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In einem Hause von Holz dröhnt jedes Wort und jeder Schritt durch Decken und Wände, und wäre der Landrichter nicht sehr ermüdet gewesen, würde er ziemlich früh aufgeweckt worden sein von dem Lärm im Packhause und an der Bucht, wo die Jachten des Kaufmanns mit Tranfässern beladen wurden und Boote zum Fischen ausfuhren, sowie von dem Lärm im Hause, wo Christie Hvaland seinen Kramladen geöffnet hatte und den umwohnenden Leuten allen möglichen Lebens- und Wirtschaftsbedarf verkaufte.

Ein solcher Kramladen enthält alles, was der Mensch nötig hat, es ist das bunteste, denkbare Allerlei. Hier stand der rührige Kaufmann mit zwei Gehilfen zwischen Haufen von Kleidungsstücken aller Art für Frauen und Männer, zwischen Stiefeln und Linnen, Eisenwerkzeug und Hanfschnüren, Angelhaken und Porzellan, Nähnadeln und Ankertauen. Aus zahllosen Kasten und Fächern sahen seine Vorräte heraus, und neben ihm lag sein großes Rechenbuch auf dem Tisch, worin jeder Fischer und Anwohner sein besonderes Konto hatte.

Bares Geld brachte ein Käufer selten oder nie zum Vorschein, denn jeder nahm auf Borg, was er bekommen konnte; aber darin besteht eben die Kunst des Kaufmanns in den Fjorden und der Gewinn, welcher ihn reich macht, während die ganze Masse des Volkes bei aller Mühe, Not und Plage jahraus, jahrein arm und elend bleibt und immer tiefer in die Schuldbücher hineingerät. Christie Hvaland aber war einer der Schlauesten, der genau wußte, wie weit er bei jedem gehen konnte, bis sie ausgepreßt waren wie Zitronenschalen und fortgeworfen werden mußten.

Den rüstigen Fischern, welche noch eine Hütte und ein Boot hatten oder die ein Stück Land und eine Kuh besaßen, gab er gern und schwatzte immer mehr auf, als sie wollten; er durfte sie nicht aus seinem Buche lassen. Die Alten und Armen wurden härter behandelt, Umstände gemacht und ihnen so wenig wie möglich zugeteilt; daneben wurden andere, welche keine Aussicht mehr boten, abgewiesen, und statt des Mehls, der Grütze, des Branntweins oder der Fischgeräte, die sie begehrten, empfingen sie Drohungen, wie Gesetz und Richter ihnen bald zeigen sollten, daß des Kaufmanns Langmut erschöpft sei.

Es war an diesem Morgen ein starkes Geschäft im Kramladen, weil viele Boote auf den Sommerheringsfang in die Sunde gingen, und Christie drückte den Männern die rauhen Hände mit mancherlei Späßen und vielen Glückwünschen auf reichen Fang. Er wußte recht gut, und bei dem Gedanken glänzten seine listigen Augen vor Freude, daß, mochten sie alle Fische fangen, die das Meer beherbergte, diese Fische doch nur ihm gehörten, ihm abgeliefert werden mußten, und der allerreichste Fang niemals hinreichen konnte, die Sklaven zu freien Männern zu machen.

»Ist für alles gesorgt«, lachte er, nachdem er in jedem Konto das Doppelte aufgeschrieben, was er wirklich gegeben, und nun überließ er seinen Dienern das Aufräumen, klappte sein Buch zu und begab sich in das Besuchszimmer, wo er die Töne des Klaviers hörte.

Es war Mary, die dort ein Musikstück übte, aber rasch aufsprang und ihrem Vater entgegenging, als sie ihren Namen hörte.

»Mach keinen Lärm in der Frühe«, sagte Hvaland, »weckst unsere Gäste damit auf, die einen gesegneten Schlaf halten.«

Das Mädchen lachte. »Der Sorenskriver«, sagte sie, »scheint freilich ein Langschläfer zu sein, der Propst aber ist schon auf und ausgegangen, um Olaf zu besuchen.«

»So laß ihn laufen«, rief der Kaufmann, »mag gern so wenig wie möglich mit ihm zu tun haben. Was aber Stureson betrifft, so ist das ein Mann, der warmgehalten werden muß. Wenn's möglich ist, soll er heut noch bei uns bleiben. Ist es nicht so, Mary?«

»Was soll es sein, Vater?« fragte sie.

