Wilhelm Müller
Gedichte
Wilhelm Müller

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Zur Einweihung eines Brüdertempels

        In des neuen Tempels Hallen
Tritt feiernd ein der Brüder Schar.
So laßt das erste Lied erschallen
Dem Gott, der sein wird, ist und war.
Der alte Bau war ihm geweiht,
So segn' er auch den neuen heut!

Ihn bannet keine heilge Stätte,
Er waltet durch die weite Welt;
Es fehlt sein Arm in keiner Kette,
Die Liebe knüpft und Liebe hält.
Er ist auch hier in unsrer Schar,
Der Gott. der sein wird, ist und war.

Der Gott der Liebe, dessen Tempel
Der Mensch in seinem Busen trägt,
Der Meister, der der Liebe Stempel
Dem Weltenbau hat eingeprägt,
Er, der mit Schönheit, Weisheit, Kraft
Geschaffen hat und ewig schafft.

O großer Bauherr, lehr uns richten
Auch unsern Bau nach deinem Geist!
Dann wird die Macht ihn nicht vernichten,
Die Babels Mauern niederreißt.
Was Hände bauen, stürzt die Zeit,
Wir bauen für die Ewigkeit.

Wir bauen nicht auf Erdengrunde
Ein Werk aus Mörtel, Sand und Stein.
In unsers eignen Busens Runde
Soll unsers Tempels Stätte sein.
Wir bauen in uns fort und fort
Der Menschheit Bau mit Tat und Wort.

Und soll der Bau in uns gedeihen,
So lasset uns nicht müßiggehn.
Wir müssen all uns Einem weihen,
Soll allen dieses Ein erstehn.
Die Eintracht der vereinten Kraft,
Sie ist es, die das Werk erschafft.

So haltet treu und fest, ihr Glieder
Der Kette, so die Welt umkreist!
Ein Wort versammelt alle Brüder,
Und alle Herzen regt ein Geist,
Der Geist der Schönheit, Weisheit, Kraft,
Der schaffen wird und schuf und schafft.

Wohlauf, ihr rüstigen Genossen,
Auf, daß der Tempel steig empor!
Und ist der große Bau geschlossen,
So öffnen wir das heilge Tor,
Und alle Menschen treten ein,
Und alle sollen Brüder sein!

 


 


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