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Der neue Monarch von Rom, der erste Herrscher über das ganze Gebiet römisch-hellenischer Zivilisation, Gaius Iulius Caesar, stand im sechsundfünfzigsten Lebensjahr (geb. 12. Juli 652 ? 102), als die Schlacht bei Thapsus, das letzte Glied einer langen Kette folgenschwerer Siege, die Entscheidung über die Zukunft der Welt in seine Hände legte. Weniger Menschen Spannkraft ist also auf die Probe gestellt worden wie die dieses einzigen schöpferischen Genies, das Rom, und des letzten, das die alte Welt hervorgebracht und in dessen Bahnen sie denn auch bis zu ihrem eigenen Untergange sich bewegt hat. Der Sprößling einer der ältesten Adelsfamilien Latiums, welche ihren Stammbaum auf die Helden der Ilias und die Könige Roms, ja auf die beiden Nationen gemeinsame Venus-Aphrodite zurückführte, waren seine Knaben- und ersten Jünglingsjahre vergangen, wie sie der vornehmen Jugend jener Epoche zu vergehen pflegten. Auch er hatte von dem Becher des Modelebens den Schaum wie die Hefen gekostet, hatte rezitiert und deklamiert, auf dem Faulbett Literatur getrieben und Verse gemacht, Liebeshändel jeder Gattung abgespielt und sich einweihen lassen in alle Rasier-, Frisier- und Manschettenmysterien der damaligen Toilettenweisheit, sowie in die noch weit geheimnisvollere Kunst, immer zu borgen und nie zu bezahlen. Aber der biegsame Stahl dieser Natur widerstand selbst diesem zerfahrenen und windigen Treiben; Caesar blieb sowohl die körperliche Frische ungeschwächt wie die Spannkraft des Geistes und des Herzens. Im Fechten und im Reiten nahm er es mit jedem seiner Soldaten auf, und sein Schwimmen rettete ihm bei Alexandreia das Leben; die unglaubliche Schnelligkeit seiner gewöhnlich des Zeitgewinns halber nächtlichen Reisen – das rechte Gegenstück zu der prozessionsartigen Langsamkeit, mit der Pompeius sich von einem Ort zum andern bewegte – war das Erstaunen seiner Zeitgenossen und nicht die letzte Ursache seiner Erfolge. Wie der Körper war der Geist. Sein bewunderungswürdiges Anschauungsvermögen offenbarte sich in der Sicherheit und Ausführbarkeit all seiner Anordungen, selbst wo er befahl, ohne mit eigenen Augen zu sehen. Sein Gedächtnis war unvergleichlich und es war ihm geläufig, mehrere Geschäfte mit gleicher Sicherheit nebeneinander zu betreiben.: Obgleich Gentleman, Genie und Monarch hatte er dennoch ein Herz. Solange er lebte, bewahrte er für seine würdige Mutter Aurelia – der Vater starb ihm früh – die reinste Verehrung; seinen Frauen und vor allem seiner Tochter Iulia widmete er eine ehrliche Zuneigung, die selbst auf die politischen Verhältnisse nicht ohne Rückwirkung blieb. Mit den tüchtigsten und kernigsten Männern seiner Zeit, hohen und niederen Ranges, stand er in einem schönen Verhältnis gegenseitiger Treue, mit jedem nach seiner Art. Wie er selbst niemals einen der Seinen in Pompeius' kleinmütiger und gefühlloser Art fallen ließ und, nicht bloß aus Berechnung, in guter und böser Zeit ungeirrt an den Freunden festhielt, so haben auch von diesen manche, wie Aulus Hirtius und Gaius Matius, noch nach seinem Tode ihm in schönen Zeugnissen ihre Anhänglichkeit bewahrt. Wenn in einer so harmonisch organisierten Natur überhaupt eine einzelne Seite als charakteristisch hervorgehoben werden kann, so ist es die, daß alle Ideologie und alles Phantastische ihm fern lag. Es versteht sich von selbst, daß Caesar ein leidenschaftlicher Mann war, denn ohne Leidenschaft gibt es keine Genialität; aber seine Leidenschaft war niemals mächtiger als er. Er hatte eine Jugend gehabt, und Lieder, Liebe und Wein waren auch in sein Gemüt in lebendigem Leben eingezogen; aber sie drangen ihm doch nicht bis in den innerlichsten Kern seines Wesens. :Die Literatur beschäftigte ihn lange und ernstlich; aber wenn Alexandern der homerische Achill nicht schlafen ließ, so stellte Caesar in seinen schlaflosen Stunden Betrachtungen über die Beugungen der lateinischen Haupt- und Zeitwörter an. Er machte Verse wie damals jeder, aber sie waren schwach; dagegen interessierten ihn astronomische und naturwissenschaftliche Gegenstände. Wenn der Wein für Alexander der Sorgenbrecher war und blieb, so mied nach durchschwärmter Jugendzeit der nüchterne Römer denselben durchaus. Wie allen denen, die in der Jugend der volle Glanz der Frauenliebe umstrahlt hat, blieb ein Schimmer davon unvergänglich auf ihm ruhen: noch in späteren Jahren begegneten ihm Liebesabenteuer und Erfolge bei Frauen und blieb ihm eine gewisse Stutzerhaftigkeit im äußeren Auftreten oder richtiger das erfreuliche Bewußtsein der eigenen männlich schönen Erscheinung. Sorgfältig deckte er mit dem Lorbeerkranz, mit dem er in späteren Jahren öffentlich erschien, die schmerzlich empfundene Glatze und hätte ohne Zweifel manchen seiner Siege darum gegeben, wenn er damit die jugendlichen Locken hätte zurückkaufen können. Aber wie gern er auch noch als Monarch mit den Frauen verkehrte, so hat er doch nur mit ihnen gespielt und ihnen keinerlei Einfluß über sich eingeräumt; selbst sein vielbesprochenes Verhältnis zu der Königin Kleopatra ward nur angesponnen, um einen schwacher Punkt in seiner politischen Stellung zu maskieren. Caesar war durchaus Realist und Verstandesmensch; und was er angriff und tat, war von der genialen Nüchternheit durchdrungen und getragen, die seine innerste Eigentümlichkeit bezeichnet. Ihr verdankte er das Vermögen, unbeirrt durch Erinnern und Erwarten energisch im Augenblick zu leben; ihr die Fähigkeit, in jedem Augenblick mit gesammelter Kraft zu handeln und auch dem kleinsten und beiläufigsten Beginnen seine volle Genialität zuzuwenden; ihr die Vielseitigkeit, mit der er erfaßte und beherrschte, was der Verstand begreifen und der Wille zwingen kann; ihr die sichere Leichtigkeit, mit der er seine Perioden fügte, wie seine Feldzüge entwarf; ihr die "wunderbare Heiterkeit", die in guten und bösen Tagen ihm treu blieb; ihr die vollendete Selbständigkeit, die keinem Liebling und keiner Mätresse, ja nicht einmal dem Freunde Gewalt über sich gestattete. Aus dieser Verstandesklarheit rührt es aber auch her, daß Cäsar sich über die Macht des Schicksals und das Können des Menschen niemals Illusionen machte; für ihn war der holde Schleier gehoben, der dem Menschen die Unzulänglichkeit seines Wirkens verdeckt. Wie klug er auch plante und alle Möglichkeiten bedachte, das Gefühl wich doch nie aus seiner Brust, daß in allen Dingen das Glück, das heißt der Zufall das gute Beste tun müsse; und damit mag es denn auch zusammenhängen, daß er so oft dem Schicksal Paroli geboten und namentlich mit verwegener Gleichgültigkeit seine Person wieder und wieder auf das Spiel gesetzt hat. Wie ja wohl überwiegend verständige Menschen in das reine Hasardspiel sich flüchten, so war auch in Caesars Rationalismus ein Punkt, wo er mit dem Mystizismus gewissermaßen sich berührte.
Aus einer solchen Anlage konnte nur ein Staatsmann hervorgehen. Von früher Jugend an war denn auch Caesar ein Staatsmann im tiefsten Sinne des Wortes und sein Ziel das höchste, das dem Menschen gestattet ist sich zu stecken: die politische, militärische, geistige und sittliche Wiedergeburt der tiefgesunkenen eigenen und der noch tiefer gesunkenen, mit der seinigen innig verschwisterten hellenischen Nation. Die harte Schule dreißigjähriger Erfahrungen änderte seine Ärasichten über die Mittel, wie dies Ziel zu erreichen sei; das Ziel blieb ihm dasselbe in den Zeiten hoffnungsvoller Erniedrigung wie unbegrenzter Machtvollkommenheit, in den Zeiten, wo er als Demagog und Verschworener auf dunklen Wegen zu ihm hinschlich, wie da er als Mitinhaber der höchsten Gewalt und sodann als Monarch vor den Augen einer Welt im vollen Sonnenschein an seinem Werke schuf. Alle zu den verschiedensten Zeiten von ihm ausgegangenen Maßregeln bleibender Art ordnen in den großen Bauplan zweckmäßig sich ein. Von einzelnen Leistungen Caesars sollte darum eigentlich nicht geredet werden; er hat nichts Einzelnes geschaffen. Mit Recht rühmt man den Redner Caesar wegen seiner aller Advokatenkunst spottenden männlichen Beredsamkeit, die wie die klare Flamme zugleich erleuchtete und erwärmte. Mit Recht bewundert man an dem Schriftsteller Caesar die unnachahmliche Einfachheit der Komposition, die einzige Reinheit und Schönheit der Sprache. Mit Recht haben die größten Kriegsmeister aller Zeiten den Feldherrn Caesar gepriesen, der wie kein anderer ungeirrt von Routine und Tradition immer diejenige Kriegführung zu finden wußte, durch welche in dem gegebenen Falle der Feind besiegt wird und welche also in dem gegebenen Falle die rechte ist; der mit divinatorischer Sicherheit für jeden Zweck das rechte Mittel fand; der nach der Niederlage schlagfertig dastand, wie Wilhelm von Oranien, und mit dem Siege ohne Ausnahme den Feldzug beendigte; der das Element der Kriegführung, dessen Behandlung das militärische Genie von der gewöhnlichen Offiziertüchtigkeit unterscheidet, die rasche Bewegung der Massen mit unübertroffener Vollkommenheit handhabte und nicht in der Massenhaftigkeit der Streitkräfte, sondern in der Geschwindigkeit ihrer Bewegung, nicht im langen Vorbereiten, sondern im raschen, ja verwegenen Handeln, selbst mit unzulänglichen Mitteln, die Bürgschaft des Sieges fand. Allein alles dieses ist bei Caesar nur Nebensache; er war zwar ein großer Redner, Schriftsteller und Feldherr, aber jedes davon ist er nur geworden, weil er ein vollendeter Staumann war. Namentlich spielt der Soldat in ihm eine durchaus beiläufige Rolle, und es ist eine der hauptsächlichsten Eigentümlichkeiten, die ihn von Alexander, Hannibal und Napoleon unterscheidet, daß in ihm nicht der Offizier, sondern der Demagog der Ausgangspunkt der politischen Tätigkeit war. Seinem ursprünglichsten Plan zufolge hatte er sein Ziel wie Perikles und Gaius Gracchus ohne Waffengewalt zu erreichen gedacht, und achtzehn Jahre hindurch hatte er als Führer der Popularpartei ausschließlich in politischen Plänen und Intrigen sich bewegt, bevor er, ungern sich überzeugend von der Notwendigkeit eines militärischen Rückhalts, schon ein Vierziger, an die Spitze einer Armee trat. Es war erklärlich, daß er auch späterhin immer noch mehr Staatsmann blieb als General – ähnlich wie Cromwell, der auch aus dem Oppositionsführer zum Militärchef und Demokratenkönig sich umschuf und der überhaupt, wie wenig der Puritanerfürst dem lockeren Römer zu gleichen scheint, doch in seiner Entwicklung wie in seinen Zielen und Erfolgen vielleicht unter allen Staatsmännern Caesar am nächsten verwandt ist. Selbst in seiner Kriegführung ist diese improvisierte Feldherrnschaft noch wohl zu erkennen; in Napoleons Unternehmungen gegen Ägypten und gegen England ist der zum Feldherrn aufgediente Artillerieleutnant nicht deutlicher sichtbar wie in den gleichartigen Caesars der zum Feldherrn metamorphosierte Demagog. Ein geschulter Offizier würde es schwerlich fertig gebracht haben, aus politischen Rücksichten nicht durchaus zwingender Natur die gegründetsten militärischen Bedenken in der Art beiseite zu schieben, wie dies Caesar mehrmals, am auffallendsten bei seiner Landung in Epirus getan hat. Einzelne seiner Handlungen sind darum militärisch tadelhaft; aber der Feldherr verliert nur, was der Staatsmann gewinnt. Die Aufgabe des Staatsmanns ist universeller Natur wie Caesars Genie: wenn er die vielfältigsten und voneinander entlegensten Dinge angriff, so gingen sie doch alle ohne Ausnahme zurück auf das eine große Ziel, dem er mit unbedingter Treue und Folgerichtigkeit diente; und nie hat er von den vielfältigen Seiten und Richtgen seiner großen Tätigkeit eine vor der andern bevorzugt. Obwohl ein Meister der Kriegskunst, hat er doch aus staatsmännischen Rücksichten das Äußerste getan, um den Bürgerkrieg abzuwenden und um, da er dennoch begann, wenigstens so unblutige Lorbeeren wie möglich zu ernten. Obwohl der Begründer der Militärmonarchie, hat er doch mit einer in der Geschichte beispiellosen Energie weder Marschallshierarchie noch Prätorianerregiment aufkommen lassen. Wenn überhaupt eine Seite der bürgerlichen Verdienste, so wurden von ihm vielmehr die Wissenschafter, und die Künste des Friedens vor den militärischen bevorzugt. Die bemerkenswerteste Eigentümlichkeit seines staatsmännischen Schaffens ist dessen vollkommene Harmonie. In der Tat waren alle Bedingungen zu dieser schwersten aller menschlichen Leistungen in Caesar vereinigt. Durch und durch Realist, ließ er die Bilder der Vergangenheit und die ehrwürdige Tradition nirgends sich anfechten: ihm galt nichts in der Politik als die lebendige Gegenwart und das verständige Gesetz, ebenwie er, auch als Grammatiker die historisch-antiquarische Forschung beiseite schob und nichts anerkannte als einerseits den lebendigen Sprachgebrauch, andererseits die Regel der Gleichmäßigkeit Ein geborener Herrscher, regierte er die Gemüter der Menschen, wie der Wind die Wolken zwingt, und nötigte die verschiedenartigsten Naturen, ihm sich zu eigen zu geben, den schlichten Bürger und den derben Unteroffizier, die vornehmen Damen Roms und die schönen Fürstinnen Ägyptens und Mauretaniens, den glänzenden Kavalleriegeneral und den kalkulierenden Bankier. Sein Organisationstalent ist wunderbar; nie hat ein Staatsmann seine Bündnisse, nie ein Feldherr seine Armee aus ungefügen und widerstrebenden Elementen so entschieden zusammengezwungen und so fest zusammengehalten wie Caesar seine Koalitionen und seine Legionen; nie ein Regent mit so scharfem Blick seine Werkzeuge beurteilt und ein jedes an den ihm angemessenen Platz gestellt. Er war Monarch; aber nie hat er den König gespielt. Auch als unumschränkter Herr von Rom blieb er in seinem Auftreten der Parteiführer; vollkommen biegsam und geschmeidig, bequem und anmutig in der Unterhaltung, zuvorkommend gegen jeden, schien er nichts sein zu wollen als der Erste unter seinesgleichen. Den Fehler so vieler ihm sonst ebenbürtiger Männer, den militärischen Kommandoton auf die Politik zu übertragen, hat Caesar durchaus vermieden; wie vielen Anlaß das verdrießliche Verhältnis zum Senat ihm auch dazu gab, er hat nie zu Brutalitäten gegriffen, wie die des achtzehnten Brumaire eine war. Caesar war Monarch; aber nie hat ihn der Tyrannenschwindel erfaßt. Er ist vielleicht der einzige unter den Gewaltigen des Herrn, welcher im großen wie im kleinen nie nach Neigung oder Laune, sondern ohne Ausnahme nach seiner Regentenpflicht gehandelt hat, und der, wenn er auf sein Leben zurücksah, wohl falsche Rechnungen zu bedauern, aber keinen Fehltritt der Leidenschaft zu bereuen fand. Es ist nichts in Caesars Lebensgeschichte, das auch nur im kleinenWenn der Handel mit Laberius, den der bekannte Prolog erzählt, als ein Beispiel von Caesars Tyrannenlaunen angeführt worden ist, so hat man die Ironie der Situation wie des Dichters gründlich verkannt; ganz abgesehen von der Naivität, den sein Honorar bereitwillig einstreichenden Poeten als Märtyrer zu behandeln. sich vergleichen ließe mit jenen poetisch-sinnlichen Aufwallungen, mit der Ermordung des Kleitos oder dem Brand von Persepolis, welche die Geschichte von seinem großen Vorgänger im Osten berichtet. Er ist endlich vielleicht der einzige unter jenen Gewaltigen, der den staatsmännischen Takt für das Mögliche und Unmögliche bis an das Ende seiner Laufbahn sich bewahrt hat und nicht gescheitert ist an derjenigen Aufgabe, die für großartig angelegte Naturen von allen die schwerste ist, an der Aufgabe, auf der Zinne des Erfolgs dessen natürliche Schranken zu erkennen. Was möglich war, hat er geleistet und nie um des unmöglichen Besseren willen das mögliche Gute unterlassen, nie es verschmäht, unheilbare Übel durch Palliative wenigstens zu lindern. Aber wo er erkannte, daß das Schicksal gesprochen, hat er immer gehorcht. Alexander am Hypanis, Napoleon in Moskau kehrten um, weil sie mußten, und zürnten dem Geschick, daß es auch seinen Lieblingen nur begrenzte Erfolge gönnt; Caesar ist an der Themse und am Rhein freiwillig zurückgegangen und gedachte auch an der Donau und am Euphrat nicht ungemessene Pläne der Weltüberwindung, sondern bloß wohlerwogene Grenzregulierungen ins Werk zu setzen.
So war dieser einzige Mann, den zu schildern so leicht scheint und doch so unendlich schwer ist. Seine ganze Natur ist durchsichtige Klarheit; und die Überlieferung bewahrt über ihn ausgiebigere und lebendigere Kunde als über irgendeinen seiner Pairs in der antiken Welt. Eine solche Persönlichkeit konnte wohl flacher oder tiefer, aber nicht eigentlich verschieden aufgefaßt werden; jedem nicht ganz verkehrten Forscher ist das hohe Bild mit denselben wesentlichen Zügen erschienen, und doch ist dasselbe anschaulich wiederzugeben noch keinem gelungen. Das Geheimnis liegt in dessen Vollendung. Menschlich wie geschichtlich steht Caesar in dem Gleichungspunkt, in welchem die großen Gegensätze des Daseins sich ineinander aufheben. Von gewaltiger Schöpferkraft und doch zugleich vom durchdringendsten Verstande; nicht mehr Jüngling und noch nicht Greis; vom höchsten Wollen und vom höchsten Vollbringen; erfüllt von republikanischen Idealen und zugleich geboren zum König; ein Römer im tiefsten Kern seines Wesens und wieder berufen, die römische und die hellenische Entwicklung in sich wie nach außen hin zu versöhnen und zu vermählen, ist Caesar der ganze und vollständige Mann. Darum fehlt es denn auch bei ihm mehr als bei irgendeiner anderen geschichtlichen Persönlichkeit an den sogenannten charakteristischen Zügen, welche ja doch nichts anderes sind als Abweichungen von der naturgemäßen menschlichen Entwicklung. Was dem ersten oberflächlichen Blick dafür gilt, zeigt sich bei näherer Betrachtung nicht als Individualität, sondern als Eigentümlichkeit der Kulturepoche oder der Nation; wie denn seine Jugendabenteuer ihm mit allen gleichgestellten begabteren Zeitgenossen gemein sind, sein unpoetisches, aber energisch logisches Naturell das Naturell der Römer überhaupt ist. Es gehört dies mit zu Caesars voller Menschlichkeit, daß er im höchsten Grade durch Zeit und Ort bedingt ward; denn eine Menschlichkeit an sich gibt es nicht, sondern der lebendige Mensch kann eben nicht anders als in einer gegebenen Volkseigentümlichkeit und in einem bestimmten Kulturzug stehen. Nur dadurch war Caesar ein voller Mann, weil er wie kein anderer mitten in die Strömungen seiner Zeit sich gestellt hatte und weil er die kernige Eigentümlichkeit der römischen Nation, die reale bürgerliche Tüchtigkeit vollendet wie kein anderer in sich trug; wie denn auch sein Hellenismus nur der mit der italischen Nationalität längst innig verwachsene war. Aber eben hierin liegt auch die Schwierigkeit, man darf vielleicht sagen die Unmöglichkeit, Caesar anschaulich zu schildern. Wie der Künstler alles machen kann, nur nicht die vollendete Schönheit, so kann auch der Geschichtschreiber, wo ihm alle tausend Jahre einmal das Vollkommene begegnet, nur darüber schweigen. Denn es läßt die Regel wohl sich aussprechen, aber sie gibt uns nur die negative Vorstellung von der Abwesenheit des Mangels; das Geheimnis der Natur, in ihren vollendetsten Offenbarungen Normalität und Individualität miteinander zu verbinden, ist unaussprechlich. Uns bleibt nichts, als diejenigen glücklich zu preisen, die dieses Vollkommene schauten, und eine Ahnung desselben aus dem Abglanz zu gewinnen, der auf den von dieser großen Natur geschaffenen Werken unvergänglich ruht. Zwar tragen auch diese den Stempel der Zeit. Der römische Mann selbst stellte seinem jugendlichen griechischen Vorgänger nicht bloß ebenbürtig, sondern überlegen sich an die Seite; aber die Welt war inzwischen alt geworden und ihr Jugendschimmer verblaßt. Caesars Tätigkeit ist nicht mehr wie die Alexanders ein freudiges Vorwärtsstreben in die ungemessene Weite; er baute auf und aus Ruinen und war zufrieden, in den einmal angewiesenen weiten, aber begrenzten Räumen möglichst erträglich und möglichst sicher sich einzurichten. Mit Recht hat denn auch der feine Dichtertakt der Völker um den unpoetischen Römer sich nicht bekümmert und dagegen den Sohn des Philippos mit allem Goldglanz der Poesie, mit allen Regenbogenfarben der Sage bekleidet. Aber mit gleichem Recht hat das staatliche Leben der Nationen seit Jahrtausenden wieder und wieder auf die Linien zurückgelenkt, die Caesar gezogen hat, und wenn die Völker, denen die Welt gehört, noch heute mit seinem Namen die höchsten ihrer Monarchen nennen, so liegt darin eine tiefsinnige, leider auch eine beschämende Mahnung.