»Gefällt er dir nicht?« fuhr er fort, indem er sie listig anblinzelte. »Ist ein feiner stolzer Mann, ein ganz anderes Gewächs wie der alte mürrische Holmböe, der mit Stockfleth und ein paar anderen Volksvätern zusammen uns lange genug zu schaffen gemacht hat.« Er lachte vor sich hin und sagte dann: »Habe heute morgen im Kram schon daran gedacht. Die Narren hatten jahrelang daran gearbeitet, uns Fischer, Quäner und Lappen auf den Hals zu hetzen. Wollten es dahin bringen, wie sie sagten, daß das Volk Einsicht über sein Wohl erhalte. Wollten es zur Mäßigkeit und Ordnung führen, Holmböe durch Gesetz und Recht, Stockfleth durch Religion. Wollten die hungrige dumme Menge von den Kaufleuten und ihren. Rechnungsbüchern befreien, es dahin bringen, daß wir bar ihren Fischfang und ihre Dienste bezahlen, und sie bar von uns ihre Waren kaufen! Wollten uns unser gutes altes Recht nehmen, uns ausplündern, neue Kaufstellen gründen und mit Leuten nach ihrem Sinne besetzen! Aber Gott hat es verhindert. Nun ist Holmböe tot, gestorben im Jammer um verfehlte Hoffnungen, wie sie sagen, und sein Nachfolger ist der richtige Mann, der besser versteht, was es heißt, mit uns gehen oder mit dem Lumpengesindel.«

Er war auf und ab gegangen, während er sprach, und blieb dann vor seiner Tochter stehen, die er zärtlich betrachtete. »Nun«, rief er im Gefühl väterlichen Stolzes, »siehst frisch und gut aus, Mary, und bist Christie Hvalands einziges Kind. Mußt dem Sorenskriver zeigen, daß die Pension Geld gekostet hat, mußt ihm heut beweisen, daß du Künste gelernt hast, wie sie feine Damen verstehen.«

Das Mädchen errötete. »Wenn Olaf kommt, wollen wir Musik machen«, antwortete sie leise.

»Ja, höre«, sagte er, seine Pfeifenspitze auf ihre Schulter legend, »was den Ole betrifft, so sage du ihm im Vertrauen, er soll, wenn Herr Sturesön mit ihm spricht, bescheiden sein, wie es sich für ihn schickt.«

»Olaf Holmböe hat kein Wort mit ihm geredet«, entgegnete Mary, indem sie den Vater fest anblickte.

»Aber er hat ihn angesehen, wie ein Wolf hat er ihn angesehen, der im Malself-Traesk auf ein Rentier lauert!« rief der Kaufmann. »Es war ein wilder, starrer Blick, vor dem der Sorenskriver rot wurde und die Lippen bog, bis er ihn verachtete und sich umwandte – ich habe es wohl bemerkt. Warne den Burschen, er soll demütig sein, soll bedenken, wer er ist. Mit einem Lappen macht man keine Umstände. Helmböe ist tot, ein Fußstoß wirft ihn dort hinaus« – er deutete auf die Felsen – »dann mag er zu seinen Vettern und Brüdern wandern.«

Hier wurden sie unterbrochen, denn Sturesön erschien und wurde von dem Kaufmann mit Freude empfangen. Der Landrichter sah heute weit stattlicher aus, als es gestern der Fall war. Meer, Sonne und Luft hatten ihm auf der langen Reise hart zugesetzt, nun aber kam er erfrischt durch Schlaf und Ruhe, gewaschen und gekämmt, rasiert und rein vom Wirbel bis zur Zehe. Er hatte seine Koffer geöffnet, feine Wäsche und frische Kleider angelegt und bemerkte recht gut, daß er dadurch in Hvalands ehrerbietigem Wohlwollen stieg und auch Marys Augen neugierig auf ihn blickten.

Der Kaufmann äußerte seine Wünsche, den Gast wenigstens heute noch hier zu behalten, aber er fand Bedenken bei Stureson, der sich nicht halten lassen wollte. Lächelnd zählte der Landrichter alle Gründe auf, die ihn bestimmten, rasch an den Malanger Fjord in sein Haus und an die Arbeit zu gelangen.

»Ein Tag tut es freilich nicht«, entgegnete er auf die erneuten Bitten, »aber das ganze Leben besteht aus Tagen, und ein kluger Mann schätzt nichts höher als die Zeit. Nun habe ich überdies viele Geräte und Möbel vorausgeschickt, andere kommen nach, ich will sehen, wie ich wohne, und muß fürchten, kein so stattliches Haus vorzufinden, wie Sie es besitzen, mein werter Freund.«

»Es ist ein gutes, warmes Haus«, erwiderte Hvaland, »und obwohl es nicht allzu groß ist, hat Holmböe doch für manches gesorgt. Hat einen Gatten angelegt, seltene Pflanzen gezogen und den Boden rund umher mit großer Mühe und vielen Kosten fruchtbar gemacht. Ist die schönste Besitzung geworden, die man sehen kann.«

»Das soll uns zustatten kommen«, lachte Stureson. »So müht sich der eine um den anderen und weiß nicht, für wen er arbeitet. Das Haus aber will ich nach meinem Geschmack schon ausbauen und einrichten; ich liebe es, bequem und behaglich zu wohnen, und denke, meine Freunde und Nachbarn sollen mit mir zufrieden sein, wenn sie mich besuchen.«

»Macht denn mit der Zufriedenheit gleich den Anfang, Sorenskriver, und bleibt heut bei uns«, sagte Hvaland dringend. »Schickt das Boot zurück, morgen soll mein eigenes Kirchenboot Euch nach Hause bringen.«

»Wenn ich auch wirklich darauf einginge«, erwiderte Stureson, »habt Ihr nur Last und Beschwerden daran, und darf ich glauben, daß Jungfer Mary, die kein Wort gesagt hat, mich auch gern bleiben sieht?«

Er neigte sich dabei zu Mary hin, die verwirrt errötete, während ihr Vater mit einer kräftigen Beteuerung behauptete, daß seine Tochter es ebenso sehnlich wünsche wie er selbst.

