Adam Müller-Guttenbrunn
Der große Schwabenzug
Adam Müller-Guttenbrunn

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Bei den Kuruzzen

»Was ist das für ein Mandat aus Wien?« schrie Baron Parkoczy dem wohlbeleibten Graukopf entgegen, der unter devoten Bücklingen bei ihm eintrat. »Was soll ich beweisen? Notarius, übersetz' Er mir das!«

Der Notar aus Mohatsch, Herr Julius Martonffy, wünschte dem Gestrengen so viele gute Morgen, daß dieser für längere Zeit damit auskommen konnte, aber es schien ihn nicht darnach zu gelüsten, diese Wünsche zu hören. »Was sagt Er dazu? Was sagt Er?« polterte der Baron und drückte dem Gast den Akt in die Hand, dessen Inhalt ihn so sehr erregte. Dann riß er ein Fenster auf und schrie in den Schloßhof hinaus: »Kusch, Caraffa, kusch!« Und der Hund, der dort gebellt hatte, schwieg augenblicklich.

Martonffy hatte ja gleich gewittert, daß da etwas Besonderes in Frage kommen müsse, weil man ihn nicht wie sonst mit dem Ochsenwagen, sondern mit der herrschaftlichen Kutsche und den Rappen ins Kastell zu Dobok holen ließ; aber Atem schöpfen wollte er ja doch, ehe er antwortete. Er wehrte den Baron, den er als einen lauten Herrn kannte, und der jetzt wieder auf ihn einzureden begann, sanft ab und sah sich nach einem Sitzplatz um.

Eine plumpe Bank ohne Lehne, ein paar Stühle, die der Zimmermann gemacht zu haben schien, und ein runder Eichentisch nahmen sich gar seltsam aus als einziger Hausrat in der gewölbten romanischen Halle, die auf eine hochherrschaftliche Vergangenheit des Kastells hinzuweisen schien. Martonffy ließ sich auf einem der klobigen Stühle beim Tisch nieder und breitete das Papier prüfend vor sich aus.

»Domine spectabilis«, sagte er, »das ist ein Akt der hungarischen Hofkammer in Wien. Was soll ich daran übersetzen?«

Der Baron Parkoczy schaute ihn unter buschigen Augenbrauen tückisch an. »Kann Er Latein oder kann Er nicht Latein? Sieht Er denn nicht, daß der Akt in einer Sprache geschrieben ist, die wir wohl reden, aber nicht lesen können? Was untersteht man sich in unserer Hofkanzlei? Will man die Sprache unserer Bauern zur Schriftsprache erheben? So ein Flickwerk von neuen Worten, die niemand im Hause versteht, nicht meine Söhne, nicht meine Gemahlin, die Gräfin. Die behauptet übrigens, sie kapiere so viel von dem Wisch, daß ich etwas zu beweisen hätte. Zum Teufel, was ist das? Warum schreibt man mir nicht Lateinisch?«

Der Notar war indessen schon an die Arbeit gegangen. Während der Baron, aus einem türkischen Tschibuk rauchend, sporenrasselnd im Saal auf und nieder schritt, beugte das kleine Männchen aus Mohatsch sich über den Akt und buchstabierte sich im Kopfe die Übersetzung ins Lateinische zusammen. Auch ihm war es neu, daß die hungarische Hofkammer in Wien Akten in der Volkssprache ausfertigte. Mußte ein neuer Wind wehen dort droben. Sitzt wohl ein Narr in der Kanzlei.

Der Schritt des Barons wurde immer schneller. Sein mächtiger Bauch schwabbelte in dem enganliegenden Attila, sein Gesicht rötete sich immer mehr. Aus einem Zinnkrug, der auf dem Tische stand, machte er ab und zu einen Schluck, und es schien eine große Unruhe in ihm zu sein.

»Nun, nun, ist Er denn noch nicht bei dem Beweis?« Der Notar winkte mit großer Devotion ab und ließ sich nicht stören, es waren einige Seiten Text, und auch ihm war die neumagyarische Schriftsprache nicht gar geläufig, die da ein Stilkünstler versuchte. Türkisch verstand er besser.

Der Baron ahnte wohl den Inhalt. Er hatte schon etwas läuten gehört davon, daß einige Gutsbesitzer in der Baranya und im Tolnauer Komitat zur Rechenschaft gezogen wurden. Auch sie sollten beweisen ... Zwei hat man davongejagt, und ihre Güter sind vermessen worden von den fremden Teufeln, diesen kaiserlichen Ingenieuren, die sich da in Begleitung von Labanzen (Fußsoldaten des Kaisers) herumtrieben. Hat man darum die Türken verjagt, daß jetzt böhmakische oder deutsche Spürhunde losgelassen wurden auf die uralten Herrensitze? Sollte man nicht froh sein, daß sie wieder Herren haben, diese Güter? Was wissen diese fremden Leute von Landesbrauch? Was wissen die, was hier ein Herr ist, wo man den Besitz nicht nach der Anzahl von Jochen, sondern nach der Anzahl von leibeigenen Seelen schätzt? Joche genug, Menschen keine! Aber zu ihm sollen sie nicht kommen! Er wird sie jagen, diese kaiserlichen Schnapphähne. Reden die von einer Befreiungstaxel Hahahat Wer soll die bezahlen? Die Schädel schlägt er denen ein, die etwas ihm begehren. Und darauf trank er immer noch eins.

Martonffy, der Notar, erhob jetzt die Stimme. »Euer Gnaden, nehmen Platz, bitte; ich lese den Akt also Lateinisch.« Und er begann feierlich: »In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen. Ego Carolus III. Dei gratia Hungariae Rex . . .«» »Hol' Ihn der Kuckuck!« schrie Baron Parkoczy. »Diese Formeln kann Er den Bauern vorlesen, nicht einem Obristen des Tököly ... Weiter, weiter!«

Aber Martonffy ließ sich nicht irre machen und nicht einschüchtern. Und was las er? Der Kaiser und König forderte ihn, den Stephan von Parkoczy, im Namen des dreieinigen Gottes auf, nachzuweisen, mit welchem Recht er auf Dobok, auf Apar und auf Szent Marton sitze, da diese Güter doch niemals einer Familie Parkoczy gehört hätten und mehr als hundertfünfzig Jahre dem Paschalik von Mohatsch einverleibt waren. Nur das Kastell Parkocz mit fünf unbewohnten Dörfern weise auf eine Familie dieses Namens zurück. Die drei großen Güter, die der Stephan von Parkoczy jetzt als die seinen beim Komitat bezeichnet, und auf die er sich im Ausmaße von zwölf Quadratmilen habe eintragen lassen, seien binnen drei Monaten zu räumen, wenn das Besitzrecht nicht unzweifelhaft nachgewiesen werden kann. Alle drei Kastelle: Dobok, Apar und Szent Marton seien mit stürmender Hand von den Truppen des Markgrafen von Baden den Türken entrissen worden; kein Parkoczy war in der ganzen kaiserlichen Armee, der edle Name hat für ausgestorben gegolten, an der Befreiung des Landes nahm das Geschlecht jedenfalls nicht teil ' Wo war es? Es melde sich ungesäumt bei der hungarischen Hofkammer in Wien und beweise seine Ansprüche, widrigenfalls die drei Herrschaften als Kameralbesitz des Kaisers und Königs erklärt und mit Kolonisten besiedelt werden.