Wenn es gelingen sollte, aus den alten in jeder Hinsicht heillosen Zuständen herauszukommen und das Gemeinwesen zu verjüngen, so mußte vor allen Dingen das Land tatsächlich beruhigt und der Boden von den Trümmern, die von der letzten Katastrophe her überall ihn bedeckten, gesäubert werden. Caesar ging dabei aus von dem Grundsatz der Versöhnung der bisherigen Parteien oder, richtiger gesagt – denn von wirklicher Ausgleichung kann bei unversöhnlichen Gegensätzen nicht gesprochen werden –, von dem Grundsatz, daß der Kampfplatz, auf dem die Nobilität und die Popularen bisher miteinander gestritten hatten, von beiden Teilen aufzugeben sei und beide auf dem Boden der neuen monarchischen Verfassung sich zusammenzufinden hätten. Vor allen Dingen also galt aller ältere Hader der republikanischen Vergangenheit als abgetan für immer und ewig. Während Caesar die auf die Nachricht von der Pharsalischen Schlacht von dem hauptstädtischen Pöbel umgestürzten Bildsäulen Sullas wiederaufzurichten befahl und also es anerkannte, daß über diesen großen Mann einzig der Geschichte Gericht zu halten gebühre, hob er zugleich die letzten noch nachwirkenden Folgen seiner Ausnahmegesetze auf, rief die noch von den cinnanischen und sertorianischen Wirren her Verbannten aus dem Exil zurück und gab den Kindern der von Sulla Geächteten die verlorene passive Wahlfähigkeit wieder. Ebenso wurden alle diejenigen restituiert, die in dem vorbereitenden Stadium der letzten Katastrophe durch Zensorenspruch oder politischen Prozeß, namentlich durch die auf Grund der Exzeptionalgesetze von 702 (52) erhobenen Anklagen, ihren Sitz im Senat oder ihre bürgerliche Existenz eingebüßt hatten. Nur blieben, wie billig, diejenigen, die Geächtete für Geld getötet hatten, auch ferner bescholten und ward der verwegenste Condottiere der Senatspartei, Milo, von der allgemeinen Begnadigung ausgeschlossen.
Weit schwieriger als die Ordnung dieser im wesentlichen bereits der Vergangenheit anheimgefallenen Fragen war die Behandlung der im Augenblick sich gegenüberstehenden Parteien: teils des eigenen demokratischen Anhangs Caesars, teils der gestürzten Aristokratie. Daß jener mit Caesars Verfahren nach dem Sieg und mit seiner Aufforderung, den alten Parteistandpunkt aufzugeben, womöglich noch minder einverstanden war als diese, versteht sich von selbst. Caesar selbst wollte wohl im ganzen dasselbe, was Gaius Gracchus im Sinne getragen hatte; allein die Absichten der Caesarianer waren nicht mehr die der Gracchaner. Die römische Popularpartei war in immer steigender Progression aus der Reform in die Revolution, aus der Revolution in die Anarchie, aus der Anarchie in den Krieg gegen das Eigentum gedrängt worden; sie feierte unter sich das Andenken der Schreckensherrschaft und schmückte, wie einst der Gracchen, so jetzt des Catilina Grab mit Blumen und Kränzen; sie hatte unter Caesars Fahne sich gestellt, weil sie von ihm das erwartete, was Catilina ihr nicht hatte verschaffen können. Als nun aber sehr bald sich herausstellte, daß Caesar nichts weniger sein wollte als der Testamentsvollstrecker Catilinas, daß die Verschuldeten von ihm höchstens Zahlungserleichterungen und Prozeßmilderungen zu hoffen hatten, da ward die erbitterte Frage laut, für wen denn die Volkspartei gesiegt habe, wenn nicht für das Volk? und fing das vornehme und niedere Gesindel dieser Art vor lauter Ärger über die fehlgeschlagenen politisch-ökonomischen Saturnalien erst an, mit den Pompeianern zu liebäugeln, dann sogar während Caesars fast zweijähriger Abwesenheit von Italien (Januar 706 48 bis Herbst 707 47) daselbst einen Bürgerkrieg im Bürgerkriege anzuzetteln. Der Prätor Marcus Caelius Rufus, ein guter Adliger und schlechter Schuldenbezahler, von einigem Talent und vieler Bildung, als ein heftiger und redefertiger Mann bisher im Senat und auf dem Markte einer der eifrigsten Vorkämpfer für Caesar, brachte, ohne höheren Auftrag, bei dem Volke ein Gesetz ein, das den Schuldnern ein sechsjähriges zinsfreies Moratorium gewährte, sodann, da man ihm hierbei in den Weg trat, ein zweites, das gar alle Forderungen aus Darlehen und laufenden Hausmieten kassiert; worauf der Caesarische Senat ihn seines Amtes entsetzte. Es war eben die Zeit vor der Pharsalischen Schlacht, und die Waagschale in dem großen Kampfe schien sich auf die Seite der Pompeianer zu neigen; Rufus trat mit dem alten senatorischen Bandenführer Milo in Verbindung und beide stifteten eine Konterrevolution an, die teils die republikanische Verfassung, teils Kassation der Forderungen und Freierklärung der Sklaven auf ihr Panier schrieb. Milo verließ seinen Verbannungsort Massalia und rief in der Gegend von Thurii die Pompeianer und die Hirtensklaven unter die Waffen; Rufus machte Anstalt, sich durch bewaffnete Sklaven der Stadt Capua zu bemächtigen. Allein der letztere Plan ward vor der Ausführung entdeckt und durch die capuanische Bürgerwehr vereitelt; Quintus Pedius, der mit einer Legion in das thurinische Gebiet einrückte, zerstreute die daselbst hausende Bande; und der Fall der beiden Führer machte dem Skandal ein Ende (706 48). Dennoch fand sich das Jahr darauf (707 47) ein zweiter Tor, der Volkstribun Publius Dolabella, der, gleich verschuldet, aber ungleich weniger begabt als sein Vorgänger, dessen Gesetz über die Forderungen und Hausmieten abermals einbrachte und mit seinem Kollegen Lucius Trebellius darüber noch einmal – es war das letzte Mal – den Demagogenkrieg begann; es gab arge Händel zwischen den, beiderseitigen bewaffneten Banden und vielfachen Straßenlärm, bis der Kommandant von Italien, Marcus Antonius, das Militär einschreiten ließ und bald darauf Caesars Rückkehr aus dem Osten dem tollen Treiben vollständig ein Ziel setzte. Caesar legte diesen hirnlosen Versuchen, die Catilinarischen Projekte wieder aufzuwärmen, so wenig Gewicht bei, daß er selbst den Dolabella in Italien duldete, ja nach einiger Zeit ihn sogar wieder zu Gnaden annahm. Gegen solches Gesindel, dem es nicht um irgend welche politische Frage, sondern einzig um den Krieg gegen das Eigentum zu, tun ist, genügt, wie gegen die Räuberbanden, das bloße Dasein einer starken Regierung; und Caesar war zu groß und zu besonnen, um mit der Angst, die die italischen Trembleurs vor diesen damaligen Kommunisten empfanden, Geschäfte zu machen und damit seiner Monarchie eine falsche Popularität zu erschwindeln.
Wenn Caesar also die gewesene demokratische Partei ihrem schon bis an die äußerste Grenze vorgeschrittenen Zersetzungsprozeß überlassen konnte und überließ, so hatte er dagegen gegenüber der bei weitem lebenskräftigeren ehemaligen aristokratischen Partei durch die gehörige Verbindung des Niederdrückens und des Entgegenkommens die Auflösung nicht herbeizuführen – dies vermochte nur die Zeit – sondern sie vorzubereiten und einzuleiten. Es war das wenigste, daß Caesar, schon aus natürlichem Anstandsgefühl, es vermied, die gestürzte Partei durch leeren Hohn zu erbittern, über die besiegten Mitbürger nicht triumphierteAuch der Triumph nach der später zu erzählenden Schlacht bei Munda galt wohl nur den zahlreich in dem besiegten Heer dienenden Lusitanern., des Pompeius oft und immer mit Achtung gedachte und sein vom Volke umgestürztes Standbild am Rathaus bei der Herstellung des Gebäudes an dem früheren ausgezeichneten Platze wiederum errichten ließ. Der politischen Verfolgung nach dem Siege steckte Caesar die möglichst engen Grenzen. Es fand keine Untersuchung statt über die vielfachen Verbindungen, die die Verfassungspartei auch mit nominellen Caesarianern gehabt hatte; Caesar warf die in den feindlichen Hauptquartieren von Pharsalos und Thapsus vorgefundenen Papierstöße ungelesen ins Feuer und verschonte sich und das Land mit politischen Prozessen gegen des Hochverrats verdächtige Individuen. Ferner gingen straffrei aus alle gemeinen Soldaten, die ihren römischen oder provinzialen Offizieren in den Kampf gegen Caesar gefolgt waren. Eine Ausnahme ward nur gemacht mit denjenigen römischen Bürgern, die in dem Heere des numidischen Königs Juba Dienste genommen hatten; ihnen wurde zur Strafe des Landesverrates das Vermögen eingezogen. Auch den Offizieren der besiegten Partei hatte Caesar bis zum Ausgang des spanischen Feldzugs 705 (49) uneingeschränkte Begnadigung gewährt; allein er überzeugte sich, daß er hiermit zu weit gegangen und daß die Beseitigung wenigstens der Häupter unvermeidlich sei. Die Regel, die er von jetzt an zur Richtschnur nahm, war, daß wer nach der Kapitulation von Ilerda im feindlichen Heere als Offizier gedient oder im Gegensenat gesessen hatte, wenn er das Ende des Kampfes erlebte, sein Vermögen und seine politischen Rechte verlor und für Lebenszeit aus Italien verbannt ward, wenn er das Ende des Kampfes nicht erlebte, wenigstens sein Vermögen an den Staat fiel, wer aber von diesen früher von Caesar Gnade angenommen hatte und abermals in den feindlichen Reihen betroffen ward, damit das Leben verwirkt hatte. In der Ausführung indes wurden diese Sätze wesentlich gemildert. Todesurteile wurden nur gegen die wenigsten unter den zahlreichen Rückfälligen wirklich vollstreckt. Bei der Konfiskation des Vermögens der Gefallenen wurden nicht nur die auf den einzelnen Massen haftenden Schulden sowie die Mitgiftforderungen der Witwen wie billig ausgezahlt, sondern auch den Kindern der Toten ein Teil des väterlichen Vermögens gelassen. Von denjenigen endlich, die jenen Regeln zufolge Verbannung und Vermögenskonfiskation traf, wurden nicht wenige sogleich ganz begnadigt oder kamen, wie die zu Mitgliedern des Senats von Utica gepreßten afrikanischen Großhändler, mit Geldbußen davon. Aber auch den übrigen ward fast ohne Ausnahme Freiheit und Vermögen zurückgegeben, wenn sie nur es über sich gewannen, deshalb bittend bei Caesar einzukommen; manchem, der dessen sich weigerte, wie zum Beispiel dem Konsular Marcus Marcellus, ward die Begnadigung auch ungebeten oktroyiert und endlich im Jahre 710 (44) für alle noch nicht Zurückberufenen eine allgemeine Amnestie erlassen.
Die republikanische Opposition ließ sich denn begnadigen; aber sie war nicht versöhnt. Unzufriedenheit mit der neuen Ordnung der Dinge und Erbitterung gegen den ungewohnten Herrscher waren allgemein. Zu offenem politischen Widerstand gab es freilich keine Gelegenheit mehr – es kam kaum in Betracht, daß einige oppositionelle Tribune bei Gelegenheit der Titelfrage durch demonstratives Einschreiten gegen die, welche Caesar König genannt hatten, sich die republikanische Märtyrerkrone erwarben; aber um so entschiedener äußerte der Republikanismus sich als Gesinnungsopposition und im geheimen Treiben und Wühlen. Keine Hand regte sich, wenn der Imperator öffentlich erschien. Es regnete Maueranschläge und Spottverse voll bitterer und treffender Volkssatire gegen die neue Monarchie. Wo ein Schauspieler eine republikanische Anspielung wagte, begrüßte ihn der lauteste Beifall. Catos Lob und Preis war das Modethema der oppositionellen Broschürenschreiber, und die Schriften derselben fanden nur ein um so dankbareres Publikum, weil auch die Literatur nicht mehr frei war. Caesar bekämpfte zwar auch jetzt noch die Republikaner auf dem eigenen Gebiet; er selbst und seine fähigeren Vertrauten antworteten auf die Catoliteratur mit Anticatonen, und es ward zwischen den republikanischen und den Caesarischen Skribenten um den toten Mann von Utica gestritten wie zwischen Troern und Hellenen um die Leiche des Patroklos; allein es verstand sich von selbst, daß in diesem Kampfe, in dem das durchaus republikanisch gestimmte Publikum Richter war, die Caesarianer den kürzeren zogen. Es blieb nichts übrig, als die Schriftsteller zu terrorisieren; weshalb denn unter den Verbannten die literarisch bekannten und gefährlichen Männer, wie Publius Nigidius Figulus und Aulus Caecina, schwerer als andere die Erlaubnis zur Rückkehr nach Italien erhielten, die in Italien geduldeten oppositionellen Schriftsteller aber einer tatsächlichen Zensur unterworfen wurden, die um so peinlicher fesselte, weil das Maß der zu befürchtenden Strafe durchaus arbiträr warWer alte und neue Schriftstellerbedrängnisse zu vergleichen wünscht, wird in dem Briefe des Caecina (Cic. ad fam. 6, 7) Gelegenheit dazu finden.. Das Wühlen und Treiben der gestürzten Parteien gegen die neue Monarchie wird zweckmäßiger in einem andern Zusammenhang dargestellt werden; hier genügt es zu sagen, daß Prätendenten- wie republikanische Aufstände unaufhörlich im ganzen Umfange des Römischen Reiches gärten, daß die Flamme des Bürgerkrieges, bald von den Pompeianern, bald von den Republikanern angefacht, an verschiedenen Orten hell wieder emporschlug und in der Hauptstadt die Verschwörung gegen das Leben des Herrschers in Permanenz blieb, Caesar aber durch die Anschläge sich nicht einmal bewegen ließ, auf die Dauer sich mit einer Leibwache zu umgeben und in der Regel sich begnügte, die entdeckten Konspirationen durch öffentliche Anschläge bekannt zu machen. Wie sehr Caesar alle seine persönliche Sicherheit angehenden Dinge mit gleichgültiger Verwegenheit zu behandeln pflegte, die ernste Gefahr konnte er doch sich unmöglich verhehlen, mit der diese Masse Mißvergnügter nicht bloß ihn, sondern auch seine Schöpfungen bedrohte. Wenn er dennoch, alles Warnens und Hetzens seiner Freunde nicht achtend, ohne über die Unversöhnlichkeit auch der begnadigten Gegner sich zu täuschen, mit einer wunderbar kaltblütigen Energie dabei beharrte, der bei weitem größeren Anzahl derselben zu verzeihen, so war dies weder ritterliche Hochherzigkeit einer stolzen, noch Gefühlsmilde einer weichen Natur, sondern es war die richtige staatsmännische Erwägung, daß überwundene Parteien rascher und mit minderem Schaden für den Staat innerhalb des Staats sich absorbieren, als wenn man sie durch Ächtung auszurotten oder durch Verbannung aus dem Gemeinwesen auszuscheiden versucht. Caesar konnte für seine hohen Zwecke die Verfassungspartei selbst nicht entbehren, die ja nicht etwa bloß die Aristokratie, sondern alle Elemente des Freiheits- und des Nationalsinns innerhalb der italischen Bürgerschaft in sich schloß; für seine Pläne zur Verjüngung des alternden Staats bedurfte er der ganzen Masse von Talenten, Bildung, ererbtem und selbsterworbenem Ansehen, die diese Partei in sich schloß; und wohl in diesem Sinne mag er die Begnadigung der Gegner den schönsten Lohn des Siegs genannt haben. So wurden denn zwar die hervorragendsten Spitzen der geschlagenen Parteien beseitigt; aber den Männern zweiten und dritten Ranges und namentlich der jüngeren Generation ward die volle Begnadigung nicht vorenthalten, jedoch ihnen auch nicht gestattet, in passiver Opposition zu schmollen, sondern dieselben durch mehr oder minder gelinden Zwang veranlaßt, sich an der neuen Verwaltung tätig zu beteiligen und Ehren und Ämter von ihr anzunehmen. Wie für Heinrich IV. und Wilhelm von Oranien so begannen auch für Caesar die größten Schwierigkeiten erst nach dem Siege. Jeder revolutionäre Sieger macht die Erfahrung, daß, wenn er nach Überwältigung der Gegner nicht, wie Cinna und Sulla, Parteihaupt bleibt, sondern wie Caesar, wie Heinrich IV. und Wilhelm von Oranien, an die Stelle des notwendig einseitigen Parteiprogramms die Wohlfahrt des Gemeinwesens setzen will, augenblicklich alle Parteien, die eigene wie die besiegt, sich gegen das neue Oberhaupt vereinigen; und um so mehr, je größer und reiner dasselbe seinen neuen Beruf auffaßt. Die Verfassungsfreunde und die Pompeianer, wenn sie auch mit den Lippen Caesar huldigten, grollten doch im Herzen entweder der Monarchie oder wenigstens der Dynastie; die gesunkene Demokratie war, seit sie begriffen, daß Caesars Zwecke keineswegs die ihrigen waren, gegen denselben in offenem Aufruhr; selbst die persönlichen Anhänger Caesars murrten, als sie ihr Haupt statt eines Condottierstaats eine allen gliche und gerechte Monarchie gründen und die auf sie treffenden Gewinnportionen durch das Hinzutreten der Besiegten sich verringern sahen. Diese Ordnung des Gemeinwesens war keiner Partei genehm und mußte den Genossen nicht minder als den Gegnern oktroyiert werden. Caesars eigene Stellung war jetzt in gewissem Sinne gefährdeter als vor dem Siege; aber was er verlor, gewann der Staat. Indem er die Parteien vernichtete und die Parteimänner nicht bloß schonte, sondern jeden Mann von Talent oder auch nur von guter Herkunft, ohne Rücksicht auf seine politische Vergangenheit, zu Ämtern gelangen ließ, gewann er nicht bloß für seinen großen Bau alle im Staate vorhandene Arbeitskraft, sondern das freiwillige oder gezwungene Schaffen der Männer aller Parteien an demselben Werke führte auch unmerklich die Nation hinüber auf den neubereiteten Boden. Wenn diese Ausgleichung der Parteien für den Augenklick nur äußerlicher Art war und dieselben sich für jetzt viel weniger in der Anhänglichkeit an die neuen Zustände begegneten als in dem Hasse gegen Caesar, so irrte dies ihn nicht; er wußte es wohl, daß die Gegensätze doch in solcher äußerlichen Vereinigung sich abstumpfen und daß nur auf diesem Wege der Staatsmann der Zeit vorarbeitet, welche freilich allein vermag, solchen Hader schließlich zu sühnen, indem sie das alte Geschlecht ins Grab legt. Noch weniger fragte er, wer ihn haßte oder auf Mord gegen ihn sann. Wie jeder echte Staatsmann diente er dem Volke nicht um Lohn, auch nicht um den Lohn seiner Liebe, sondern gab die Gunst der Zeitgenossen hin für den Segen der Zukunft und vor allem für die Erlaubnis, seien Nation retten und verjüngen zu dürfen.
Versuchen wir im einzelnen Rechenschaft zu geben von der Überführung der alten Zustände in die neue Bahn, so ist zunächst daran zu erinnern, daß Caesar nicht kam um anzufangen, sondern um zu vollenden. Der Plan zu einer zeitgemäßen Politik, längst von Gaius Gracchus entworfen, war von seinen Anhängern und Nachfolgern wohl mit mehr oder minder Geist und Glück, aber ohne Schwanken festgehalten worden. Caesar, von Haus aus und gleichsam schon nach Erbrecht das Haupt der Popularpartei, hatte seit dreißig Jahren deren Schild hoch emporgehalten, ohne je die Farbe zu wechseln oder auch nur zu decken; er blieb Demokrat auch als Monarch. Wie er die Erbschaft seiner Partei, abgesehen natürlich von den catilinarischen und clodischen Verkehrtheiten, unbeschränkt antrat, der Aristokratie und den echten Aristokraten den bittersten, selbst persönlichen Haß zollte und die wesentlichen Gedanken der römischen Demokratie: die Milderung der Lage der Schuldner, die überseeische Kolonisation, die allmähliche Nivellierung der unter den Klassen der Staatsangehörigen bestehenden Rechtsverschiedenheiten, die Emanzipierung der exekutiven Gewalt vom Senat, unverändert festhielt, so war auch seine Monarchie so wenig mit der Demokratie im Widerspruch, daß vielmehr diese erst durch jene zur Vollendung und Erfüllung gelangte. Denn diese Monarchie war nicht die orientalische Despotie von Gottes Gnaden, sondern die Monarchie, wie Gaius Gracchus sie gründen wollte, wie Perikles und Cromwell sie gründeten: die Vertretung der Nation durch ihren höchsten und unumschränkten Vertrauensmann. Es waren insofern die Gedanken, die dem Werke Caesars zu Grunde lagen, nicht eigentlich neue; aber ihm gehört ihre Verwirklichung, die zuletzt überall die Hauptsache bleibt, und ihm die Großheit der Ausführung, die selbst den genialen Entwerfer, wenn er sie hätte schauen können, überrascht haben möchte und die jeden, dem sie in lebendiger Wirklichkeit oder im Spiegel der Geschichte entgegengetreten ist, welcher geschichtlichen Epoche und welcher politischen Farbe immer er angehöre, je nach dem Maß seiner Fassungskraft für menschliche und geschichtliche Größe mit tiefer und tieferer Bewegung und Bewunderung ergriffen hat und ewig ergreifen wird.
