Ernst Elias Niebergall
Des Burschen Heimkehr oder: Der tolle Hund
Ernst Elias Niebergall

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Achte Scene

Vorige, Nachtschatten (mit vielen Bücklingen.)

Nachtschatten. Habe die Ehre, mich Ihnen allerseits gehorsamer zu empfehlen. (Halblaut und verbindlich zu Binchen.) Sind Sie mir noch böse?

Binchen. Gott soll mich bewohrn. (Sie steht auf und will sich entfernen.)

Fr. Puttel (bei Seite, zornig zu Binchen.) Willt-de dobleiwe, du ungezoge Stick! Nemm dich wohl vor mer in Owacht. (Sie bringt Binchen durch drohende Pantomimen zum Sitzen. Laut.) Sie wollt Ihne Blatz mache, Herr Nochtschadde.

Puttel. Losse-Se sich nidder, Herr Nochtwechder, odder – ich hob die Ehr, Ihne ihrn wehrdeste Nome net recht zu wisse – nemme Se's net iwwel.

Nachtschatten (mit einem Diener.) Nachtschatten, werthester Herr Puttel, Nachtschatten ist mein Name.

Puttel (macht ebenfalls einen Diener.) Danke der Noochfroog.

Fr. Puttel. No wos bringe-Se Neies? Sie wisse doch immer mehr als Unserahns.

Nachtschatten. Sehr verbunden. Haben Sie schon von dem Einbruch in verwichener Nacht gehört?

Puttel. Wos Se net soge! Ich wor doch gestert Middaag aus, do hot mer kah Mensch ebbes davoh gesogt. Wo dann?

Nachtschatten. Sie haben noch nichts davon vernommen? Ich mache mir ein Vergnügen daraus, Ihnen eine genaue Erzählung des Vorfalls mitzutheilen. Fräulein Binchen muß mir aber vorher versprechen, sich nicht fürchten zu wollen.

Binchen. Ich bin net so ferchterlich. (Bei Seite.) Des wehr der Werth!

Nachtschatten. Der Einbruch geschahe bei einem Metzger, wenn ich nicht irre, so heißt er Knippelius.

Alle. In's Knippeliusse?

Nachtschatten. Aufzuwarten. Alles hatte sich in dem Hause desselben zur Ruhe begeben.

Puttel. Es is merkwerdig!

Nachtschatten. Wie ich Ihnen sage, werthester Herr Puttel. Plötzlich vernimmt der Sohn, ein von der Universität zurückgekehrter junger Mensch –

Fr. Puttel. Des is niemand annerscht, als der Fritz.

Nachtschatten. Dieser also vernimmt neben seiner Stube ein Geräusch. Er ermuntert sich, reibt sich die Augen, und hört deutlich, daß jemand in dem anstoßenden Kabinet herumtappt. Voll Unbesonnenheit, – jeder Vernünftige würde die Leute geweckt haben – voll Unbesonnenheit springt er in das Kabinet, als er sich plötzlich in der Dunkelheit von drei baumstarken Kerls mit Säbeln und furchtbaren Schnurrbärten gepackt und niedergerissen sieht –

Puttel. Hot er se dann net gekennt?

Fr. Puttel. Du hehrscht jo, daß es stockdunkel wor.

Nachtschatten. Er ringt mit ihnen – sie setzen ihm ihre Pistolen auf die Brust, und drohen ihn zu erstechen, wenn er nur den geringsten Laut von sich gäbe. Einer beraubt inzwischen den Geldschrank seines werthvollen Inhalts. Der junge Mensch in seiner Todesangst wagt nicht, um Hülfe zu rufen – er wird grausam mißhandelt, und wie ich höre, zweifelt man an seiner Rettung. Nach vollbrachtem Raub entfernen sich die Banditen vermittelst einer Strickleiter durch den Schornstein.

Puttel. Gott, wos gibt's for schlechte Mensche!

Fr. Puttel. Morje des Doogs misse drowwe die kabuttene Lähde gemocht wern.

Nachtschatten. Hören Sie gefälligst weiter. Der junge Mensch erweckt durch sein Geschrei die Nachbarschaft: das Volk läuft zusammen. Inzwischen wacht auch der Metzger auf, und findet seinen Sohn halb entseelt im Blute schwimmend.