Sprachlos, mit hochgerötetem Gesicht, war Parkoczy dagesessen, während der boshafte Notarius Martonffy das furchtbare Dokument ihm voll Behagen vorlas.

»Les' Er noch einmal!« schrie der Baron jetzt. Und der Notar las noch einmal, während Parkoczy auf und nieder trabte und den Boden stampfte wie ein Tschardaschtänzer.

»Man soll nur kommen!« rief er. »Man wird Dobok noch einmal erobern müssen. Ein ganzes Arsenal haben wir. Dreißig Handschars, hundert Flinten und zwei Mürkenkanonen. Sie sollen nur kommen, diese Räuber«, tobte er, »und nehmen, was unser ist. Hei, wird es da blutige Köpfe geben! Mit Tököly habe ich diese Schlösser wieder erobert. Verstanden?«

Der Notar ließ den Baron sich austoben und hörte gelassen zu. Dann sagte er trocken: »Damit wird nichts bewiesen. Im Gegenteil.«

»Wie? Was?«

»Euer Hochgeboren werden die Gnade haben, mir all' Ihre Familienpapiere zu zeigen.«

»Jetzt nicht! Glaubt man, ich wäre ein Abenteure , wie der und jener? Man sollt mir beweisen, daß ich im Unrecht bin. Wie soll ich beweisen? Kann ich meine Vorfahren lebendig machen, die von den Türken erschlagen worden sind? Hm? Kann ich das? Man soll meine Papiere suchen, drüben, in dem ausgebrannten Kastell von Parkocz.«

»Euer Gestrengen besitzen also keine Beweise?« fragte Martonffy.

»Wer sagt das?« brüllte der Baron. »Ich werde sie holen, wenn es sein muß. Es werden welche bei meinem Vetter, dem Banffy, in Siebenbürgen liegen. Dort hat sich unsere vertriebene Familie erhalten. Glaubt man, daß es dort nichts zu tun gab? Hat mich der Markgraf von Baden gerufen, daß ich ihm hier helfe? Haben wir ihn gebraucht? Wir waren dort, wo der Ungar hingehörte. Zuerst beim Tököly, dann beim Rakoczy. Aber jetzt sind wir wieder da, und keine Hofkammer wird uns vertreiben. Ist denn nicht Friede? Schöner Friede! Zur Türkenzeit war man sicherer. Aber warte Er. Warte Er.« Und Parkoczy ging durch eine rissige Tür, durch die der Wind blies, in das Innere des Schlosses.

Der alte Notar sah ihm spöttisch nach ... Auch er, der alte Martonffy, entstammte einer Gentry-Familie, die vor der Türkenzeit reich begütert gewesen sein soll. Wo? Das wußte niemand mehr. Er war kinderlos und hatte sich abgefunden mit dem Schicksal, sein Beruf nährte ihn gut. Aber unempfindlich für die Not seines Vaterlandes war er nicht. Nie hatten die Seinen ein anderes Gefühl, als daß sie in der Türkei lebten. Sein Großvater und sein Vater lebten als Handwerker in Mohatsch, und sie waren beinahe Türken. Er selbst sprach besser Türkisch als Magyarisch, und wäre der Karl von Lothringen nicht gekommen Anno 1687 und hätte Moatsch wieder erobert und die ganzen türkischen Komitate diesseits der Donau, er würde wohl selbst ein Janitschar geworden sein und kein Notar. So aber hatte der Bischof von Fünfkirchen sich seiner angenommen und ihn juristisch ausbilden lassen. Der begann schon früh damit, das öde Land ringsum mit Schwaben zu besiedeln, und er bildete Geistliche, Lehrer und Beamte für sie heran. So kam auch Martonffy jung zu einem Wirkungskreis in der Diözese. Aber zum Besitz seiner Ahnen kam er nicht, den kannte niemand. Was tat's? In diesen verworrenen Verhältnissen brauchte man gute Juristen, und er war einer. Die Behaglichkeit einzelner wuchs wild, aus ehemaligen Panduren wurden große Herren. Sie machten sich selber dazu. Wer konnte es hindern? Die stärkere Faust entschied. Jetzt aber sollte da Ordnung geschaffen werden ... Selbst der Prinz Eugen hat ihn, den Notarius Martonffy, nach Bellye bescheiden lassen, als das fürstliche Gut ihm vom Kaiser zugesprochen wurde. Die Wiener Beamten brauchten seine Kenntnis von Land und Leuten, seine Kenntnis des ungarischen Staatsrechtes, ehe sie dort ein Besiedlungswerk begannen. Welch ein Besitz! Über fünfzehn Quadratmeilen im Ausmaße. Aber die früheren Leibeigenen waren als Sklaven in die türkische Gefangenschaft fortgeschleppt worden, und es gab keinen Ertrag für den neuen Herrn. Urwälder, Höhenzüge für Weinkulturen, weite Gebiete für Feldfrüchte – und mitten drin nur niedergebrannte, verlassene Dörfer, in deren Erdhütten einst Türken hausten und Tataren. Da und dort spärliche Reste einer Urbevölkerung, halb vertierte Kumanen, versprengte Serben und Zigeuner. . . Das alles aufzunehmen und als Notarius zu beglaubigen, war er bereit. Es war eine traurige Arbeit . . . So also sah sein Vaterland aus? Welch ein Elend! Aber dann sah er Jahr um Jahr die deutschen Einwanderer die Donau herabkommen und über Mohatsch nach Bellye wandern, wo fünfunddreißig Dörfer zu besiedeln und neu anzulegen waren. Er, Martonffy. der Notar des Prinzen, hat ihre Pässe vidiert, hat für Herberge gesorgt, und ihnen den Weg gewiesen in die neue Heimat. Hat viel verdient dabei. Prächtige Männergestalten, rotbackige blonde Weiber, kinderreiche Familien. Und zum Teil nicht ohne Vermögen. Sie kamen mit Ackergeräten und Handwerkszeug, die Frauen und Mädchen trugen riesige Päcke – aber sie waren leicht, es befanden sich Federbetten darin. Einzelne Familien kamen mit Wagen und Pferden zu Lande. Und schon nach zwei Jahren sah Martonffy viele von ihnen wieder – sie erschienen auf den Märkten in Mohatsch und

Fünfkirchen und Szegzard mit ihren Bodenprodukten, und man staunte sie an, diese Schwaben. Das alles wuchs in dem Hinterland? Der Prinz Fugen hatte gewußt, was der Boden wert war. Andere auch. Aber ist es dem Baron Parkoczy je eingefallen, etwas ähnliches zu versuchen? Wie die Wilden lebten er und seine Söhne auf den unermeßlich großen Gütern, hausten ärger wie die Türken. und preßten, wo zu pressen war. Kann schon sein, daß sie gar nicht hierher gehören. Kann schon sein.

Der Baron kam endlich zurück. »Damit Er nicht umsonst gekommen ist! Hier Dobok, hier Apar, und hier Szent Marton.« Und er legte drei lateinische Urkunden vor ihn hin.

Martonffy nahm sie gespannt zur Hand. Aber Parkoczy bemerkte mißbllligend, wie rasch er von einem Blatt zum andern überging, und wie sein Gesicht allmählich seine Enttäuschung widerspiegelte.