Wohl aber wird es gerade hier am Orte sein, das, was der Geschichtschreiber stillschweigend überall voraussetzt, einmal ausdrücklich zu fordern und Einspruch zu tun gegen die der Einfalt und der Perfidie gemeinschaftliche Sitte, geschichtliches Lob und geschichtlichen Tadel, von den gegebenen Verhältnissen abgelöst, als allgemein gültige Phrase zu verbrauchen, in diesem Falle das Urteil über Caesar in ein Urteil über den sogenannten Caesarismus umzudeuten. Freilich soll die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte die Lehrmeisterin des laufenden sein; aber nicht in dem gemeinen Sinne, als könne man die Konjunkturen der Gegenwart in den Berichten über die Vergangenheit nur einfach wiederaufblättern und aus denselben der politischen Diagnose und Rezeptierkunst die Symptome und Spezifika zusammenlesen; sondern sie ist lehrhaft einzig insofern, als die Beobachtung der älteren Kulturen die organischen Bedingungen der Zivilisation überhaupt, die überall gleichen Grundkräfte und die überall verschiedene Zusammensetzung derselben offenbart und statt zum gedankenlosen Nachahmen vielmehr zum selbständigen Nachschöpfen anleitet und begeistert. In diesem Sinne ist die Geschichte Caesars und des römischen Caesarentums, bei aller unübertroffenen Großheit des Werkmeisters, bei aller geschichtlichen Notwendigkeit des Werkes, wahrlich eine schärfere Kritik der modernen Autokratie, als eines Menschen Hand sie zu schreiben vermag. Nach dem gleichen Naturgesetz, weshalb der geringste Organismus unendlich mehr ist als die kunstvollste Maschine, ist auch jede noch so mangelhafte Verfassung, die der freien Selbstbestimmung einer Mehrzahl von Bürgern Spielraum läßt, unendlich mehr als der genialste und humanste Absolutismus; denn jene ist der Entwicklung fähig, also lebendig, dieser ist was er ist, also tot. Dieses Naturgesetz hat auch an der römischen absoluten Militärmonarchie sich bewährt und nur um so vollständiger sich bewährt, als sie, unter dem genialen Impuls ihres Schöpfers und bei der Abwesenheit aller wesentlichen Verwicklungen mit dem Ausland, sich reiner und freier als irgendein ähnlicher Staat gestaltet hat. Von Caesar an hielt, wie die späteren Bücher dies darlegen werden und Gibbon längst es dargelegt hat, das römische Wesen nur noch äußerlich zusammen und ward nur mechanisch erweitert, während es innerlich eben mit ihm völlig vertrocknete und abstarb. Wenn in den Anfängen der Autokratie und vor allem in Caesars eigener Seele noch der hoffnungsreiche Traum einer Vereinigung freier Volksentwicklung und absoluter Herrschaft waltet, so hat schon das Regiment der hochbegabten Kaiser des Julianischen Geschlechts in schrecklicher Weise gelehrt, inwiefern es möglich ist, Feuer und Wasser in dasselbe Gefäß zu fassen. Caesars Werk war notwendig und heilsam, nicht weil es an sich Segen brachte oder auch nur bringen konnte, sondern weil, bei der antiken, auf Sklavenrum gebauten, von der republikanisch-konstitutionellen Vertretung völlig abgewandten Volksorganisation und gegenüber der legitimen, in der Entwicklung eines halben Jahrtausends zum oligarchischen Absolutismus herangereiften Stadtverfassung, die absolute Militärmonarchie der logisch notwendige Schlußstein und das geringste Übel war. Wenn einmal in Virginien und den Carolinas die Sklavenhalteraristokratie es so weit gebracht haben wird wie ihre Wahlverwandten in dem sullanischen Rom, so wird dort auch der Caesarismus vor dem Geist der Geschichte legitimiert seinAls dies geschrieben wurde, im Jahre 1857, konnte man noch nicht wissen, wie bald durch den gewaltigsten Kampf und den herrlichsten Sieg, den die Geschichte des Menschengeschlechts bisher verzeichnet hat, demselben diese furchtbare Probe erspart und dessen Zukunft der unbedingten, durch keinen fokalen Cäsarismus auf dir Dauer zu hemmenden sich selbst beherrschenden Freiheit gesichert werden sollte.; wo er unter andern Entwicklungsverhältnissen auftritt, ist er zugleich eine Fratze und eine Usurpation. Die Geschichte aber wird sich nicht bescheiden, dem rechten Caesar deshalb die Ehre zu verkürzen, weil ein solcher Wahlspruch den schlechten Caesaren gegenüber die Einfalt irren und der Bosheit zu Lug und Trug Gelegenheit geben kann. Sie ist auch eine Bibel, und wenn sie so wenig wie diese, weder dem Toren es wehren kann sie mißzuverstehen, noch dem Teufel sie zu zitieren, so wird auch sie imstande sein, beides zu ertragen wie zu vergiften.
Die Stellung des neuen Staatsoberhaupts erscheint formell, zunächst wenigstens, als Diktatur. Caesar übernahm dieselbe zuerst nach der Rückkehr aus Spanien im Jahre 705 (49), legte sie aber nach wenigen Tagen wieder nieder und führte den entscheidenden Feldzug des Jahres 706 (48) lediglich als Konsul – es war dies das Amt, über dessen Bekleidung zunächst der Bürgerkrieg ausgebrochen war. Aber im Herbst dieses Jahres, nach der Pharsalischen Schlacht, kam er wieder auf die Diktatur zurück und ließ sich dieselbe abermals übertragen, zuerst auf unbestimmte Zeit, jedoch vom 1. Januar 709 (45) an als Jahresamt, alsdann im Januar oder Februar 710Am 26. Januar 710 (44) heißt Caesar noch dictator IIII (Triumphaltafel); am 25. Februar des Jahres war er bereits dictator perpetuus (Cic. Phil. 2, 34, 87). Vgl. Römisches Staatsrecht, Bd. 2, 3. Aufl. S. 726. (44) auf die Dauer seines Lebens, so daß er die früher vorbehaltene Niederlegung des Amtes schließlich ausdrücklich fallen ließ und der Lebenslänglichkeit des Amtes in dem neuen Titel dictator perpetuus formellen Ausdruck gab. Diese Diktatur, sowohl jene erste ephemere wie die zweite dauernde, ist nicht die der alten Verfassung, sondern das nur in dem Namen mit dieser zusammentreffende höchste Ausnahmeamt nach der Ordnung Sullas; ein Amt, dessen Kompetenz nicht durch die verfassungsmäßigen Ordnungen über das höchste Einzelamt, sondern durch besonderen Volksschluß festgestellt ward und zwar dahin, daß der Inhaber in dem Auftrag, Gesetze zu entwerfen und das Gemeinwesen zu ordnen, eine rechtlich unumschränkte, die republikanische Teilung der Gewalten aufhebende Amtsbefugnis empfing. Es sind nur Anwendungen von dieser allgemeinen Befugnis auf den einzelnen Fall, wenn dem Machthaber das Recht ohne Befragen des Senats und des Volkes über Krieg und Frieden zu entscheiden, die selbständige Verfügung über Heere und Kassen, die Ernennung der Provinzialstatthalter nach durch besondere Akte übertragen wurden. Selbst solche Befugnisse, welche außerhalb der magistratischen, ja außerhalb der Kompetenz der Staatsgewalten überhaupt lagen, konnte Caesar hiernach von Rechts wegen sich beilegen; und es erscheint fast als eine Konzession seinerseits, daß er darauf verzichtete, die Magistrate anstatt der Komitien zu ernennen, und sich darauf beschränkte, für einen Teil der Prätoren und der niederen Magistrate ein bindendes Vorschlagsrecht in Anspruch zu nehmen; daß er sich ferner zu der nach dem Herkommen überhaupt nicht statthaften Kreierung von Patriziern noch durch besonderen Volksschluß ermächtigen ließ.
Für andere Ämter im eigentlichen Sinn bleibt neben dieser Diktatur kein Raum. Die Zensur als solche hat Caesar nicht übernommenDie Formulierung jener Diktatur scheint die "Sittenbesserung" ausdrücklich mithervorgehoben zu haben; aber ein eigenes Amt derart hat Caesar nicht bekleidet (Römisches Staatsrecht, Bd. 2, 3. Aufl., S. 705)., wohl aber die zensorischen Rechte, namentlich das wichtige der Senatorenernennung in umfassender Weise geübt.
Das Konsulat hat er häufig neben der Diktatur, einmal auch ohne Kollegen bekleidet, aber keineswegs dauernd an seine Person geknüpft und den Aufforderungen, dasselbe auf fünf oder gar auf zehn Jahre nacheinander zu übernehmen, keine Folge gegeben.
Die Oberaufsicht über den Kult brauchte Caesar nicht erst sich übertragen zu lassen, da er bereits Oberpontifex war. Es versteht sich, daß auch die Mitgliedschaft des Augurnkollegiums ihm zuteil ward und überhaupt alte und neue Ehrenrechte in Fülle, wie der Titel eines Vaters des Vaterlandes, die Benennung seines Geburtsmonats mit dem Namen, den er nach heute führt, des Julius, und andere, zuletzt in platte Vergötterung sich verlaufende Manifestationen des beginnenden Hoftons. Hervorgehoben zu werden verdienen nur zwei Einrichtungen: daß Caesar den Tribunen des Volkes namentlich in ihrer besonderen persönlichen Unverletzlichkeit gleichgestellt und daß die Imperatorenbenennung dauernd an seine Person geknüpft und neben den sonstigen Amtsbezeichnungen von ihm als Titel geführt wardCaesar führt die Bezeichnung Imperator immer ohne Iterationsziffer und immer hinter dem Namen an erster Stelle (Römisches Staatsrecht, Bd. 2, 3. Aufl., S. 767, A. 1)..
Für den Verständigen wird es weder dafür eines Beweises bedürfen, daß Caesar beabsichtigte, die höchste Gewalt dem Gemeinwesen einzufügen, und zwar nicht nur auf einige Jahre oder auch als persönliches Amt auf unbestimmte Zeit, etwa wie Sullas Regentschaft, sondern als wesentliches und bleibendes Organ, noch auch dafür, daß er für die neue Institution eine entsprechende und einfache Bezeichnung ausersah; denn wenn es ein politischer Fehler ist, inhaltlose Namen zu schaffen, so ist es kaum ein geringerer, den Inhalt der Machtfülle ohne Namen hinzustellen. Nur ist es freilich, teils weil in dieser Übergangszeit die ephemeren und die bleibenden Bauten sich noch nicht klar voneinander sondern, teils weil die dem Winke bereits zuvorkommende Devotion der Klienten den Herrn mit einer ohne Zweifel ihm selbst widerwärtigen Fülle von Vertrauensdekreten und Ehrengesetzen überschüttete, nicht leicht festzustellen, welche definitive Formulierung Caesar im Sinne gehabt hat. Am wenigsten konnte die neue Monarchie an das Konsulat anknüpfen, schon wegen der von diesem Amt nicht wohl zu trennenden Kollegialität, es hat auch Caesar offenbar darauf hingearbeitet, dieses bisher höchste Amt zum leeren Titel herabzusetzen und späterhin, wenn er es übernahm, dasselbe nicht das ganze Jahr hindurch geführt, sondern vor dem Ablauf an Personen zweiten Ranges abgegeben. Die Diktatur tritt praktisch am häufigsten und bestimmtesten hervor, aber wahrscheinlich nur, weil Caesar sie als das benutzen wollte, was sie von alters her im Verfassungsorganismus bedeutet hatte, als außerordentliche Vorstandschaft zur Überwindung außerordentlicher Krisen. Als Trägerin der neuen Monarchie dagegen empfahl sie sich wenig, da Exzeptionalität und Unpopularität diesem Amte einmal anhafteten und es dem Vertreter der Demokratie kaum zugetraut werden kann, diejenige Form, die der genialste Vorfechter der Gegenpartei für seine Zwecke geschaffen hatte, für die dauernde Organisation zu wählen. Bei weitem geeigneter für die Formulierung der Monarchie erscheint der neue Imperatorenname, schon darum, weil er in dieser VerwendungIn republikanischer Zeit wird der Imperatorname, der den siegreichen Feldherrn bezeichnet, abgelegt mit dem Ende des Feldzugs; als dauernde Titulatur erscheint er bei Caesar zuerst. neu ist und kein bestimmter äußerer Anlaß zur Einführung desselben erhellt. Der neue Wein durfte nicht in alte Schläuche gefüllt werden: hier ist zu der neuen Sache der neue Name und in demselben in prägnantester Weise zusammengefaßt, was schon in dem Gabinischen Gesetz, nur mit minderer Schärfe, die demokratische Partei als Kompetenz ihres Oberhauptes formuliert hatte: die Konzentrierung und Perpetuierung der Amtsgewalt ( imperium) in der Hand eines vom Senat unabhängigen Volkshauptes. Auch begegnet auf Caesars Münzen, namentlich auf denen der letzten Zeit, neben der Diktatur vorwiegend der Imperatorentitel und scheint in Caesars Gesetz über politische Verbrechen der Monarch mit diesem Ausdruck bezeichnet worden zu sein. Es hat denn auch die Folgezeit, wenngleich nicht unmittelbar, die Monarchie an den Imperatornamen geknüpft. Um diesem neuen Amt zugleich die demokratische und die religiöse Weihe zu verleihen, beabsichtigte Caesar wahrscheinlich, mit demselben teils die tribunizische Gewalt, teils das Oberpontifikat ein für allemal zu verknüpfen.
Daß die neue Organisation nicht bloß auf die Lebenszeit ihres Stifters beschränkt bleiben sollte, ist unzweifelhaft; aber derselbe ist nicht dazu gelangt, die vor allem schwierige Frage der Nachfolge zu erledigen, und es muß dahingestellt bleiben, ob er die Aufstellung irgendeiner Form für die Nachfolgerwahl im Sinn gehabt hat, wie sie bei dem ursprünglichen Königtum bestanden hatte, oder ob er für das höchste Amt wie die Lebenslänglichkeit, so auch die Erblichkeit hat einführen wollen, wie dies sein Adoptivsohn späterhin behauptet hatDaß bei Caesars Lebzeiten das Imperium sowohl wie das Oberpontifikat für seine agnatische – leibliche oder durch Adoption vermittelte – Deszendenz durch einen förmlichen legislatorischen Akt erblich gemacht worden ist, hat Caesar der Sohn als seinen Rechtstitel zur Herrschaft geltend gemacht. Nach der Beschaffenheit unserer Überlieferung muß die Existenz eines derartigen Gesetzes oder Senatsbeschlusses entschieden in Abrede gestellt werden; es bleibt aber wohl möglich, daß Caesar die Erlassung eines solchen beabsichtigt hat. Vgl. Römisches Staatsrecht, Bd. 2, 3. Aufl., S. 767, 1106.. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß er die Absicht gehabt hat, beide Systeme gewissermaßen miteinander zu verbinden und die Nachfolge, ähnlich wie Cromwell und wie Napoleon, in der Weise zu ordnen, daß dem Herrscher der Sohn in der Herrschaft nachfolgt, wenn er aber keinen Sohn hat oder der Sohn ihm nicht zur Nachfolge geeignet scheint, der Herrscher in der Form der Adoption den Nachfolger nach freier Wahl ernennt.