»Ja, wenn ich das hoffen darf!« rief der Landrichter.

»O gewiß, glauben Sie es, Herr Stureson«, antwortete Mary, »des Vaters Wunsch ist auch der meine. Wir können nichts Lieberes wünschen, als einem so werten Gast recht lange zu gefallen.«

»Dann muß ich bleiben, weil Sie es befehlen«, fiel Stureson ein, indem er sich höflich verbeugte, und fügte, ihr die Hand reichend, schmeichelnd hinzu: »Ich hoffe, Jungfer Mary, daß der heutige Tag mir ein froher und erinnerungsreicher Tag sein werde, indem ich Ihnen beweisen kann, wie gern ich ihn in Ihrer Gesellschaft verlebe.«

»Wenn wir einem verwöhnten Herrn aus dem Süden nur mehr zu bieten hätten«, antwortete Mary freundlich, aber zurückhaltend. »Doch was wir haben, ist gar wenig.«

»Ich nehme alles an«, fiel der Landrichter erneut ein, »und werde sehr damit zufrieden sein.«

»So wollen wir Ihnen zeigen, wie schön es hier ist. Oben auf den Felsen kann man weit hinaus über viele Fjorde und auf die Schneegipfel und Inseln schauen. Wenn wir zurückkehren, scheint die Sonne in mein Gärtchen, und wenn Sie Musik lieben oder selbst treiben, so haben wir hier ein Instrument.«

Stureson griff ein paar Oktaven, um zu zeigen, daß er etwas davon verstehe, dann sagte er: »Meine Kunst ist gering, ich habe nie Zeit und Ausdauer genug gehabt, aber ich liebe Musik über alle Maßen und bringe einen schönen Flügel aus Wien mit, der Ihnen besser gefallen soll als dies Klavier. – Was Sie aber auch tun wollen, Jungfer Mary, ich will gern folgen, sehen und genießen!«

Der Kaufmann mischte sich ein; er hatte gern gehört, was Stureson sagte, und ebenso gern seine Blicke, Mienen und sein ganzes Benehmen betrachtet, was er heimlich berechnete und ein Fazit herausbrachte, das der Rechnung des Landrichters ziemlich nahe kam. Während des Frühstücks dachte er weiter darüber nach und beobachtete Stureson, der sich fortgesetzt mit Mary unterhielt, ihr von Tronthjem erzählte, einzelne Personen kannte, die sie gekannt hatte, mit ihr scherzte und lachte und von seinen reichen und angesehenen Verwandten sprach, welche überall im Lande wohnten, alten Familien angehörten und hohe Ämter bekleideten. Dazwischen erzählte er auch manches von sich selbst, von Unglück und Leid, das ihn getroffen, von Kränkungen, die er erfahren, und berührte nebenher, daß er allein und frei in der Welt stehe, nachdem der Tod ihm genommen, was er besessen. Er sprach gelassen und offen davon, aber sein stolzes, hartes Gesicht blieb nicht ohne Empfindung; das schmerzliche Lächeln, das darüber hinflog, erweckte Teilnahme. Marys Augen hingen tröstend an dem großen, kräftigen Mann, der so mild und traurig von seinem Schicksal sprechen konnte.

»Nun aber ist es überwunden«, rief Stureson dann, und seine Blicke glänzten wieder feurig und froh, »ich stehe hier auf meinen Beinen, habe ein Leben vor mir, das Freude verspricht und Wohlsein, und denke, ein Mann muß den Kopf aufheben und mutig erwerben, was ihm fehlt!«

»Recht gedacht«, sagte Hvaland, »und hier, Herr Stureson, liebt man Männer, die kühn und gewaltig sind. Habt es hinter Euch, was Sorgen macht, laßt uns an das denken, was Sonnenschein in Euer Haus bringt.«

Dann durchwanderte er mit seinem Gast die weitläufigen Vorratsräume, Packhäuser und Warenhäuser, welche den Wohlstand ihres Eigentümers bezeigten. Fünf große Bergenfahrer hatten die Masse des Stock- und Salzfisches fortgeschafft, aus deren fetten Lebern die mächtigen Trantonnen gefüllt waren, welche jetzt oben nach dem Handelsplatz geschafft werden sollten. Aus allem, was Christie Hvaland sagte, leuchtete hervor, daß er zu den Reichsten im Lande gehörte, und als er endlich mit dem Landrichter und Mary den Felsengürtel hinaufstieg, in dessen Schutze das Haus lag, ergab sein Gespräch, daß ihm der größte Teil des umliegenden Landes, die Fischerhäuser an der weiten Bucht, die bebauten Striche und der Wald in den Schluchten gehörte, welcher tief ins Gebirge, bis an die Berdoelf hinlief.