»Euer Gestrengen, damit können wir nichts anfangen« sagte der Notar. »Daß Sie sich beim Komitat haben vor zehn Jahren auf die drei Herrschaften anschreiben lassen, wird hier bestätigt. Sonst nichts.«

»Nun ja. Was sonst? Als die Aufforderung erging, die alten Familien, denen ein Besitztum verloren ging, möchten sich melden, da meldete ich mich. Und das Komitat hat das zur Kenntnis genommen. Ein Urahn von mir war Obergespan hier, bitte sehr!«

»Domine. spectabilis, Sie werden doch nach Siebenbürgen reisen müssen um die anderen Urkunden«, sagte Martonffy und zuckte mit den Achseln. »Ihr Federfuchser hackt einander kein Auge aus! rief mißmutig der Baron. »Was glauben die Herren in Wien von mir? Bin ich ein Räuber?«

Martonffy schaute dem erzürnten Mann pfiffig in das gerötete Gesicht. »Vielleicht ist es ihnen dort aufgefallen, daß die freiherrliche Familie, was doch sonst nicht vorkommt, im Besitze dreier aneinander grenzender großer Herrschaften gewesen sein soll.«

»Seit der Landnahme durch Arpad war unsere Familie in dieser Gegend begütert. Drei Brüder Parkoczy hausten hier nebeneinander.«

»Domine spectabilis, ich bin davon überzeugt« sprach der Notar geschmeidig. »Aber das muß sich doch irgendwie beweisen lassen!«

»Wer weiß. Wer weiß . . .«

»Und was ist es mit Parkocz?« fragte der Notar lauernd.

»Das ausgebrannte kleine Kastell Parkocz? Möchte man uns jetzt auf das zurückweisen? Das war unsere Stammburg«, sagte der Baron. »Später ein Witwensitz.«

»Sehr überzeugend, Euer Gestrengen ... Wer bestätigt es?«

»So lauten die ungeschriebenen Traditionen unseres Hauses!« sprach Parkoczy. »mit Schreibereien hat sich nie einer abgegeben. Sie führten das Schwert.«

Eine bleiche, hochgewachsene Dame trat ein, ihre Formen waren fast jugendlich, das ernste Gesicht aber, das einen vergrämten Zug hatte, ließ sie älter erscheinen.

»Da sind Sie ja, liebste Gemahlin« rief Parkoczy und ging ihr entgegen. Der Notar erhob sich und machte seine Reverenz.

»Bon jour, bon jour, Martonffy«, sprach die Baronin, und ihre dunklen Augen weilten besorgt auf dem überhitzten Antlitz ihres Gemahls, als wollten sie fragen: Mein Herr, wie sehen Sie aus?

»Sie allein haben erraten, liebe Helene, was in dem Hundspapier da steht. Soll er es Ihnen auch vorlesen?«

»Oh, merci!« sagte sie fast bestürzten Tones. »Da ich Ihr Gesicht sehe, weiß ich alles ... Nun, das ist ja auch anderen Familien begegnet. Nicht wahr? Was ist zu tun, Herr Notarius?«

»Wir brauchen Beweise, gnädigste Baronin.«

»Wir werden uns mit den Waffen verteidigen!« rief Parkoczy. »Sie sollen nur kommen! Ich werde mich erinnern, wer ich war.«

Die Baronin sah ihn voll Hohn an: »Wie? Begraben Sie das! Hier gilt es nicht!«

»Oder ich werde zu Schwager Banffy reisen und nach Urkunden suchen. Er sagte mir oft, daß wir Ansprüche haben.«

Die Baronin stand sinnend da. Ein vorwitziger Sonnenstrahl, der sich durch den Erker hereinfand, zitterte über ihr feines Gesicht hin und zeigte die tiefen Kummerfalten darin auf . . . Sie entstammte einem stolzen Geschlecht, sie war eine Gräfin Erdödy und fühlte sich als solche. Ihre verwandtschaftlichen Verbindungen reichten weit. Es mußte möglich sein ...

»Welchen Termin hat man uns gegeben?« fragte sie sanft, und ihr Blick suchte die Augen des Notars.

»Drei Monate, gnädigste Baronin. Aber man wird einen längeren zugestehen, wenn der Beweis versucht wird . . .«

»Es ist also Zeit genug, nach Wien zu reisen.«

»Nach Wien?« schrie Parkoczy. »Ich nicht! Niemals!«

»Lieber Stephan«, sagte die Baronin spitzig, »dann werden Sie also mir erlauben, sogleich zu reisen.«

»Überrascht fragte der Baron: »Sie wollen im Ernst?«

»Ich sehe kein anderes Mittel«, erwiderte sie scharf. »Da muß schon ich wieder eingreifen.«

Martonffy verstand nichts von diesem Geplänkel, aber er rieb sich die Hände und stimmte der Baronin beifällig zu. »Das ist sehr gut, Euer Gnaden, sehr gut. In Wien ist alles Heil für uns zu suchen. Dort ist man voll Liebe für die neue Provinz.«

Ein vernichtender Blick des Barons machte den Notar verstummen. Aber was er auf den Lippen hatte, sagte er nicht, seine Frau sah ihn gar seltsam an. Endlich sprach er: »Es war also überflüssig, Martonffy, daß ich Ihn berief. Wir beweisen nicht, wir schießen auch nicht – wir gehen petitionieren.«

Die Baronin lächelte überlegen und schwieg.

Da stürmte ein verwildeter junger Mann, der kaum dem Knabenalter entwachsen sein konnte, mit der Flinte auf dem Rücken in die Halle herein.

»Papa! Papa!« rief er. »Zwei Wölfe und einen Eber!«

Er stellte das Gewehr hinter die Tür und schleifte eilig die draußen liegenden beiden Wölfe herein.

»Andor! Andor!« rief die Mutter abwehrend.

Hinter Andor tauchte jetzt ein größerer junger Mann auf, der schon einen dunklen Flaum auf der Oberlippe hatte. Er trug ebenfalls eine Flinte über dem Rücken. Er lachte draußen hellauf über den Bruder und bückte sich. Dann schleifte auch er etwas heran. Es war die Wildsau.

Der Baron blähte sich voll Stolz über die Jagdbeute seiner Söhne und schüttelte ihnen die Hände, er begann ein lärmendes Gespräch und wurde nicht müde, zu fragen und sich erzählen zu lassen, wo und wie sie die Tiere erlegt hätten. »Noch drei solche Kerle, und wir haben unsere Winterpelze!« rief der Baron und stieß die Wölfe mit dem rechten Fuße zärtlich an.

Indessen wendete sich die Baronin an den Herrn Notarius. Sie wollte genau wissen, welcher Art die Papiere sein müßten, mit denen man in Wien seine Rechte beweisen könne. Und sie holte ihn aus, ob er nicht glaube, daß es vielleicht einen guten Eindruck in Wien machen würde, wenn der Baron, anstatt auf diesen Akt zu antworten, einstweilen Kolonisten verlangen würde, so wie andere Herrschaftsbesitzer es auch getan. Was brauche man zu warten, bis der Kaiser hier besiedle? Sie habe ihrem Gemahl schon immer geraten, er möge tun, was die anderen Herren tun.