Staatsrechtlich lehnte das neue Imperatorenamt sich an an die Stellung, welche die Konsuln oder Prokonsuln außerhalb der Bannmeile einnahmen, so daß zunächst das militärische Kommando, daneben aber auch die höchste richterliche und folgeweise auch die administrative Gewalt darin enthalten warDie verbreitete Meinung, die in dem kaiserlichen Imperatorenamt nichts als die lebenslängliche Reichsfeldherrnwürde sieht, wird weder durch die Bedeutung des Wortes noch durch die Auffassung der alten Berichterstatter gerechtfertigt. Imperium ist die Befehlsgewalt, imperator der Inhaber derselben; in diesen Worten wie in den entsprechenden griechischen Ausdrucken κράτωρ, αυτοκράτωρ liegt so wenig eine spezifisch militärische Beziehung, daß es vielmehr eben das Charakteristische der römischen Amtsgewalt ist, wo sie rein und vollständig auftritt, Krieg und Prozeß, das ist die militärische und die bürgerliche Befehlsgewalt, als ein untrennbares Ganze in sich zu enthalten. Ganz richtig sagt Dio Cassius (53, 17, vgl. 43, 44; 52, 41), daß der Name Imperator von den Kaisern angenommen ward "zur Anzeige ihrer Vollgewalt anstatt des Königs- und Diktaturtitels (πρός δήλωσιν τής αυτοτελούς σφών εξουσίας, αντί τής τού βασιλέως τού τε δικτάτωρος επικλήσεως); denn diese älteren Titel sind dem Namen nach verschwunden, der Sache nach aber gibt der Imperatorname dieselben Befugnisse (τό δέ δή έργον αυτών τή τού αυτοκράτωρος προςηγορία βεβαισύνται), zum Beispiel das Recht, Soldaten auszuheben, Steuern; auszuschreiben, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, über Bürger und Nichtbürger in und außer der Stadt die höchste Gewalt zu üben und jeden an jedem Orte am Leben oder sonst zu strafen., überhaupt der mit dem höchsten Imperium in ältester Zeit verbundenen Befugnisse sich anzumaßen". Deutlicher kann es wohl nicht gesagt werden, daß imperator eben gar nichts ist als ein Synonym für rex, so gut wie imperare mit regere zusammenfällt.. Insofern aber war die Gewalt des Imperators qualitativ der konsularisch-prokonsularischen überlegen, als jene nicht nach Zeit und Raum begrenzt, sondern lebenslänglich und auch in der Hauptstadt wirksam warAls Augustus bei Konstituierung des Prinzipats das Caesarische Imperium wiederaufnahm, geschah dies mit der Beschränkung, daß es räumlich und in gewissem Sinn auch zeitlich begrenzt sein solle; die prokonsularische Gewalt der Kaiser, welche nichts ist als ebendies Imperium, sollte für Rom und Italien nicht zur Anwendung kommen (Römisches Staatsrecht, Bd. 2, 3, Aufl., S. 854j. Auf diesem Moment ruht der wesentliche Unterschied des Caesarischen Imperiums und des Augustfischen Prinzipats, sowie andererseits auf der schon prinzipiell und mehr noch praktisch unvollständigen Verwirklichung jener Schranke die reale Gleichheit beider Institutionen., als der Imperator nicht, wohl aber der Konsul, durch gleich mächtige Kollegen gehemmt werden konnte und als alle im Laufe der Zeit der ursprünglicher. höchsten Amtsgewalt gesetzten Beschränkungen, namentlich die Verpflichtung der Provokation stattzugeben und die Ratschläge des Senats zu beachten, für den Imperator wegfielen. Um es mit einem Worte zu sagen: dies neue Imperatorenamt war nichts anderes als das wiederhergestellte uralte Königtum; denn ebenjene Beschränkungen in der zeitlichen und örtlichen Begrenzung der Gewalt, in der Kollegialität und der für gewisse Fälle notwendigen Mitwirkung des Rats oder der Gemeinde waren es ja, die den Konsul vom König unterschieden. Es ist kaum ein Zug der neuen Monarchie, der nicht in der alten sich wiederfände: die Vereinigung der höchsten militärischen, richterlichen und administrativen Gewalt in der Hand des Fürsten; eine religiöse Vorstandschaft über das Gemeinwesen; das Recht, Verordnungen mit bindender Kraft zu erlassen; die Herabdrückung des Senats zum Staatsrat; die Wiedererweckung des Patriziats und der Stadtpräfektur. Aber schlagender noch als diese Analogien ist die innere Gleichartigkeit der Monarchie des Servius Tullius und der Monarchie Caesars: wenn jene alten Könige vor. Rom bei all ihrer Vollgewalt doch Herrn einer freien Gemeinde und eben sie die Schutzmänner des gemeinen Mannes gegen den Adel gewesen waren, so war auch Caesar nicht gekommen, um die Freiheit aufzulösen, sondern um sie zu erfüllen, und zunächst, um das unerträgliche Joch der Aristokratie zu brechen. Es darf auch nicht befremden, daß Caesar, nichts weniger als ein politischer Antiquarius, ein halbes Jahrtausend zurückgriff, um zu seinem neuen Staat das Muster zu finden; denn da das höchste Amt des römischen Gemeinwesens zu allen Zeiten ein durch eine Anzahl Spezialgesetze eingeschränktes Königtum geblieben war, war auch der Begriff des Königtums selbst keineswegs verschollen. Zu den verschiedensten Zeiten und von sehr verschiedenen Seiten her, in der Dezemviralgewalt, in der Sullanischen und in seiner eigenen Diktatur, war man während der Republik praktisch auf denselben zurückgekommen; ja mit einer gewissen logischen Notwendigkeit trat überall, wo das Bedürfnis einer Ausnahmegewalt .sich zeigte, im Gegensatz gegen das gewöhnliche beschränkte das unbeschränkte Imperium hervor, welches eben nichts anderes war als die königliche Gewalt. Endlich empfahlen auch äußere Rücksichten dies Zurückgehen auf das ehemalige Königtum. Die Menschheit gelangt zu Neuschöpfungen unsäglich schwer und hegt darum die einmal entwickelten Formen als ein heiliges Erbstück. Darum knüpfte Caesar mit gutem Bedacht an Servius Tullius in ähnlicher Weise an, wie später Karl der Große an ihn angeknüpft hat und Napoleon an Karl den Großen wenigstens anzuknüpfen versuchte. Er tat dies auch nicht etwa auf Umwegen und heimlich, sondern so gut wie seine Nachfahren in möglichst offenkundiger Weise; es war ja eben der Zweck dieser Anknüpfung, eine klare, nationale und populäre Formulierung für den neuen Staat zu finden. Seit alter Zeit standen auf dem Kapitol die Standbilder derjenigen sieben Könige, welche die konventionelle Geschichte Roms aufzuführen pflegte; Caesar befahl, daneben das seinige als das achte zu errichten. Er erschien öffentlich in der Tracht der alten Könige von Alba. In seinem neuen Gesetz über politische Verbrechen war die hauptsächlichste Abweichung von dem Sullanischen die, daß neben die Volksgemeinde und auf eine Linie mit ihr der Imperator als der lebendige und persönliche Ausdruck des Volkes gestellt ward. In der für die politischen Eide üblichen Formel ward zu dem Jovis und den Penaten des römischen Volkes der Genius des Imperator hinzugefügt. Das äußere Kennzeichen der Monarchie war nach der im ganzen Altertum verbreiteten Ansicht das Bild des Monarchen auf den Münzen: seit dem Jahre 710 (44) erscheint auf denen des römischen Staats der Kopf Caesars. Man konnte hiernach wenigstens darüber sich nicht beschweren, daß Caesar das Publikum über die Auffassung seiner Stellung im dunkeln ließ; so bestimmt und so förmlich wie möglich trat er auf, nicht bloß als Monarch, sondern eben als König von Rom. Möglich ist es sogar, obwohl nicht gerade wahrscheinlich und auf jeden Fall von untergeordneter Bedeutung, daß er im Sinne gehabt hat, seine Amtsgewalt nicht mit dem neuen Imperatoren-, sondern geradezu mit dem alten Königsnamen zu bezeichnenÜber diese Frage läßt sich streiten; dagegen muß die Annahme, daß es Caesars Absicht gewesen, die Römer als Imperator, die Nichtrömer als Rex zu beherrschen, einfach verworfen werden. Sie stützt sich einzig auf die Erzählung, daß in der Senatssitzung, in welcher Caesar ermordet ward, von einem der Orakelpriester Lucius Cotta ein Sibyllenspruch, wonach die Parther nur von einem "König" könnten überwunden werden, habe vorgelegt und infolgedessen der Beschluß gefaßt werden sollen, Caesar das Königtum über die römischen Provinzen zu übertragen. Diese Erzählung war allerdings schon unmittelbar nach Caesars Tod in Umlauf. Allein nicht bloß findet sie nirgends irgendwelche auch nur mittelbare Bestätigung, sondern sie wird von dem Zeitgenossen Cicero (div. 2, 54, 119) sogar ausdrücklich für falsch erklärt und von den späteren Geschichtschreibern, namentlich von Sueton (79) und Dio (44, 15) nur als ein Gerücht berichtet, das sie weit entfernt sind, verbürgen zu wollen; und sie wird denn auch dadurch nicht besser beglaubigt, daß Plutarch (Caes. 60, 64; Brut. 10) und Appian (civ. 2, 110) ihrer Gewohnheit gemäß jener anekdotenhaft, dieser pragmatisierend, sie wiederholen. Es ist diese Erzählung aber nicht bloß unbezeugt, sondern auch innerlich unmöglich. Wenn man auch davon absehen will, daß Caesar zu viel Geist und zu viel politischen Takt hatte, um nach Oligarchenart wichtige Staatsfragen durch einen Schlag mit der Orakelmaschine zu entscheiden, so konnte er doch nimmermehr daran denken, den Staat, den er nivellieren wollte, also förmlich und rechtlich zu spalten.. Schon bei seinen Lebzeiten waren viele seiner Feinde wie seine Freunde der Ansicht, daß er beabsichtige, sich ausdrücklich zum König von Rom ernennen zu lassen; ja einzelne seiner leidenschaftlichsten Anhänger legten ihm die Aufsetzung der Krone auf verschiedenen Wegen und zu verschiedenen Zeiten nahe; am auffallendsten Marcus Antonius, indem er als Konsul vor allem Volke Caesar das Diadem darbot (15. Februar 710 44). Caesar aber wies diese Anträge ohne Ausnahme von der Hand. Wenn er zugleich gegen diejenigen einschritt, die diese Vorfälle benutzten, um republikanische Opposition zu machen, so folgt daraus noch keineswegs, daß es ihm mit der Zurückweisung nicht Ernst war. Die Annahme nun gar, daß diese Aufforderungen auf sein Geheiß erfolgt seien, um die Menge auf das ungewohnte Schauspiel des römischen Diadems vorzubereiten, verkennt völlig die gewaltige Macht der Gesinnungsopposition, mit welcher Caesar zu rechnen hatte und die durch eine solche öffentliche Anerkennung ihrer Berechtigung von Seiten Caesars selbst nicht nachgiebiger werden konnte, vielmehr notwendig dadurch weiteren Boden gewann. Es kann der unberufene Eifer leidenschaftlicher Anhänger allein diese Auftritte veranlaßt haben; es kann auch sein, daß Caesar die Szene mit Antonius nur zuließ oder auch veranstaltete, um durch die vor den Augen der Bürgerschaft erfolgte und auf seinen Befehl selbst in die Kalender des Staats eingetragene, in der Tat nicht wohl wieder zurückzunehmende Ablehnung des Königstitels dem unbequemen Klatsch auf möglichst eklatante Weise ein Ende zu machen. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß Caesar, der den Wert einer geläufigen Formulierung ebenso würdigte wie die mehr an die Namen als an das Wesen der Dinge sich heftenden Antipathien der Menge, entschlossen war, den mit uraltem Bannfluch behafteten und den Römern seiner Zeit mehr noch für die Despoten des Orients als für ihren Numa und Servius geläufigen Königsnamen zu vermeiden und das Wesen des Königtums unter dem Imperatorentitel sich anzueignen.
Indes wie auch die definitive Titulatur gedacht gewesen sein mag, der Herr war da, und sogleich richtete denn auch der Hof in obligatem Pomp und obligater Geschmacklosigkeit und Leerheft sich ein. Caesar erschien öffentlich statt in dem mit Purpurstreifen verbrämten Gewande der Konsuln in dem ganzpurpurnen, das im Altertum als das Königskleid galt, und empfing, auf seinem Goldsessel sitzend, ohne sich von demselben zu erheben, den feierlichen Zug des Senats. Die Geburtstags-, Sieges- und Gelübdefeste zu seinen Ehren füllten den Kalender. Wenn Caesar nach der Hauptstadt kam, zogen die vornehmsten seiner Diener scharenweise auf weite Strecken ihm entgegen ihn einzuholen. Ihm nahe zu sein fing an so viel zu bedeuten, daß die Mietpreise in dem von ihm bewohnten Stadtviertel in die Höhe gingen. Durch die Menge der zur Audienz sich drängenden Personen ward die persönliche Verhandlung mit ihm so erschwert, daß Caesar sogar mit seinen Vertrauten vielfach schriftlich zu verkehren sich genötigt sah und daß auch die Vornehmsten stundenlang im Vorzimmer zu warten hatten. Man empfand es, deutlicher als es Caesar selber lieb war, daß man nicht mehr zu einem Mitbürger kam. Es entstand ein monarchischer Adel, welcher in merkwürdiger Weise zugleich neu und alt war und aus dem Gedanken entsprang, den Adel der Oligarchie durch den des Königtums, die Nobilität durch das Patriziat in Schatten zu stellen. Noch immer bestand die Patrizierschaft, wenngleich ohne wesentliche ständische Vorrechte, doch als geschlossene Junkergilde fort; aber da sie keine neuen Geschlechter aufnehmen konnte, war sie im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr zusammengestorben: nicht mehr als fünfzehn bis sechzehn Patriziergeschlechter waren zu Caesars Zeit noch vorhanden. Indem Caesar, selber einem derselben entsprossen, das Recht, neue patrizische Geschlechter zu kreieren, durch Volksbeschluß dem Imperator erteilen ließ, gründete er, im Gegensatz zu der republikanischen Nobilität, den neuen Adel des Patriziats, der alle Erfordernisse eines monarchischen Adels: altersgrauen Zauber, vollständige Abhängigkeit von der Regierung und gänzliche Bedeutungslosigkeit auf das glücklichste vereinigte. Nach allen Seiten hin offenbarte sich das neue Herrenrum.
Unter einem also tatsächlich unumschränkten Monarchen konnte kaum von einer Verfassung die Rede sein, geschweige denn von denn Fortbestand des bisherigen, auf dem gesetzlichen Zusammenwirken der Bürgerschaft, des Senats und der einzelner. Beamten beruhenden Gemeinwesens. Mit voller Bestimmtheit ging Caesar zurück auf die Überlieferung der Königszeit: die Bürgerschaftsversammlung blieb, was sie schon in der Königszeit gewesen war, neben und mit dem König der höchste und letzte Ausdruck des souveränen Volkswillens; der Senat ward wieder auf seine ursprüngliche Bestimmung zurückgeführt, dem Herrn auf dessen Verlangen Rat zu erteilen; der Herrscher endlich konzentrierte in seiner Person aufs neue die gesamte Beamtengewalt, so daß es einen anderen selbständigen Staatsbeamten neben ihm so wenig gab wie neben den Königen der ältesten Zeit.
Für die Gesetzgebung hielt der demokratische Monarch fest an dem uralten Satz des römischen Staatsrechts, daß nur die Volksgemeinde in Gemeinschaft mit dem sie berufenden König vermögend sei, das Gemeinwesen organisch zu regulieren, und sanktionierte seine konstitutiven Verfügungen regelmäßig durch Volksschluß. Die freie Kraft und die sittlich-staatliche Autorität, die das Ja oder Nein jener alten Wehrmannschaften in sich getragen hatte, ließ sich freilich den sogenannten Komitien dieser Zeit nicht wiedereinflößen; die Mitwirkung der Bürgerschaft bei der Gesetzgebung, die in der alten Verfassung höchst beschränkt, aber wirklich und lebendig gewesen war, war in der neuen in praktischer Hinsicht ein wesenloser Schatten. Besonderer beschränkender Maßregeln gegen die Komitien bedurfte es darum auch nicht; eine vieljährige Erfahrung hatte gezeigt, daß mit diesem formellen Souverän jede Regierung, die Oligarchie wie der Monarch, bequem auskam. Nur insofern, als diese Caesarischen Komitien dazu dienten, die Volkssouveränität prinzipiell festzuhalten und energisch gegen den Sultanismus zu protestieren, waren sie ein wichtiges Moment in dem Caesarischen System und mittelbar von praktischer Bedeutung.
Daneben aber wurde, wie nicht bloß an sich klar, sondern auch bestimmt bezeugt ist, schon von Caesar selbst und nicht erst von seinen Nachfolgern auch der andere Satz des ältesten Staatsrechts wieder aufgenommen, daß, was der höchste oder vielmehr einzige Beamte befiehlt, unbedingt Gültigkeit hat, solange er im Amte bleibt, und die Gesetzgebung zwar nur dem König und der Bürgerschaft gemeinschaftlich zukommt, die königliche Verordnung aber, wenigstens bis zum Abgang ihres Urhebers, dem Gesetz gleichsteht.
Wenn der Demokratenkönig also der Volksgemeinde wenigstens einen formellen Anteil an der Souveränität zugestand, so war es dagegen keineswegs seine Absicht, mit der bisherigen Regierung, dem Senatorenkollegium, die Gewalt zu teilen. Caesars Senat sollte – ganz anders als der spätere Augusteische – nichts sein als ein höchster Reichsrat, den er benutzte, um die Gesetze mit ihm vorzuberaten und die wichtigeren administrativer. Verfügungen durch ihn oder wenigstens unter seinem Namen zu erlassen, denn es kam freilich auch vor, daß Senatsbeschlüsse ergingen, von denen selbst von den als bei der Redaktion gegenwärtig aufgeführten Senatoren keiner eine Ahnung hatte. Es hatte keine wesentlichen Formschwierigkeiten, den Senat wieder auf seine ursprüngliche beratende Stellung zurückzuführen, aus der er mehr tatsächlich als rechtlich herausgetreten war; dagegen war es hier notwendig, sich vor praktischem Widerstand zu schützen, da der römische Senat ebenso der Herd der Opposition gegen Caesar war wie der attische Areopag derjenige gegen Perikles. Hauptsächlich aus diesem Grunde wurde die Zahl der Senatoren, die bisher höchstens sechshundert im Normalbestand betragen hatte und durch die letzten Krisen stark zusammengeschwunden war, durch außerordentliche Ergänzung bis auf neunhundert gebracht und zugleich, um sie mindestens auf dieser Höhe zu halten, die Zahl der jährlich zu ernennenden Quästoren, das heißt der jährlich in den Senat eintretenden Mitglieder, von zwanzig auf vierzig erhöhtNach der früher angenommenen Wahrscheinlichkeitsrechnung würde dies eine durchschnittliche Gesamtzahl von 1000-1200 Senatoren ergeben.. Die außerordentliche Ergänzung des Senats nahm der Monarch allein vor. Bei der ordentlichen sicherte er einen dauernden Einfluß sich dadurch, daß die Wahlkollegien durch GesetzDasselbe bezog sich allerdings nur auf die Wahlen für das Jahr 711 (43) und 712 (42) (Römisches Staatsrecht, Bd. 2, 3. Aufl., S. 730); aber gewiß sollte die Einrichtung bleibend werden. verpflichtet wurden, den ersten zwanzig vom Monarchen mit Empfehlungsschreiben versehenen Bewerbern um die Quästur ihre Stimmen zu geben; überdies stand es der Krone frei, die an die Quästur oder ein derselben übergeordnetes Amt geknüpften Ehrenrechte, also namentlich den Sitz im Senat, ausnahmsweise auch an nichtqualifizierte Individuen zu vergeben. Die außerordentlichen Ergänzungswahlen fielen natürlich wesentlich auf Anhänger der neuen Ordnung der Dinge und brachten neben angesehenen Rittern auch manche zweifelhafte und plebejische Individuen in die hohe Korporation: ehemalige, durch den Zensor oder infolge eines Richterspruchs von der Liste gestrichene Senatoren, Ausländer aus Spanien und Gallien, welche zum Teil erst im Senat ihr Lateinisch zu lernen hatten, gewesene Unteroffiziere, die bisher nicht einmal den Ritterring gehabt, Söhne von freigelassenen Leuten oder von solchen, die unehrenhafte Gewerbe betrieben, und dergleichen Elemente mehr. Die exklusiven Kreise der Nobilität, denen diese Umgestaltung des senatorischen Personals natürlich zum bittersten Ärger gereichte, sahen darin eine absichtliche Herabwürdigung der Institution des Senats selbst. Einer solchen sich selber vernichtenden Staatskunst war Caesar nicht fähig; er war ebenso entschlossen, sich nicht von seinem Rat regieren zu lassen, als überzeugt von der Notwendigkeit des Instituts an sich. Richtiger hätten sie in diesem Verfahren die Absicht des Monarchen erkannt, dem Senat seinen bisherigen Charakter der ausschließlichen Repräsentation des oligarchischen Adels zu nehmen und ihn wieder zu dem zu machen, was er in der Königszeit gewesen war: zu einem alle Klassen der Staatsangehörigen durch ihre intelligentesten Elemente vertretenden und auch den niedrig geborenen und selbst den fremden Mann nicht mit Notwendigkeit ausschließenden Reichsrat – gerade wie jene ältesten Könige Nichtbürger, zog Caesar Nichtitaliker in seinen Senat.
Wenn hiermit das Regiment der Nobilität beseitigt und ihre Existenz untergraben, der Senat in seiner neuen Gestalt aber nichts als ein Werkzeug des Monarchen war, so wurde zugleich in der Verwaltung und Regierung des Staats die Autokratie in der schärfsten Weise durchgeführt und die gesamte Exekutive in der Hand des Monarchen vereinigt. Vor allen Dingen entschied natürlich in jeder irgend wesentlichen Frage der Imperator in eigener Person. Caesar hat es vermocht, das persönliche Regiment in einer Ausdehnung durchzuführen, die für uns geringe Menschen kaum faßlich ist und die doch nicht allein aus der beispiellosen Raschheit und Sicherheit seines Arbeitens sich erklärt, sondern außerdem noch begründet ist in einer allgemeineren Ursache. Wenn wir Caesar, Sulla, Gaius Gracchus, überhaupt die römischen Staatsmänner durchweg eine unsere Vorstellungen von menschlicher Arbeitskraft übersteigende Tätigkeit entwickeln sehen, so liegt die Ursache nicht in der seit jener Zeit veränderten Menschennatur, sondern in der seit jener Zeit veränderten Organisation des Hauswesens. Das römische Haus war eine Maschine, in der dem Herrn auch die geistigen Kräfte seiner Sklaven und Freigelassenen zuwuchsen; ein Herr, der diese zu regieren verstand, arbeitete gleichsam mit unzähligen Geistern. Es war das Ideal bürokratischer Zentralisation, dem unser Kontorwesen zwar mit Eifer nachstrebt, aber doch hinter dem Urbild ebenso weit zurückbleibt wie die heutige Kapitalherrschaft hinter dem antiken Sklavensystem. Caesar verstand diesen Vorteil zu nutzen: wo ein Posten besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt, sehen wir grundsätzlich, soweit irgend andere Rücksichten es gestatten, ihn denselben mit seinen Sklaven, Freigelassenen, niedrig geborenen Klienten besetzen. Seine Werke im ganzen zeigen, was ein organisierendes Genie wie das seinige mit einem solchen Werkzeug auszurichten vermochte; auf die Frage, wie im einzelnen diese wunderbaren Leistungen durchgeführt wurden, haben wir keine hinreichende Antwort – die Bürokratie gleicht der Fabrik auch darin, daß das geschaffene Werk nicht als das des einzelnen erscheint, der es gearbeitet hat, sondern als das der Fabrik, die es stempelt. Nur das ist vollkommen klar, daß Caesar durchaus keinen Gehilfen bei seinem Werke gehabt hat, der von persönlichem Einfluß auf dasselbe oder auch nur in den ganzen Plan eingeweiht gewesen wäre; er war nicht nur allein Meister, sondern er arbeitete auch ohne Gesellen, nur mit Handlangern.