Der Tag war so schön wie der vergangene. Die Sonne funkelte vom fleckenlosen Himmel über das glänzende Meer. Über die Halbinsel von Lenvig hinaus konnte man den breiten Malanger Fjord erkennen, und unter dem Birkengebüsch, mitten im Wiesengrün des schönen Grundes lag das Haus des Kaufmanns, als sei es auf den saftigen Matten eines englischen Parks erbaut.

Während Hvaland die Namen ferner und naher Berge, Inseln, Kaufstellen und Plätze nannte und Mary ihm einhalf, dachte Stureson noch ernsthafter über das nach, was ihm gestern abend eingefallen war und womit er am Morgen aufwachte. Er fand, daß es gar nicht übel sei, der Schwiegersohn dieses filzigen Tranhändlers zu werden, der so viel Waren, Land und Geld und nur die eine Erbin besaß. Als klug rechnender Mann hielt er es freilich vor allen Dingen nötig, zuvörderst genauere Nachrichten einzuziehen und zuzusehen, ob nicht etwa noch eine bessere Partie zu machen sei als diese. Wenn aber der Schein nicht trog, so war er seiner Sache gewiß. Er war mit der Absicht gekommen, sich hier eine Frau zu nehmen; verständige und erfahrene Leute hatten ihm gesagt, daß ohne Frau und Häuslichkeit in diesen Einöden das Leben nicht zu ertragen sei, und hatten ihm den Rat erteilt, aus der reichen Aristokratie der Kaufleute sich ein Mädchen zu wählen, das mit ihrem Geld ihm zugleich die ganze angesehene Verwandtschaft mitbrächte.

Dieser Rat war auf fruchtbaren Boden gefallen. Im Süden hätte Stureson lange suchen müssen, ehe eine nach seinen Wünschen ihm die Hand gereicht hätte. Sein Ruf war schlecht, seine leichtsinnigen Handlungen, sein Leben und Charakter genugsam bekannt. Hier hatte nun der Zufall ihn sogleich mit Mary zusammengeführt, was er als einen Wink des Schicksals betrachtete und keinen Augenblick zweifelte, daß dies einfältige Ding leicht von ihm gewonnen werden könnte. Eines Stockfischhändlers und Krämers Tochter, und wäre sie noch so dicht mit silbernen Spezies behangen, mußte aber jedenfalls gern den Landrichter Stureson nehmen, der wohl einmal sogar Amtmann werden konnte. Mit diesen Gedanken betrachtete er das Mädchen, das obenein einigen Anstand besaß und ein leidliches Gesicht hatte.

Nach kurzer Zeit stieg Hvaland wieder hinunter, denn die Geschäfte in den Packhäusern erforderten seine Gegenwart. Er hatte jedoch seine Tochter aufgefordert, den Gast bis in die tiefste Spitze der Meeresbucht zu führen, wo der Blick auf Senjenöe und auf die eisigen Fjellen, welche dies Gewirr der Fjorden im Norden und Süden trennten, viel herrlicher sein sollte.

Stureson benutzte diesen Spaziergang, um seine ganze. Liebenswürdigkeit geltend zu machen. Er war so galant und unterhaltend, wie er es zu sein vermochte, und da er früher im Rufe eines Unwiderstehlichen gestanden hatte, schien es ihm sehr leicht, dies Kind zu erobern.

Seine lustigen Geschichten, Scherze und Anspielungen wurden freundlich aufgenommen. Mary lachte über seine Fragen und antwortete oft geschickter, als Stureson es ihr zugetraut hätte. Der Weg an der Bucht entlang führte über wildes Gestein, durch Birkengestrüpp und endlich steil hinauf zu einem Klippenvorsprung, welcher das Ziel dieser Wanderung war.

»Soll ich Ihnen meine Hand bieten, Jungfer Mary?« fragte Stureson, als sie vor ihm her über die hohen Felsblöcke stieg.

Das junge Mädchen dankte, indem es so behend vorauseilte, daß der Landrichter sie mit aller Mühe nicht einholen konnte. An der höchsten Spitze bildete der Felsvorsprung ein kleines Plateau, zu welchem mehrere stufenförmig übereinandergelegte Steine führten.

»Da Sie meine Hand verweigert haben«, sagte Stureson lächelnd, »so bitte ich jetzt um die Ihrige. Strecken Sie sie aus, Jungfer Mary, und helfen Sie mir an Ihre Seite.«

Mary bot ihm die Hand, und im Augenblick stand er neben ihr. Die Sonne schien warm, er war erhitzt und außer Atem.

»Man sieht es«, sagte sie mutwillig, »daß Sie nicht gewöhnt sind, beschwerliche Pfade zu gehen. Aber sehen Sie sich um, Herr Stureson, wie die Mühe sich lohnt. Ist es nicht schön hier?«

Der Landrichter setzte sich auf eine Art Bank und erwiderte schmeichelnd: »Das Schönste, was zu sehen ist, sehe ich vor mir. Das übrige ist freilich artig genug, doch Meer und Felsen, kleine Täler dazwischen und Eisberge sieht man überall, auch im Süden. Ich meine aber, dies muß Ihr Lieblingsplätzchen sein, Jungfer Mary, und deshalb ist es mir besonders wert.«

»Ich komme freilich oft hierher«, entgegnete sie.