Allerdings, meinte der Notarius, das könnte nicht schaden. Wer heute kolonisiere, der schmeichle sich ein in Wien. Er beweise damit, daß er ein wahrhaft großer Herr sei und auch an den Staat denke, der Bauern und Steuerzahler brauche.

Der Baron, der diese Redewendung aufgefangen hatte, schaute böse nach seiner Gemahlin. »Man komme mir nicht wieder damit! Es geschieht nicht! Ein großer Herr braucht Leibeigne. Sind diese Schwaben um Fünfkirchen und Bellye und Munkacs herum Leibeigne? Hm? Die kommen als Freie ins Land, die wollen hier Herren werden wie wir. Bei mir nicht!«

Und er wandte sich nach diesem Ausbruch seines Temperamentes wieder seinen Söhnen zu. Aber der ältere, Pista, war aufmerksam geworden auf das Gespräch, und er trat zur Mutter hin und dem Notar. Verwildert und struppig wie sein jüngerer Bruder sah auch er aus in seinem Jagdaufzug, sein Guba (kurzer ungarischer Pelz) war zerrissen, sein Haar seit langem ungekämmt, die Hände rot wie die eines Schlächters. So sah er mehr einem Räuber ähnlich als einem Edelmann, aber er hatte doch etwas von der Vornehmheit der Mutter in seinem Wesen und auch von ihrem überlegenen Geist. Er verstand sogleich, um was es sich handle, und er erriet auch den Inhalt des Mandats aus Wien schon vorher. Ernsthaft hörte Pista auf das, was der alte Martonffy jetzt von den Vorteilen der Besiedlung wüster Ländereien mit Schwaben erzählte. Allerdings wären sie Freie, aber sie gehörten ja doch zum niederen Volk der Steuerzahler; wenn man sie einige Jahre schone, werden sie die besten Melkkühe im Lande. Sie zaubern sich ihren Wohlstand überall aus dem Boden. Für alle großen Herren haben sie die Befreiungstaxe an die Kriegskasse erarbeitet.

»Enye, und wo bekommt man diese Schwaben?« fragte Pista. »Papa will nicht, aber ich möchte schon. Wenn nicht hier auf Dobok, so drüben auf Apar oder Szent Marton.«

Das sei für private Herrschaften nicht so einfach, erwiderte der Notarius. Die Leute trauen nicht jedem. Es kommt darauf an, wer sie rufe. Aber wenn die gnädigste Frau Baronin nach Wien reise, wenn sie dort alle Rechte des Hauses beweisen könne und gleichzeitig um Kolonisten ersuche – wer weiß, ob die Hofkammer nicht welche rufe.

Die Frau Baronin nickte. »So Gott will, wird mir das gelingen. Gewinne Er indessen nur meinen Gemahl ein wenig für solche Gedanken. Komm' Er öfter herüber, wenn ich fort bin, zu meinen drei Wilden«, sagte sie lächelnd. »Der Pista ist schon gelehrig.«

Der Baron hatte ein paar leibeigene Diener herbeigebrüllt, und die schleiften die toten Wölfe wieder aus der Halle. Den Eber ließ man liegen, Pista wollte es. Das Mittagessen schmecke ihm noch einmal so gut, wenn er den Wildgeruch in der Nase habe.

Martonffy wollte sich empfehlen, da man hier schon vom Mittagessen sprach. Aber das geschah nur pro forma, er wußte ganz gut, daß man ihn vor Abend nie fort ließ. Nach Tisch fuhr man immer auf die Pußta hinaus, zu dem großen Szalla's (Viehpferch), zur Schafschur, und dann besuchte man die Schweineherden auf der Weide, die zwei einzigen Erwerbsquellen des Hauses. Der Baron kannte keinen höheren Stolz als den auf seine zweitausend Schafe und seine tausend Schweine. Und wenn man von der Pußta zurückkam, hatte er immer einen Riesendurst. Da mußte Martonffy ihm jedesmal die Freude machen, sich unter den Tisch trinken zu lassen. Die Preise der Schafwolle waren zwar elend, und die Mutterschweine wurden gar nicht mehr bezahlt, aber ein paar Faß Wein trug es schon noch. Und die Söhne trafen das auch schon, das Unter-den-Tisch-trinken der Gäste. Die Parkoczys auf Dobok ließen sich nicht spotten. Das Schweinsgulyasch wurde in einem Kessel auf die Eichentafel gestellt, jeder erhielt seinen Holzlöffel und einen Zinnteller. Ein Laib Schafkäse lag daneben. Die Weinkrüge wurden immer wieder gefüllt, und die Tschibuks stopfte der alte Jancsi, der Heiduck des Barons. Er schlug Feuer und legte den glühenden Zunder auf den Tabak, und er sorgte auch für die Beleuchtung, wenn es dunkelte. Er brachte eine große Schüssel mit Schweinefett, aus der drei brennende Dochte über den Rand hervorragten. Die brannten gar fein und verbreiteten einen den Herren wohlgefälligen Duft.

Ihre Gnaden, die Baronin, blieb immer unsichtbar bei diesen Gelagen. Sie hatte ihre alte Mutter bei sich, die Gräfin Erdödy, eine unermeßlich stolze Greisin, die niemals teilnahm an den gemeinsamen Mahlzeiten und sich nur von ihrer Tochter bedienen ließ. Sie hatte ihr halbes Leben in Wien und Paris verbracht und mißachtete dieses asiatische Treiben ihres Schwiegersohnes und ihrer Enkel. Aber Helene war ihr liebstes Kind, und sie selber zählte jetzt achtzig. Da die Heimat doch wieder frei geworden war von den Türken, kehrte sie in dieselbe zurück und wollte hier sterben. Eine scheue Verehrung um gab sie.

Martonffy verstand vollkommen, auf was sich die Hoffnungen der Baronin stützten: auf die mächtigen Wiener Freunde dieser Mutter. Sie war sehr schweigsam beim Mittagstisch, ihre Mission arbeitete schon in ihr. Und als man auch heute gleich nach dem Essen auf die Pußta hinaus fuhr, verabschiedete sie sich rasch von dem alten Notarius. Sie hoffe, ihn im Herbst wiederzusehen, sagte sie. Und er gestattete sich, Ihrer Gnaden viel Glück zu wünschen. Der alten Exzellenz ließ er sich in Demut empfehlen.

Die Ausfahrt zu dem Stolz derer von Parkoczy vollzog sich wie immer. Die Wolle wuchs reichlich auf dem Rücken der Schafe, der Käse, den die Weiber der Juháße (Schafhirten) bereiteten, schmeckte nicht übel, und die Schweinehirten meldeten, daß ein so fruchtbares Jahr schon lange nicht dagewesen, es seien mindestens noch fünfhundert Ferkel zu erwarten.

Da lachte der freiherrliche Großschweinebesitzer und drehte den langen braunen Schnauzbart auf. »Was brauchen wir Schwaben? Hm? Auf Apar und Szent Marton läßt Gott ebenfalls Schweine und Schafe wachsen, so wie hier. Gott hat Hungarn reich mit Speck gesegnet.«

»Domine spectabilis«, entgegnete lächelnd der alte Notar, »die Herren in Wien wollen keinen Speck, die fordern Steuern, Steuern! Diese Schweine aber sind frei.«

»Hol' sie der Teufel, die Herren in Wien! Wir wollen nichts von ihnen.«

»Hahaha! Wer zahlt die Kriegsschulden? Man wird zuletzt doch den Adel besteuern müssen.«

»Dann stürzt die Welt ein!« rief Parkoczy. »Dann soll der Türk nur gleich wiederkommen. Wir gehen alle wieder mit dem Rakoczy, wenn er ruft.«

»Vizony!« stimmten die Söhne zu. »Gewiß!« Und ihre Augen blitzten. Es waren echte Kuruzzen, und der Vater freute sich ihrer.

