht durchs Doktorhaus geht, sondern durch die Küchen der vernünftig denkenden Frauen.
Beschreiten wir den wiedergefundenen Weg, indem wir die kostbaren Gaben nicht durch widersinnige Verarbeitung verstümmeln und entwerten.
Zwei interessante Bilder
Auf der hinteren Umschlagseite befinden sie sich und reden eine lebendige Sprache. [Umschlag fehlt in unserem Ex. Re.]
Das obere Bild zeigt die Nahrungsmittel, an deren einseitigem Gebrauch die Menschheit erkrankte: eiweissreiche, vitamin- und nährsalzarme Kost, die in Anbetracht ihres niedern Gehaltes an lebendigen Stoffen, deren wir so sehr bedürfen, im Handel viel zu teuer ist: Fleisch, Fisch, Geflügel, Wurst, blanchiertes (gebrühtes) Gemüse, raffinierter, denaturierter Zucker, Weissmehl und dessen Produkt das Weissbrot, glacierter oder geschälter Reis.
Das Fleisch erzeugt (weil es von Blut und Knochen befreit ist) Harnsäure. Beim gebrühten Gemüse gehen die wertvollen Nährsalze mit dem Brühwasser in den Rinnstein. Die nach alter Methode eingemachten Konserven sind durch den langen Kochprozess gehaltlos geworden. Der weisse, raffinierte Zucker wirkt säurebildend und entzieht dem Körper den Kalk. Das Weissmehl erhält man durch Schälen und Beuteln des Korns, die hochwertigen Nährsalze oder Mineralstoffe und Vitamine finden sich danach in der Kleie, dienen als Viehfutter – und der Mensch hat im Weissmehl nur noch das ganz minderwertige, nährsalzarme, kraftlose Produkt, das an der unheilvollen Darmerschlaffung schuld ist. Das Fehlen des Silberhäutchens beim polierten, weissen Reis ist die Ursache der furchtbaren Ernährungskatastrophe, die Millionen Asiaten das Leben kostet (Beriberi-Krankheit).
In den drei Tellern befinden sich kleine Schalen, in welchen die nicht entwerteten Produkte dargestellt sind. Die erste Schale enthält als Gegensatz zum denaturierten weissen Zucker den gesunden braunen Roh- oder Rohrzucker. In der zweiten Schale sieht man als Gegenstück des kraftlosen Weissmehles das gehaltvolle Schrot- und Vollmehl. Die dritte kleine Schale fasst ungeschälten vitaminreichen Naturreis oder Vollreis.
Das untere Bild illustriert die nährsalzreiche, vitaminbildende Nahrung: alle Arten frischer Früchte, Beeren, die verschiedensten Gemüse, Körnerfrüchte, Nüsse, frische Milch, frische Eier (nicht solche, die vor einem halben Jahr in Indien gelegt wurden!). Diese frische Nahrung gibt unserem Körper die Aufbaustoffe, die er braucht, also Kraft und Gesundheit.
Reichen wir sie unsern Lieben in dankbarer Gesinnung gegen die allgütige Natur nach dem weisen Grundsatz, »was roh gut schmeckt, soll auch roh genossen werden.«
»Wunderkuren«
Ist es nicht interessant, dass gesundheitlich heruntergekommene Menschen von hervorragenden Aerzten sehr erfolgreich mit Rohkostkuren behandelt werden, z. B. bei Stoffwechselstörungen, Tuberkulose, Fettsucht, Haut- und Nervenleiden, Magen- und Darmkrankheiten, sowie bei anderen Erkrankungen? – Ganz begreiflich, wenn man bedenkt, dass der an zu wenig Vitamine- und Nährsalzzufuhr erkrankte Körper die wunderbaren Lebensstoffe eben nur aus der rohen Nahrung erhalten kann, nie aber aus künstlichen Präparaten, und wenn diese noch so teuer sind, oder aus lange gekochter, ausgelaugter Nahrung.