»Und diese Bank ist für Sie aus Steinen zusammengebaut?«

»Olaf Helmböe hat es getan«, war ihre Antwort. »Er erklimmt leicht die schroffsten Spitzen, denn er ist ein kühner Jäger. Mir aber würde es schwerlich möglich gewesen sein, hier heraufzukommen, wenn er die Stufen nicht gelegt und den Pfad, so viel sich tun ließ, geebnet hätte.«

»Der Schulmeister also begleitet Sie zuweilen?« fragte Stureson und konnte ein spöttisches Lächeln nicht unterdrücken.

»Er sitzt oft hier, um zu lesen, oder wenn er die Geige spielt. Das müssen Sie hören, Herr Stureson, es ist merkwürdig und ergreifend. Dort unten wohnt er – in dem Hause!«

Sie deutete in einen Grund nieder, der zwischen Felsen und Birkengesträuch in der Tiefe lag und wunderbar schön und still aussah. Saftiges Gras bedeckte ihn, und nahe an einem schäumenden Bach, der aus den Felsen hervorsprudelte, lag das kleine Blockhaus, rötlich gefärbt, mit hellen Fenstern und einem Dach aus Birkenrinde, umgeben von einem Gartengehege mit Blumenbeeten und Obststräuchern, das durch Olafs Fleiß entstanden war. Niemand aber ließ sich sehen, und in dieser lautlosen Ruhe schien das Haus wie auf einer verlassenen schönen Insel zu liegen.

»Das sieht behaglich aus«, rief Stureson, »viel zu gut für einen Burschen von so elender Abstammung!«

»Sie müssen nicht so von ihm sprechen«, erwiderte Mary ernsthaft. »Olaf Holmböe ist ein Mann, der Ihre Beachtung verdient.«

»Meine Beachtung – o ja!« sagte der Landrichter. »Schon deshalb, weil Sie seine Beschützerin sind!«

»Warum sollte er meinen Schutz nötig haben?« versetzte sie ruhig. »Er hat jedoch mehr gelernt als alle Männer hier umher, und was er sagt und denkt, ist gut und verständig. Er wohnt bescheiden und still dort in dem kleinen Haus, tut jedem wohl, soviel er vermag, hilft und rät den Leuten, die zu ihm kommen, und beleidigt niemanden.«

»Das ist eine lange Lobrede«, rief Stureson, »ich beneide ihn darum! Sie kennen den bescheidenen Schulmeister schon lange?«

»Ich habe ihn früher schon gesehen«, antwortete Mary, »als er in Holmböes Haus lebte, der ihn wie sein Kind hielt. Der alte Mann hatte ihn einst tief in den Roskefjellen getroffen, wo Olaf Vieh hütete und, an einem Wasserfall sitzend, auf seiner kleinen Violine spielte.«

»Und er glaubte einen großen Virtuosen aus ihm machen zu können«, unterbrach sie Stureson, »ein lappisches Genie, das durch die Welt reisen und sich bewundern lassen könnte!«

Mary schwieg, aber bei seinen spöttischen Worten kam ein Unwille über sie, den sie nicht verbergen konnte.

»Nun immerhin«, lenkte Stureson ein, »es ist genug aus ihm geworden, und wenn er mein Wohlwollen verdient, will ich mich gern seiner annehmen.«

Er folgte mit seinen Blicken den Augen des jungen Mädchens, das nach Olafs Haus hinabschaute, und sah dort die Türe sich öffnen und zwei Männer, begleitet von einem gelben zottigen Hund, heraustreten. Nach ihrer Kleidung zu urteilen, waren es unzweifelhaft Lappen. Sie gingen rasch durch das Gehege, stiegen an dem Felsen hinauf und kamen ziemlich nahe an der Stelle vorüber, wo Mary und der Landrichter saßen. Plötzlich stand der gelbe Hund still, streckte seine Nase in die Luft und stieß ein kurzes scharfes Gebell aus. Die beiden Männer blickten scheu zurück, und durch das Strauchwerk der Birken konnte Stureson ihre Gesichter erkennen.

»Häßliche, abscheuliche Teufel«, sagte er lachend, »gelbflatterndes Haar, diese kleinen roten Augen, weite Mäuler und platte Nasen. Ja, gegen diese schmutzigen verdammten Seelen ist der Bursche, der da unten wohnt, allerdings ein Wunder von Schönheit und ein Muster an Weisheit! Aber was hat er mit ihnen zu tun? Und wo sind die beiden geblieben? Sie haben uns doch nicht bemerken können.«

»Mein Vater sagt, ein Lappe sieht alles und hört noch mehr«, erwiderte Mary. »Der einzige Laut ihres Hundes hat hingereicht, sie wissen zu lassen, daß wir hier sind; wahrscheinlich aber wußten sie es schon früher, denn ehe das Tier anschlug, änderten sie die Richtung, und nun sind sie dort oben durch die buschige Schlucht gelaufen, hinter der das Malselffjeld aufsteigt.«

»Schlaue Burschen, trotz ihrer eingedrückten Köpfe, und behende Läufer, trotz ihrer unbehilflichen Gestalten«, lachte der Landrichter.