Binchen (bei Seite.) Du Lijegusch!

Fr. Puttel. Der ohrm Jung!

Nachtschatten. Kennen Sie denselben?

Fr. Puttel. Ach jo, er is als friher in unserm Haus ei un aus gange.

Binchen (lachend.) Ja, un wor erscht heit Morjend do!

Nachtschatten (stellt sich erstaunt.) Wie wäre das möglich!

Binchen. Ja, un hot frisch un gesund ausgesehen un hot nooch-der gefroogt, Vadda.

Puttel (erstaunt.) Des is awwer doch merkwerdig merkwerdig. Heint Nocht in seim Blut erumgeschwumme, un de Morjend druf uf de Bah! Des haaß ich mer e gut Naduhr.

Binchen. Ach gehn-Se doch, Vadda, losse-Se sich doch nix weiß mache. (Zu Nachtschatten.) Wie hot's dann der jung Mensch abgestellt, daß er in dehre stockdunkele Stubb dene Reiwer ihr Schnabbährt hot sehe kenne? Do mißt er grohd die Stadtbrill ufgesetzt howwe!

Fr. Puttel. Des mißt doch e Verwechselung sey, Herr Nochtschadde.

Nachtschatten. (Für sich.) Verwünscht! (Laut.) Möglich, obwohl – doch von etwas Anderem zu reden. (Zu Putteln.) Was machen Ihre Gliederschmerzen? doch hoffentlich besser?

Puttel. Ihne ufzuworte, es geht äwe recht gut, nor im Gnick reißt mer'sch als noch ganz merkwerdig, un in de Ahrm spihr ich so e Juckens un e Reißens eriwwer un eniwwer, am Ärgste awwer rumuhrt mer'sch im linke Hinnerfuß, wann ich dedruf drehte duh, mahn ich, ich mißt in die Lifte fohrn vor Schmerze. Ich bin gor nix mehr nutz.

Nachtschatten. Verlieren Sie nur den Muth nicht, es wird wieder besser werden.

Puttel. Ich wißt net, wos ich drum gehb, wann ich in annere Umstende wehr. No, Sie greife schunt nooch dem Hut?

Nachtschatten. Ja, ich bedaure, des Vergnügens ihrer angenehmen Unterhaltung mich berauben zu müssen, da mich pressante Angelegenheiten dringend nothwendig abrufen. Habe die Ehre, mich zu empfehlen. (Er geht mit einem schmachtenden Blick auf Binchen.)

Puttel. Seyn-Se so frei, un kumme Se bald widder.

(Puttel und seine Frau begleiten ihn zur Thüre hinaus.)

 
Neunte Scene

Binchen (allein.) Wos is er ohgeloffe mit seim Luck! Wort nor, ich will-em schunt sei Dippche ufdecke! Gemerkt muß er'sch howwe, wos ich uf en gebb. Die Mudda hot mer awwer aach Blick zugeworfe, es is mer angst un bang worn. Alleweil werd sich im Gahrte ebbes zu schaffe gemocht, sunst fellt se widder iwwer mich her, daß kah gut Hoor an mer bleibt. (Durch eine Seitenthüre ab.)

 
Zehnte Scene

(Die Bühne verwandelt sich in eine Partie des Herrngartens in der Nähe des Tempels.)

Fritz (tritt nachsinnend auf, die Hände auf dem Rücken; nach einer Pause:) So dief haw-ich mei Lebdaag noch net im Bech gestokke! Desmol geht mer'sch an de Kraage. Lang kann ich's doch net mehr verdukkele, un wann ich's noch so piffig ohfang. Die Geschicht mi'm Koffer loß ich mer noch so halb un halb gefalle – es is mer zwor vorkumme, als deht der Vadda Lunde merke. Des wehr e Kunst gewese, mein Koffer obzuschneide – den hett ich sehe meege, der des Kunststick gemocht hett! Alles verkeilt! Wann se des wißte, es gehb en Mordrandal. Jetz how-ich se weiß gemocht, ich hett kah Schulde, un ich heng noch mit ere Maß Philister: wann die Kerl schreiwe, un es werd ahner vun ihre Drehtbrief abgefaßt, dann fall ich bedeutend in die Brich. Des Schlimmst is awwer, daß se mahne, ich wehr vun selbst vun Gieße eweck gange: äwe hatt ich ihrn Brief krickt, wie mich des Discippel zum Deiwel gejagt hott, weil ich mich so musterhaft ufgefihrt hob. No, wos? Schlechtigkeite how-ich kah begange, un weje ere Baukerei geschickt zu wern, des kann dem solidste Kameel bassirn. O weh, wie is der Borsch gedrickt! Un dann noch die verdammt Geschicht mi'm Bienche! Wer dehre die Fleeh in's Ohr gesetzt hot, der is sei bisje Lewe net sicher vor mer!