Im einzelnen versteht sich von selbst, daß in den eigentlich politischen Angelegenheiten Caesar soweit irgend möglich jede Stellvertretung vermied. Wo sie unumgänglich war, wie denn Caesar namentlich während seiner häufigen Abwesenheit von Rom eines höheren Organs daselbst durchaus bedurfte, wurde in bezeichnender Weise hierzu nicht der legale Stellvertreter des Monarchen, der Stadtpräfekt, bestimmt, sondern ein Vertrauensmann ohne offiziell anerkannte Kompetenz, gewöhnlich Caesars Bankier, der kluge und geschmeidige phönikische Kaufmann Lucius Cornelius Balbus aus Gades. In der Verwaltung war Caesar vor allem darauf bedacht, die Schlüssel der Staatskasse, die der Senat nach dem Sturze des Königtums sich zugeeignet und mittels deren er sich des Regiments bemächtigt hatte, wiederum an sich zu nehmen und sie nur solchen Dienern anzuvertrauen, die mit ihrem Kopfe unbedingt und ausschließlich ihm hafteten. Zwar dem Eigentum nach blieb das Privatvermögen des Monarchen von dem Staatsgut natürlich streng geschieden; aber die Verwaltung des ganzen Finanz- und Geldwesens des Staates nahm Caesar in die Hand und führte sie durchaus in der Art, wie er, und überhaupt die römischen Großen, die Verwaltung ihres eigenen Vermögens zu führen pflegten. Für die Zukunft wurden die Erhebung der Provinzialgefälle und in der Hauptsache auch die Leitung des Münzwesens den Sklaven und Freigelassenen des Imperators übertragen und die Männer senatorischen Standes davon ausgeschlossen – ein folgenreicher Schritt, aus dem im Laufe der Zeit der so wichtige Prokuratorenstand und das "kaiserliche Haus" sich entwickelt haben. Dagegen von den Statthalterschaften, die, nachdem sie ihre finanziellen Geschäfte an die neuen kaiserlichen Steuereinnehmer abgegeben, mehr noch als bisher wesentlich Militärkommandos waren, ging nur das ägyptische Kommando an die eigenen Leute des Monarchen über. Die in eigentümlicher Art geographisch isolierte und politisch zentralisierte Landschaft am Nil war, wie schon die während der letzten Krise mehrfach vorgekommenen Versuche bedrängter italischer Parteichefs, daselbst sich festzusetzen, hinreichend bewiesen, wie kein anderer Distrikt geeignet, unter einem fähigen Führer auf die Dauer sich von der Zentralgewalt loszumachen. Wahrscheinlich war es eben diese Rücksicht, die Caesar bestimmte, das Land nicht förmlich zur Provinz zu erklären, sondern die ungefährlichen Lagiden daselbst zu belassen; und sicher wurden aus diesem Grunde die in Ägypten stationierenden Legionen nicht einem dem Senat, das heißt der ehemaligen Regierung angehörigen Manne anvertraut, sondern dieses Kommando, ähnlich wie die Steuereinnehmerstellen, als ein Gesindeposten behandelt. Im allgemeinen aber überwog bei Caesar die Rücksicht, die Soldaten Roms nicht, wie die der Könige des Ostens, durch Lakaien kommandieren zu lassen. Es blieb Regel, die bedeutenderen Statthalterschaften mit gewesenen Konsuln, die geringeren mit gewesenen Prätoren zu besetzen; anstatt des fünfjährigen Zwischenraums, den das Gesetz von 702 (52) vorgeschrieben, knüpfte wahrscheinlich wieder in alter Weise der Anfang der Statthalterschaft unmittelbar an das Ende der städtischen Amtstätigkeit an. Dagegen die Verteilung der Provinzen unter die qualifizierten Kandidaten, die bisher bald durch Volks- oder Senatsbeschluß, bald durch Vereinbarung der Beamten oder durch das Los erfolgt war, ging über an den Monarchen; und indem die Konsuln häufig veranlaßt wurden, vor Ende des Jahres abzudanken und nachgewählten Konsuln (consules suffecti) Platz zu machen, ferner die Zahl der jährlich ernannten Prätoren von acht auf sechzehn erhöht und dem Imperator die Ernennung der Hälfte derselben in ähnlicher Art wie die der Hälfte der Quästoren übertragen ward, endlich demselben das Recht reserviert blieb, zwar nicht Titularkonsuln, aber doch Titularprätoren wie Titularquästoren zu ernennen, sicherte Caesar sich für die Besetzung der Statthalterschaften eine hinreichende Zahl ihm genehmer Kandidaten. Die Abberufung blieb natürlich dem Ermessen des Regenten anheimgestellt, ebenso wie die Ernennung; als Regel wurde angenommen, daß der konsularische Statthalter nicht über zwei, der prätorische nicht über ein Jahr in der Provinz bleiben solle. Was endlich die Verwaltung der Haupt- und Residenzstadt anlangt, so beabsichtigte der Imperator eine Zeitlang offenbar, auch diese in ähnlicher Weise von ihm ernannten Beamten anzuvertrauen. Er rief die alte Stadtverweserschaft der Königszeit wieder ins Leben; zu verschiedenen Malen übertrug er während seiner Abwesenheit die Verwaltung der Hauptstadt einem oder mehreren solchen von ihm ohne Befragen des Volkes und auf unbestimmte Zeit ernannten Stellvertretern, welche die Geschäfte der sämtlichen Verwaltungsbeamten in sich vereinigten und sogar das Recht besaßen, mit eigenem Namen, obwohl natürlich nicht mit eigenem Bilde, Münze zu schlagen. In dem Jahre 707 (47) und in den ersten neun Monaten des Jahres 709 (45) gab es ferner weder Prätoren noch kurulische Ädilen noch Quästoren; auch die Konsuln wurden in jenem Jahre erst gegen das Ende ernannt, und in diesem war gar Caesar Konsul ohne Kollegen. Es sieht dies ganz aus wie ein Versuch, die alte königliche Gewalt auch innerhalb der Stadt Rom, bis auf die durch die demokratische Vergangenheit des neuen Monarchen gebotenen Beschränkungen, vollständig zu erneuern, also von Beamten, außer dem König selbst, nur den Stadtpräfekten während des Königs Abwesenheit und die zum Schutz der Volksfreiheit bestellten Tribunen und Volksädilen bestehen zu lassen, aber das Konsulat, die Zensur, die Prätur, die kurulische Ädilität und die Quästur wiederabzuschaffenDaher denn auch die vorsichtigen Wendungen bei Erwähnung dieser Ämter in Caesars Gesetzen: cum censor aliusve quis magistratus Romae populi censum aget (Lex Iul. munic., Z. 144); praetor isve quei Romae iure deicundo praerit (Lex Rubr. oft); quaestor urbanes queive aerario praerit (Lex Iul. munic., Z. 37 u. ö.).. Indes ging Caesar hiervon später wieder ab: weder nahm er selbst den Königstitel an, noch tilgte er jene ehrwürdigen, mit der glorreichen Geschichte der Republik verwachsenen Namen. Den Konsuln, Prätoren, Ädilen, Tribunen und Quästoren blieb im wesentlichen ihre bisherige formelle Kompetenz, allein ihre Stellung ward dennoch gänzlich umgewandelt. Es war der politische Grundgedanke der Republik, daß das Römische Reich in der Stadt Rom aufgehe, und deshalb waren konsequent die hauptstädtischen Munizipal- durchaus als Reichsbeamte behandelt worden. In Caesars Monarchie fiel mit jener Auffassung auch diese Folge weg; die Beamten Roms bildeten fortan nur die erste unter den vielen Reichsmunizipalitäten, und namentlich das Konsulat ward ein reiner Titularposten, der nur durch die daran geknüpfte Expektanz einer höheren Statthalterschaft eine gewisse praktische Bedeutung bewahrte. Das Schicksal, das die römische Gemeinde den unterworfenen zu bereiten gewohnt gewesen, widerfuhr durch Caesar ihr selber: ihre Souveränität über das Römische Reich verwandelte sich in eine beschränkte Kommunalfreiheit innerhalb des römischen Staates. Daß zugleich die Zahl der Prätoren und Quästoren verdoppelt ward, wurde schon erwähnt; das gleiche geschah hinsichtlich der Volksädilen, zu denen zwei neue "Getreideädilen" (aediles Ceriales) zur Überwachung der hauptstädtischen Zufuhr hinzukamen. Die Besetzung dieser Ämter blieb der Gemeinde und ward hinsichtlich der Konsuln, vielleicht auch der Volkstribune und der Volksädilen, nicht beschränkt; daß für die Hälfte der jährlich zu ernennenden Prätoren, kurulischen Ädilen und Quästoren der Imperator ein die Wähler bindendes Vorschlagsrecht erhielt, ward in der Hauptsache schon erwähnt. Überhaupt wurden die altheiligen Palladien der Volksfreiheit nicht angetastet; was natürlich nicht hinderte, gegen den einzelnen aufsätzigen Volkstribun ernstlich einzuschreiten, ja ihn abzusetzen und von der Liste der Senatoren zu streichen. Indem also der Imperator für die allgemeineren und wichtigeren Fragen sein eigener Minister war; indem er die Finanzen durch seine Bedienten, das Heer durch seine Adjutanten beherrschte; indem die alten republikanischen Staatsämter wieder in Gemeindeämter der Stadt Rom umgewandelt waren, war die Autokratie hinreichend begründet.
In der geistlichen Hierarchie dagegen hat Caesar, obwohl er auch über diesen Teil des Staatshaushalts ein ausführliches Gesetz erließ, nichts Wesentliches geneuert, außer daß er das Oberpontifikat und vielleicht die Mitgliedschaft der höheren Priesterkollegien überhaupt mit der Person des Regenten verknüpfte; womit es teilweise zusammenhängt, daß in den drei höchsten Kollegien je eine, in dem vierten der Schmausherren drei neue Stellen geschaffen wurden. Hatte die römische Staatskirche bisher der herrschenden Oligarchie zur Stütze gedient, so konnte sie ebendenselben Dienst auch der neuen Monarchie leisten. Die konservative Religionspolitik des Senats ging über auf die neuen Könige von Rom; als der streng konservative Varro um diese Zeit seine 'Altertümer der göttlichen Dinge', das Haupt- und Grundbuch der römischen Staatstheologie, bekannt machte, durfte er dieselben dem Oberpontifex Caesar zueignen. Der matte Glanz, den der Joviskult noch zu geben vermochte, umfloß den neugegründeten Thron, und der alte Landesglaube ward in seinen letzten Stadien das Werkzeug eines freilich von Haus aus hohlen und schwächlichen Caesaropapismus.
Im Gerichtswesen ward zunächst die alte königliche Gerichtsbarkeit wiederhergestellt. Wie der König ursprünglich in Kriminal- und Zivilsachen Richter gewesen war, ohne in jenen an die Gnadeninstanz des Volkes, in diesen an die Überweisung der Entscheidung der streitigen Frage an Geschworene rechtlich gebunden zu sein: so nahm auch Caesar das Recht in Anspruch, Blutgerichte wie Privatprozesse zu alleiniger und endgültiger Entscheidung an sich zu ziehen und sie im Falle seiner Anwesenheit selbst, im Fall seiner Abwesenheit durch den Stadtverweser zu erledigen. In der Tat finden wir ihn, ganz nach der Weise der alten Könige, teils öffentlich auf dem Markte der Hauptstadt zu Gericht sitzen über des Hochverrats angeklagte römische Bürger, teils in seinem Hause Gericht halten über die des gleichen Vergehens beschuldigten Klientelfürsten; so daß das Vorrecht, das die römischen Bürger vor den übrigen Untertanen des Königs voraus hatten, allein in der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung bestanden zu haben scheint. Indes dieses wiedererweckte königliche Oberrichtertum konnte, wenngleich Caesar mit Unparteilichkeit und Sorgfalt sich demselben unterzog, doch der Natur der Sache nach tatsächlich nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. Für den gewöhnlichen Rechtsgang in Kriminal- und Zivilsachen blieb daneben die bisherige republikanische Rechtspflege im wesentlichen bestehen. Die Kriminalsachen fanden nach wie vor ihre Erledigung vor den verschiedener, für die einzelnen Verbrechen kompetenten Geschworenenkommissionen, die Zivilsachen teils vor dem Erbschafts- oder dem sogenannten "Hundertmännergericht", teils vor den Einzelgeschworenen; die Leitung der Gerichte ward, wie bisher, in der Hauptstadt hauptsächlich von den Prätoren, in den Provinzen von den Statthaltern beschafft. Auch die politischen Verbrechen blieben selbst unter der Monarchie einer Geschworenenkommission überwiesen; die neue Ordnung, die Caesar für dieselbe erließ, spezifizierte die gesetzlich strafbaren Handlungen genau und in liberaler, jede Gesinnungsverfolgung ausschließender Weise und setzte als Strafe nicht den Tod fest, sondern die Verbannung. Hinsichtlich der Auswahl der Geschworenen, die die Senatorenpartei ausschließlich aus dem Senat, die strengen Gracchaner ausschließlich aus dem Ritterstand erkoren wissen wollten, ließ Caesar, getreu dem Grundsatz der Versöhnung der Parteien, es bei dem Transaktionsgesetze Cottas, jedoch mit der wahrscheinlich schon durch das Gesetz des Pompeius vom Jahre 699 (55) vorbereiteten Modifikation, daß die aus den unteren Schichten des Volkes hervorgegangenen Ärartribunen beseitigt, damit also ein Geschworenenzensus von mindestens 400000 Sesterzen (30000 Taler) festgesetzt ward, und Senatoren und Ritter in die Geschworenenfunktionen, die so lange der Zankapfel zwischen ihnen gewesen waren, jetzt sich teilten.
Das Verhältnis der königlichen und der republikanischen Gerichtsbarkeit war im ganzen konkurrierender Art, so daß jede Sache sowohl vor dem Königsgericht als vor dem beikommenden republikanischen Gerichtshof anhängig gemacht werden konnte, wobei im Kollisionsfall natürlich der letztere zurückstand; wenn dagegen das eine oder das andere Gericht den Spruch gefällt hatte, die Sache damit endgültig erledigt war.
Zur Umstoßung eines in einer Zivil- oder in einer Kriminalsache von den berufenen Geschworenen gefällten Verdikts war auch der neue Herrscher nicht befugt, ausgenommen wo besondere Momente, zum Beispiel Bestechung oder Gewalt, schon nach dem Recht der Republik die Kassation des Geschworenenspruchs herbeiführten. Dagegen erhielt der Satz, daß wegen eines jeden bloß magistratischen Dekrets der dadurch Beschwerte an den Vorgesetzten des Dezernenten zu appellieren befugt sei, wahrscheinlich schon jetzt die große Ausdehnung, aus der die spätere kaiserliche Appellationsinstanz hervorgegangen ist: es wurden vielleicht sämtliche rechtsprechende Magistrate, mindestens aber die Statthalter der sämtlichen Provinzen insofern als Unterbeamte des Herrschers angesehen, daß von jedem ihrer Dekrete Berufung an denselben eingelegt werden konnte.
Allerdings haben diese Neuerungen, von denen die wichtigste, die Generalisierung der Appellation, nicht einmal unbedingt zu den Besserungen gezählt werden kann, die Schäden, an denen die römische Rechtspflege daniederlag, keineswegs ausgeheilt. Der Kriminalprozeß kann in keinem Sklavenstaat gesund sein, da das Verfahren gegen Sklaven wenn nicht rechtlich, doch tatsächlich in der Hand des Herrn liegt. Der römische Herr ahndete begreiflicherweise das Verbrechen seines Knechts durchgängig nicht als solches, sondern nur insofern es den Sklaven ihm unbrauchbar oder unangenehm machte; die Verbrechersklaven wurden eben nur ausrangiert, etwa wie die stößigen Ochsen, und, wie diese an den Schlächter, so jene in die Fechtbude verkauft. Aber auch der Kriminalprozeß gegen Freie, der von Haus aus politischer Prozeß gewesen und zum guten Teil immer geblieben war, hatte in dem wüsten Treiben der letzten Generationen aus einem ernstlichen Rechtshandel sich umgewandelt in eine mit Gunst, Geld und Gewalt zu schlagende Cliquenschlacht. Die Schuld lag an allen Beteiligten zugleich, an den Beamten, der Jury, den Parteien, sogar dem Zuschauerpublikum; aber die unheilbarsten Wunden schlug dem Rechte das Treiben der Advokaten. Indem die Schmarotzerpflanze der römischen Advokatenberedsamkeit gedieh, wurden alle positiven Rechtsbegriffe zersetzt und der dem Publikum so schwer einleuchtende Unterschied zwischen Meinung und Beweis aus der römischen Kriminalpraxis recht eigentlich ausgetrieben. "Ein recht schlechter Angeklagter", sagt ein vielerfahrener römischer Advokat dieser Zeit, "kann auf jedes beliebige Verbrechen, das er begangen oder nicht begangen hat, angeklagt werden und wird sicher verurteilt." Es sind aus dieser Epoche zahlreiche Plädoyers in Kriminalsachen erhalten; kaum eines ist darunter, das auch nur ernstlich versuchte, das fragliche Verbrechen zu fixieren und den Beweis oder Gegenbeweis zu formulieren"Weit öfter", sagt Cicero in seiner Anweisung zur Redekunst (De orat. 2, 42, 178), zunächst in Beziehung auf den Kriminalprozeß, "bestimmen Abneigung oder Zuneigung oder Parteilichkeit oder Erbitterung oder Schmerz oder Freude oder Hoffnung oder Furcht oder Täuschung oder überhaupt eine Leidenschaft den Wahrspruch der Leute als der Beweis oder die Vorschrift oder eine Rechtsregel oder die Prozeßinstruktion oder die Gesetze." Darauf wird denn die weitere Unterweisung für den angehenden Sachwalter begründet.. Daß der gleichzeitige Zivilprozeß ebenfalls vielfach ungesund war, bedarf kaum der Erwähnung; auch er litt unter den Folgen der in alles sich mengenden Parteipolitik, wie denn zum Beispiel in dem Prozeß des Publius Quinctius (671-673 83-81) die widersprechendsten Entscheidungen fielen, je nachdem Cinna oder Sulla in Rom die Oberhand hatte; und die Anwälte, häufig Nichtjuristen, stifteten auch hier absichtlich und unabsichtlich Verwirrung genug. Aber es lag doch in der Natur der Sache, daß teils die Partei hier nur ausnahmsweise sich einmengte, teils die Advokatenrabulistik nicht so rasch und nicht so tief die Rechtsbegriffe aufzulösen vermochte; wie denn auch die Zivilplädoyers, die wir aus dieser Epoche besitzen, zwar nicht nach unseren strengeren Begriffen gute Advokatenschriften, aber doch weit weniger libellistischen und weit mehr juristischen Inhalts sind als die gleichzeitigen Kriminalreden. Wenn Caesar der Advokatenberedsamkeit den von Pompeius ihr angelegten Maulkorb ließ oder gar ihn noch verschärfte, war damit wenigstens nichts verloren; und viel war gewonnen, wenn besser gewählte und besser beaufsichtigte Beamte und Geschworene ernannt wurden und die handgreifliche Bestechung und Einschüchterung der Gerichte ein Ende nahm. Aber das heilige Rechtsgefühl und die Ehrfurcht vor dem Gesetz, schwer in den Gemütern der Menge zu zerrütten, sind schwerer noch wiederzuerzeugen. Wie auch der Gesetzgeber mannigfaltigen Mißbrauch abstellte, den Grundschaden vermochte er nicht zu heilen; und man durfte zweifeln, ob die Zeit, die alles Heilbare heilt, hier Hilfe bringen werde.
Das römische Heerwesen dieser Zeit war ungefähr in derselben Verfassung wie das karthagische zur Zeit Hannibals. Die regierenden Klassen sendeten nur noch die Offiziere; die Untertanenschaft, Plebejer und Provinzialen, bildeten das Heer. Der Feldherr war von der Zentralregierung finanziell und militärisch fast unabhängig und im Glück wie im Unglück wesentlich auf sich selbst und auf die Hilfsquellen seines Sprengels angewiesen. Bürger- und sogar Nationalsinn waren aus dem Heere verschwunden und als innerliches Band einzig der Korpsgeist übriggeblieben. Die Armee hatte aufgehört ein Werkzeug des Gemeinwesens zu sein; politisch hatte sie einen eigenen Willen nicht, wohl aber vermochte sie den des Werkmeisters sich anzueignen; militärisch sank sie unter den gewöhnlichen elenden Führern zu einer aufgelösten, unbrauchbaren Rotte herab, entwickelte aber auch unter dem rechten Feldherrn sich zu einer dem Bürgerheer unerreichbaren militärischen Vollkommenheit. Der Offiziersstand vor allem war im tiefsten Verfall. Die höheren Stände, Senatoren und Ritter entwöhnten immer mehr sich der Waffen. Wenn man sonst um die Stabsoffizierstellen eifrig geworben hatte, so war jetzt jeder Mann von Ritterrang, welcher dienen mochte, einer Kriegstribunenstelle sicher und schon mußten manche dieser Posten mit Männern niedrigeren Standes besetzt werden; wer aber überhaupt von den Vornehmen noch diente, suchte wenigstens seine Dienstzeit in Sizilien oder einer anderen Provinz abzutun, wo man sicher war, nicht vor den Feind zu kommen. Offiziere von gewöhnlicher Bravour und Brauchbarkeit wurden wie Meerwunder angestaunt; wie denn namentlich mit Pompeius seine Zeitgenossen eine sie in jeder Hinsicht kompromittierende militärische Vergötterung trieben. Zum Ausreißen wie zur Meuterei gab in der Regel der Stab das Signal; trotz der sträflichen Nachsicht der Kommandierenden waren Anträge auf Kassation vornehmer Offiziere alltägliche Vorfälle. Noch besitzen wir das von Caesars eigener Hand nicht ohne Ironie gezeichnete Bild, wie in seinem eigenen Hauptquartier, als es gegen Ariovist gehen sollte, geflucht und geweint und an Testamenten und sogar an Urlaubsgesuchen gearbeitet ward. In der Soldatenschaft war von den besseren Ständen keine Spur mehr zu entdecken. Gesetzlich bestand die allgemeine Wehrpflicht noch, allein die Aushebung erfolgte, wenn es neben der Anwerbung dazu kam, in regelloser Weise; zahlreiche Pflichtige wurden übergangen und die einmal Eingetretenen dreißig Jahre und länger bei den Adlern festgehalten. Die römische Bürgerreiterei vegetierte nur noch als eine Art berittener Nobelgarde, deren salbenduftende Kavaliere und ausgesuchte Luxuspferde einzig bei den hauptstädtischen Festen eine Rolle spielten; das sogenannte Bürgerfußvolk war eine aus den niedrigsten Schichten der Bürgerbevölkerung zusammengeraffte Lanzknechttruppe; die Untertanen stellten die Reiterei und die leichten Truppen ausschließlich und fingen an, auch im Fußvolk immer stärker mitverwendet zu werden. Die Rottenführerstellen in den Legionen, auf denen bei der damaligen Kriegführung die Tüchtigkeit der Abteilungen wesentlich beruhte und zu denen nach der nationalen Kriegsverfassung der Soldat mit der Pike sich empordiente, wurden jetzt nicht bloß regelmäßig nach Gunst vergeben, sondern sogar nicht selten an den Meistbietenden verkauft. Die Zahlung des Soldes erfolgte bei der schlechten Finanzwirtschaft der Regierung und der Feilheit und Betrügerei der großen Majorität der Beamten höchst mangelhaft und unregelmäßig.
Die notwendige Folge hiervon war, daß im gewöhnlichen Laufe der Dinge die römischen Armeen die Provinzen ausraubten, gegen die Offiziere meuterten und vor dem Feinde davonliefen; es kam vor, daß beträchtliche Heere, wie das makedonische des Piso im Jahre 697 (57), ohne eigentliche Niederlage, bloß durch diese Mißwirtschaft vollständig ruiniert wurden. Fähige Führer dagegen, wie Pompeius, Caesar, Gabinius, bildeten wohl aus dem vorhandenen Material tüchtige und schlagfertige, zum Teil musterhafte Armeen; allein es gehörten diese Armeen viel mehr ihrem Heerführer als dem Gemeinwesen. Der noch weit vollständigere Verfall der römischen Marine, die zu allem andern den Römern antipathisch geblieben und nie völlig nationalisiert worden war, bedarf kaum der Erwähnung. Es war eben auch hier nach allen Seiten hin unter dem oligarchischen Regiment ruiniert worden, was überhaupt ruiniert werden konnte.