»Ein Lappe holt Rentier und Bär ein, sagt mein Vater, und auf seinen Alpen tut es ihm keiner gleich.«

»Waren dies echte Berglappen?« fragte Stureson.

»Sie trugen Büchsen auf dem Rücken, Jagdtasche und Pulverhorn«, antwortete das junge Mädchen, »das tut kein Böelappe, und die vom Fischen leben, sind zu arm dazu.«

»Und der Schulmeister da ist auch so ein wahrer Sohn der Wüste und des Sumpfes?« fuhr Stureson fort.

»Olaf hat Verwandte und Brüder, die mehrere tausend Rentiere besitzen. Möglich, daß die beiden Männer ihn nahe angehen.«

»Er gehört also zur lappischen Aristokratie, und diese Überzeugung erhöht mein Interesse!« rief Stureson. »Doch genug, Jungfer Mary, ich denke, wir kehren um und retten uns vor der Sonnenhitze.«

Mary schlug vor, einen anderen Rückweg zu wählen, und Stureson war es zufrieden. Sie führte ihn von der Meeresbucht abwärts, zwischen den Felsen hin in einen größeren Grund, wo mehrere Hütten standen, die von kleinen Feldern umgeben waren, auf welchen Kartoffeln, Hafer und Gerste angebaut wurden.

»Das alles sind Böelappen«, sagte sie, »welche der Sorenskriver Holmböe hier angesiedelt hat. Es sind fleißige Leute, die sich wohl befinden, ihre kleinen Felder vergrößern, dabei Fischfang treiben, aber sehr stolz sind.«

»Stolz?« rief der Landrichter belustigt, »ei, worauf denn stolz?«

»Sie dünken sich viel besser, viel gesitteter und weiser als Quäner und Fischer und hassen aufs heftigste die Waldlappen, welche ihrerseits in ihrer wilden, vollen Freiheit in den Bergen diese Ackerbauern als herabgekommene, zur Knechtschaft erniedrigte Wesen betrachten.«

Stureson spottete noch über diesen Rang- und Kastenstreit, als aus der ersten Hütte, an welcher sie vorübergingen, derselbe Mann trat, den er am Abend vorher beinahe zu Boden geworfen hatte. Er trug denselben Glanzhut auf dem Kopf, dieselbe blaue Jacke und zeigte dasselbe breite grinsende Gesicht. Mit einer langsamen Bewegung nahm er den Hut ab und wünschte dem Herrn Sorenskriver Stureson viel Glück und Freude zum Willkommen im Lande.

»Und wer bist du, mein wohlunterrichteter Freund?« fragte dieser.

»Henrik Jansen ist mein Name«, erwiderte der kleine Kerl. »Allzeit zum Befehl meines hochwerten Herrn Sorenskriver.«

Stureson hatte große Lust, über die Bücklinge, Handschwenkungen und Untertänigkeitsbeweise zu lachen, dennoch aber fand er ein gewisses Behagen daran.

»Du baust hier das Land und scheinst ein wackerer Mann zu sein«, sagte er.

»Will's meinen«, erwiderte der Böelappe stolz. »Bin kein Buschläufer, kein Umhertreiber, sondern sitze hier auf meinem Erbe. Aber schlimm genug, hochwerter Herr Sorenskriver, wenn schuftige, elende, unwissende Burschen, Faulenzer und Tagediebe sich hier einnisten dürfen, die fortgejagt werden müßten, weil sie ihr Brot mit Sünden essen!«

Stureson schüttelte den Kopf und sagte zu seiner Begleiterin: »Was will er denn eigentlich, auf wen schimpft er so sehr?«

»Ich will es Ihnen sagen«, erwiderte Mary ruhig. »Dieser Mann war ebenfalls einst ein Schützling des alten Helmböe, der seinem Vater dies Land hier gegeben, dies Haus gebaut und ihn selbst mit Olaf zusammen in das Seminar von Trondenäes. geschickt hat. Dort aber wurde er seiner bösen Streiche und seiner Unfähigkeit wegen entfernt, und seit er hier seines Vaters Besitztum übernahm, bildet er sich ein, daß ihm das Schulmeisterhaus weit eher gebührt, und er hat es dahin gebracht, daß manche Böelappen ihre Kinder nicht mehr zu Olaf schicken, weil dieser von den Fjeldlappen stammt.«

Während Mary sprach, fletschte der kleine Lappe die Zähne, nickte und grinste und sah sie mit boshaften Blicken an.

»Es kommt mir auch zu, hochwerter Herr Sorenskriver!« schrie er dann, »mir – nicht aber dem Sohn eines Wolfs, einem krummbeinigen, unchristlichen gottlosen Lästerer, der zu den Seitas ins Gebirge, zu den Zauberkreisen und Opfersteinen der vermaledeiten Rentiermelker läuft, dort sich niederwirft und die Götzen anbetet. Ich hab's gesehen, habe es mit eigenen Augen gesehen und kann's beschwören!«

»Hören Sie sein Geschwätz nicht an«, sagte Mary weitergehend.

