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Das erleuchtete Fenster

Ich bin so müde. Du wirst doch nicht böse, wie?«

Er stand da und sah sie an, während sie lächelnd dicht an ihn herantrat und ihre Arme um seinen Hals schlang.

»Dann küsse mich doch!«

Er küßte sie auf die Stirn.

»Wie kühl du bist! Und du sagst kein Wort? Bist du beleidigt?«

»Nein!«

»Findest du es unrecht, daß ich müde bin?«

Er nahm ihre Hand und führte sie an den Mund. Dann lächelte er und sagte ruhig:

»Nicht im geringsten. Gute Nacht!«

»Gute Nacht!«

Aber er hielt ihre Hand noch immer in der seinen, während er ihr aufmerksam in die hellen, lachenden Augen sah. Mit einem leisen Druck gab er endlich die Hand frei, nickte ihr zu und ging.

Als die Tür hinter ihm ins Schloß fiel, blieb er einen Augenblick stehen und lauschte. Ob sie kam, um ihn zurückzurufen?

Dann ging er schlaff und müde die Treppe hinab, zögerte auf jeder Stufe, bis er an der Haustür stand und die kalte, feuchte Regenluft ihm ins Gesicht schlug.

Er richtete sich auf, knöpfte den Rock bis an den Hals zu und schritt über die Straße. Es war Licht hinter den blauen Gardinen, er sah die runde Lampenkuppel wie eine matte Lichtkugel. Er suchte ihr Gesicht, aber das war nicht da. Er dachte: Jetzt löscht sie wohl die Lampe aus, – aber es blieb noch immer hell. Er stand eine oder zwei Minuten still, dann ging er schnell die Straße hinab, damit sie ihn nicht bemerken sollte.

Es war ein naßkalter Novemberabend.

Das Glas der Laternen klirrte im Winde, und auf der Straße war es feucht. Oben über den Häusern zogen dunkle, zerrissene Wolken dahin, die Leute gingen vornübergebeugt, um sich gegen die kalte Luft zu schützen.

Er empfand die Kälte nicht; im Gegenteil. Ihm tat der nasse Wind, der ihm ins Gesicht schlug, wohl. Es waren viele Menschen unterwegs, meistens Damen mit Abendmänteln oder Capes und mit großen Tüchern um den Kopf. Das Theater war beendet.

Er ging langsam gegen den Schwarm an, er konnte gar nicht genug Kühlung bekommen. Er kam auf einen freien Platz, stand einen Augenblick still, knöpfte den Rock auf, ging dann weiter und gelangte in die kleinen Gassen, wo die Kellerbesitzer die Läden vor den Fenstern schlossen. Vor einem Fenster blieb er stehen, dort lagen Fischfrikadellen, Schmalzkuchen und gebratener Aal. Er stand lange sinnend da, als erwäge er sehr genau, was er wählen solle. Dann wandte er sich plötzlich schnell um und kehrte beinahe laufend in der Richtung zurück, aus der er gekommen war. »Ich will sehen, ob das Licht gelöscht ist,« sagte er wieder und wieder zu sich. »Ich will sehen, ob das Licht gelöscht ist.«

Es waren fast gar keine Menschen mehr auf der Straße. Er hatte den Wind im Rücken, und er kam schnell vorwärts. Eine Kirchenuhr schlug halb. »Es ist schon halb zwölf. Dann schläft sie.«

Abermals jedoch sah er in Gedanken ihr lächelndes Gesicht, hörte er ihre Stimme, die so einschmeichelnd klang. Und diese sanfte Freundlichkeit erschien ihm tückisch, erfüllte ihn mit Angst.

Was hatte sie so ermüdet? Sie sah gar nicht müde aus. Im Gegenteil, sie war den ganzen Abend ungewöhnlich lebhaft gewesen; erst um die Zeit, als sie ihn bat zu gehen, hatte sie angefangen, von Müdigkeit zu reden.

Wenn da noch Licht war, so bedeutete das, daß sie gelogen hatte. So bedeutete es, daß er da war.

»Nein, nein. Es ist dunkel. Alles ist ausgelöscht. Sie war müde. Jetzt liegt sie da und schläft. In dem weißen Nachtgewand, so fein, so rosig und weiß, ach, so schön!«

Er schloß die Augen, und seine Lippen waren geöffnet, während er den Kopf senkte, als läge sie dort schlafend vor ihm. Er fühlte die Wärme ihres Bettes, es schwindelte ihn.

