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Titus, Constantia
Constantia (ihr verwundert nachblickend) Hm – dieses Geschöpf, ich muß gestehen, daß mir die Sache höchst verdächtig vorkommt.
Titus (sich nur nach und nach von seiner Verlegenheit erholend) Was?
Constantia Sie war so bewegt, so ergriffen –
Titus Über einen Rothaarigen, das haben S' ja g'hört.
Constantia Von dem sprach sie, aber über Ihre Person schien sie aufs heftigste –
Titus Jetzt hören Sie auf! Was fallt Ihnen ein?
Constantia Sie werden mir doch nicht abstreiten wollen, daß sie in der heftigsten Bewegung war?
Titus Was geht denn aber das mich an? Zuerst haben S' mich völlig ausgemacht, weil sie bewegungslos war, und jetzt fahr'n S' über mich, weil sie eine Bewegung hat – ich begreif' gar nicht –
Constantia Nun, werden S' nur nicht gleich böse, ich kann ja ganz unrecht haben. – Daß Sie in Verbindung mit einer so gemeinen Person – das wäre ja unglaublich.
Titus Ich glaub's! Ich bin ein Jüngling, der Karriere machen muß! (Mit Beziehung.) Meine Ideen schweifen ins Höhere –
Constantia (kokett) Wirklich? 's war nur ein Glück, daß der unangenehme Auftritt in Abwesenheit der gnädigen Frau – die gnädige Frau haßt das Gemeine ungemein, sie hat für nichts Sinn als für geistige Bildung, so wie ich. Sie ist selbst Schriftstellerin.
Titus Schriftstellerin?
Constantia Wenn einmal von etwas Literarischem die Rede sein sollte – Sie wissen doch was davon?
Titus Nein.
Constantia Das ist schlimm.
Titus Kinderei! Wenn ich auch nichts von der Schriftstellerei weiß, von die Schriftsteller weiß ich desto mehr. Ich darf nur ihre Sachen göttlich finden, so sagt sie gewiß: »Ah, der Mann versteht's – tiefe Einsicht – gründliche Bildung!«
Constantia Sie sind ein Schlaukopf! (Für sich.) Das ist doch ein ganz anderer Mensch als mein Friseur.
Monsieur Marquis; die Vorigen
Marquis (zur Mitte eintretend) Schönste Constanze –
Titus (für sich) Das ist der erlauchte Peruckenspender, wenn der nur nicht plauscht! (Zieht sich seitwärts.)
Marquis Beinahe wäre mir nicht mehr das Glück zuteil geworden, diese reizende Hand an meine Lippen zu drücken. (Küßt ihr die Hand.)
Titus (für sich, erstaunt) Diese Herablassung – ein Marquis und küßt ihr die Hand, einer antichambrischen Person – das ist viel!
Constantia Es ist schon so spät, daß ich glaubte, Sie würden heute gar nicht kommen.
Marquis Sie können denken, daß nur ein außerordentlicher Zufall – was ist das? (Bemerkt Titus, welcher ein auf einem Stuhl liegendes Tuch ergreift und emsig die Möbel abstaubt.) Ein neuer Jäger aufgenommen?
Constantia Seit heute. Ein Mensch, der viele Anlagen besitzt.
Marquis Wie können Sie die Anlagen eines Jägers beurteilen? Hat er was getroffen? Und überhaupt, wozu ein Jäger im Hause einer Dame?
Constantia Sie sehen, daß er sehr fleißig ist und sich zu allem gebrauchen läßt.
Marquis (sich bemühend, Titus im Gesicht zu sehen, welcher es aber durch komische Emsigkeit vermeidet) Ja, ja, das seh' ich.
Titus (für sich) Mein G'sicht zeig' ich ihm um kein' Preis.
Constantia Sie vergessen aber ganz, mir den Vorfall zu erzählen.
Marquis (öfter nach Titus hinübersehend) Es war mehr ein Unfall, der mit einem genickbrechenden Wasserfall geendet hätte, wenn nicht der Zufall einen Menschen gerade in dem Augenblicke, wo das abscheuliche Tier, mein feuriger Fuchs –
Titus (erschreckend) Jetzt hab' ich glaubt, er nennt mich beim Nam'n.
Constantia Fuchs? Ich glaubte, Sie haben noch den häßlichen Rotschimmel?
Titus (für sich) Wieder ein heimliches Kompliment!
Marquis Ich habe ihn umgetauscht, weil sein Anblick Ihnen so zuwider war. Dieser Mensch also – (Titus scharf fixierend) mein Retter – (Titus umdrehend) ich irre mich nicht – der ist's!
Titus (sich tief verneigend) Ich bitt' – Euer Gnaden – Herr Marquis nehmen mich für einen andern! (Will zur Mitte ab.)
Marquis (ihn zurückhaltend) Wozu das Leugnen, edler Mann, Sie sind's, die Gestalt, die Stimme, die Farbe der Haare –
Titus (für sich, in ängstlicher Verlegenheit) O je, jetzt kommt er schon über d' Haar'.
Constantia Gewiß, wer diese Haare einmal gesehen, der wird sie nicht vergessen. Wirklich bewundernswert sind diese Locken!