Martonffy schwieg ... Zum erstenmal stimmte den alten Notar diese Fahrt durch die verfallenen, ausgestorbenen Dörfer über die öde, abgegraste Heide melancholisch. Sümpfe und Akazienwälder waren die einzige Abwechslung. Er mußte an Bellye denken. Wie ganz anders sah es dort aus. Ein Paradies im Vergleich mit dieser Wüste. Und der Vilainyer Wein, den sie hier so gern tranken, den zogen dort die Schwaben aus Reben, die sie vom Rhein mitgebracht hatten. Mußte es hier so wüst bleiben? Gehörte dieses weite Stück Gotteserde nur den Schafen und Schweinen? Man baute so viel Weizen hier an, als man Brot brauchte. Warum nicht mehr? Warum nicht tausendmal mehr? Weil es an Menschen fehlte. In Oberungarn gab es jetzt wieder eine Hungersnot, die Leute starben dort wie die Fliegen. Mußte das sein? Was nützt der Speck, wo das Brot fehlt und der Staat keine Einnahmen hat?

Der alte Notar redete von so ernsten Dingen auf der Rückfahrt von der Pußta. Parkoczy war mißmutig verstummt, seine Söhne aber horchten auf. Und beim Wein wurde dann weitergeredet. Andor fragte ohne Ende.

Parkoczys Durst war heute mächtiger als je. Und seine Laune hob sich rasch, als sie beim Gulyaschkessel saßen. Im tiefsten Grunde war er voll Behagen darüber, daß seine Gemahlin die Fahrt nach Wien unternehmen wolle. »Sie wird dort Ordnung machen«, sagte er sich. – Die Erdödy waren immer schwarz-gelb . . . Gehörten immer zu den »Fideles« (Spottname der Kaisertreuen) »Sie wird Ordnung machen!« Und darauf leerte er uneingestanden manchen Krug Vilányer.

Die jungen Kuruzzen waren wohlgelaunt, der Wein mundete ihnen, wie dem Vater. Den alten Martonffy aber, der immer wieder so ernsthaft redete, obwohl seine Zunge schon schwer war, verhöhnten sie. Der Andor spielte, das Cymbal, und der Pista sang, Soldatenweisen, Kuruzzenlieder, die des Vaters Begleiter aus den Rakoczyschen Aufständen ihn gelehrt hatten. Lieder voll Haß gegen die Kaiserlichen, in denen man die Deutschen sah. »Hoih, hoih!« rief der Vater ihm ermunternd zu. Pista wußte, welches Lied er hören wollte:

Dieses Land ist ohnegleichen,
Willst du auch die Welt durchmessen;
Weizen wächst hier, Gold und Silber,
Das des Kaisers Schweine fressen.
Hoih! Hoih!
Früher waren die Madjaren
Nicht so große Mamelucken
Heute aber herrscht der Deutsche
Und wir sollen feig uns ducken.
Hoih! Hoih!
Früher hatten wir noch Kleider,
Reichverschnürte, ganz famose,
Heute trägt man deutsche Röcke,
Deutsch ist Hut und Frack und Hose.
Hoih! Hoih!
Hundgeborene Germanen,
Hergelaufenes Gesindel,
Bald erscheint der Held Rakoczy,
Und er schnürt euch dann das Bündtl.
Hoiht Hoih!

Baron Parkoczy wieherte und trank dem Sohne zu.

Der alte Notarius kannte längst das abscheuliche Lied. Und es ergrimmte ihn, daß es heute gesungen wurde, wo die kluge Baronin Helene den Entschluß gefaßt hatte, beim Kaiser Gnade zu erwirken ... Aber er fühlte, daß er schon zu viel getrunken. Er konnte nicht mehr reden, wie er gemocht hätte. »junger Herr«, lallte er, »belieben sich zu – zu schämen ... »

»Hoih! Hoih! Warum?« rief Pista heiter.

»Werden mi-ich scho-on verstehen.«

Und der Pista schwieg verdrossen ... Hatte er nicht heute selber schon daran gedacht, Deutsche zu berufen?

Die Dunkelheit war schon längst hereingebrochen, als die Diener den Notar Martonffy, der gänzlich betrunken war, wieder einmal auf einen Ochsenwagen legten, der ihn nachts heimbringen sollte. Der Andor lag auf einer Bank und schlief, der Pista saß stumm vor seinem Krug und wollte sich nicht ergeben, Parkoczy selbst aber trat hinaus zu dem Wagen und ordnete an, daß man dem besiegten Notarius einen Bunda mitgebe, denn die Nacht sei kühl. Und zwei geschorene Schafe als Honorar für das heutige Konsilium, Sie wurden im Schragen des Leiterwagens, zu Martonffys Füßen, untergebracht. Wenn er erwachte, hatte er Gesellschaft. Schwankend trat der Baron aus der kühlen Abendluft zurück in die Halle, dann schlug er auf den Boden nieder.

Nach einer Weile lallte er: »Pista, mir scheint, du – bist heute der – Ca-apo.«

»Ija ... Ija ... » entgegnete dieser mit schwerer Zunge und trank dem Vater mit aller Anstrengung noch einmal zu. Aber der schnarchte schon. –

*

Seit Wochen war die Baronin Helene fort, der gute Geist des Hauses, vor dem sich der Mann und die Söhne beugten, fehlte überall. Die Großmutter aber, die Gräfin, die Exzellenz, zeigte sich nicht. Wie ein Gespenst aus fernen Zeiten hauste sie im südlichen Flügel des Kastells und hatte nur eine französische Kammerfrau um sich. Für die alte Dame und ihre Dienerin mußte besonders gekocht werden, die Gräfin aß zu anderen Tagesstunden als das ganze Haus, und sie lebte in einer anderen Welt. Schmerzlich entbehrte sie die Lieblingstochter, zu der sie sich nach einem schicksalsreichen, stürmisch bewegten Leben geflüchtet hatte. Aber sie billigte die Reise, sie unterstützte sie und hoffte das Beste von ihr. Freilich gönnte sie dem Parkoczy, dem Schwiegersohn contre coeur, wie sie ihn nannte, alles üble, aber er war nun einmal von Helene und ihren Enkeln nicht zu trennen, und sie mußte ihn mit einschließen in ihre Gebete ...

