Johann Carl August Musäus
Moralische Kinderklapper
Johann Carl August Musäus

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Gutes Herz.

Minna und Meta und Markwards Aennchen wissen so viel von der letzten Redoute zu erzählen, daß heute im Kränzchen von nichts anderm gesprochen wurde. Ich habe noch gar keine Idee von einem Maskenballe.

Mutter. Du wünschest also wohl auf die Redoute zu gehn?

Tochter. O ja, dazu hätte ich große Lust, wenn Sie's erlaubten.

Mutter. Ich habe nichts dagegen, lieber Kind. Du weißt, ich lasse dich gern an jedem erlaubten Vergnügen Antheil nehmen, so bald du es wünschest, ob ich gleich, aus guten Gründen, dich eben nicht dazu aufmuntere. Aber warum hast du mir das nicht eher gesagt? Für diesen Winter sind nun die Redouten vorbey.

Tochter. Ich gedulde mich bis übers Jahr, da sind wieder andere.

Mutter. Nu, wenn wir übers Jahr leben und gesund sind, sollst du auf die Redoute gehen, verlaß dich drauf, ich versprech es dir.

Jettchen war vor der Hand mit dieser Verheißung zufrieden, und nachher dachte sie nicht mehr daran. Mit dem Wechsel der Jahrszeiten wechselten auch die Vergnügen. Im Lenz beschäftigte sie ihre Blumenpflege, im Sommer gabs Lustpartien aufs Land, Dejeunees und Pickeniks in der Stadt; im Herbst unterzog sie sich der Wirtschaft, sie schälte Prunellen, stach Borsteräpfel aus, und reihete sie auf Fäden, um sie bey linder Wärme zu trocknen; auch ließ sie Flachs, so fein und lang, wie ihr seidenes Walzhaar, durch die Hechel ziehen, um ein noch lediges Fach im Wäschschrank mit Linnen und Tafelzeug zu füllen.

Jettchen war ein häußliches Mädchen. Ob sie gleich das ergiebige Nest des Leipziger Hühnervogts nicht ausgewittert hatte, in welches unabläßig zwey und vierzig kluge Hühner ihre Eyer einlegenArchiv weiblicher Hauptkenntnisse, für diejenigen jedes Standes, welche angenehme Freundinnen, liebenswürdige Gattinnen, gute Mütter und wahre Hauswirtinnen seyn und werden wollen. Herausgegeben von einer Gesellschaft von 42 deutschen Frauen, und besorgt von A. F. Geisler dem Jüngern in Leipzig 1786. zwote Auflage. : so buck sie doch sehr gute Kuchen, gleich der besten Beckerin im Lande, und war durch Kunstfleiß und Natur, zur angenehmen Freundinn, dereinst zur liebenswerthen Gattinn, zur präsumtiven guten Mutter und Hauswirthinn qualifizirt.

       

Der Winter kam heran mit langen Nächten und mit Langerweile,
Dem der einsame Landmann kümmerlich,
Der Städter ohne Müh entweicht,
Der, beym vergnügten Abendschmauße,
Bald im Konzertsaal, bald im Opernhause,
Die trüben Stunden von sich scheucht,
Um den bey tausend schimmerreichen Kerzen,
Geselligkeit und frohe Laune scherzen,
Indeß ihm unbemerkt die Nacht vorüberschleicht.

Schon schuf die Kunst erfindungsreicher Schneider,
Aus alten Fetzen neue Maskenkleider;
Schon köderte der lauersame Handelsmann,
Durch manchen Flitterputz den Käufer an,
Und hing zum Schild vors Haus
Jokose Larven nebst bisarren Nasen aus.

Zum Glück befand um diese Zeit sich Jettchen annoch nebst der Mutter gesund und froh. Sie lebten beyde so gut wie vor dem Jahre, und sie hatten nicht einmal Familientrauer. Die Mutter dachte nun an ihr Versprechen: Kind sagte sie, du wolltest, denk ich, heuer auf die Redoute gehn?

»Ja wohl Mama, schon hab ich lang im Stillen mich darauf gefreuet.«

Wohlan so schicke dich dazu, nun ist es Zeit.

Es vergiengen aber Tage und Wochen, ohne daß das gute Mädchen zu ihrer Maskenkleidung Anstalt machte. Das nahm die Mutter Wunder: denn zum Vergnügen lassen sich sonst junge Mädchen nicht mit Zwang, wie aus dem weichen Bette treiben. Eines Abends koseten Mutter und Tochter traulich zusammen, die Rede war von mancherley, und endlich sprang sie auf die Maskerade über. Man denkt es nicht, verfolgte Jettchen das Gespräch, doch glaub ich, die Redouten sind ein kostspieliger Zeitvertreib, und machen manchen Aufwand, den man sparen könnte.