Der »verkehrte« Speisezettel
Die alte Küche leitet die Speisenfolge mit der Suppe ein und schliesst sie mit Früchten. Die neuzeitliche Küche verlangt als Eingang die wertvollste Nahrung: die Früchte; darauf folgen Nüsse, Salat und zuletzt das Gekochte. Diese Speisenfolge hat gegenüber der früheren grosse Vorteile. In den ausgeruhten, leistungsfähigen Magen gehören unbedingt zuerst die an Lebensstoffen und Nährsalzen reichen, leichtverdaulichen Früchte, Nüsse und Rohgemüse oder Salate. Erst in zweiter Linie folgen die gekochten Speisen. In diesem Sinne sollen auch die Abbildungen sprechen.
Ratschläge für Fettleibige
Fettleibige sollten 1-2 Tage in der Woche ausschliesslich von Rohkost leben und wenig trinken, vor allem das viele Kaffeetrinken aufgeben. Hungerkuren sind also nicht nötig, sondern man soll nur die Nahrung auf Fig. 29 durch Nahrung auf Fig. 30 ersetzen. Je mehr Rohkost die täglichen Mahlzeiten aufweisen, umso sicherer schwindet der Fettansatz.
Blutarm?
Wie viel, gesundes Blut bildende Nahrung könnte man kaufen für das schöne Geld, das die Blutarmen so leichten Herzens für alle möglichen Pillen und Tränklein ausgeben! – Dass neben vieler roher Nahrung auch Ruhe und Sonne nötig sind, ist selbstverständlich.
Wahre Verjüngung und Schönheit
erhält man nur in inniger Berührung mit der Mutter Natur, indem man ihre pflanzlichen Erzeugnisse voll würdigt und sich zum grösseren Teil täglich mit frischer, roher Kost ernährt. Vitaminarme Nahrung macht uns welk und krank, sie erzeugt die »Wurzel alles Uebels«: die chronische Verstopfung. Wenn wir von der richtigen Einschätzung der Frischkost durchdrungen sind und uns zur neuzeitlichen Ernährung dauernd bekennen, ist uns der Preis der naturgemässen Lebensweise gewiss: nicht nur Verjüngung und Schönheit, sondern auch wahre Gesundheit und Leistungsfähigkeit bis ins hohe Alter.
Einige Grundregeln
Bei jedem Essen soll ein Teil der Pflanzennahrung roh verzehrt werden, sei es in Form von Früchten, frischen Salaten oder rohen Gemüsen. Die Nahrung, und ganz besonders die rohe, muss gründlich gekaut werden, wenn sie voll ausgenutzt werden soll.
Alles, was roh genossen werden soll, muss mit grösster Sorgfalt gereinigt sein, damit keine Wurmeier u. s. w. in den Körper gelangen. Salate und Rohgemüse sollten nach dem »Anmachen« sofort genossen werden. Sie lassen sich nicht aufheben wie das Gekochte. Das gekochte Gemüse soll nicht gebrüht werden, weil dadurch die Nährsalze und Vitamine zum grossen Teil durchs Brühwasser verloren gehen. Man verwende die Gemüseabfälle, die sich täglich beim Vorbereiten der Gemüse ergeben, zur Gemüsebrühe, die man wiederum zu Suppen und Saucen verbraucht.
Weichgekochte Speisen richte man sofort an. Das Weiterkochen oder Stehenlassen auf dem heissen Herde verringert ihren Nährgehalt um so mehr, je länger sie unnütz kochen oder in der Wärme stehen. Man verwende möglichst reines Olivenöl und Butter oder gutes Pflanzenfett.
Die in diesem Buche enthaltenen Kochvorschriften können natürlich nicht jedem Geschmack gerecht werden, und bei Verwendung von Oel, Butter oder Pflanzenfett, bei der Zugabe von Kräutern und Gewürzen wird sich die denkende Hausfrau nach ihrer Wirtschaftskasse und nach den Wünschen und Gewohnheiten ihrer Tischgenossen richten müssen. Hauptsache ist und bleibt, dass sie sich die Grundforderungen der neuzeitlichen Ernährungslehre zu eigen macht und sie gewissenhaft und klug anzuwenden weiss!
Man gewöhne sich daran, das tägliche auch einfachste Essen so lockend wie möglich anzurichten, damit auch das Auge mitgeniessen kann.