Caesars Reorganisation des römischen Militärwesens beschränkte sich im wesentlichen darauf, die unter der bisherigen schlaffen und unfähigen Oberleitung gelockerten Zügel der Disziplin wieder straff und fest anzuziehen. Einer radikalen Reform schien ihm das römische Heerwesen entweder nicht bedürftig oder auch nicht fähig; die Elemente der Armee akzeptierte er, ebenwie Hannibal sie akzeptiert hatte. Die Bestimmung seiner Gemeindeordnung, daß, um vor dem dreißigsten Jahre ein Gemeindeamt zu bekleiden oder im Gemeinderat zu sitzen, ein dreijähriger Dienst zu Pferde – das heißt als Offizier – oder ein sechsjähriger zu Fuß erforderlich sei, beweist wohl, daß er die besseren Stände in das Heer zu ziehen wünschte, aber ebenso deutlich auch, daß bei dem immer mehr einreißenden unkriegerischen Geist der Nation er selbst es nicht mehr für möglich hielt, die Bekleidung eines Ehrenamtes an die Überstehung der Dienstzeit unbedingt wie ehedem zu knüpfen. Ebendaraus wird es sich erklären, daß Caesar keinen Versuch gemacht hat, die römische Bürgerreiterei wiederherzustellen. Die Aushebung ward besser geordnet, die Dienstzeit geregelt und abgekürzt; übrigens blieb es dabei, daß die Linieninfanterie vorwiegend aus den niederen Ständen der römischen Bürgerschaft, die Reiterei und die leichte Infanterie aus der Untertanenschaft ausgehoben ward – daß für die Reorganisation der Kriegsflotte nichts geschah, ist auffallend. Eine ohne Zweifel ihrem Urheber selbst bedenkliche Neuerung, zu der die Unzuverlässigkeit der Untertanenreiterei zwang, war es, daß Caesar zuerst von dem altrömischen System abwich, niemals mit Söldnern zu fechten, und in die Reiterei gemietete Ausländer, namentlich Deutsche, einstellte. Eine andere Neuerung war die Einsetzung der Legionsadjutanten (legati legionis). Bis dahin hatten die teils von der Bürgerschaft, teils von dem betreffenden Statthalter ernannten Kriegstribune in der Art die Legionen geführt, daß jeder derselben je sechs vorgesetzt waren und unter diesen das Kommando wechselte; einen Einzelkommandanten der Legion bestellte nur vorübergehend und außerordentlicherweise der Feldherr. In späterer Zeit dagegen erscheinen jene Legionsobersten oder Legionsadjutanten teils als eine bleibende und organische Institution, teils als ernannt nicht mehr von dem Statthalter, dem sie gehorchen, sondern von dem Oberkommando in Rom; beides scheint auf Caesars an das Gabinische Gesetz anknüpfende Einrichtungen zurückzugehen. Der Grund der Einführung dieser wichtigen Zwischenstufe in die militärische Hierarchie wird teils in dem Bedürfnis einer energischen Zentralisierung des Kommandos, teils in dem fühlbaren Mangel an fähigen Oberoffizieren, teils und vor allem in der Absicht zu suchen sein, durch Zuordnung eines oder mehrerer vom Imperator ernannten Obersten dem Statthalter ein Gegengewicht zu geben. Die wesentlichste Veränderung im Heerwesen bestand in der Aufstellung eines bleibenden Kriegshauptes in dem Imperator, welcher anstatt des bisherigen unmilitärischen und in jeder Beziehung unfähigen Regierungskollegiums das gesamte Armeeregiment in seinen Händen vereinigte und dasselbe also aus einer meist bloß nominellen Direktion in ein wirkliches und energisches Oberkommando umschuf. Wir sind nicht gehörig darüber unterrichtet, in welcher Weise dies Oberkommando sich zu den bis dahin in ihren Sprengeln allmächtigen Spezialkommandos stellte. Wahrscheinlich lag dabei im allgemeinen die Analogie des zwischen dem Prätor und dem Konsul oder auch dem Konsul und dem Diktator obwaltenden Verhältnisses zu Grunde, so daß der Statthalter zwar an sich die höchste militärische Gewalt in seinem Sprengel behielt, aber der Imperator in jedem Augenblick dieselbe ihm ab und sie für sich oder seine Beauftragten zu nehmen befugt war und daß, während die Gewalt des Statthalters auf den Sprengel beschränkt war, die des Imperators wieder, wie die königliche und die ältere konsularische, sich über das gesamte Reich erstreckte. Ferner ist höchst wahrscheinlich schon jetzt die Ernennung der Offiziere, sowohl der Kriegstribune als der Centurionen, soweit sie bisher dem Statthalter zugestandenAn die Ernennung eines Teiles der Kriegstribune durch die Bürgerschaft hat Caesar, auch hierin Demokrat, nicht gerührt., ebenso wie die Ernennung der neuen Legionsadjutanten unmittelbar an den Imperator gekommen und ebenso mögen schon jetzt die Anordnung der Aushebungen, die Abschiedserteilung, die wichtigeren Kriminalfälle an das Oberkommando gezogen worden sein. Bei dieser Beschränkung der Kompetenz der Statthalter und bei der regulierten Kontrolle des Imperators war fernerhin nicht leicht, weder eine völlige Verwahrlosung der Armeen noch eine Umwandlung derselben in persönliche Gefolgschaften der einzelnen Offiziere zu befürchten. Indes, so entschieden auch die Verhältnisse zur Militärmonarchie hindrängten und so bestimmt Caesar das Oberkommando ausschließlich für sich nahm, war er dennoch keineswegs gesonnen, seine Gewalt durch und auf das Heer zu begründen. Er hielt zwar eine stehende Armee notwendig für seinen Staat, aber nur, weil derselbe seiner geographischen Lage nach einer umfassenden Grenzregulierung und stehender Grenzbesatzungen bedurfte. Teils in früheren Epochen, teils während des letzten Bürgerkrieges hatte er an Spaniens Befriedigung gearbeitet und in Afrika längs der großen Wüste, im Nordwesten des Reiches an der Rheinlinie feste Stellungen für die Grenzverteidigung eingerichtet. Mit ähnlichen Plänen beschäftigte er sich für die Landschaften am Euphrat und an der Donau. Vor allen Dingen gedachte er gegen die Parther zu ziehen und den Tag von Karrhä zu rächen; er hatte drei Jahre für diesen Krieg bestimmt und war entschlossen, mit diesen gefährlichen Feinden ein für allemal und ebenso vorsichtig wie gründlich abzurechnen. Ebenso hatte er den Plan entworfen, den zu beiden Seiten der Donau gewaltig um sich greifenden Getenkönig Burebistas anzugreifen und auch im Nordosten Italien durch ähnliche Marken zu schützen, wie er sie ihm im Keltenland geschaffen. Dagegen liegen durchaus keine Beweise dafür vor, daß Caesar gleich Alexander einen Siegeslauf in die unendliche Ferne im Sinn hatte; es wird wohl erzählt, daß er von Parthien aus an das Kaspische und von diesem an das Schwarze Meer, sodann an dem Nordufer desselben bis zur Donau zu ziehen, ganz Skythien und Germanien bis an den – nach damaliger Vorstellung vom Mittelmeer nicht allzu fernen – nördlichen Ozean zum Reiche zu bringen und durch Gallien heimzukehren beabsichtigt habe; allein keine irgend glaubwürdige Autorität verbürgt die Existenz dieser fabulosen Projekte. Bei einem Staat, der, wie der römische Caesars, bereits eine schwer zu bewältigende Masse barbarischer Elemente in sich schloß und mit deren Assimilierung noch auf Jahrhunderte hinaus mehr als genug zu tun hatte, wären solche Eroberungen, auch ihre militärische Ausführbarkeit angenommen, doch nichts gewesen als noch weit glänzendere und noch weit schlimmere Fehler als die indische Heerfahrt Alexanders. Sowohl nach Caesars Verfahren in Britannien und Deutschland wie nach dem Verhalten derjenigen, die die Erben seiner politischen Gedanken wurden, ist es in hohem Grade wahrscheinlich, daß Caesar, mit Scipio Aemilianus, die Götter nicht anrief, das Reich zu mehren, sondern es zu erhalten, und daß seine Eroberungspläne sich beschränkten auf eine, freilich nach seinem großartigen Maßstab bemessene, Grenzregulierung, welche die Euphratlinie sichern und anstatt der völlig schwankenden und militärisch nichtigen nordöstlichen Reichsgrenze die Donaulinie feststellen und verteidigungsfähig machen sollte. Indes wenn es nur wahrscheinlich bleibt, daß Caesar nicht in dem Sinne als Welteroberer bezeichnet werden darf wie Alexander und Napoleon, so ist das vollkommen gewiß, daß er seine neue Monarchie nicht zunächst auf die Armee zu stützen, überhaupt nicht die militärische Gewalt über die bürgerliche zu setzen, sondern sie dem bürgerlichen Gemeinwesen ein- und soweit möglich unterzuordnen gedachte. Die unschätzbaren Stützen eines Soldatenstaates, jene alten vielgefeierten gallischen Legionen, wurden eben wegen ihres mit einem bürgerlichen Gemeinwesen unverträglichen Korpsgeistes in ehrenvoller Weise annulliert und ihre ruhmvollen Namen pflanzten nur sich fort in neugegründeten städtischen Gemeinden. Die von Caesar bei der Entlassung mit Landlosen beschenkten Soldaten wurden nicht wie die Sullas in eigenen Kolonien gleichsam militärisch zusammengesiedelt, sondern, namentlich soweit sie in Italien ansässig wurden, möglichst vereinzelt und durch die ganze Halbinsel zerstreut; nur war es freilich nicht zu vermeiden, daß auf den zur Verfügung gebliebenen Teilen des kampanischen Ackers die alten Soldaten Caesars dennoch in Masse sich zusammenfanden. Der schwierigen Aufgabe, die Soldaten einer stehenden Armee innerhalb der Kreise des bürgerlichen Lebens zu halten, suchte Caesar zu genügen teils durch Festhaltung der bisherigen nur gewisse Dienstjahre, nicht aber einen eigentlich stehenden, das heißt durch keine Entlassung unterbrochenen Dienst vorschreibenden Ordnung, teils durch die schon erwähnte Verkürzung der Dienstzeit, welche einen rascheren Wechsel des Soldatenpersonals herbeiführte, teils durch regelmäßige Ansiedlung der ausgedienten Soldaten als Ackerkolonisten, teils und vornehmlich dadurch, daß die Armee von Italien und überhaupt von den eigentlichen Sitzen des bürgerlichen und politischen Lebens der Nation ferngehalten und der Soldat dahin gewiesen ward, wo er nach der Meinung des großen Königs allein an seinem Platze war: in die Grenzstationen zur Abwehr des auswärtigen Feindes. Das rechte Kriterium des Militärstaates, die Entwicklung und Bevorzugung der Gardetruppe, findet ebenfalls bei Caesar sich nicht. Obwohl in der aktiven Armee das Institut einer besonderen Leibwache des Feldherrn bereits seit langem bestand, so tritt diese doch in Caesars Heerführung vollständig in den Hintergrund; seine prätorische Kohorte scheint wesentlich nur aus Ordonnanzoffizieren oder nichtmilitärischen Begleitern bestanden zu haben und niemals ein eigentliches Elitenkorps, also auch niemals Gegenstand der Eifersucht der Linientruppen gewesen zu sein. Wenn Caesar schon als Feldherr die Leibwache tatsächlich fallen ließ, so duldete er um so weniger als König eine Garde um sich. Obwohl beständig, und ihm wohl bewußt, von Mördern umschlichen, wies er dennoch den Antrag des Senats auf Errichtung einer Nobelgarde zurück, entließ, sowie die Dinge einigermaßen sich beruhigten, die spanische Eskorte, deren er in der ersten Zeit in der Hauptstadt sich bedient hatte, und begnügte sich mit dem Gefolge von Gerichtsdienern, wie es für die römischen Oberbeamten hergebracht war. Wie viel auch Caesar von dem Gedanken seiner Partei und seiner Jugend, ein perikleisches Regiment in Rom nicht kraft des Säbels, sondern kraft des Vertrauens der Nation zu begründen, im Kampfe mit den Realitäten hatte müssen fallen lassen – den Grundgedanken, keine Militärmonarchie zu stiften, hielt er auch jetzt noch mit einer Energie fest, zu der die Geschichte kaum eine Parallele darbietet. Allerdings war auch dies ein unausführbares Ideal – es war die einzige Illusion, in der das sehnsüchtige Verlangen in diesem starken Geiste mächtiger war als der klare Verstand. Ein Regiment, wie es Caesar im Sinne trug, war nicht bloß notwendig höchst persönlicher Natur und mußte mit dem Tode des Urhebers ebenso zugrunde gehen wie die verwandten Schöpfungen Perikles' und Cromwells mit dem Tode ihrer Stifter; sondern bei dem tief zerrütteten Zustand der Nation war es nicht einmal glaublich, daß es dem achten König von Rom auch nur für seine Lebenszeit gelingen werde, so wie seine sieben Vorgänger seine Mitbürger bloß kraft Gesetz und Recht zu beherrschen, und ebensowenig wahrscheinlich, daß es ihm gelingen werde, das stehende Heer, nachdem es im letzten Bürgerkrieg seine Macht kennengelernt und die Scheu verlernt hatte, wieder als dienendes Glied in die bürgerliche Ordnung einzufügen. Wer kaltblütig erwog, bis zu welchem Grade die Furcht vor dem Gesetz aus den untersten wie aus den obersten Schichten der Gesellschaft entwichen war, dem mußte die erstere Hoffnung vielmehr ein Traum dünken; und wenn mit der Marianischen Reform des Heerwesens der Soldat überhaupt aufgehört hat, Bürger zu sein, so zeigten die kampanische Meuterei und das Schlachtfeld von Thapsus mit leidiger Deutlichkeit, in welcher Art jetzt die Armee dem Gesetze ihren Arm lieh. Selbst der große Demokrat vermochte die Gewalten, die er entfesselt hatte, nur mühsam und mangelhaft wieder zu bändigen; Tausende von Schwertern flogen noch auf seinen Wink aus der Scheide, aber zurück in die Scheide kehrten sie schon nicht mehr auf seinen Wink. Das Verhängnis ist mächtiger als das Genie. Caesar wollte der Wiederhersteller des bürgerlichen Gemeinwesens werden und ward der Gründer der von ihm verabscheuten Militärmonarchie; er stürzte den Aristokraten- und Bankierstaat im Staate nur, um an deren Platz den Soldatenstaat im Staate zu setzen, und das Gemeinwesen blieb wie bisher tyrannisiert und exploitiert von einer privilegierten Minorität. Aber dennoch ist es ein Privilegium der höchsten Naturen, also schöpferisch zu irren. Die genialen Versuche großer Männer, das Ideal zu realisieren, wenn sie auch ihr Ziel nicht erreichen, bilden den besten Schatz der Nationen. Es ist Caesars Werk, daß der römische Militärstaat erst nach mehreren Jahrhunderten zum Polizeistaat ward und daß die römischen Imperatoren, wie wenig sie sonst auch dem großen Begründer ihrer Herrschaft glichen, doch den Soldaten wesentlich nicht gegen den Bürger verwandten, sondern gegen den Feind, und Nation und Armee beide zu hoch achteten, um diese zum Konstabler über jene zu setzen.
Die Ordnung des Finanzwesens machte bei den soliden Grundlagen, die die ungeheure Größe des Reiches und der Ausschluß des Kreditsystems gewährten, verhältnismäßig geringe Schwierigkeit. Wenn der Staat bisher in beständiger Finanzverlegenheit sich befunden hatte, so war daran die Unzulänglichkeit der Staatseinnahmen am wenigsten schuld; vielmehr hatten diese eben in den letzten Jahren sich ungemein vermehrt. Zu der älteren Gesamteinnahme, die auf 200 Mill. Sesterzen (15 Mill. Taler) angeschlagen wird, waren durch die Einrichtung der Provinzen Bithynien-Pontus und Syrien 85 Mill. Sesterzen (6500000 Taler) gekommen; welcher Zuwachs, nebst den sonstigen neueröffneten oder gesteigerten Einnahmequellen, namentlich durch den beständig steigenden Ertrag der Luxusabgaben, den Verlust der kampanischen Pachtgelder weit überwog. Außerdem waren durch Lucullus, Metellus, Pompeius, Cato und andere außerordentlicherweise dem Staatsschatz ungeheure Summen zugeflossen. Die Ursache der finanziellen Verlegenheiten lag vielmehr teils in den gesteigerten ordentlichen und außerordentlichen Ausgaben, teils in der geschäftlichen Verwirrung. Unter jenen nahm die Getreideverteilung an die hauptstädtische Menge fast unerschwingliche Summen in Anspruch: durch die von Cato 691 (63) ihr gegebene Ausdehnung stieg die jährliche Ausgabe dafür auf 30 Mill. Sesterzen (2300000 Taler), und seit Abschaffung der bisher gezahlten Vergütung im Jahre 696 (58) verschlang dieselbe gar den fünften Teil der Staatseinkünfte. Auch das Militärbudget war gestiegen, seit zu den Besatzungen von Spanien, Makedonien und den übrigen Provinzen noch die von Kilikien, Syrien und Gallien hinzukamen. Unter den außerordentlichen Ausgaben sind in erster Linie die großen Kosten der Flottenrüstungen zu nennen, wofür zum Beispiel fünf Jahre nach der großen Razzia von 687 (67) auf einmal 34 Mill. Sesterzen (2600000 Taler) verausgabt wurden. Dazu kamen die sehr ansehnlichen Summen, welche die Kriegszüge und Kriegsvorbereitungen wegnahmen, wie denn bloß für Ausrüstung des makedonischen Heeres an Piso auf einmal 18 Mill. Sesterzen (1370000 Taler), an Pompeius für die Unterhaltung und Besoldung der spanischen Armee gar jährlich 24 Mill. Sesterzen (1826000 Taler) und ähnliche Summen an Caesar für die gallischen Legionen gezahlt wurden. So beträchtlich aber auch diese Ansprüche waren, die an die römische Staatskasse gemacht wurden, so hätte dennoch dieselbe ihnen zu genügen vermocht, wenn nicht ihre einst so musterhafte Verwaltung von der allgemeinen Schlaffheit und Unehrlichkeit dieser Zeit mitergriffen worden wäre; oft stockten die Zahlungen des Ärars bloß deshalb, weil man dessen ausstehende Forderungen einzumahnen versäumte. Die vorgesetzten Beamten, zwei von den Quästoren, junge, jährlich gewechselte Menschen, verhielten im besten Fall sich passiv; unter dem früherhin seiner Ehrenhaftigkeit wegen mit Recht hoch angesehenen Schreiber- und sonstigen Büropersonal waren jetzt, namentlich seit diese Posten käuflich geworden waren, die ärgsten Mißbräuche im Schwange.
Sowie indes die Fäden des römischen Staatsfinanzwesens nicht mehr wie bisher im Senat, sondern in Caesars Kabinett zusammenliefen, kam von selbst neues Leben, strengere Ordnung und festerer Zusammenhang in alle Räder und Triebfedern dieser großen Maschine. Die beiden von Gaius Gracchus herrührenden und Krebsschäden gleich das römische Finanzwesen zerfressenden Institutionen: die Verpachtung der direkten Abgaben und die Getreideverteilungen, wurden teils abgeschafft, teils umgestaltet. Caesar wollte nicht wie sein Vorläufer die Nobilität durch die Bankieraristokratie und den hauptstädtischen Pöbel in Schach halten, sondern sie beseitigen und das Gemeinwesen von sämtlichen Parasiten hohen und niederen Ranges befreien; und darum ging er in diesen beiden wichtigen Fragen nicht mit Gaius Gracchus, sondern mit dem Oligarchen Sulla. Das Verpachtungssystem blieb für die indirekten Abgaben bestehen, bei denen es uralt war und, bei der auch von Caesar unverbrüchlich festgehaltenen Maxime der römischen Finanzverwaltung, die Abgabenerhebung um jeden Preis einfach und übersichtlich zu erhalten, schlechterdings nicht entbehrt werden konnte. Die direkten Abgaben aber wurden fortan durchgängig entweder, wie die afrikanischen und sardinischen Korn- und Öllieferungen, behandelt als unmittelbar an den Staat abzuführende Naturalleistungen, oder, wie die kleinasiatischen Gefälle, in feste Geldabgaben verwandelt und die Einziehung der Einzelbeträge den Steuerdistrikten selbst überlassen. Die Kornverteilungen in der Hauptstadt waren bisher als nutzbares Recht der herrschenden und, weil sie herrschte, von den Untertanen zu speisenden Gemeinde angesehen worden. Dieser ehrlose Grundsatz ward von Caesar beseitigt; aber es konnte nicht übersehen werden, daß eine Menge gänzlich unvermögender Bürger lediglich durch diese Speisungen vor dem Verhungern geschützt worden war. In diesem Sinne hielt Caesar dieselben fest. Hatte nach der Sempronischen, von Cato wiedererneuerten Ordnung jeder in Rom angesessene römische Bürger rechtlich Anspruch gehabt auf unentgeltliches Brotkorn, so wurde diese Empfängerliste, welche zuletzt bis auf 320000 Nummern gestiegen war, durch Ausscheidung aller wohlhabenden oder anderweit versorgten Individuen auf 150000 herabgebracht und diese Zahl als Maximalzahl der Freikornstellen ein für allemal fixiert, zugleich eine jährliche Revision der Liste angeordnet, um die durch Austritt oder Tod leergewordenen Plätze mit den bedürftigsten unter den Bewerbern wieder zu besetzen. Indem also das politische Privilegium in eine Armenversorgung umgewandelt ward, trat ein in sittlicher wie in geschichtlicher Hinsicht bemerkenswerter Satz zum erstenmal in lebendige Wirksamkeit. Nur langsam und von Stufe zu Stufe ringt die bürgerliche Gesellschaft sich durch zu der Solidarität der Interessen; im früheren Altertum schützte der Staat die Seinigen wohl vor dem Landesfeind und dem Mörder, aber er war nicht verpflichtet, durch Verabreichung der notwendigen Subsistenzmittel den gänzlich hilflosen Mitbürger vor dem schlimmeren Feinde des Mangels zu bewahren. Die attische Zivilisation ist es gewesen, die in der Solonischen und nachsolonischen Gesetzgebung zuerst den Grundsatz entwickelt hat, daß es Pflicht der Gemeinde ist, für ihre Invaliden, ja für ihre Armen überhaupt zu sorgen; und zuerst Caesar hat, was in der beschränkten Enge des attischen Lebens Gemeindesache geblieben war, zu einer organischen Staatsinstitution entwickelt und eine Einrichtung, die für den Staat eine Last und eine Schmach war, umgeschaffen in die erste jener heute so unzählbaren wie segensreichen Anstalten, in denen das unendliche menschliche Erbarmen mit dem unendlichen menschlichen Elend ringt.