Dann richtete er sich auf, es fror ihn, er lief schneller und stand an der Ecke der Straße, wo sie wohnte.

Langsam und gleichgültig ging er auf der Seite entlang, wo das Haus lag. Dann plötzlich, gerade vor der Haustür, überschritt er die Straße und sah zu dem Hause hinauf. Er hatte es gesehen, ehe er den Blick dem Fenster zugewendet hatte. Es war erleuchtet.

Friedlich leuchtete die Lampe hinter den blauen Gardinen.

»Es war ja nur, was ich erwartet hatte,« sagte er zu sich selber und blieb vor dem erleuchteten Fenster stehen. »Sie ist mir treulos. Sie liebt ihn; das ist so natürlich. Jetzt weiß ich es, und damit ist die Sache in Ordnung.«

Er ging weiter, die Straße hinab. »So, damit ist die Sache in Ordnung.«

Er hatte keinen Schmerz empfunden; er war nur so ruhig, so gleichgültig geworden.

Plötzlich aber schoß die Frage in ihm auf: »Warum hat sie es denn aber nicht offen gesagt? Warum lügt sie?«

Und im selben Augenblick: »Wenn sie nun aber nicht gelogen hat?« Was wußte er denn im Grunde? Vor einer halben, höchstens einer ganzen Stunde war er gegangen, und noch war sie nicht im Bett. Aber das war kein Beweis. Vielleicht war die Lampe in diesem Augenblicke gelöscht, vielleicht hatte sie sich aufgehalten, war ihr irgend etwas eingefallen, was sie noch besorgen mußte. Vielleicht saß sie da und dachte an ihn, während er hier ging und sie anklagte.

Er war umgekehrt und befand sich dem Hause schräg gegenüber. Noch ein Schritt, und er würde das Fenster sehen können. Er zögerte ein wenig, – dann sah er das Licht.

Diesmal tat es weh. Er hatte sich an die Hoffnung angeklammert. Aber er wollte seiner Sache sicher sein, er wollte bis halb ein Uhr warten; war sie dann noch nicht zu Bett gegangen, so war sie nicht allein.

Er ging auf und nieder, ganz beruhigt, jetzt, wo er sich eine Frist gesetzt hatte. Es hatte angefangen, leise zu regnen, und er hatte keinen Regenschirm, aber das genierte ihn nicht. Er wollte nicht nach dem Fenster aufsehen, ehe die Frist verstrichen war; er konnte doch auch nicht verlangen, daß es so urplötzlich dunkel werden sollte.

Er ging schnell, wagte sich eine lange Strecke fort, als ihm einfiel, daß er doch der Sicherheit wegen auf die Haustür achten müßte; er wurde vorsichtiger. Wenn er jemand begegnete – es kam hin und wieder der eine oder der andere hastig an ihm vorüber – senkte er den Kopf, um nicht gesehen zu werden. Sonst war er allein in der Straße mit einem Schutzmann und einem Nachtwächter, die zusammen in einem Torweg drüben auf der anderen Seite, von einer Laterne beleuchtet, standen. Er hörte ihre Stimmen und das Rasseln des Schlüsselbundes. Er fühlte, daß sie von ihm sprachen, und er war, jedesmal, wenn er an ihnen vorüberkam, ein wenig verlegen. Der Nachtwächter kannte ihn sicher. Er hatte ihn oft des Abends und auch des Morgens gesehen.

Dann ward unten in der Straße ein Signal an einem Laternenpfosten gegeben, und der Nachtwächter trottelte schwerfällig von dannen, mit den Schlüsseln klirrend. Der Schutzmann streckte sich, schlich über die Straße hinüber und stellte sich auf den Bürgersteig, gegen eine Mauer gelehnt, blank und glänzend in seinem Regenmantel und mit hohen Wasserstiefeln, in denen die Beinkleider steckten.

Als er an ihm vorüberkam, nahm er den Hut ab und sagte: »Guten Abend!« Der Schutzmann griff an den Helm und sagte: »Unangenehmes Wetter zum Spazierengehen heute abend!«

»Ach ja, aber ganz frisch!« erwiderte er gemütlich und ging weiter. Der Schutzmann folgte ihm mit den Augen, und als der unermüdliche Wanderer wieder an ihm vorüberkam, sagte er: »Jetzt ist es Mitternacht. Jetzt schlagen die Uhren!«

»Ist es noch nicht mehr!« sagte der andere, nur um etwas zu sagen, und setzte seine Wanderung fort.