Ihr helles Greisenauge sah weit in die Vergangenheit ... Eugenie Erdödy, »die schöne Erdödy«, war eine Patriotin, sie liebte ihr Vaterland, das aus tausend Wunden blutete, das seit Jahrhunderten zerfleischt und zersetzt wurde von wölfischen Leidenschaften. Sie war noch ein Kind, als ihr Vater einmal sagte, es sei ein Unglück gewesen, daß Hungarn sich nicht freudigen Herzens dem Weltreich der Habsburger anschloß, als man die eigene nationale Dynastie verloren hatte. Und ihr Gemahl, der Kronhüter, war derselben Meinung. Der ewige Zank, der Widerstreit kleiner herrschsüchtiger Usurpatoren, von denen doch keiner die Kraft und die Macht hatte, ganz Hungarn zu einigen, fraß wie Gift an dem Volkskörper und ebnete den Türken den Weg zur völligen Unterjochung des Landes. Lieber waren diese Ehrsüchtigen Vasallen des Sultans als solche des deutschen Kaisers, lieber waren sie halbasiatische Scheinkönige, als Fürsten unter dem christlichen Schirm und Schutz des Westens. Und sie führten die Türken zweimal nach Wien hinauf, um sich die Gnade ihres Sultans zu sichern, sie wollten dem Türken die Hauptstadt der Christenheit preisgegeben sehen, nur um ihr eitles Vasallenkönigtum über einen Teil von Hungarn zu sichern ... Als wäre es gestern gewesen, so steht eine Szene von 1683 vor den Augen der Greisin ... Der Zichy Pista trat bei ihnen in Preßburg ein und rief: »Bruder, derTököly hat uns verraten!« »An wen?« fragte Christoph Erdödy. »An die Türken oder an die Kaiserlichen?« –Du hast sehr recht, so zu fragen«', erwiderte Zichy bitter, »denn er geht mit dem, der ihm mehr bietet. Von der Religionsfreiheit redet er und sein Königtum meint er. Jetzt will er sich die heilige Krone von Hungarn, die wir zu behüten haben, hier holen. Er kommt mit dem Kara Mustapha, er führt ihn nach Wien.«

»So wie einst der Zapolya!« rief Erdödy erschüttert. »immer dasselbe! ... ja, Bruder, da sind wir verraten. Wer das reine evangelische Christentum mit Hilfe des Türken gegen die Römischen retten will, der ist ein Verblendeter. Wer sich die Krone des heiligen Stephan vom Kara Mustapha holen läßt, ist ein Verräter. Lieber papistisch als türkisch!« Und er schloß: »Die Krone muß nach Wien!«

Zichy war dagegen, er schwankte; vielleicht gab es doch noch einen sicheren Ort in Hungarn, wo man sich mit der Krone hinflüchten konnte. Sie berieten lange. Nein, es gab keinen. Und da kam auch schon der Abgesandte des Kaisers, der General Capliers, und riet dringend, die heilige Krone in Sicherheit zu bringen. Zichy forderte einen Revers von des Kaisers Hand, und Capliers holte ihn. Erdödy aber folgte dann der Krone des heiligen Stephan und verließ sie nicht; er ging mit ihr nach Wien, er folgte dem Hofe mit seinem Schatz nach Linz und blieb dort während der Belagerung von Wien als Hüter der Krone Hungarns. Die bange Frage: Soll auch Wien türkisch werden, lag monatelang auf der Christenheit. Da kamen die Befreier ... Erdödy war habsburgisch gesinnt und stolz dar auf. daß die Krone nie auf Tökölvs Haupt gesetzt werden konnte, des türkischen Vasallen. Nur ein freies, stolzes Königshaupt dürfe mit der heiligen Krone Stephans geschmückt werden, sagte er. Die Gräfin Eugenie war dem Gemahl gefolgt, und hinter ihnen schlugen die Wellen zusammen, der Adel ging mit dem Tököly, mit den Türken ... Vom Kaiser fielen sie ab, weil er ihnen keinen Sold zahlen konnte. Der Türke zahlte auch nicht, aber er wollte es, wenn er Wien erobert und geplündert hätte . . . Ihre Kinder hatte die Gräfin in diesen schweren Zeiten einem frommen Kloster anvertraut.

Hätte sie's doch nie getan! Gerade die Lieblingstochter der Mutter, die Helene, verschwand spurlos in jenen Tagen, niemand konnte Rechenschaft geben, wo das halbwüchsige junge Blut hingeraten war. Gräfin Eugenie war untröstlich. Jahrelang ließ sie das Kind suchen. Sie ging mit dem Gemahl, als er des Kronhüteramtes ledig war, nach Paris, später nach London, sie wurde als Schönheit gefeiert, aber ihre Helene vergaß sie nicht. All ihre Kinder kamen später in geregelte Lebensbahnen, nur Helene blieb verschollen. Sie galt als tot. Aber sie war es nicht. Der Baron Parkoczy, ein Parteigänger des Tököly, hatte heimlich ihr Herz gewonnen, hatte sie entführt, geraubt aus dem Kloster. Und sie wagte nicht, sich zu melden. Erst als sie vernahm, daß der strenge Vatei, der Kronhüter, der Feind Tökölys, gestorben war, tat sie es. Die Mutter fluchte ihr nicht. Sie ließ sie nach Wien kommen, sie nahm die Verlorengeglaubte in Gnaden auf. Und zuletzt kam sie zu ihr ins Vaterland, in das von den Heeren des Kaisers und Königs wieder befreite Hungarn. Denn zum König hatte man den mächtigen habsburgischen deutschen Kaiser, den Leopold, gewählt; ihm setzte der Palatin die heilige Krone auf, die ihr Gemahl einst vor Tököly und den Türken behütete. Das waren auch ihre stolzesten Tage. Jetzt war sie alt, in Wien vielleicht schon vergessen, der dritte habsburgische Kaiser schon trug die hungarische Krone, aber es lebten dort wohl noch Männer, die der schönen Erdödy einst zu Füßen lagen und um das Verdienst ihres Gemahls wußten. Helene wird nicht vergeblich bei ihnen anpochen... Daß sie, die Gräfin Erdödy, das für diesen Parkoczy erhoffen mußte, das verdroß sie im Innersten. Sie zweifelte gar sehr an seinen rechtlichen Ansprüchen; sie hatte nie etwas gehört von. dem wahrhaft fürstlichen Grundbesitz einer solchen Familie; diese Parkoczys gehörten sicher zum Kleinadel des Landes., Aber sie war Mutter, Großmutter. Sie mußte beide Augen zudrücken und dem Tökölyaner helfen, so gut sie konnte. Und es wird nicht leicht sein. Selbst wenn der Kuruzze diese großen Güter einst rechtlich besessen hätte, wären sie verwirkt. Nur Gnade konnte sie ihm wieder verleihen...

Von den Enkeln sah die Gräfin früher manchmal den Andor bei sich, selten den Pista. Es wollte sich kein wärmeres Verhältnis zu den Wildlingen bilden, sie waren die geborenen Kuruzzen und belächelten, was die Großmutter-Gräfin sagte. Das vertrug ihr Stolz nicht, und so wurde sie ganz einsam ... Sie sonnte sich auf ihrem Altan an der Südseite des Schlosses und stieg nie in den Schloßhof hinab. Ihre Erinnerungen und ein paar französische Bücher genügten ihr für diese Welt. In die andere hoffte sie bald zu reisen.