Außer diesen prinzipiellen Reformen fand eine durchgängige Revision des Einnahme- und Ausgabewesens statt. Die ordentlichen Einnahmen wurden überall reguliert und fixiert. Nicht wenigen Gemeinden, ja ganzen Landschaften ward, sei es mittelbar durch Verleihung des römischen oder latinischen Bürgerrechts, sei es unmittelbar durch Privilegium, die Steuerfreiheit bewilligt; so erhielten sie zum Beispiel alle sizilischenDen Wegfall der sizilischen Zehnten bezeugt Varro in einer nach Ciceros Tode publizierten Schrift (rust. 2 praef.), indem er als die Kornprovinzen, aus denen Rom seine Subsistenz entnimmt, nur Afrika und Sardinien, nicht mehr Sizilien nennt. Die Latinität, wie sie Sizilien erhielt, muß also wohl die Immunität eingeschlossen haben (vgl. Römisches Staatsrecht, Bd. 3, S. 684). Gemeinden auf jenem, die Stadt Ilion auf diesem Wege. Noch größer war die Zahl derjenigen, deren Steuerquantum herabgesetzt ward; wie denn den Gemeinden im Jenseitigen Spanien schon nach Caesars Statthalterschaft auf dessen Betrieb eine Steuerherabsetzung vom Senat bewilligt worden war, und jetzt der am meisten gedrückten Provinz Asia nicht bloß die Hebung ihrer direkten Steuern erleichtert, sondern auch der dritte Teil derselben ganz erlassen ward. Die neu hinzukommenden Abgaben, wie die der in Illyrien unterworfenen und vor allem der gallischen Gemeinden, welche letztere zusammen 40 Mill. Sesterzen (3 Mill. Taler) jährlich entrichteten, waren durchgängig niedrig gegriffen. Freilich ward dagegen auch einzelnen Städten, wie Klein-Leptis in Afrika, Sulci auf Sardinien und mehreren spanischen Gemeinden, zur Strafe ihres Verhaltens während des letzten Krieges die Steuer erhöht. Die sehr einträglichen, in den letzten Zeiten der Anarchie abgeschafften italischen Hafenzölle wurden um so mehr wiederhergestellt, als diese Abgabe wesentlich die aus dem Osten eingehenden Luxuswaren traf. Zu diesen neu- oder wiedereröffneten ordentlichen Einnahmequellen kamen die Summen hinzu, die außerordentlicherweise, namentlich infolge des Bürgerkrieges, an den Sieger gelangten: die in Gallien gesammelte Beute; der hauptstädtische Kassenbestand; die aus den italischen und spanischen Tempeln entnommenen Schätze, die in Formen der Zwangsanleihe, des Zwangsgeschenkes oder der Buße von den abhängigen Gemeinden und Dynasten erhobenen Summen und die in ähnlicher Weise durch Rechtsspruch oder auch bloß durch Zusendung des Zahlungsbefehls einzelnen reichen Römern auferlegten Strafgelder; vor allen Dingen aber der Erlös aus dem Vermögen der geschlagenen Gegner. Wie ergiebig diese Einnahmequellen waren, mag man daraus abnehmen, daß allein die Buße der afrikanischen Großhändler, die in dem Gegensenat gesessen, sich auf 100 Mill. Sesterzen (7½ Mill. Taler) und der von den Käufern des Vermögens des Pompeius gezahlte Preis auf 70 Mill. Sesterzen (5300000 Taler) belief. Dieses Verfahren war notwendig, weil die Macht der geschlagenen Nobilität zum guten Teil auf ihrem kolossalen Reichtum ruhte und nur dadurch wirksam gebrochen werden konnte, daß ihr die Tragung der Kriegskosten auferlegt ward. Die Gehässigkeit der Konfiskationen aber ward einigermaßen dadurch gemildert, daß Caesar ihren Ertrag allein dem Staate zugute kommen ließ und, statt in Sullas Weise seinen Günstlingen jeden Unterschleif nachzusehen, selbst von seinen treuesten Anhängern, zum Beispiel von Marcus Antonius, die Kaufgelder mit Strenge beitrieb.
In den Ausgaben wurde zunächst durch die ansehnliche Beschränkung der Getreidespenden eine Verminderung erzielt. Die beibehaltene Kornverteilung an die hauptstädtischen Armen sowie die verwandte, von Caesar neu eingeführte Öllieferung für die hauptstädtischen Bäder ward wenigstens zum großen Teil ein- für allemal fundiert auf die Naturalabgaben von Sardinien und namentlich von Afrika und schied dadurch aus dem Kassenwesen ganz oder größtenteils aus. Andererseits stiegen die regelmäßigen Ausgaben für das Militärwesen, teils durch die Vermehrung des stehenden Heeres, teils durch die Erhöhung der bisherigen Löhnung des Legionärs, von jährlich 480 (36 Taler) auf jährlich 900 Sesterzen (68½ Taler). Beides war in der Tat unerläßlich. Eine ernstliche Grenzverteidigung mangelte ganz und die unerläßliche Voraussetzung derselben war eine ansehnliche Vermehrung der Armee. Die Verdoppelung des Soldes hat Caesar wohl benutzt, um seine Soldaten fest an sich zu ketten, aber nicht aus diesem Grunde als bleibende Neuerung eingeführt. Der bisherige Sold von 1 1/3 Sesterz (2 Groschen) den Tag war festgesetzt worden in uralten Zeiten, wo das Geld einen ganz anderen Wert hatte als in dem damaligen Rom; nur deshalb hatte er bis in eine Zeit hinein, wo der gemeine Tagelöhner in der Hauptstadt mit seiner Hände Arbeit täglich durchschnittlich 3 Sesterzen (5 Groschen) verdiente, beibehalten werden können, weil in diesen Zeiten der Soldat nicht des Soldes halber, sondern hauptsächlich wegen der größtenteils unerlaubten Akzidentien des Militärdienstes in das Heer eintrat. Zu einer ernstlichen Reform des Militärwesens und zur Beseitigung des meist den Provinzialen aufgebürdeten unregelmäßigen Soldatenverdienstes war die erste Bedingung eine zeitgemäße Erhöhung der regulären Löhnung; und die Fixierung derselben auf 2½ Sesterzen (4 Groschen) darf als eine billige, die dem Ärar dadurch aufgebürdete große Last als eine notwendige und in ihren Folgen segensreiche betrachtet werden. Von dem Belauf der außerordentlichen Ausgaben, die Caesar übernehmen mußte oder freiwillig übernahm, ist es schwer, sich eine Vorstellung zu machen. Die Kriege selbst fraßen ungeheure Summen; und vielleicht nicht geringere wurden erfordert, um die Zusicherungen zu erfüllen, die Caesar während des Bürgerkrieges zu machen genötigt worden war. Es war ein schlimmes und für die Folgezeit leider nicht verlorenes Beispiel, daß jeder gemeine Soldat für seine Teilnahme am Bürgerkrieg 20000 Sesterzen (1500 Taler), jeder Bürger der hauptstädtischen Menge für seine Nichtbeteiligung an demselben als Zulage zum Brotkorn 300 Sesterzen (22 Taler) empfing; Caesar indes, nachdem er einmal in dem Drange der Umstände sein Wort verpfändet, war zu sehr König, um davon abzudingen. Außerdem genügte Caesar unzähligen Anforderungen ehrenhafter Freigebigkeit und machte namentlich für das Bauwesen, das während der Finanznot der letzten Zeit der Republik schmählich vernachlässigt worden war, ungeheure Summen flüssig – man berechnete den Kostenbetrag seiner teils während der gallischen Feldzüge, teils nachher in der Hauptstadt ausgeführten Bauten auf 160 Mill. Sesterzen (12 Mill. Taler). Das Gesamtresultat der finanziellen Verwaltung Caesars ist darin ausgesprochen, daß er durch einsichtige und energische Reformen und durch die rechte Vereinigung von Sparsamkeit und Liberalität allen billigen Ansprüchen reichlich und völlig genügte und dennoch bereits im März 710 (44) in der Kasse des Staats 700, in seiner eigenen 100 Mill. Sesterzen (zusammen 61 Mill. Taler) bar lagen – eine Summe, die den Kassenbestand der Republik in ihrer blühendsten Zeit um das Zehnfache überstieg.
Aber die Aufgabe, die alten Parteien aufzulösen und das neue Gemeinwesen mit einer angemessenen Verfassung, einer schlagfertigen Armee und geordneten Finanzen auszustatten, so schwierig sie war, war nicht der schwierigste Teil von Caesars Werk. Sollte in Wahrheit die italische Nation wiedergeboren werden, so bedurfte es einer Reorganisation, die alle Teile des großen Reiches, Rom, Italien und die Provinzen, umwandelte. Versuchen wir auch hier sowohl die alten Zustände als auch die Anfänge einer neuen und leidlicheren Zeit zu schildern.
Aus Rom war der gute Stamm latinischer Nation längst völlig verschwunden. Es liegt in den Verhältnissen, daß die Hauptstadt ihr munizipales und selbst ihr nationales Gepräge schneller verschleift als jedes untergeordnete Gemeinwesen. Hier scheiden die höheren Klassen rasch aus dem städtischen Gemeinleben aus, um mehr in dem ganzen Staate als in einer einzelnen Stadt ihre Heimat zu finden; hier konzentriert sich unvermeidlich die ausländische Ansiedlung, die fluktuierende Bevölkerung von Vergnügens- und Geschäftsreisenden, die Masse des müßigen, faulen, verbrecherischen, ökonomisch und moralisch bankrotten und eben darum kosmopolitischen Gesindels. Auf Rom fand dies alles in hervorragender Weise Anwendung. Der wohlhabende Römer betrachtete sein Stadthaus häufig nur als ein Absteigequartier. Indem aus der städtischen Munizipalität die Reichsämter hervorgingen, das städtische Vogtding die Versammlung der Reichsbürger ward, kleinere, sich selber regierende Bezirks- oder sonstige Gemeinschaften innerhalb der Hauptstadt nicht geduldet wurden, hörte jedes eigentliche Kommunalleben für Rom auf. Aus dem ganzen Umfange des weitumfassenden Reiches strömte man nach Rom, um zu spekulieren, zu debauchieren, zu intrigieren, zum Verbrecher sich auszubilden oder auch daselbst vor dem Auge des Gesetzes sich zu verbergen. Diese Übel gingen aus dem hauptstädtischen Wesen gewissermaßen mit Notwendigkeit hervor; andere, mehr zufällige und vielleicht noch ernstere gesellten sich dazu. Es hat vielleicht nie eine Großstadt gegeben, die so durchaus nahrungslos war wie Rom; teils die Einfuhr, teils die häusliche Fabrikation durch Sklaven machten hier jede freie Industrie von vornherein unmöglich. Die nachteiligen Folgen des Grundübels der Staatenbildung im Altertum überhaupt, des Sklavensystems, traten in der Hauptstadt schärfer als irgendwo sonst hervor. Nirgends häuften solche Sklavenmassen sich an wie in den hauptstädtischen Palästen der großen Familien oder der reichen Emporkömmlinge. Nirgends mischten sich so wie in der hauptstädtischen Sklavenschaft die Nationen dreier Weltteile, Syrer, Phryger und andere Halbhellenen mit Libyern und Mohren, Geten und Iberer mit den immer zahlreicher einströmenden Kelten und Deutschen. Die von der Unfreiheit unzertrennliche Demoralisation und der scheußliche Widerspruch des formellen und des sittlichen Rechts kamen weit greller zum Vorschein bei dem halb oder ganz gebildeten, gleichsam vornehmen Stadtsklaven als bei dem Ackerknecht, der das Feld gleich dem gefesselten Stier in Ketten bestellte. Schlimmer noch als die Sklavenmassen waren die der rechtlich oder auch bloß tatsächlich freigegebenen Leute, ein Gemisch bettelhaften Gesindels und schwerreicher Parvenus, nicht mehr Sklaven und doch nicht völlig Bürger, ökonomisch und selbst rechtlich von ihrem Herrn abhängig und doch mit den Ansprüchen freier Männer; und eben die Freigelassenen zogen sich vor allem nach der Hauptstadt, wo es Verdienst mancherlei Art gab und der Kleinhandel wie das kleine Handwerk fast ganz in ihren Händen waren. Ihr Einfluß auf die Wahlen wird ausdrücklich bezeugt; und daß sie auch bei den Straßenkrawallen voran waren, zeigt schon das gewöhnliche Signal, wodurch diese von den Demagogen gleichsam angesagt wurden, die Schließung der Buden und Verkaufslokale. Zu allem dem kam, daß die Regierung nicht bloß nichts tat, um dieser Korrumpierung der hauptstädtischen Bevölkerung entgegenzuwirken, sondern sogar ihrer egoistischen Politik zuliebe ihr Vorschub leistete. Die verständige Gesetzvorschrift, welche dem wegen Kapitalverbrechens verurteilten Individuum den Aufenthalt in der Hauptstadt untersagte, ward von der schlaffen Polizei nicht zur Ausführung gebracht. Die dringend nahegelegte polizeiliche Überwachung der Assoziation des Gesindels ward anfangs vernachlässigt, späterhin als freiheitswidrige Volksbeschränkung sogar für strafbar erklärt. Die Volksfeste hatte man so anwachsen lassen, daß die sieben ordentlichen allein, die römischen, die plebejischen, die der Göttermutter, der Ceres, des Apoll, der Flora und der Victoria, zusammen zweiundsechzig Tage währten, wozu dann noch die Fechterspiele und unzählige andere außerordentliche Lustbarkeiten kamen. Die bei einem solchen, durchaus von der Hand in den Mund lebenden Proletariat unumgängliche Fürsorge für niedrige Getreidepreise ward mit dem gewissenlosesten Leichtsinn gehandhabt, und die Preisschwankungen des Brotkorns waren fabelhafter und unberechenbarer ArtIn dem Produktionsland Sizilien ward der römische Scheffel innerhalb weniger Jahre zu 2 und zu 20 Sesterzen verkauft; man rechne danach, wie die Preisschwankungen in Rom sich stellen mußten, das von überseeischem Korn lebte und der Sitz der Spekulanten war.. Endlich, die Getreideverteilungen luden das gesamte nahrungslose und arbeitsscheue Bürgerproletariat offiziell ein, seinen Sitz in der Hauptstadt aufzuschlagen. Es war eine arge Saat und die Ernte entsprach ihr. Das Klub- und Bandenwesen auf dem politischen Gebiet, auf dem religiösen der Isisdienst und der gleichartige fromme Schwindel hatten hier ihre Wurzeln. Man war beständig im Angesicht einer Teuerung und nicht selten in voller Hungersnot. Nirgends war man seines Lebens weniger sicher als in der Hauptstadt: der gewerbsmäßig betriebene Banditenmord war das einzige derselben eigene Handwerk; es war die Einleitung zur Ermordung, daß das Schlachtopfer nach Rom gelockt ward; niemand wagte sich ohne bewaffnetes Gefolge in die Umgegend der Hauptstadt. Auch die äußere Beschaffenheit derselben entsprach dieser inneren Zerrüttung und schien eine lebendige Satire auf das aristokratische Regiment. Für die Regulierung des Tiberstromes ward nichts getan; kaum daß man die einzige Brücke, mit der man immer noch sich behalf, wenigstens bis zur Tiberinsel von Stein aufführen ließ. Für die Planierung der Siebenhügelstadt war ebensowenig etwas geschehen, außer wo etwa die Schutthaufen ausgeglichen hatten. Die Straßen gingen eng und winkelig Hügel auf und ab und waren elend gehalten, die Trottoirs schmal und schlecht gepflastert. Die gewöhnlichen Häuser waren von Ziegeln ebenso liederlich wie schwindelnd hoch gebaut, meistens von spekulierenden Baumeistern für Rechnung der kleinen Besitzer, wobei jene steinreich, diese zu Bettlern wurden. Wie einzelne Inseln in diesem Meer von elenden Gebäuden erschienen die glänzenden Paläste der Reichen, die den kleinen Häusern ebenso den Raum verengten wie ihre Besitzer den kleinen Leuten ihr Bürgerrecht im Staat und neben deren Marmorsäulen und griechischen Statuen die verfallenden Tempel mit ihren großenteils noch holzgeschnitzten Götterbildern eine traurige Figur machten. Von einer Straßen-, einer Ufer-, Feuer- und Baupolizei war kaum die Rede; wenn die Regierung um die alljährlich eintretenden Überschwemmungen, Feuersbrünste und Häusereinstürze überhaupt sich bekümmerte, so geschah es, um von den Staatstheologen Bericht und Bedenken über den wahren Sinn solcher Zeichen und Wunder zu begehren. Man versuche sich ein London zu denken mit der Sklavenbevölkerung von New Orleans, mit der Polizei von Konstantinopel, mit der Industrielosigkeit des heutigen Rom und bewegt von einer Politik nach dem Muster der Pariser von 1848, und man wird eine ungefähre Vorstellung von der republikanischen Herrlichkeit gewinnen, deren Untergang Cicero und seine Genossen in ihren Schmollbriefen betrauern.
Caesar trauerte nicht, aber er suchte zu helfen, soweit zu helfen war. Rom blieb natürlich, was es war, eine Weltstadt. Der Versuch ihm wiederum einen spezifisch italischen Charakter zu geben, wäre nicht bloß unausführbar gewesen, sondern hätte auch in Caesars Plan nicht gepaßt. Ähnlich wie Alexander für sein griechisch-orientalisches Reich eine angemessene Hauptstadt in dem hellenisch-jüdisch-ägyptischen und vor allem kosmopolitischen Alexandreia fand, so sollte auch die im Mittelpunkt des Orients und Okzidents gelegene Hauptstadt des neuen römisch-hellenischen Weltreichs nicht eine italische Gemeinde sein, sondern die denationalisierte Kapitale vieler Nationen. Darum duldete es Caesar, daß neben dem Vater Jovis die neu angesiedelten ägyptischen Götter verehrt wurden, und gestattete sogar den Juden die freie Übung ihres seltsam fremdartigen Rituals auch in der Hauptstadt des Reiches. Wie widerlich bunt immer die parasitische, namentlich hellenisch-orientalische Bevölkerung in Rom sich mischte, er trat ihrer Ausbreitung nirgends in den Weg; es ist bezeichnend, daß er bei seinen hauptstädtischen Volksfesten Schauspiele nicht bloß in lateinischer und griechischer, sondern auch in anderen Zungen, vermutlich in phönikischer, hebräischer, syrischer, spanischer aufführen ließ.