Marquis (sich geschmeichelt fühlend) O, ich bitte, zu gütig!
Titus (zu Constantia) Der Herr Marquis bedankt sich anstatt meiner für das Kompliment, meiner Bescheidenheit bleibt also nichts mehr übrig –
Constantia (zu Marquis) Sie verstehen das: Ist Ihnen je so ein Glanz, so eine Krause – (zeigt nach dem Kopfe des Titus, als ob sie ihm mit der Hand durch die Locken fahren wollte.)
Titus (zurückprallend) O, nur nicht anrühren! Ich bin da so heiklich –
Marquis (halbleise, pikiert zu Constantia) Sie scheinen übrigens besonderes Interesse an dem neuen Domestiken zu nehmen.
Constantia (etwas verlegen) Ich –? Hm – es ist eine Art von Kameradschaft, die –
Marquis (wie oben) Die meines Erachtens zwischen dem Jäger und der Kammerfrau nicht existiert.
Constantia (halbleise zu Marquis) Herr Marquis, ich danke für die Aufklärung. Was schicklich ist oder nicht, weiß ich schon selbst zu beurteilen.
Marquis (für sich) Ich habe sie beleidigt. (Zu Constantia in einem sanften Ton.) Verzeihen Sie, schönste Constanze, ich wollte nur –
Constantia Sie wollten die blonde À-l'enfant-Perücke der gnädigen Frau frisieren; im Kabinett dort (nach rechts zeigend) im großen Wandschrank werden Sie sie finden. Gehen Sie an Ihr Geschäft!
Titus (erstaunt) Was is das? Das ist ja ein Friseur! – (Zu Marquis.) Ich hab' geglaubt, Sie sind ein Marquis, eine Mischung von Baron, Herzog und Großer des Reichs?
Marquis Ich heiße nur Marquis und bin Perruquier.
Titus Ja, das ist ein anderes Korn! Jetzt füllt sich die Kluft des Respekts mit Friseurkasteln aus, und wir können ungeniert Freundschaft schließen miteinand'. (Reicht ihm die Hand.)
Marquis (ihm ebenfalls die Hand reichend) Ich bin Ihnen Dank schuldig, (leise) aber auch Sie mir, und es wird sehr gut für Sie sein, wenn wir Freunde bleiben!
Titus Auf Leben und Tod!
Constantia (für sich) Monsieur Titus soll von meinem Verhältnis zum Marquis noch nichts erfahren, und des Friseurs eifersüchtiges Benehmen könnte leicht – das beste ist, ich entferne mich. (Laut.) Meine Herren, wichtige Geschäfte – ich lasse die beiden Freunde allein. (Geht zur Mitte ab.)
Titus (ihr nachrufend) Adieu, reizende Kammeralistin!
Titus, Marquis
Marquis Mein Herr, was sollen diese Galanterien? Ich sage Ihnen jetzt geradezu, ich verbitte mir das! Madame Constanze ist meine Braut, und wehe Ihnen, wenn Sie es wagen –
Titus Was? Sie drohen mir?
Marquis Ja, mein Herr, ich warne Sie wenigstens. Vergessen Sie ja nicht, daß Ihr Schicksal am Haare hängt, und –
Titus Und daß Sie so undankbar sein könnten, das Perucken-Verhältnis zu verraten.
Marquis Und daß ich so klug sein könnte, mich auf diese Weise eines Nebenbuhlers zu entledigen.
Titus Was? So spricht der Mann? Der Mann zu dem Mann, ohne den dieser Mann ein Mann des Todes wäre? Ohne welchen Mann diesen Mann jetzt die Karpfen fresseten?
Marquis Ich bin Ihnen zu großem Dank, aber keineswegs zur Abtretung meiner Braut verpflichtet.
Titus Wer sagt denn, daß sie abgetreten werden soll? Ich buhle ja nicht um die Liebe, nur um die Protektion der Kammerfrau.
Marquis Ah, jetzt sprechen Sie vernünftig! Auf diese Weise können Sie auf meine Dankbarkeit und vor allem auf Bewahrung des Haargeheimnisses zählen. Hüten Sie sich aber, mir Anlaß zum Mißvergnügen zu geben, denn sonst – (drohend) denken Sie nur, Ihr Kopf ist in meiner Gewalt. (Geht zur Seite rechts ab.)
Titus (allein)
Titus Verfluchte G'schicht'! Heut' kommt viel über mein' Kopf! Wenn ich nur nicht auch so viel drin hätt'! Aber der Tokayerdunst – und das – daß die Madame Kammerfrau dem Friseur seine Jungfer Braut is, geht mir auch – (auf den Kopf deutend) da herum. (Wirft sich in einen Lehnstuhl.) Das wär' eigentlich Herzenssache, aber so ein Herz is dalket und indiskret zugleich. Wie's a bißl ein' kritischen Fall hat, so schickt's ihn gleich dem Kopf über 'n Hals, wenn's auch sieht, daß der Kopf ohnedies den Kopf voll hat. Ich bin ordentlich matt. (Gähnt.) A halb's Stünderl könnt's doch noch dauern, bis die gnädige Frau kommt – (läßt den Kopf in die Hand sinken) da könnt' ich mich ja – (gähnend) ein wenig ausduseln – nicht einschlafen – bloß ausduseln – a wenig – ausduseln – (schläft ein.)
