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Salon in der Wohnung der Frau von Frankenfrey
Frau von Frankenfrey. Frau von Schnabelbeiss. Frau Pemperl. Frau Schabenfellner. Walpurga. Babette. Adele. Herr von Reakzerl Edler von Zopfen. Sperling Edler von Spatz.
(Die Gesellschaft konversiert, die Frauen sitzen auf Kanapee und Fauteuils, die beiden Herren machen den Damen die Cour. Die Mädchen sind miteinander im Gespräch begriffen.)
Reakzerl (zu Frau von Frankenfrey). Und Sie sollten wirklich keinen besonderen Zweck damit verbinden, meine Gnädige?
Frau von Frankenfrey. Womit?
Reakzerl. Mit dem splendiden Dejeuner, womit Sie uns bewirtet haben?
Frau von Frankenfrey. Ihre angenehme Gesellschaft zu genießen – ist das nicht Zweck genug? Und wenn Sie einen besonderen wollen, so wäre es der, Ihre allerseitigen Äußerungen über die neue Gestaltung der Verhältnisse zu vernehmen.
Babette. Da verstehn wir wohl gar nichts.
Adele. Von solchen Verhältnissen nämlich –
Frau von Schnabelbeiss. Ach, die Politik! Die leidige Politik!
Walpurga. Ich hör' gar kein anders Wort zu Haus.
Frau Pemperl. D' Politik ließ' ich noch angehn, aber die Freiheit!
Adele (entzückt). Es ist etwas Herrliches um die Freiheit!
Frau von Schnabelbeiss. Ob du schweigen wirst!? Du weißt gar nicht, was das ist.
Sperling. Als Poet hab' ich nichts gegen die Freiheit, sie gewährt den Dichtern ein weites Feld zur Tummlung ihrer Pegasusse.
Reakzerl. Der Staatsmann muß sie unbedingt verdammen; denn alles faselt jetzt schon von Menschenrechten, der subalterne Beamte sogar wagt Äußerungen, wenn er sich malträtiert fühlt.
Frau Pemperl. Die Freiheit is einmal das, was die Männer ruiniert.
Frau Schabenfellner. Wie die s' benutzen! Wer kann ihnen nachgehn auf jede Wacht? 's Nachhauskommen haben sie sich ganz abg'wöhnt.
Frau Pemperl. Heute haben s' a Sitzung, morgen a Katzenmusik, den andern Tag ein Verbrüderungsfest; und so oft ich den Meinigen ans Herz drucken will, sagt er, er muß patrouillieren gehn.
Adele. Mir gefallen die Männer erst, seitdem sie alle Säbel tragen. Wenn erst Studenten hier wären!
Frau von Schnabelbeiss. Sprichst du schon wieder von Dingen, die du nicht verstehst?
Sperling. Mir hat die Freiheit ein kleines Gedichtchen entlockt, welches ich mich berufen fühle der Gesellschaft mitzuteilen. (Liest aus einem Blättchen Papier.)
An die Freiheit |
Ei, ei! Wie sind wir so frei! Das ist uns ganz neu, Sonst nur Sklaverei, Jetzt Freipresserei, Volksregiererei, – Drum Jubelgeschrei, Wie sind wir so frei! Ei, ei! Ei, ei! |
Es ist unmöglich, über diesen großartigen Gegenstand etwas Zarteres zu schreiben.
Reakzerl. Herr von Sperling, solche Gedichte dürften Seine Herrlichkeit in hohem Grade mißbilligen.
Ultra. Die Vorigen.
Ultra (in seiner natürlichen Gestalt zur Mitte hereintretend, zu Frau von Frankenfrey). Gnädige Frau, ein Ultra, der keinen Absolutismus außer dem der Liebenswürdigkeit anerkennt, legt sich Ihnen zu Füßen.