Stephan Parkoczy, der Schwiegersohn contre coeuer, lebte in Freuden, seitdem seine gestrenge Helene nicht hier war; er hatte sich ein iunges kumanisches Eheweib, das ihm gefiel, als Wirtschafterin ausgeliehen von seinem Béres (Großknecht) in St. Marton, und dieses tat ihm in hündischer Unterwürfigkeit jeden Willen. Zwei Schweine in jedem Jahr, die sie sich mästen dürfe, hatte er ihr zugesagt, einen schönen Schafpelz für den Winter und einen goldenen Dukaten. Dafür wollte sie ihm in Liebe dienen, so lange er sie brauche. Und den jungen Herrn auch, wenn es ihnen gefällig wäre. Für dieses Wort gab ihr der Herr Baron sogleich eine Maulschelle. Für ihn allein wäre sie da, die Katicza, sagte er ihr, und für sonst niemanden. Wenn sie ihm die Treue bräche, bekäme sie die Bastonade (Stockprügel auf die Fußsohlen, eine türkische Strafe).

Der Andor schaute das dralle Weib mit großen Augen an, als es sich zum erstenmal neben den Vater setzte und mitaß am Herrentisch in der Halle. Und als die Kumanin am Abend mittrank und zärtlich wurde mit dem Vater, da stand der Andor plötzlich auf und spuckte ihr ins Gesicht. Dann ging der junge hinaus. Nur mit Mühe hielt Pista den Vater zurück, der den Bublen erschlagen wollte. Erschlagen, sagte der Halbtrunkene.

Und am nächsten Morgen war Andor fort. Mit ihm war auch das beste Pferd aus dem Stalle verschwunden.

Der Baron meinte, der Galgenstrick werde schon abends wieder heimkommen. Aber er kam nicht, und das war dem Vater gar nicht unlieb. Ein Spion weniger.

Er ließ sich in den nächsten Tagen einen jüdischen Händler aus Mohatsch kommen, dem er die Schafwolle verkaufte. Und zehn leibeigene Knechte schickte er mit Schweinen in die fernen Städte und Märkte, um Geld zu machen. Bis nach Fünfkirchen und Szegzard. Vorher ließ er sie einen Eid auf das Kruzifix schwören, daß sie jeden Heller, den sie einnahmen, heimbringen.

Er brauchte Geld. Seine Konkubine, die schöne Katicza, wollte der Baron reicher kleiden, mit Schmuck wollte er sie behängen, und wenn das Erntefest kommt, soll sie die Königin sein. Das versprach er ihr eines Abends beim Wein. Die Katicza wehrte verschämt ab. Königin sei doch immer ein Mädchen, sie aber habe schon zwei Kindlein zu Hause in St. Marton. Da habe sie recht, sagte der Baron; nun, so werde sie die Edeldame sein und den Schnitterkranz in Empfang nehmen.

Da schwoll dem Pista der Zorn und würgte ihn am Halse. »Das wird sie nicht!« schrie er mit halb erstickter Stimme, »oder ich gehe auch dorthin, wo der Andor ist ... Bis wir Ernte haben, ist Mama wieder zurück. Und das ist ihr Amt!«

Aus stieren, versoffenen Augen sah der Baron ihn an. Bis die Kuruzzen Ernte haben, sind sie längst vertrieben von hier«, sagte er und ließ den schweren Kopf auf die Brust herabsinken.

Pista fuhr von seinem Sitze auf.

So stand es? Das war also seine heimliche Sorge, weil die Mutter so lange ausblieb? So wenig Hoffnung hatte der Alte auf die Stärke seines Besitzrechtes ...

Der stolze, junge Mensch, auf dessen gebräunten Wangen der erste Flaum sproßte, war plötzlich nüchtern geworden, der Halbrausch, in dem er sich befunden hatte, war wie weggeweht. Er schob den Zinnkrug mit frischem Wein, den der alte Jancsi soeben gebracht, weit von sich. Keinen Tropfen wollte er mehr trinken, ehe er nicht volle Klarheit hatte, ehe er nicht alles wußte. Aber er sah ein, daß die heute nicht mehr zu erlangen war. Und so wie einst Andor, lief auch er jetzt in die Nacht hinaus, voll Ekel und Abscheu über das, was hier vorging. Aber er wird nicht davonreiten wie sein törichter, junger Bruder, er wird bleiben und wachsam sein. Und der Großmutter wird er sich anvertrauen; sie muß mehr wissen von dem, was ihnen droht ...

Er stürmte hinaus, um seinen heißen Kopf zu kühlen. Tief im Westen stand die Sichel des Mondes, und ein leiser Hauch strich fröstelnd über die weite Ebene hin. Das tat ihm wohl. Er warf sich ins taufeuchte Gras und schaute zu den ewigen Sternen empor. Welcher war der der Parkoczy? Stand er überhaupt noch da oben? Mit seinen beiden jungen Fäusten wollte er ihn wieder dort befestigen. Ganz hoch oben. Aber wie? Wie? Er mußte selber lächeln über seine knabenhaften Gedanken. Die Erde unter ihnen hallte. Pista preßte sein rechtes Ohr auf den Rasen, und er vernahm deutlich den Hufschlag eines fernen Pferdes. Es schien sehr weit draußen auf der Pußta zu sein. Wer konnte da noch kommen? Eilig schien der Reiter es nicht zu haben. Wird wohl ein Csikos sein, der von der Tscharda heimreitet.

In dem matten Schein des Mondes lag das große, wehrhafte Kastell fast gespenstisch da. Die vier runden Ecktürme mit ihren hohen, spitzen Dächern hielten wohl seit Jahrhunderten die Wache über dem Geschlecht der Parkoczy. Der Parkoczy? Pista hatte es nie anders gehört. Und er will auch nichts anderes glauben, es kann nicht anders sein und darf nie anders werden. Der Vater war betrunken.. .

Ist es nicht gräßlich, daß er jetzt immer betrunken ist, daß er kaum noch weiß, was er tut? Pista gelobte sich, nie mehr mitzutrinken. Er mußte es der Mutter beim Abschied versprechen und hat es nicht gehalten. Konnte es nicht halten. Er war zu schwach. Aber jetzt will er stark sein, und er hat auch einen Plan, sich und den Vater zu retten vor dem Wein. Man durfte ihn nicht einmal laut denken, diesen Plan. Aber es stand fest bei ihm, er wird den Wein beseitigen.

Der Hufschlag kam näher. Wer konnte das sein? Andor?

Er war es! Deutlich zeichneten sich die Umrisse seiner jugendlichen Gestalt von der untergehenden Mondessichel ab, und Pista erhob sich Wo mag der Junge drei Wochen gewesen sein? Sein Pferd war lahm, es trug ihn kaum noch.

Der Reiter, die aus dem Boden auftauchende, dunkle Gestalt erblickend, hielt an und lugte scharf aus.

»Ich bin es, Andor, – der Pista.«

»Servus! Servus!« rief der junge, schwang sich von dem ungesattelten Pferde und umarmte den Bruder.

»Wo kommst du her? Wie ist es dir ergangen?«

»Gut, gut ... laß mich nur den Gyuri versorgen. Gleich bin ich bei dir ... Der arme Kerl ist kaputt. Ganz kaputt.«

Und er schöpfte dem Pferde Wasser beim nahen Schwengelbrunnen, er klopfte den Stallknecht heraus und rief dem Verschlafenen zu, der Gyuri sei hier, er verdiene eine doppelte Ration Hafer. Dieser glaubte zu träumen. Er bekreuzte sich. Dann küßte er dem jungen Herrn die Hände und die bestaubten Füße, und nahm das müde Pferd in seine Obhut. Die Hunde schlugen an, sie kamen herbei und bewedelten den Hausgenossen, auch sie leckten ihm die Hände ab.