»Mein guter Henrik Jansen«, sprach Stureson lachend, »meine Sache ist es nicht, deine Ansprüche auf hohe Geburt und reine Abkunft zu prüfen oder deine Anschuldigungen zu untersuchen; wenn aber deine Reden wahr sind, so geh zum Vogt und mache ihm Anzeige. Das weitere wird sich finden.«

Er folgte dem jungen Mädchen nach, als er aber zurückblickte, stand der Böelappe noch immer mit abgezogenem Hut und machte ihm Bücklinge; dann deutete er auf Mary, hob seine Hand empor und drohte nach ihr, während er boshaft und höhnisch lachte.

Als Stureson seine Begleiterin wieder erreichte, stand diese auf der Anhöhe, und dicht zu ihren Füßen lag der Grund, in welchem Olafs Haus erbaut war.

Der Landrichter merkte, daß ihn seine Führerin wohl nicht ganz absichtslos mittels eines Umweges hierher gebracht hatte.

»Wir sollen also durchaus dem Hexenmeister einen Besuch machen?« fragte er.

»Ich will Sie zu Olaf führen, damit Sie selbst sehen, welche Lügner und Verleumder diese Kolonisten sind, die überall in schlechtem Rufe stehen ihres anmaßenden Hochmuts halber.«

»Ich glaube dem kleinen Kerl gar nichts«, antwortete Stureson, »aber immerhin bleibt es merkwürdig, daß dieser tugendhafte Schulmeister, der, wie Sie sagen, allen Gutes und Liebes erweist, bei seinen eigenen Landsleuten so vielen Haß und Widerwillen erregen kann.«

»Der arme Olaf!« rief Mary. »Bei den Normännern hilft es ihm nichts, sanft, gut und verständig zu sein, denn er ist ein Lappe. Bei den Lappen aber gelten seine Kenntnisse und sein besseres Wesen nichts, denn er hat sich von ihnen getrennt, ist ein Knecht der Herren des Landes geworden und hat das Kleid der Freiheit ausgezogen!«

Stureson beobachtete sie scharf – ihr ganzes Wesen schien vom Mitleid erfüllt. »Bei alledem«, sagte er nach einem Augenblick des Schweigens, »ist es aber doch möglich, daß dieser Bursche, wenn er halb toll in die hohen Fjelde läuft, an den Opfersteinen der alten Götter seines Volkes betet, wie seine Voreltern gebetet haben. Er sieht aus wie ein Träumer.«

»Er ist ein Christ, mehr als es viele sind, die diesen Namen führen«, erwiderte Mary lebhaft. »Lassen Sie uns bei ihm eintreten, ich will ihn ersuchen, nachmittags zu uns zu kommen, um Musik zu machen.«

»Er soll seine Geige mitbringen!«

Mary schüttelte den Kopf. »Er hat es noch nie getan«, sagte sie, »fordern Sie es nicht von ihm, aber er spielt das Klavier gewiß zu Ihrem Beifall.«

Sie waren währenddessen an der Seite des Hügels niedergestiegen und gingen über den schönen Rasen an dem Bach entlang, der mit einem Wasserfall aus den Felsen brach. Dann traten sie in den Garten. Mary öffnete die äußere Tür des Hauses, und durch einen kleinen Vorraum gehend, trat sie in das Wohnzimmer, dicht gefolgt von Stureson. Beide blieben an der Schwelle stehen, denn ein unerwarteter Anblick bot sich ihnen dar.

Propst Stockfleth saß auf einem niedrigen Stuhl, und vor ihm kniete der junge Mann, der sein Haupt in dem Schoß des Priesters verbarg. Die Hände des Missionars lagen gefaltet auf Olafs Kopf, er schien ein leises Gebet zu murmeln, das unverständlich sich in dem stillen Raum verlor.

Das Zimmer war niedrig, doch ziemlich groß, die Holzwände ohne Schmuck, die Fugen der Balken mit Moos verstopft, der Fußboden mit jungen Birkenblättern bestreut. Ein schwerer Tisch und einige Holzstühle bildeten die einzigen Geräte. Bretter liefen an den Wänden umher, auf welchen Bücher lagen, einige Kleidungsstücke hingen darunter und neben ihnen ein kurzes Gewehr mit ungeschicktem Schaft, Jagdtasche und Pulverhorn nebst einem anderen Instrument, das wie der verunglückte Versuch aussah, eine Geige daraus zu bilden.

Bei dem Geräusch an der Tür wandte sich der Missionar danach um, und im nächsten Augenblick stand Olaf neben ihm.