Titus, Marquis
Marquis (kommt nach einer kleinen Pause aus der Tür rechts) Da drinnen ist ein Fenster zerbrochen. Ich kann den Zug nicht vertragen und habe daher die Spalettladen geschlossen. Jetzt ist's aber so finster drin, daß ich unmöglich ohne Licht – der Jäger soll mir – wo ist er denn hin? – Am Ende ist er gar zu meiner Constanze geschlichen? Da soll ihm ja –! (Will durch die Mitte abeilen und sieht den schlafenden Titus im Lehnstuhle.) Ach, nein, ich hab' ihm unrecht getan, die Eifersucht – närrisches Zeug – ich muß das lassen! Wie ruhig er da liegt – so schläft kein Verliebter, der hat wohl keinen Gedanken an sie –
Titus (lallt im Schlafe) Con-sta-sta-stantia –
Marquis Alle Teufel! Was war das? (Tritt auf den Zehen näher.)
Titus (wie oben) Rei-zende – Gestalt – Co-Con-stantia –
Marquis Er träumt von ihr! Der Schlingel untersteht sich, von ihr zu träumen!
Titus (wie oben) Nur – noch ein – Bu-Bu-Bussi –
Marquis Höllenelement, solche Träume duld' ich nicht! (Will ihn an der Brust fassen, besinnt sich aber.) Halt – so wird's besser gehen. Wir wollen doch sehen, ob sie dem Rotkopf ein Bububussi gibt! (Nähert sich der Rückseite des Stuhles und macht äußerst behutsam die Perücke los.)
Titus (wie oben) Laß gehen – Sta-stantia – ich bin kitzlich auf 'm Kopf –
Marquis (nimmt ihm die Perücke weg) Jetzt versuche dein Glück, roter Adonis! Den Talisman erhältst du nimmer wieder! (Steckt die Perücke zu sich und eilt zur Mitte ab.)
Titus (allein)
Titus (im Schlafe sprechend) O – zartes – Ha-Handerl –! (Man hört von außen das Geräusch eines in das Tor einfahrenden Wagens, gleich darauf wird stark geläutet, Titus fährt aus dem Schlaf empor.) Was war das? Mir scheint gar –? (Läuft zur Mitteltür.) Ein Bedienter stürzt sich hinaus – die Gnädige kommt nach Haus – jetzt werd' ich vorgestellt. (Richtet an seinem Anzug.) Mein Anzug is ganz derangiert – 's Krawattel verschloffen – wo is denn g'schwind ein Spiegel?! (Läuft zu einem an der Kulisse links hängenden Spiegel, sieht hinein und prallt zurück.) Himmel und Erden, d' Perücken is weg! – Sie wird mir im Schlaf hinunterg'fall'n – (läuft zum Lehnstuhl und sucht) nein, weg, verloren, geraubt! Wer hat diese Bosheit? – Da ist Eifersucht im Spiel! Othellischer Friseur! Pomadiges Ungeheuer! Das hast du getan! Du hast den gräßlichen Perückenraub begangen! Jetzt, in dem entscheidendsten, hoffnungsvollsten Moment stehe ich da als Windlicht an der Totenbahr' meiner jungen Karriere! Halt – er is da drin und frisiert die Tour der Gnädigen – der kommt mir nicht aus! Du gibst mir meine Perücken wieder, oder zittere, Kampelritter, ich beutl' dir die Haarpuderseel' bis aufs letzte Stäuberl aus 'm Leib! (Stürzt wütend in die Seitentür ab.)
Frau von Cypressenburg und Emma (treten zur Mitte ein)
Frau von Cypressenburg Ich muß sagen, ich finde das sehr eigenmächtig, beinahe keck von der Constanze, daß sie sich untersteht, in meiner Abwesenheit Domestiken aufzunehmen, ohne durch meinen Befehl hierzu autorisiert zu sein.
Emma Seien Sie nicht böse darüber, liebe Mutter, sie hat ja einen Jäger aufgenommen, und das war schon lang mein Wunsch, daß wir einen Jäger haben. Nimmt sich ja viel hübscher aus als unsere zwei schiefbeinigen Bedienten in der altfränkischen Livree.
Frau von Cypressenburg Wozu brauchen Damen einen Jäger?
Emma Und es soll ein recht martialischer Schwarzkopf sein, sagt die Constanze, der Schnurrbart zwar fehlt ihm, den muß ihm die Mama wachsen lassen, und auch einen Backenbart, ebenfalls ganz schwarz, daß aus dem ganzen Gesicht nichts heraussieht als zwei glühende schwarze Augen! So was steht prächtig hinten auf dem Wagen.
Frau von Cypressenburg (ohne Emmas voriger Rede besondere Aufmerksamkeit geschenkt zu haben) Schweig! Ich werde den Menschen wieder fortschicken, und damit Punktum! Wo ist er denn? Titus, hat sie gesagt, heißt er? – He! Titus!