Johann Carl August Musäus
Moralische Kinderklapper
Johann Carl August Musäus

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Dankbarkeit.

Der alte Invalid und Philosoph Hans Kannemann, den viele Leute noch vor wenig Jahren kannten, besaß, wenn gleich in seiner Kaffernhütte, nebst Kind und Weibe neben ihm, die magre Armuth haußte, dennoch den wahren Stein der Weisen, das güldne Vließ der Unbeglückten, die Gabe der Zufriedenheit. Ihn drückte keine Noth, er fühlte keinen Kummer, und über jeden Mangel wußt er sich zu trösten.

              Hört er den reichen Vogt, den Podagristen schreyn,
So rief er aus: Gott segne mir mein hölzern Bein,
Das macht mir keine Ueberlast,
Stöhrt weder meine Ruh noch Rast,
Mir schmeckt dabey mein Essen und mein Trinken,
Ich kann zur Noth so gut, als wie mein lahmer Nachbar hinken.
Auch wechsl ichs oft mit einem neuen Bein –
Das kann er nicht – und heitze mit dem alten ein.

Einst zog ein schweres Wetter von der Unstrut her,
Der Himmel war topfrabenschwarz,
Es brauste in der Luft, gleich wie ein Wehr.
All über all
War Blitz und Knall,
Der Sturm fieng an zu tosen,
Und schleuderte
Auf Feld und Wald
Wie Taubeneyer Schloßen.
Der Pachter wand
Und rang die Hand,
That bänglich und verlegen:
»Ich armer Mann,
»Was fang ich an?
»Dahin ist all mein Seegen!
Geruhig lag,
Beym Wetterschlag,
Der alte Dachs im Loch und sprach:
Gott sey gedankt!
Daß mir das Herz nicht bebt noch bangt,
Mir armen Wicht
Verhagelt meine Gerste nicht.

Im Schlosse stiegen Diebe ein,
Die knebelten den Herrn und die genädge Frau,
Und schlugen beyde braun und blau.
Der Tag brach an,
Hanns Kannemann
Vernahm, am frühen Morgen,
Die neue Mähr:
Wohl mir, sprach er,
Für Dieben leb ich außer Sorgen:
Wer nicht viel hat, und Gott vertraut,
Der schläft in Ruh auf heiler Haut.

So spottete der alte Stoiker der Macht des Zufalls, gleich dem Felsen mitten in der See, mit dem der Orkan und die Wellen kämpfen. Ihm starb sein Weib, das Mann und Kind, durch saure Müh und Fleiß, ernährt, auch beyder Wohl gepfleget hatte.

Und nun hieß es, adje Partie,
Weg war Hanns Kannemanns Philosophie.
Der Graukopf härmte sich auf feuchtem Stroh,
Aß sich nicht satt, und wurde nicht mehr froh.
Ihm war zu seinem Schutz und Stabe
Nichts übrig, als ein kleiner Knabe,
Ein lieber Junge, weiß behaart,
Gediegsam, bieder, guter Art.
Hör an mein Sohn, so redete der Vater,
Nimm diesen Korb und werde mein Berater,
Sprich guter Leute Mitleid an,
Für einen armen alten Mann.
Ws wird dir nicht an mancher Spende fehlen,
Und betteln ist doch ehrlicher als stehlen.

Der kleine Konrad trat die Wanderschaft mit Schwermuth an, er mußte sich von allem, was ihm lieb war, trennen, vom Vater und von seinem Spielgesellen, das war kein Knabe aus der Nachbarschaft, wie mancher Leser denken möchte, es war ein weiß Kaninchen.

      Zuthätig, sanft und mild,
Des guten Konrads Gegenbild.
Es war sein Schatz und Reichthum, seine Freude,
Sein Zeitvertreib und süsse Augenweide.
Er trug ihm noch viel frisches Gras ins Ställchen,
Und streichelt' es liebkosend mit der Hand:
Gehab dich wohl,
Mein Thierchen, mit dem Klingelschellchen,
Sprach er, als hätt es, wie ein Mensch, Verstand,
Jetzt zieh ich von dir über Land.