Reakzerl (beiseite). Der hier –? Der Radikale –
Frau von Frankenfrey. In dieser mir von Ihnen zuerteilten Machtvollkommenheit verurteile ich Sie für Ihre Saumseligkeit –
Ultra. Zu was Sie wollen, denn ich bin des Pardons gewiß, wenn ich Ihnen Ursache und Resultat meiner Verspätung sage.
Reakzerl. Sie wagen es, in Krähwinkel zu erscheinen? Sie, den der Herr Bürgermeister ausgewiesen?
Ultra. Ja, das war noch vor der Freiheit, da haben die Bürgermeister noch die Leute ausgewiesen; jetzt danket mancher Gott, wenn er sich selbst ordentlich ausweisen könnt'!
Reakzerl (drohend). Herr, halten Sie Ihre Zunge im Zaume!
Ultra. Das hab' ich in früheren Zeiten nicht immer getan, jetzt is schon gar keine Idee!
Reakzerl. Frau von Frankenfrey, ich begreife wirklich nicht, wie Sie in Ihrem Hause, welches sogar der Herr Bürgermeister beehrt, einem Menschen Zutritt gestatten –
Ultra. 's is wahr, der Bürgermeister und ein Mensch kommen ins selbe Haus, is halt a g'mischte Gesellschaft.
Reakzerl (mehr gegen Frau von Frankenfrey). Dieselbe Bemerkung hab' ich früher schon im stillen gemacht, als ich unter den Damen sogar die Nachtwächterstochter erblickte.
Ultra. Hören Sie, die is ein braves Mädl, Sie beleidigen also nur die übrigen, wenn Sie da etwas Gemischtes herausfinden wollen.
Frau von Schnabelbeiss (böse). Mein Herr, ich bitt' mir's aus, meine Tochter ist auch dabei, und eine Geheimratstochter wird doch gegen eine Nachtwächterstochter ein etwas immenser Unterschied sein.
Walpurga (gekränkt). Ich hab' mich ja nicht aufgedrungen.
Frau von Frankenfrey (zu Walpurga, welche die anderen Mädchen freundlich trösten). Beruhigen Sie sich!
Frau von Schnabelbeiss (noch aufgebrachter, zu Ultra). So weit sind wir noch nicht mit der Gleichheit. Mein Seliger war Geheimer Rat, und ich werd' Ihnen schon noch zeigen, was eine Geheime Rätin ist.
Ultra. Schaun Sie, erstens muß ich Ihnen sagen, für eine Geheime Rätin schreien Sie viel zu stark. Und dann is – Gott sei Dank – die Zeit vorbei, wo das »Geheimer Rat« eine Auszeichnung war. Ein guter ehrlicher Rat darf jetzt nicht geheim sein, 's ganze Volk muß ihn hören können, sonst is Rat und Ratgeber keinen Groschen wert.
Frau von Schnabelbeiss. Das ist zu arg!! Luft –! Ich ersticke –!
Reakzerl (drohend zu Ultra). Sie führen eine Sprache –, Herr, trauen Sie mir nicht!
Ultra. Gewiß nicht; Sie sind Reaktionär, und denen is nie zu trauen! Übrigens sag' ich Ihnen, Sie verzopfter Kanzleimann, wenn Sie glauben –
Ein Bedienter (ohne Livree, zeigt sich anmeldend an der Türe). Der Herr Bürgermeister kommt.
Reakzerl (beiseite). Dem Schlingel bleibt auch schon die »Herrlichkeit« im Halse stecken.
Ultra (zieht sich zurück).
Bürgermeister. Die Vorigen.
Bürgermeister (zu Frau von Frankenfrey). Ich komme, Ihnen zu verkünden, welchergestalt ich am heutigen und morgigen Tage zwei Feste sondergleichen zu feiern gedenke. Eins werden Sie ahnen, holde Braut!
Frau von Frankenfrey. Daß ich das nicht bin und nie sein werde, hab' ich Ihnen oft genug erklärt, Herr Bürgermeister!