So spann sich die Unterhaltung zwischen ihm und dem Schutzmann weiter, während der Laternenauslöscher durch die Straße ging und seines Amtes waltete, so daß nur hie und da eine schläfrige Flamme Erlaubnis erhielt, weiterzubrennen.

Plötzlich sagte der Schutzmann: »Jetzt wird es aber doch reichlich feucht. Es ist wohl am besten, wenn man sieht, daß man ein Dach über den Kopf bekommt. Gute Nacht, mein Herr!«

»Gute Nacht!«

Der Schutzmann verschwand ganz unten in der Straße, in derselben Richtung, die der Nachtwächter eingeschlagen hatte, und die Passage war wieder frei.

Die Zeit schlich langsam dahin. Daß eine halbe Stunde so lang sein konnte! Er amüsierte sich damit, die erleuchteten Fenster in den andern Häusern zu beobachten. Bald war eins, bald wieder eins dunkel. Nur ganz oben unter den Dächern schimmerte noch eine einzelne fleißige Mansarde. Aus einem Wirtshauskeller kamen zwei betrunkene Männer geschwankt; dann kam der Wirt und schloß die Laden vor Fenster und Tür.

Er fing an, die Nässe zu empfinden.

Es regnete ununterbrochen und stark, und auf seinem Rock lag eine graue Schicht aus Wasser.

Er sah nach der Uhr. Fünf Minuten vor halb. Aber er wollte reichliches Maß geben: er wollte warten, bis die Kirchenuhren schlugen.

Endlich. Er schritt schnell dahin mit gesenktem Kopf, bis er ausrechnen konnte, daß er sich mitten vor dem Hause befand. Dann sah er auf. Ungestört und wachsam leuchtete das Fenster in dem schlafenden Hause.

Er stampfte vor Wut auf das Straßenpflaster. Er hielt krampfhaft einen Schlüssel in der Hand, im Begriff, ihn gegen das Fenster zu schleudern.

Da entdeckte er einen jungen Herrn, der stillstand und ihn beobachtete, und er kehrte um und fing wieder an, zu gehen.

Jetzt wußte er, was er wissen wollte. Er sah sie zusammen sitzen, er sah ihre Körper dicht nebeneinander. Ob sie ihren Arm um seinen Hals geschlungen hatte? Ob sie ihm erzählte, daß sie ihn liebe? – Jetzt löste er ihre Kleider, – nein, nein. Sie saßen und sprachen miteinander; er erzählte ihr, wie schön sie sei, und sie lächelte; er nahm ihre Hand, er küßte die Fingerspitzen, sie bog den Kopf zur Seite, – sieh nur den Hals, wie er verlockend schimmerte. Jetzt küßte er ihn, und sie blieb ruhig sitzen. Dann glitt er vor ihr auf die Knie, dann löste er ihre Kleider – –

Er stand wieder vor dem Hause. Weshalb starrte der junge Herr noch immer zu dem erleuchteten Fenster empor?

Lauerte er ihm auf oder ihr? War es vielleicht einer, der Wache hielt, so wie er, eifersüchtig, angsterfüllt?

Er wandte sich schnell um, aber seine Gedanken verweilten unverwandt bei dem Fremden, der aus dem Pflaster aufgeschossen war als sein Doppelgänger. Er glaubte ihn nicht zu kennen. War es möglich, daß es einer war, der noch ältere Ansprüche an sie hatte als er? Wenn sie ihm treulos war, konnten dann nicht noch andere da sein, die er zu fürchten hatte, als nur der Architekt?