Und jetzt erst kehrte Andor zu Pista zurück, der an dem großen Trog des Brunnens lehnte und auf ihn wartete. Nur der Caraffa begleitete ihn, der mächtige Wolfshund, den ihr Vater nach dem blutigen kaiserlichen General Caraffa getauft hatte. Mit ein paar Sätzen war das Tier bei Pista, dann holte er Andor ein und ging ihm nicht mehr von der Seite.

»Also, wo warst du?« wiederholte Baron Pista seine Frage.

»Hm. Das errätst du im Leben nicht«», sprach Andor und setzte sich zu ihm auf den Rand des Troges. Zuerst wollte ich zur Mama reiten. Aber was weiß ich, wo Wien liegt? Und ein Pferd hält das wohl auch nicht aus, sagte ich mir. Zwei Speckseiten, einen Laib Käse und einen Laib Brot habe ich in die Torga gesteckt, aber keinen Kreuzer Geld hatte ich im Sack. Kann man ohne Geld nach Wien reiten? So hab' ich mir in der ersten Woche unsere Parkoczysche Erde angesehen. Warst du schon überall? Ich glaube nicht.«

»Ich war wie oft in Apar und in St. Marton, du Dummkopf. Wie denn nicht?« sprach Pista. »Ich kenne alles.«

»Haha, das glaubst du! Das glaubst du! Ich habe jetzt manches gesehen, das du nicht kennst. Habe da und dort in den Ruinen der Kastelle geschlafen, kenne jede Pußta, jede Tscharda, jeden Pferdedieb. Hab' Bruderschaft mit manchem getrunken.«

»Wenn du kein Geld gehabt hast?«

»Die Betyaren haben für mich bezahlt. Sie haben geglaubt, ich gehöre zu ihnen, ich sei ein junger Anfänger. Und eine Geliebte habe ich auch gefunden.«

Da lachte Pista.

»Oh, wenn ich dir von ihr erzählen wollte... Die Tochter der Wirtin von der Aparer Tscharda. Unter lauter Betyaren wächst sie auf und ist ein Engel. Lache nicht ... Bruder, wie groß und wie schön ist unser Besitz. Aber tagelang bin ich fortgeritten, ohne einem Menschen zu begegnen. Kein Weg, kein Steg; Wald, Sumpf, dürres Heideland, ab und zu verfallene Hütten. Glaube nicht, daß wir im ganzen fünfhundert Leibeigene haben auf zwölf Quadratmeilen. Und hätten doch zwanzig Dörfer Platz. Wo nimmt der König die Soldaten her, wenn es überall so leer ist?«

»Hm. Wo nichts ist – – » Pista zuckte die Achseln. »Zuerst hat der Türke hier gemordet und geplündert, dann hat der Tököly, dann der Primas für den Kaiser, dann der Rakoczy überall Soldaten genommen, und jetzt hält man nur so lange Frieden, bis wieder welche nachgewachsen sein werden.«

»Bei uns wachsen keine!« rief Andor, »ich habe nirgends Kinder gesehen. Aber ich war auch dort, wo alles wächst, Getreide, Korn, Hafer, Gerste, Kukurutz und Wein, wo die Dörfer voller Kinder sind und in jedem Stalle Kühe stehen, wo es sogar Schulen gibt, und die Menschen Lesen und Schreiben lernen.«

»Wo ist das? Wo?« fragte Pista.

»Nicht gar weit, drüben in Bellye beim Jenö herczeg (Beim Prinzen Eugen), bei den verflixten Schwaben. Weißt du, wie die Leute diese Komitate im Scherz nennen? Die schwäbische Türkei! Rings um Högyész und Tevel liegt dieses neue Land. ja, was glaubst du, wo ich überall war? In drei Wochen kann man ein schönes Stück Welt sehen. Denke dir, da gibt es Pfarrer und Lehrer – Schulen, so wie in der Stadt Fünfkirchen beim Bischof Nesselrode. Und jetzt bauen sie auch schon Kirchen aus Stein in den deutschen Dörfern.«

»Die Bauern? Du bist ein Narr!«

»Ich bin kein Narr. Was glaubst du, was die alles im Stande sind? Ich sage dir, diese Bauern haben Leute unter sich, die einen Wagen machen können. In Mohatsch gibt es keine besseren zu kaufen. Ein anderer macht dir Kasten und bunte Truhen, so wie die Gräfin welche aus Wien mitgebracht hat. Wenn ich dir sage, daß in jedem zweiten Dorf sogar ein Schneider und ein Schuster wohnt, und man nicht nach Ofen muß, wenn der Vater eine neue Mente oder der Pista ein paar Cismen braucht, so kannst du dir denken, was das für Menschen sind. Und die Bauern und ihre Felder? Pista, geh', schau dir das an! jetzt weiß ich, wie es im Paradies aussehen mag.«

»Pah! Es werden wohl nicht lauter Schwaben im Paradies sein!« sprach Pista wegwerfend. Aber was der Junge da erzählte, und wie er es erzählte, das gefiel ihm. War drei Wochen fort, der Bub, und ist ein Mann geworden. Hat mehr Erfahrungen als er selber.

Andor hatte gelacht über die Bemerkung des Bruders vom Paradies, aber plötzlich wurde er ernst. So voll war er von seinen Erlebnissen, daß er nach dem Nächsten zu fragen vergaß. War die Mama schon gekommen? Was gab es im Haus Neues? Regiert noch die Katicza den Alten?

»Sie regiert ihn mehr als je. Du kommst gerade recht, wenn du wieder ausspucken willst«, entgegnete Pista. »Aber, gehen wir schlafen. Den Mond haben schon die Wölfe gefressen. Du wirst mir morgen mehr erzählen.«

Und sie gingen nach dem Kastell. Als sie in dem dunklen, wie in tiefen Schlaf versunkenen Bau standen, sagte Andor, er werde doch noch eine Viertelstunde zum Gyuri in den Stall gehen. Der Hengst sei halb lahm, er müsse ihn unbedingt noch abreiben lassen oder selbst abreiben. Und der Caraffa begleitete ihn auch dorthin.

Pista war es recht, daß er noch allein blieb. Er ging rasch voraus, es beschäftigte ihn schon lange etwas. Im Schloßhof war ein kleiner Schuppen, wo die Sensen hingen und die Sicheln und sonstiges Wirtschaftsgerät. Da nahm er ein Beil und verschwand damit im Dunkel. Eine schwere Tür knarrte in der Ferne.

Als nach einiger Zeit Andor aus dem Stall kam und im Hofe nach Pista ausspähte, wunderte er sich, daß der nicht auf ihn gewartet hatte. Er rief leise: »Pista! Pista!« Keine Antwort. Er pfiff. Erst nach dem dritten Signal kam aus dem inneren Schloßgang die Antwort.

Pista trat aus dem Dunkel hervor und ging wieder zu dem Schuppen. Dort schleuderte er das Beil hin, daß die Funken aus dem Steinboden aufspritzten.

»Was tust du?« fragte Andor.

»Komm schlafen!« sagte Pista. »Du wirst ja todmüde sein.«

»Was hast du gemacht?« sprach Andor noch einmal.

»Ach, frage mich nicht so viel!«

Und schweigend suchten sie ihr Nachtlager auf.


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