»Willkommen!« sagte Stockfleth ohne ein Zeichen der Überraschung. »Wir haben unser Gespräch und unsere Andacht beendigt. Es ist freundlich gedacht, Herr Sorenskriver Stureson, daß Sie Olaf in seiner stillen Häuslichkeit besuchen.«

»Gottes Frieden mit Ihnen, Herr«, fügte der Schulmeister hinzu. Er hob sein schwermütiges Auge zu dem großen, stolzen Mann und neigte sich demütig vor ihm.

»Wir haben auf Olafs Bank gesessen«, sagte das junge Mädchen, »und kommen nun hier vorüber, um ihn selbst einzuladen, den Nachmittag mit uns zu verleben. Unser werter Gast, Herr Stureson, soll von uns so angenehm unterhalten werden, wie wir es vermögen, ich bitte daher den Herrn Holmböe, auch dazu beizutragen.«

Der Schulmeister verneigte sich nochmals und blickte fragend zu dem Propst hin, der ihm lächelnd zunickte. »Was in meinen Kräften steht und Ihnen angenehm sein kann«, sagte Olaf mit seiner sanften Stimme, »wird immer für mich kaum der Aufforderung bedürfen.«

Stureson sagte ihm freundliche Worte und schien durch die bescheidenen, schüchternen Antworten des jungen Mannes mehr zufriedengestellt zu sein als durch sein früheres Benehmen. Wahrscheinlich hatte der Missionar ihm die nötigen Vorhaltungen gemacht und Vorschriften erteilt. Stureson bemerkte mit Genugtuung dies demütige und scheue Zurückweichen und die niedergeschlagenen Augen des Lappen, die ihn gestern so unheimlich stier und wild angestarrt hatten. Er fühlte sich erweicht und bot ihm sogar die Hand, als er ihm versicherte, daß er sich seiner annehmen werde, wie und wo es geschehen könne. Ein paar Zeichnungen Olafs in Bleistift und Kreide, an der Wand mit kleinen Nägeln befestigt und Ansichten des Fjordes darstellend, führten neue Lobsprüche des Landrichters herbei und diese steigerten sich noch, als Stockfleth erwähnte, daß es nicht leicht eine schönere Handschrift geben könne als die des Schulmeisters und allerlei Proben dies bestätigten.

»In Wahrheit, Herr Holmböe«, sagte Stureson, »Sie haben Kenntnisse und Fähigkeiten, die einen anderen Platz verdienten. Wären Sie im Süden, würde es Ihnen besser gehen, aber auch hier muß für Sie gesorgt werden.«

»Ich bin zufrieden mit meinem Los«, erwiderte Olaf.

»Sie müssen an eine größere Schule, vielleicht nach Tromsöe, oder an das Seminar, oder nach Bodöe, kurz, in einen größeren Wirkungskreis.«

»Ich weiß«, erwiderte Olaf in seiner unterwürfigen Sanftmut, »daß ich vieles nicht erreichen kann, was anderen leicht sein würde.«

»Bah!« rief Stureson, »wir leben in einer aufgeklärten Zeit, die alle Vorurteile von sich wirft. Kommen Sie heute nachmittag zu Hvaland, wir wollen vergnügt sein, Herr Olaf, ich bin Ihr Freund, verlassen Sie sich darauf!«

Nach einem kurzen Augenblick des Schweigens fuhr der Landrichter fort: »Sie sollen ja auch ein Virtuose sein. Bringen Sie Ihre Geige mit, Sie müssen sich hören lassen.«

Olaf sah nach dem ungeschickten Instrument hin und sagte bittend: »Sie ist zerbrochen, es kann nicht sein.«

»Nun denn, ein andermal«, rief der Landrichter, »aber ich bin neugierig, sie zu hören. Jungfer Mary hat mir Wunderdinge von den Zaubertönen erzählt, die Sie aus dem seltsamen Holzblock hervorlocken können. Ich denke, Sie machen keine Umstände, Olaf; eben weil ich Ihr Freund sein will, habe ich ein Recht, von Ihnen alle Bereitwilligkeit zu begehren. Wenn wirklich etwas daran ist, wer weiß, wie sich dann Ihr Schicksal wenden kann!«

Olaf verbeugte sich mit derselben Schüchternheit, die er bei jedem aufmunternden Versuch des Landrichters zeigte, bis dieser endlich seine goldene Uhr herauszog und es hohe Zeit fand, nach Hause zurückzukehren.

Mit der wiederholten Aufforderung, pünktlich zu erscheinen und wenn möglich die Geige instand zu setzen, schied Stureson und führte unter Scherz und Gelächter Mary durch Olafs Gärtchen zwischen den duftigen kleinen Beeten hin, wo er Reseda und Nelken brach, um Hvalands Tochter ein Sträußchen zu überreichen.

Olaf blieb auf der Schwelle stehen. Seine Augen verfolgten die Scheidenden, und heftig zuckte es in seinem Gesicht, als Mary sich am Bach umwandte und leise grüßend lächelte und ihm zunickte.

»Denke an alles, mein Sohn«, sagte der Propst, welcher zuletzt ging.

»Mein Vater, ich denke« erwiderte Olaf, sanftmütig die Arme kreuzend, und sah seinen Gästen bewegt nach, bis sie alle drei hinter den Felsen verschwunden waren.

 


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