Es is eigentlich schendlich vun mer, mei Alte so hinner'sch Licht zu fihrn, awwer wos bleibt dem Borsch iwwerig? Es gescheidst wehr, ich deht Alles beichte. Dorch die gestrig Diebsgeschicht how-ich mich in e gut Renommée gesetzt – mi'm Studirn is es doch nix, des how-ich gewißt, wie ich als Fuchs nooch Gieße bin gange. E Metzjer fihrt e viel fideler Lewe – do braucht mer nix zu ochse, un kann aach e ehrlicher Mann sey. (Er geht nachdenkend auf und ab.)

Alleweil is mer e Nochtlicht ufgange! Bei der erschte Gelejenheit werd dem Alte gesogt, wo der Borthel de Most holt. Wie will ich's-em awwer beibringe? Er hot sei Fliß, wann-em ebbes dawidder schnappt. – Wann ich nu kehm, un deht soge – richdig, so werd's gemocht! – Heit Owend, odder wann's is, wann er sei Werfche hot, daß er gut gelaunt is, dann rick ich-em uf de Leib un soog: Liewer Vadda, es hot mer schun lang lahd gedoh, daß ich Ihne in Ihre alte Daage im Stich losse sollt, un ich hob nor studirt, weil sich's die Mudda battuh in de Kopp gesetzt hatt – ja, so werd's geh! – weil ich awwer immer gedacht hob: du mußt deim Vadda unner die Ahrm greife, do how-ich gemocht, daß ich relegirt worn bin, un jetz will ich Metzjer wern un bei Ihne bleiwe. Des geht wie Damp! Ich meegt Borzelbehm schlaage vor Frahd iwwer den gute Eifall! Dann wern mei Schulde gebeicht, un wann er aach noch so wild werd, de Kopp kann er mer doch net obreiße! Die Sach mi'm Bienche werd sich dann aach widder mache – es is so der Allerbest – liewer e orndlicher Metzjer als sich die Aage blind ochse.

(Valentin, elegant gekleidet, eilt mit einem grün eingeschlagenen Kleiderbündel geschäftig über den Hintergrund, ohne Fritz zu bemerken.)

He! Valdin!

 
Eilfte Scene

Fritz, Valentin (dreht sich schnell um und fährt zusammen, da er Fritzens ansichtig wird.)

Fritz. Laaft der Kerl net, als kreeg er'sch bezahlt!

(Valentin kommt schüchtern näher.)

Fritz (schüttelt ihm die Hand.) Wie geht der'sch, Alter?

Valentin (äußerst verlegen.) Guck emol oh, der Fritz ich hob gor net gewißt, daß de do bist. (Für sich.) Er werd mich gewiß zor Redd stelle wolle. (Laut.) Ich hett dich schunt besucht, owwer ich geh gor wenig aus, besonnersch Owends.

Fritz (lacht.) Ei du Simbel, wie kannst-de mich dann besuche, wann de net wahßt, daß ich do bin? Un Owends dehst-de net ausgeh? des mach en Annern weiß.

Valentin. (Für sich.) Ich bin verlese, er hot mich gekennt. (Laut.) Ich kann mich net ufhalte, ich hob do en Rock – es bressirt –

Fritz (hält ihn.) Der werd worte kenne, ich hob dich iwwer e Meng Sache zu frooge.

Valentin (in großer Angst.) Ich wahß nix – loß mich nor geh!

Nachtschatten (mit einem Quastenstock, ein Liedchen trällernd, geht gravitätisch vorüber.)