Er gieng, wohin ihn seine Füsse trugen, auf dem gebahnten Weg der Nase nach, es war die Leipziger Straße. Da kamen Kutschen mit sechs Pferden, besetzt mit schönen Herrn und Damen, auch viele Reiter, die gar stattlich auf stolzen Rossen paradirten, und die nicht ritten oder fuhren, die gingen insgesammt zu Fuße. Der kleine Bettler stand am Wege, und lauerte auf eine Gabe, mit aufgehaltnem runden Hütchen. Doch niemand schien die stumme Bitte des armen Knaben zu bemerken. Denn er war schüchtern und zu blöde, mit lautem Ungestüm zu fordern.

Noch in der schwülen Mittagsstunde, war Huth und Korb so leer und ledig, wie der Magen. Von Hunger, Durst und Müdigkeit gequält, schlich sich der arme Schelm, muthlos nach einem nah gelegnen Dorfe, um Schatten oder Obdach da zu suchen.

Und streckte sich die Länge lang
Auf eine grüne Rasenbank,
Die er an einer Gartenwand,
Von einem Baum beschattet fand.
Die Mücken quälten ihn gar sehr;
Der Hunger aber noch vielmehr.
Du lieber Gott! will niemand sich
Erbarmen, seufzt' er, über mich,
Und weinte dazu bitterlich.

Die milde Eigenthümerinn des Gartens, Elmire hörte des Verlassnen Stimme mitleidsvoll. Du kleiner Weiskopf, sprach sie, warum weinest du? Wer hat dir was gethan? Ey lieber sag mirs an.

        »Ach! Niemand that mir was zu leide;
»Allein der Hungerwurm nagt mir am Eingeweide.
»Seit meiner guten Mutter Tod,
»Ist aufgezehrt das bischen Brod,
»Das sie erspann,
»Der Vater kann nichts mehr erwerben,
»Ist stumpf und lahm,
»Und wird mit nächstem Hungers sterben.

Elmirens gutes Herz schloß sich, durch diese Sprache des Elends, ganz zum Wohlthun auf, sie war des reichen Nabals Gattinn, des Intendanten der Regie.

»Komm folge mir mein Sohn!«

Sie nahm den kleinen Bettelbuben mit in ihr prächtig Schloß, ließ ihn mit Zuckerbrod wie ihren Liebich füttern, beschuhte den Barfüsser und behoßte seine Lenden, gab ihm ein weiches Bett, und da der Morgen kam, befahl sie ihrem Speisemeister, den leeren Korb zu füllen. Sie wickelte noch zwey Dukaten ein:

»Da, Kleiner, bring das deinem alten Vater, und wenn ihn wieder Mangel drückt, so weißt du, wo ich wohne.«

Der Knabe staunte, ob der großen Milde der edlen Frau, er hatte keine Worte ihr zu danken, gab eine Kußhand hin, und netzte die wohlthätige Hand der Geberinn, dankbar mit einer stillen Thräne, lief bald darauf, mit gutem Wind' und voller Ladung, in den Hafen seiner väterlichen Wohnung ein.

Der kummervolle Greiß saß eben vor der Thür im Schatten des bemoosten Strohdachs mit trauriger Geberde, wie Vater Jakob, als er einst der Wiederkehr des vielgeliebten Buntrocks harrte. Er hob die Augen auf, und siehe, der verlohrne Sohn kam freudig übers Blachfeld hergesprungen, erzählte sein bestandnes Abentheuer und öffnete den vollen Brodkorb und die Taschen.

       

Das walte Gott! du braver Junge,
Rief der gerührte Vater aus,
Du bringst mir Seegen in das Haus,
Viel Trost fürs Herz,
Viel Labsal für die Zunge.

Ach! könnten wir, durch Arbeit unsrer Hände,
Vergelten dir die reiche Spende,
Du herrlich Weib! womit verdanken wir
Die uns erzeugte Wohlthat dir?

O Vater! laßt euch das nicht kränken,
Sprach Konrad, der dankbare Sohn,
Daran gedacht ich lange schon:
Ich will der guten Frau mein weiß Kaninchen schenken.


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