Nein. Dann hätte ihm doch jedenfalls sein Name einmal aufstoßen müssen. Er wußte ja, wo sie verkehrte; er kannte alle ihre Bekannten. Nein, da war niemand weiter als der Architekt. Deswegen war er auch gar nicht in Zweifel gewesen. Es mußte derjenige sein, der bei ihr war. Er war plötzlich in ihrem Bekanntenkreise aufgetaucht und hatte sie sofort interessiert. Er verfolgte sie mit seiner Courmacherei, er war überall, wo sie war, und schließlich hatte er auch angefangen, in ihrem Hause zu verkehren. Sie hatte ihm von all den schönen Dingen erzählt, die er zu ihr gesagt hatte; sie hatte ihn ausgelacht, aber sie sprach sehr oft von ihm. Es war ein liebenswürdiger und schöner Mann, er hatte ihn bei ihr treffen müssen, und er hatte ihm gut gefallen. Er hatte einmal zu ihr gesagt, er begreife eigentlich nicht, daß sie ihn dem Architekten vorziehe. Und jetzt, in diesem Augenblick, wunderte er sich darüber, daß er eigentlich nicht den geringsten Unwillen gegen ihn empfand; er hatte ihm nichts vorzuwerfen. Nur, wenn er sich vorstellte, daß er sie berührte, Besitz von ihrem Körper ergriff, fühlte er sich imstande, ihn niederzuschlagen. Es war, als wenn ihn jemand bei der Kehle packte und er sich seines Lebens wehrte.

Er suchte in der Erinnerung nach bestimmten Tatsachen, die sein Mißtrauen begründen konnten. Er hatte das Verhältnis zwischen ihnen doch genau beobachtet, ohne je das geringste entdeckt zu haben. Weshalb war er denn jetzt seiner Sache so sicher, daß der andere in diesem Augenblick bei ihr war? – Ach, – in bezug auf die Frauen war kein Verlaß, nicht der allergeringste. Alles hatte Berechnung ihrerseits sein können. Die Offenherzigkeit, ihr Scherzen über den beharrlichen Anbeter, alles, womit sie ihn in Ruhe eingelullt hatte.

Und doch nie sicherer, als daß bei der ersten Gelegenheit sein Verdacht wieder rege geworden war.

Aber wozu hatte sie dies alles nötig gehabt? Weswegen hatte sie ihm nicht ganz einfach gesagt, wie sich die Sache verhielt, und ihn dann laufen lassen?

Es fiel ihm ein, daß es dumm war, danach zu fragen. Nicht alle – Männer wie Frauen – hatten ein so enges Herz, daß sie nur eine Liebe zu fassen vermochten. Er aber liebte nur sie, und er machte sich nichts daraus, von ihr geliebt zu werden, wenn er ihre Liebe teilen sollte.

Wenn er nur blind hätte glauben können! Wenn er wenigstens jetzt Gewißheit erlangen könnte! Die Treue ließ sich nie beweisen, die Treulosigkeit hatte wenigstens den Vorzug, daß sie sich konstatieren ließ. Nur Klarheit! Deswegen ging er ja hier. Jetzt wußte er es, er hatte eigentlich immer unter dem Zweifel an ihrer Liebe gelitten. Dieser Zweifel konnte niemals ertötet werden; jetzt wünschte er, daß er sie bei ihrer Treulosigkeit ertappen könnte, – nur um Ruhe, Gewißheit zu erlangen.

War er denn seiner Sache nicht sicher?

Dort stand der junge Mann noch wie angewurzelt vor dem Fenster, den Regenschirm aufgespannt. Ihm ward wunderlich zumute, –was wollte dieser Mensch?

Er ging gerade auf ihn zu und fixierte ihn scharf. Der junge Mann lächelte und blieb stehen.

Als er sich aber wieder umwandte, folgte der Fremde ihm in einer Entfernung von zehn Schritt und summte eine gemütliche Melodie vor sich hin. An einer Straßenecke blieb er stehen, zündete langsam eine Zigarre an, lachte laut und verschwand die Straße hinab.

Es war ihm eine Erleichterung, daß er fort war. Die Uhr schlug eins. Hatte es einen Zweck, die Wanderung fortzusetzen? Wenn das Licht jetzt wirklich gelöscht wurde?

Es fiel ihm ein, daß er im Grunde froh sein müsse, solange es noch brannte.

Solange das Licht brennt, sitzen sie im Wohnzimmer; so lange das Licht brennt, ist die Schlacht noch nicht verloren.

Er wollte bleiben und acht geben. Kam der Architekt heraus, ehe das Licht gelöscht wurde, so bedeutete das – so bedeutete das – – ja, er wußte eigentlich nicht, was es bedeutete, aber jedenfalls etwas weniger Schlimmes, meinte er.

Und er fuhr fort, auf und nieder zu gehen, und das Licht erlosch nicht. Wieder und wieder traf sein Auge das stille, unveränderliche Licht des Fensters an.