Fritz (läßt Valentin los.) Halt, do kimmt mer Ahner in de Worf – Schieb dich! – uf Den how-ich's schun lang geminzt – mit Dem will ich emol unner vier Aage Frakduhr schwätze.

Valentin. No, viel Bläsihr! (eilig ab.)

Fritz (ruft Nachtschatten zu.) Sie! Bst! Sie! Worte Se emol, ich hob en Ufdraag an Ihne.

Nachtschatten (dreht sich hochtrabend um.) Meinen Sie mich?

Fritz. Wen dann sunst? (Für sich.) Wort, Kerl, dich will ich koranze! (Barsch.) Schreiwe Sie sich Nochtschadde?

Nachtschatten. Aufzuwarten. Dürfte ich fragen –

Fritz. Des wern-Se noch frih genug hehrn. (Für sich.) Ich will emol recht de massive Studio eraushenke! (Laut.) Sie hawwe Absichte uf e gewiß Mädche –

Nachtschatten. Allerdings! Und warum interessirt es Sie?

Fritz. Wie kenne Sie Knotch mit Ihrm Reiweisegesicht un Ihrm Kerschehooke vun ere Noos Absichte uf e Mädche howwe? mer mahnt jo, der Deiwel hett Erbse uf Ihne Ihrm Gesicht gedrosche! Losse-Se sich's vergeh, sie maag Ihne gor net, des will ich Ihne schriftlich gewwe.

Nachtschatten (aufgebracht.) Mein Herr – Sie werden impertinent.

Fritz. Worte-Se, es kummt noch besser. Gucke-Se sich emol um, es is kah Mensch un kah Seel in der Neh, un wann Se ihrn Schnawwel zu weit spazirn losse, do haag-ich Ihne, daß Se an Gott verzweifele!

Nachtschatten (etwas eingeschüchtert.) Sie werden sich doch keine – Gewaltthätigkeiten erlauben!

Fritz. Ich will mich net an Ihne vergreife, dann Sie sinn nor e Gedanke vun eine Mensche. Wann-Se awwer die Geschicht mit dem Mädche net ufstecke, do haag ich Ihne uf die Vernunft, daß Se de Glaawe verlihrn! Gehn Se hih un suche Se sich so e Krott wie Sie sinn, un wo aach so en Zinke im Gesicht hot, die baßt sich zu Ihne: des anner Mädche awwer losse Se ungeschoorn, un wann ich hehr, daß Se's doch net unnerlosse, dann dreh ich Ihne des Gesicht hinne hih! Do kreht doch kah Hahn danooch, wann mer Ihne kabutt uf der Gaß deht finne, die Leit dehte glaawe, es hett Ihne e Gardreider aus Unversichtigkeit doht gedrähte.

Nachtschatten (giftig.) Keine Injurien! Verstehen Sie mich? Ich bin Bürger – verlange Satisfaktion!

Fritz. Ei du verdammter Philister, du willt dich geje en Studio mukirn? (Faßt ihn an der Brust und schüttelt ihn.) Kerl, ich brech dich uf dem Knie erzwah, du Ahdorm!

Nachtschatten. Hülfe! Mordjo!

Fritz. Ja, kreisch, bis de schwaz werscht, Kwadutter! Da, do host-de Satisfaktion! (Gibt ihm eine Ohrfeige und wirft ihn weg.) Geh hahm, un soog, es kehm drihb!

Nachtschatten. Das soll Ihnen theuer zu stehen kommen! (Er rennt ab.)

 
Zwölfte Scene

Fritz (ruft ihm nach.) Du werscht's-em gewwe! Laaf zum Deiwel, jetz wahßt-de, wos-der im Gorte wechst! – Ich wollt, des Bienche hett gesehe, wie ich mit ihrm Pousseur umgesprunge bin, ich glaab, sie hett de Gusto an em verlohrn. Zwor verkeilt kann se net in en sey; ja, ich wollt's zugewwe, wann er net die barwarisch Noos hett – des Thernche uf dem Mellebokes is nix dageje; – sie deht mich werlich dauern. Awwer do drummelt's schun uf die Barrahd, un in mei'm Maage drummelt's aach: ich will mache, daß ich hahm kumm. (ab.)

Der Vorhang fällt.

Ende des dritten Aktes.


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