Ja wohl, ja wohl, versetzte die Mutter; was das betrifft, hast du vollkommen Recht. Doch muß man auch nicht gar zu kärglich ökonomisiren, und auf und ab auch was aufs Vergnügen rechnen.

»Nun, wie viel rechnen Sie auf meinen Maskenstaat Mama?«

Ja, wenn ich alles mit in Anschlag bringe, Band, Flor und Handschuhe, eine Maske nebst der Entree und dem Fiakre hin und her, so kann der Spaß sich leicht auf einen Karolin belaufen.

»Wie? wenn ich auf den Maskenball Verzicht thät, und das Geld zu einer andern Absicht brauchte, die Sie gewiß nicht tadeln würden! wär Ihnen das wohl einerley?«

Nicht ganz mein Kind. Es wird dir nützlich seyn, dich durch das Geräusch der Freuden zu ermuntern; du bist zu still und blöde, zu wenig mit dem Ton der Geselligkeit bekannt; und gleichwohl ist es Zeit, dich in die Welt nun einzuführen, mit der, sie sey gemodelt wie sie sey, du einmal leben mußt.

»Ich hatte zwar mir eine andere Freude ausgedacht, für die ich gern dem Maskenball entsagen wollte; jedoch Ihr Wille ist Befehl für mich.«

Er war nur Wunsch und nicht Befehl, du scheinst einen andern Wunsch zu hegen, wohlan, wenn ich ihn billige, will ich ihn dir gewähren. – Du schweigst? scheust du dich mir ihn zu vertrauen?

Nein, beste Mutter, nein, Sie sollen alles wissen. – Ach der SalzungerSalzungen, eine feine, nahrhafte Landstadt im Herzogthum Meiningen, brannte im Jahr 1786 total ab; und die große Noth der Abgebrannten gab Anlaß zu mancher schönen That der Menschlichkeit. Brand hat mich so tief gerührt, daß aller Hang zur Freude mir verschwunden ist. Jüngst als ich mein Redoutenkleid in Arbeit nehmen wollte, so fiel mir der Gedanke ein, ich will, dacht ich, bey Tanz und Scherz mich freun, da so viel gute Leute neben mir mit Noth und Elend kämpfen. Wie wärs, wenn ich das Geld für all den Tand den abgebrannten Nachbarn schickte, und damit Dürftige erquickte? –Dieser edle Zug der Gutmüthigkeit eines deutschen Mädchens ist eine Thatsache, nichts dazu und nichts davon gethan! eben so viel werth, als die im französischen Original berühmte Menschenliebe eines französis. Prinzen, des jungen Herzogs von Rochefoucault, der im Winter 1776 bey grosser Kälte auf dem Wege nach Versailles seine beyde rohhartgefrohrnen Bedienten zu sich in den Wagen setzen ließ, und als er vom ganzen Hofe desfalls gelobt wurde, sagte: es verdrießt mich nur, daß ich den Kutscher samt den Pferden nicht zugleich mit hereinnehmen konnte; ist auch eben so verdienstlich, als die mitleidige Spende des verstorbenen Erzbischoffs zu Paris, Herrn von Beaumont, welcher auf einem einsamen Spaziergange einen dürftigen Offizier, der ihm sein Anliegen klagte, in Ermangelung baaren Geldes, das er nie bey sich trug, seine brilliantierte Taschenuhr schenkte. Gutmüthigkeit erhebt zwar nicht zu Rang und Titel, aber sie macht doch hier ein liebes Mädchen an innerem Gehalte Prinzen und Prälaten gleich. Was sagen Sie dazu, Mama?

Umarme mich, mein Kind. Hier nimm das Geld, es war für dich zu einer Lust bestimmt. Ist Wohlthun dein Vergnügen, so wend es dazu an, und laß die linke Hand nicht wissen, was die rechte thut.

Was Jettchen mit dem Gelde machte, ist unschwer zu errathen. Ihr Engel sahs und freute sich der guten That.

        So was wär wohl nach deinem Sinn
Du kleiner Wildfang nicht;
Du gäbst dein Spargeld schwerlich hin,
Und thätst auf keinen Tanz Verzicht;
Gern kaufst du dein Vergnügen theuer,
Ob du gleich einen blanken Dreier
Dem armen Manne leicht versagst.
Kind was sind doch die Freuden alle,
Die du mit Reu erjagst,
Wenn du nach einem Maskenballe
Kopfweh und Schwindel klagst?
Dafür lob ich mir Jettchen,
Die reuet nie ein Freudenkauf,
Sie steigt aus ihrem Bettchen
An jedem Morgen heiter auf.

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