Bürgermeister. Ihre Widersetzlichkeit wird Ihnen so wenig als den Krähwinklern die ihrige nützen. Heute ist der Tag der Rache, der Triumph der Reaktion.
Frau von Frankenfrey. Wie das –?
Bürgermeister. Wir werden mit einer furchtbaren Heeresmacht über die Krähwinkler herfallen; Kommandant Rummelpuff ist tätig gewesen, hat in der Umgebung über zwanzig Mann Verstärkung geworben. Dieses Armeekorps, mit unserer Besatzung vereint, wird die Krähwinkler Rebellen zu Paaren treiben. (Zu den Frauen.) Wenn Sie keine Witwen werden wollen, so raten Sie ja Ihren respektiven Männern, zu Hause zu bleiben.
Sperling. Wann dürfte dasjenige losgehen, was man den Teufel nennt? –
Bürgermeister. Heute nachmittag um die halbdritte Stunde.
Frau von Frankenfrey. Und ist das alles so gewiß?
Bürgermeister. So gewiß ich morgen in der elften Vormittagsstunde die reizende Witwe Frankenfrey zum Altare führe.
Frau von Frankenfrey. Ihre Zuversicht fängt an, mich zu beleidigen.
Bürgermeister. Im schlimmsten Falle: gleichviel!
Frau von Frankenfrey. Wer gibt Ihnen das Recht –?
Bürgermeister. Die Macht! Ich bin die Macht und mache das Recht. Als eine ihr Glück von sich Stoßende sind Sie einer Wahnsinnigen gleichzustellen. Wahnsinnige bevormundet das Gesetz, ich bin das Gesetz, folglich Ihr Vormund, und als solcher nicht der erste, der seine widerspenstige Mündel zur Heirat zwingt. Es bliebe Ihnen nur der traurige Ausweg, der großen Erbschaft vom seligen Gemahl verlustig werden zu wollen.
Frau von Frankenfrey. Ich werde mir das Testament –
Bürgermeister. Sie wissen, daß es in den Händen des Pater Prior ist, der es nur in die meinigen geben wird.
Ultra (vortretend). Muß um Entschuldigung bitten, er hat es bereits in meine Hände ausgeliefert. (Allgemeine Bewegung des Staunens.)
Bürgermeister (erstarrt). Wie!? Was!? Der hier –!?
Ultra (es an Frau von Frankenfrey übergebend). Und jetzt wird es in den rechten sein.
Frau von Frankenfrey. Ist es ein Traum –!?
Bürgermeister (wütend). Diebstahl ist es, Einbruch, Kirchenraub!
Ultra. Da muß ich Ihnen doch den Preis sagen, um welchen mir's der Pater Prior gegeben hat.
Bürgermeister (staunend). Um einen Preis?
Ultra. Ich hab' ihn in Berücksichtigung seines Alters durch das hintere Pförtlein entschlüpfen lassen, bevor noch in dieser Stunde das ganze Konvent von die frommen Herren gesäubert wird.
Bürgermeister. Wer unterfängt sich das? Wer?
Ultra. Jemand, der vieltausendmal mehr is als wir alle zwei miteinand', das Volk!
Bürgermeister (wütend). Ha, so will ich doch sehen, ob mein Ansehn die Aufrührer nicht bändigen kann! (Stürzt grimmig fort.)
Frau von Schnabelbeiss, Frau Pemperl, Frau Schabenfellner. Euer Herrlichkeit –! Die Gefahr –! Euer Herrlichkeit –! (Eilen ihm in großer Besorgnis mit Sperling nach.)
Reakzerl (triumphierend). Macht nur Krawall, bringt die Verwirrung aufs höchste, dadurch steigen die Aktien der Reaktion! (Rasch zur Mitte ab.)
Frau von Frankenfrey. Ultra. Walpurga. Adele. Babette.