Hin und wieder meinte er, ihren Schatten hinter der Gardine zu erblicken, wenn er aber genauer hinsah, war da nichts zu entdecken. Kein Leben, keine Bewegung hinter dem blauen Schleier. Er richtete sich auf und lauschte gespannt, ob er in der Stille der Nacht ihre Stimmen nicht vernehmen könne, aber alles war still.

Und der Regen fiel und fiel in der dunklen, nebligen Nacht. Um die einzelnen, angezündeten Laternen flimmerte der Nebel mattgelb mit der Gasflamme als roter Mittelpunkt.

Er war jetzt so durchnäßt, daß er den Regen nicht fühlte. Die Zigarre, die er in der Hand hielt, und die er anzuzünden versuchte, war so naß, daß sie ausgerungen werden konnte, und die Handschuhe waren ganz aufgelöst; sie klebten in einem unförmlichen Klumpen zusammen, als er sie auszog.

Er setzte seine Wanderung fort, obwohl seine Glieder vor Müdigkeit schmerzten und wie zerschlagen waren. Das Gehirn räsonierte nicht mehr; er ging, weil er sich nicht von dem erleuchteten Fenster loszureißen vermochte. Die Viertelstundenschläge der Turmuhr waren seine einzige Zerstreuung; die Zwischenzeit füllte er mit allen möglichen Kindereien aus. Er zählte die Schritte, verwirrte aber, als er eine hohe Zahl erreicht hatte; dann versuchte er, wie weit er zwischen zwei Viertelstunden zählen konnte; als aber die Viertelstunde abgelaufen war, entdeckte er, daß er immer nur bis Hundert gezählt hatte, ohne Rechenschaft darüber zu führen, wie oft er das getan hatte.

– – – Hin und wieder wurde er plötzlich aus seinen Betrachtungen aufgescheucht. Er glaubte, von der Haustür her ein Rascheln zu vernehmen, und wenn er sich dann umwandte, war es ihm, als gleite ein Schatten um die nächste Ecke. Er lief spornstreichs dorthin, es war aber keine Menschenseele zu entdecken.

Die letzten Laternen wurden ausgelöscht. Oben zwischen den Häusern nahm die Luft infolge des dämmernden Tages einen weißen Schimmer an. In dem grauen Nebel kamen Gestalten dahergeschlichen, Frauen mit Tüchern um den Kopf und Männer mit einer kurzen Shagpfeife im Munde und einem Bündel in der Hand.

Der Schutzmann und der Nachtwächter kamen aus ihrem Nachtquartier heraus, schauernd reckten sie die Glieder in der naßkalten Dämmerung.

Das erleuchtete Fenster schimmerte bleicher und matter, und plötzlich, als er sich umwandte, sah er, wie der Lichtstreif sich zurückzog und verschwand.

Der Nachtwächter und der Schutzmann standen vor dem Hause. Im selben Augenblicke kamen gerade ein paar Arbeiter vorüber. Und plötzlich glaubte er eine herrenmäßig gekleidete Gestalt zwischen ihnen auftauchen und verschwinden zu sehen.

Er beschleunigte seine Schritte, er schämte sich, zu laufen. Als er das Haus erreichte, rief ihm der Schutzmann »Guten Morgen« zu.

Er sah um die Ecke, – es war nichts zu entdecken. Darauf kehrte er wieder zurück, – ja, das Licht war erloschen.

War es der Architekt, der weggegangen war? War es überhaupt jemand, oder war es nur seine Phantasie?

Also ohne jeglichen Zweck. Seine lange Nacht war vergeblich. Keine Gewißheit, keine Klarheit.

Sollte er noch warten? Nein, – die alte Haushälterin stand vor dem ersten Hahnenschrei auf. Wenn der Architekt überhaupt dagewesen war, so war er es jetzt sicher nicht mehr.

Er schleppte sich nach Hause; er fühlte, wie die kalte Feuchtigkeit ihn einhüllte und seine Brust rauh machte. Der Hals war ihm trocken, die Augen brannten, und das Gesicht war starr und tot.

Die Arbeiter, denen er begegnete, sahen ihn, den zerzausten, feinen Herrn, verwundert an. Er aber ging gleichgültig gegen alles seines Weges und starrte vor sich hin auf die Pflastersteine, indem er fortwährend dasselbe dachte: »Der Schutzmann hat über mich gelacht!«


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