Frau von Frankenfrey (zu Ultra). Meinen Dank zu gelegener Zeit, jetzt –
Ultra. Jetzt handelt sich's, wenn auch nur um Krähwinkler-, doch um Völkerglück, und ich fürchte, ich fürchte, Krähwinkel is nicht Wien, nicht Paris, nicht Berlin. Werden sie hier die nötige Ausdauer haben? Und dann is noch ein Übelstand –
Frau von Frankenfrey. Welcher? –
Ultra. Krähwinkel hat keine Studenten.
Frau von Frankenfrey. Da könnte ich vielleicht Rat schaffen –
Ultra (mit einem Anflug von Eifersucht). So –?
Adele. Ach, das wär' schön! –
Babette. Im Ernst?
Adele. Ach, nur Studenten!
Ultra. So angenehm mir das als Patriot ist, so unangenehm is es mir als Anbeter.
Frau von Frankenfrey. Besorgen Sie nichts! (Zu den Mädchen.) Bleiben Sie hier, bis ich Ihnen meinen Plan mitgeteilt.
Ultra. Und was ist meine Aufgabe?
Frau von Frankenfrey. Eine höchst wichtige! Sie müssen es durch List dahin zu bringen suchen, daß der Bürgermeister mit dem auf Nachmittag angedrohten Überfall bis zum Abend zögert.
Ultra. Es ist Ihr Befehl, und die Liebe muß ex officio Wunder wirken.
Frau von Frankenfrey. Die Liebe, sagen Sie?
Ultra. Na freilich, was denn sonst? An Ihnen zeigt sich neuerdings der große Unterschied zwischen die indischen und die europäischen Witwen; die indischen verbrennen sich selbst und die europäischen setzen andere Leut' in Feuer und Flammen. (Geht rasch zur Mitte ab. Frau von Frankenfrey und die Mädchen in die Seitentüre links.)
Platz in Krähwinkel, im Hintergrunde links das Ligorianerkloster.
Pemperl. Schabenfellner. Nachtwächter. Krähwinkler. Emerenzia. Cäcilie.
(Die Krähwinkler, mit Hellebarden bewaffnet, umstellen die Pforte des Klosters.)
Schabenfellner (zu Emerenzia, welche mit Cäcilie ins Kloster wollte). Zurück, Alte!
Pemperl (zu Cäcilie). Und noch mehr zurück, Junge!
Emerenzia. Was wär' denn das!?
Nachtwächter. Bei die frommen Herren gibt's keinen freien Eintritt mehr!
Pemperl. Es wird gleich der gezwungene Austritt losgehn.
Emerenzia. Oh, ös gottlosen Leut' –!
Die Krähwinkler. Weiter da!
Cäcilie (ängstlich). Gehn wir lieber fort!
Bürgermeister. Die Vorigen.
Bürgermeister (von vorne rechts). Was geht hier vor?
Emerenzia. O, Euer Herrlichkeit, diese Ketzer wollen die Ligorianer vertreib'n.
Bürgermeister. Meine intimsten Freunde?! Da will ich denn doch – (ergrimmt auf die an der Pforte stehenden Krähwinkler losgehend.) Fort! Augenblicklich! Ich werd' ein Gesetz ergehen lassen, daß nicht drei beisammenstehen dürfen.
Schabenfellner. Hier steht ein freies Volk.
Nachtwächter. Was sich selbst die Gesetze macht.
Pemperl. Verstandevous?
Emerenzia (den Bürgermeister nach vorne ziehend). Lassen s' Euer Herrlichkeit gehn, es is nix z' reden mit die Leut'.
Bürgermeister (seinen Grimm verbeißend). Na, nur Geduld –
Emerenzia. Mir is nur um mein' Mann, er is drin im Kloster.
Bürgermeister. So?
Emerenzia. Der Pater Prior hat ihm g'schrieb'n, er soll kommen und einige wichtige Schriften zur geheimen Aufbewahrung übernehmen, 's is gar ein g'scheiter alter Herr, der jeden Braten riecht, folglich auch –