Aber wenn Caesar den Grundcharakter der Hauptstadt so, wie er ihn fand, mit vollem Bewußtsein akzeptierte, so wirkte er doch energisch hin auf die Besserung der daselbst obwaltenden kläglichen und schimpflichen Zustände. Leider waren eben die Grundübel am wenigsten austilgbar. Die Sklaverei mit ihrem Gefolge von Landplagen konnte Caesar nicht abstellen; es muß dahingestellt bleiben, ob er mit der Zeit versucht haben würde, die Sklavenbevölkerung in der Hauptstadt wenigstens zu beschränken, wie er dies auf einem anderen Gebiete unternahm. Ebensowenig vermochte Caesar eine freie hauptstädtische Industrie aus dem Boden zu zaubern; doch halfen die ungeheuren Bauten der Nahrungslosigkeit daselbst einigermaßen ab und eröffneten dem Proletariat eine Quelle schmalen, aber ehrlichen Erwerbes. Dagegen wirkte Caesar energisch darauf hin, die Masse des freien Proletariats zu vermindern. Der stehende Zufluß von solchen, die die Getreidespenden nach Rom führten, ward durch Verwandlung derselben in eine auf eine feste Kopfzahl beschränkte Armenversorgung wenn nicht ganz verstopfteEs ist nicht ohne Interesse, daß ein späterer, aber einsichtiger politischer Schriftsteller, der Verfasser der unter Sallustius' Namen an Caesar gerichteten Briefe, diesem den Rat erteilt, die hauptstädtische Getreideverteilung in die einzelnen Munizipien zu verlegen. Die Kritik hat ihren guten Sinn; wie denn bei der großartigen munizipalen Waisenversorgung unter Traian offenbar ähnliche Gedanken gewaltet haben., doch sehr wesentlich beschränkt. Unter dem vorhandenen Proletariat räumten einerseits die Gerichte auf, die angewiesen wurden, mit unnachsichtlicher Strenge gegen das Gesindel einzuschreiten, andererseits die umfassende überseeische Kolonisation; von den 80000 Kolonisten, die Caesar in den wenigen Jahren seiner Regierung über das Meer führte, wird ein sehr großer Teil den unteren Schichten der hauptstädtischen Bevölkerung entnommen sein, wie denn die meisten korinthischen Ansiedler Freigelassene waren. Daß in Abweichung von der bisherigen Ordnung, die dem Freigelassenen jedes städtische Ehrenamt verschloß, Caesar ihnen in seinen Kolonien die Türe des Rathauses eröffnete, geschah ohne Zweifel, um die besser gestellten von ihnen für die Auswanderung zu gewinnen. Diese Auswanderung muß aber auch mehr gewesen sein als eine bloß vorübergehende Veranstaltung; Caesar, überzeugt wie jeder andere verständige Mann, daß die einzige wahrhafte Hilfe gegen das Elend des Proletariats in einem wohlregulierten Kolonisierungssystem besteht, und durch die Beschaffenheit des Reiches in den Stand gesetzt, dasselbe in fast ungemessener Ausdehnung zu verwirklichen, wird die Absicht gehabt haben, hiermit dauernd fortzufahren und dem stets wieder sich erzeugenden Übel einen bleibenden Abzug zu eröffnen. Maßregeln wurden ferner ergriffen, um den argen Preisschwankungen der wichtigsten Nahrungsmittel auf den hauptstädtischen Märkten Grenzen zu setzen. Die neu geordneten und liberal verwalteten Staatsfinanzen lieferten hierzu die Mittel und zwei neu ernannte Beamte, die Getreideädilen, übernahmen die spezielle Beaufsichtigung der Lieferanten und des Marktes der Hauptstadt. Dem Klubwesen wurde wirksamer, als es durch Prohibitivgesetze möglich war, gesteuert durch die veränderte Verfassung, indem mit der Republik und den republikanischen Wahlen und Gerichten die Bestechung und Vergewaltigung der Wahl- und Richterkollegien, überhaupt die politischen Saturnalien der Kanaille von selbst ein Ende hatten. Außerdem wurden die durch das Clodische Gesetz ins Leben getretenen Verbindungen aufgelöst und das ganze Assoziationswesen unter die Oberaufsicht der Regierungsbehörden gestellt. Mit Ausnahme der althergebrachten Zünfte und Vergesellschaftungen, der religiösen Vereinigungen der Juden und anderer besonders ausgenommener Kategorien, wofür die einfache Anzeige an den Senat genügt zu haben scheint, wurde die Erlaubnis, eine bleibende Gesellschaft mit festen Versammlungsfristen und stehenden Einschüssen zu konstituieren, an eine vom Senat und regelmäßig wohl erst nach eingeholter Willensmeinung des Monarchen zu erteilende Konzession geknüpft. Dazu kam eine strengere Kriminalrechtspflege und eine energische Polizei. Die Gesetze, namentlich hinsichtlich des Verbrechens der Vergewaltigung, wurden verschärft und die unvernünftige Bestimmung des republikanischen Rechts, daß der überwiesene Verbrecher befugt sei, durch Selbstverbannung einem Teil der verwirkten Strafe sich zu entziehen, wie billig beseitigt. Das detaillierte Regulativ, das Caesar über die hauptstädtische Polizei erließ, ist großenteils noch erhalten und es kann, wer da will, sich überzeugen, daß der Imperator es nicht verschmähte, die Hausbesitzer zur Instandsetzung der Straßen und zur Pflasterung der Trottoirs in ihrer ganzen Breite mit behauenen Steinen anzuhalten und geeignete Bestimmungen über das Tragen der Sänften und das Fahren der Wagen zu erlassen, die bei der Beschaffenheit der Straßen nur zur Abend- und Nachtzeit in der Hauptstadt frei zirkulieren durften. Die Oberaufsicht über die Lokalpolizei blieb wie bisher hauptsächlich den vier Ädilen, welche, wenn nicht schon früher, wenigstens jetzt angewiesen wurden, jeder einen bestimmt abgegrenzten Polizeidistrikt innerhalb der Hauptstadt zu überwachen. Endlich das hauptstädtische Bauwesen und die damit zusammenhängende Fürsorge für die gemeinnützigen Anstalten überhaupt nahm durch Caesar, der die Baulust des Römers und des Organisators in sich vereinigte, plötzlich einen Aufschwung, der nicht bloß die Mißwirtschaft der letzten anarchischen Zeiten beschämte, sondern auch alles, was die römische Aristokratie in ihrer besten Zeit geleistet hatte, so weit hinter sich ließ wie Caesars Genie das redliche Bemühen der Marcier und der Aemilier. Es war nicht bloß die Ausdehnung der Bauten an sich und die Größe der darauf verwandten Summen, durch die Caesar seine Vorgänger übertraf, sondern der echt staatsmännische und gemeinnützige Sinn, der das, was Caesar für die öffentlichen Anstalten Roms tat, vor allen ähnlichen Leistungen auszeichnet. Er baute nicht, wie seine Nachfolger, Tempel und sonstige Prachtgebäude, sondern er entlastete den Markt von Rom, auf dem sich immer noch die Bürgerversammlungen, die Hauptgerichtsstätten, die Börse und der tägliche Geschäftsverkehr wie der tägliche Müßiggang zusammendrängten, wenigstens von den Versammlungen und den Gerichten, indem er für jene eine neue Dingstätte, die Saepta Iulia auf dem Marsfeld, für diese einen besonderen Gerichtsmarkt, das Forum Iulium zwischen Kapitol und Palatin, anlegen ließ. Verwandten Geistes ist die von ihm herrührende Einrichtung, daß den hauptstädtischen Bädern jährlich 3 Millionen Pfund Öl, größtenteils aus Afrika, geliefert und diese dadurch in den Stand gesetzt wurden, den Badenden das zum Salben des Körpers erforderliche Öl unentgeltlich zu verabfolgen – eine nach der alten wesentlich auf Baden und Salben gegründeten Diätetik höchst zweckmäßige Maßregel der Reinlichkeits- und Gesundheitspolizei. Indes diese großartigen Einrichtungen waren nur die ersten Anfänge einer vollständigen Umwandlung Roms. Bereits waren die Entwürfe gemacht zu einem neuen Rathaus, einem neuen prachtvollen Basar, einem mit dem Pompeischen wetteifernden Theater, einer öffentlichen lateinischen und griechischen Bibliothek nach dem Muster der kürzlich zugrunde gegangenen von Alexandreia – die erste Anstalt derart in Rom –, endlich zu einem Tempel des Mars, der an Reichtum und Herrlichkeit alles bisher Dagewesene überboten haben würde. Genialer noch war der Gedanke, einmal durch die Pomptinischen Sümpfe einen Kanal zu legen und deren Wasser nach Tarracina abzuleiten, sodann den unteren Lauf des Tiberstroms zu ändern und ihn von dem heutigen Ponte Molle an, statt zwischen dem Vaticanischen und dem Marsfelde hindurch, vielmehr um das Vaticanische Feld und das Ianiculum herum nach Ostia zu führen, wo die schlechte Reede einem vollgenügenden Kunsthafen Platz machen sollte. Durch diesen Riesenplan wurde einerseits der gefährlichste Feind der Hauptstadt, die böse Luft der Nachbarschaft, gebannt, andrerseits auf einen Schlag die äußerst beschränkte Baugelegenheit in der Hauptstadt in der Art erweitert, daß das damit auf das linke Tiberufer verlegte Vaticanische Feld an die Stelle des Marsfeldes treten und das geräumige Marsfeld für öffentliche und Privatbauten verwendet werden konnte, während sie zugleich den so schmerzlich vermißten sicheren Seehafen erhielt. Es schien, als wolle der Imperator Berge und Flüsse versetzen und mit der Natur selber den Wettlauf wagen. Indessen so sehr auch durch die neue Ordnung die Stadt Rom an Bequemlichkeit und Herrlichkeit gewann, ihre politische Suprematie ging ihr, wie schon gesagt ward, durch ebendieselbe unwiderbringlich verloren. Daß der römische Staat mit der Stadt Rom zusammenfalle, war zwar im Laufe der Zeit immer unnatürlicher und verkehrter geworden; aber der Satz war doch so innig mit dem Wesen der römischen Republik verwachsen, daß er nicht vor dieser selbst zugrunde gehen konnte. Erst in dem neuen Staate Caesars ward er, etwa mit Ausnahme einiger legaler Fiktionen, vollständig beseitigt und das hauptstädtische Gemeinwesen rechtlich auf eine Linie mit allen übrigen Munizipalitäten gestellt; wie denn Caesar, hier wie überall bemüht, nicht bloß die Sache zu ordnen, sondern auch sie offiziell bei dem rechten Namen zu nennen, seine italische Gemeindeordnung, ohne Zweifel absichtlich, zugleich für die Hauptstadt und für die übrigen Stadtgemeinden erließ. Man kann hinzufügen, daß Rom, eben weil es eines lebendigen Kommunalwesens als Hauptstadt nicht fähig war, hinter den übrigen Munizipalitäten der Kaiserzeit sogar wesentlich zurückstand. Das republikanische Rom war eine Räuberhöhle, aber zugleich der Staat; das Rom der Monarchie, obwohl es mit allen Herrlichkeiten dreier Weltteile sich zu schmücken und in Gold und Marmor zu schimmern begann, war doch nichts im Staate als das Königsschloß in Verbindung mit dem Armenhaus, das heißt ein notwendiges übel.
Wenn es in der Hauptstadt sich nur darum handelte, durch polizeiliche Ordnungen im größten Maßstab handgreifliche Übelstände hinwegzuräumen, so war es dagegen eine bei weitem schwierigere Aufgabe, der tief zerrütteten italischen Volkswirtschaft aufzuhelfen. Die Grundleiden waren die bereits früher ausführlich hervorgehobenen, das Zusammenschwinden der ackerbauenden und die unnatürliche Vermehrung der kaufmännischen Bevölkerung, woran ein unabsehbares Gefolge anderer Übelstände sich anschloß. Wie es mit der italischen Bodenwirtschaft stand, wird dem Leser unvergessen sein. Trotz der ernstlichsten Versuche, der Vernichtung des kleinen Grundbesitzes zu steuern, war doch in dieser Epoche kaum mehr in einer Landschaft des eigentlichen Italien, etwa mit Ausnahme der Apenninen- und Abruzzentäler, die Bauernwirtschaft die vorwiegende Wirtschaftsweise. Was die Gutswirtschaft anlangt, so ist zwischen der früher dargestellten Catonischen und derjenigen, die uns Varro schildert, kein wesentlicher Unterschied wahrzunehmen, nur daß die letztere im Guten wie im Schlimmen von dem gesteigerten großstädtischen Leben in Rom die Spuren zeigt. "Sonst", sagt Varro, "war die Scheune auf dem Gut größer als das Herrenhaus; jetzt pflegt es umgekehrt zu sein." In der tusculanischen und tiburtinischen Feldmark, an den Gestaden von Tarracina und Baiae erhoben sich da, wo die alten latinischen und italischen Bauernschaften gesät und geerntet hatten, jetzt in unfruchtbarem Glanz die Landhäuser der römischen Großen, von denen manches mit den dazu gehörigen Gartenanlagen und Wasserleitungen, den Süß- und Salzwasserreservoirs zur Aufbewahrung und Züchtung von Fluß- und Seefischen, den Schnecken- und Siebenschläferzüchtungen, den Wildschonungen zur Hegung von Hasen, Kaninchen, Hirschen, Rehen und Wildschweinen und den Vogelhäusern, in denen selbst Kraniche und Pfauen gehalten wurden, den Raum einer mäßigen Stadt bedeckte. Aber der großstädtische Luxus macht auch manche fleißige Hand reich und ernährt mehr Arme als die almosenspendende Menschenliebe. Jene Vogelhäuser und Fischteiche der vornehmen Herren waren natürlich in der Regel eine sehr kostspielige Liebhaberei. Allein extensiv und intensiv hatte diese Wirtschaft sich so hoch entwickelt, daß zum Beispiel der Bestand eines Taubenhauses bis auf 100000 Sesterzen (7600 Taler) geschätzt ward; daß eine rationelle Mästungswirtschaft entstanden war und der in den Vogelhäusern gewonnene Dünger landwirtschaftlich in Betracht kam; daß ein einziger Vogelhändler auf einmal 5000 Krammetsvögel – denn auch diese wußte man zu hegen – das Stück zu 3 Denaren (21 Groschen), ein einziger Fischteichbesitzer 2000 Muränen zu liefern imstande war und aus den von Lucius Lucullus hinterlassenen Fischen 40000 Sesterzen (3050 Taler) gelöst wurden. Begreiflicherweise konnte unter solchen Umständen, wer diese Wirtschaft geschäftlich und intelligent betrieb, mit verhältnismäßig geringem Anlagekapital sehr hohen Gewinn erzielen. Ein kleiner Bienenzüchter dieser Zeit verkaufte von seinem nicht mehr als einen Morgen großen, in der Nähe von Falerii gelegenen Thymiangärtchen Jahr aus Jahr ein an Honig für mindestens 10000 Sesterzen (760 Taler). Der Wetteifer der Obstzüchter ging so weit, daß in eleganten Landhäusern die marmorgetäfelte Obstkammer nicht selten zugleich als Tafelzimmer eingerichtet, auch wohl gekauftes Prachtobst dort zur Schau als eigenes Gewächs gestellt ward. In dieser Zeit wurden auch zuerst die kleinasiatische Kirsche und andere ausländische Fruchtbäume in den italischen Gärten angepflanzt. Die Gemüsegärten, die Rosen- und Veilchenbeete in Latium und Kampanien warfen reichen Ertrag ab und der "Naschmarkt" (forum cupedinis) neben der Heiligen Straße, wo Früchte, Honig und Kränze feilgeboten zu werden pflegten, spielte eine wichtige Rolle im hauptstädtischen Leben. Überhaupt stand die Gutswirtschaft, Plantagenwirtschaft wie sie war, ökonomisch auf einer schwer zu übertreffenden Höhe der Entwicklung. Das Tal von Rieti, die Umgegend des Fuciner Sees, die Landschaften am Liris und Volturnus, ja Mittelitalien überhaupt, waren landwirtschaftlich in dem blühendsten Zustand; selbst gewisse Industrien, die geeignet waren, sich an den Betrieb des Guts mittels Sklaven anzuschließen, wurden von den intelligenten Landwirten mit aufgenommen und, wo die Verhältnisse günstig waren, Wirtshäuser, Webereien und besonders Ziegeleien auf dem Gute angelegt. Die italischen Produzenten, namentlich von Wein und Öl, versorgten nicht bloß die italischen Märkte, sondern machten auch in beiden Artikeln ansehnliche überseeische Ausfuhrgeschäfte. Eine schlichte fachwissenschaftliche Schrift dieser Zeit vergleicht Italien einem großen Fruchtgarten; und die Schilderungen, die ein gleichzeitiger Dichter von seinem schönen Heimatland entwirft, wo die wohlbewässerte Wiese, das üppige Kornfeld, der lustige Rebenhügel von der dunklen Zeile der Ölbäume umsäumt wird, wo der Schmuck des Landes, lachend in mannigfaltiger Anmut, die holdesten Gärten in seinem Schoße hegt und selber von nahrunggebenden Bäumen umkränzt wird diese Schilderungen, offenbar treue Gemälde der dem Dichter täglich vor Augen stehenden Landschaft, versetzen uns in die blühendsten Striche von Toscana und Terra di lavoro. Die Weidewirtschaft freilich, die aus den früher entwickelten Ursachen besonders im Süden und Südosten Italiens immer weiter vordrang, war in jeder Beziehung ein Rückschritt; allein auch sie nahm doch bis zu einem gewissen Grade teil an der allgemeinen Steigerung des Betriebes, wie denn für die Verbesserung der Rassen vieles geschah und zum Beispiel Zuchtesel mit 60000 (4600 Taler), 100000 (7570 Taler), ja 400000 Sesterzen (30000 Taler) bezahlt wurden. Die gediegene italische Bodenwirtschaft erzielte in dieser Zeit, wo die allgemeine Entwicklung der Intelligenz und die Fülle der Kapitalien sie befruchtete, bei weitem glänzendere Resultate als jemals die alte Bauernwirtschaft hatte geben können, und ging sogar schon hinaus über die Grenzen Italiens, indem der italische Ökonom auch in den Provinzen große Strecken viehzüchtend und selbst kornbauend exploitierte.
Welche Dimensionen aber neben dieser auf dem Ruin der kleinen Bauernschaft unnatürlich gedeihenden Gutswirtschaft die Geldwirtschaft angenommen, wie die italische Kaufmannschaft mit den Juden um die Wette in alle Provinzen und Klientelstaaten des Reiches sich ergossen hatte, alles Kapital endlich in Rom zusammenfloß, dafür wird es, nach dem früher darüber Gesagten, hier genügen, auf die einzige Tatsache hinzuweisen, daß auf dem hauptstädtischen Geldmarkt der regelmäßige Zinsfuß in dieser Zeit sechs vom Hundert, das Geld daselbst also um die Hälfte billiger war als sonst durchschnittlich im Altertume.
Infolge dieser agrarisch wie merkantil auf Kapitalmassen und Spekulation begründeten Volkswirtschaft ergab sich das fürchterlichste Mißverhältnis in der Verteilung des Vermögens. Die oft gebrauchte und oft gemißbrauchte Rede von einem aus Millionären und Bettlern zusammengesetzten Gemeinwesen trifft vielleicht nirgends so vollständig zu wie bei dem Rom der letzten Zeit der Republik; und nirgends wohl auch ist der Kernsatz des Sklavenstaats, daß der reiche Mann, der von der Tätigkeit seiner Sklaven lebt, notwendig respektabel, der arme Mann, der von seiner Hände Arbeit lebt, notwendig gemein ist, mit so grauenvoller Sicherheit als der unwidersprechliche Grundgedanke des ganzen öffentlichen und privaten Verkehrs anerkannt wordenCharakteristisch ist die folgende Auseinandersetzung in Ciceros 'Pflichtenlehre' (off. 1, 42): "Darüber, welche Geschäfte und Erwerbszweige als anständig gelten können und welche als gemein, herrschen im allgemeinen folgende Vorstellungen. Bescholten sind zunächst die Erwerbszweige, wobei man den Haß des Publikums sich zuzieht, wie der der Zolleinnehmer, der der Geldverleiher. Unanständig und gemein ist auch das Geschäft der Lohnarbeiter, denen ihre körperliche, nicht ihre Geistesarbeit bezahlt wird; denn für diesen selben Lohn verkaufen sie gleichsam sich in die Sklaverei. Gemeine Leute sind auch die von dem Kaufmann zu sofortigem Verschleiß einkaufenden Trödler; denn sie kommen nicht fort, wenn sie nicht über alle Maßen lügen, und nichts ist minder ehrenhaft als der Schwindel. Auch die Handwerker treiben sämtlich gemeine Geschäfte; denn man kann nicht Gentleman sein in der Werkstatt. Am wenigsten ehrbar sind die Handwerker, die der Schlemmerei an die Hand gehen, zum Beispiel: 'Wurstmacher, Salzfischhändler, Koch, Geflügelverkäufer, Fischer' mit Terenz (Eun. 2, 2, 26) zu reden; dazu noch etwa die Parfümerienhändler, die Tanzmeister und die ganze Sippschaft der Spielbuden. Diejenigen Erwerbszweige aber, welche entweder eine höhere Bildung voraussetzen oder einen nicht geringen Ertrag abwerfen, wie die Heilkunst, die Baukunst, der Unterricht in anständigen Gegenständen, sind anständig für diejenigen, deren Stande sie angemessen sind. Der Handel aber, wenn er Kleinhandel ist, ist gemein; der große Kaufmann freilich, der aus den verschiedensten Ländern eine Menge von Waren einführt und sie an eine Menge von Leuten ohne Schwindel absetzt, ist nicht gerade sehr zu schelten; ja wenn er, des Gewinstes satt oder vielmehr mit dem Gewinste zufrieden, wie oft zuvor vom Meere in den Hafen, so schließlich aus dem Hafen selbst zu Grundbesitz gelangt, so darf man wohl mit gutem Recht ihn loben. Aber unter allen Erwerbszweigen ist keiner besser, keiner ergiebiger, keiner erfreulicher, keiner dem freien Manne anständiger als der Grundbesitz."
Also der anständige Mann muß streng genommen Gutsbesitzer sein; das Kaufmannsgewerbe passiert ihm nur, insofern es Mittel zu diesem letzten Zweck ist, die Wissenschaft als Profession nur den Griechen und den nicht den herrschenden Ständen angehörigen Römern, welche damit sich in den vornehmen Kreisen allenfalls für ihre Person eine gewisse Duldung erkaufen dürfen. Es ist die vollkommen ausgebildete Plantagenbesitzeraristokratie, mit einer starken Schattierung von kaufmännischer Spekulation und einer leisen Nuance von allgemeiner Bildung.
Aber die gebildete Kaufmannschaft und der tüchtige Gutsbesitzerstand wird weit überwuchert von den beiden tonangebenden Klassen der Gesellschaft: dem Bettelvolk und der eigentlichen vornehmen Welt. Wir haben keine statistischen Ziffern, um das relative Maß der Armut und des Reichtums für diese Epoche scharf zu bezeichnen; doch darf hier wohl wieder an die Äußerung erinnert werden, die etwa fünfzig Jahre früher ein römischer Staatsmann tat: daß die Zahl der Familien von festgegründetem Reichtum innerhalb der römischen Bürgerschaft nicht auf 2000 sich belaufe. Die Bürgerschaft war seitdem eine andere geworden; aber daß das Mißverhältnis zwischen arm und reich sich wenigstens gleichgeblieben war, dafür sprechen deutliche Spuren. Die fortschreitende Verarmung der Menge offenbart sich nur zu grell in dem Zudrang zu den Getreidespenden und zur Anwerbung unter das Heer; die entsprechende Steigerung des Reichtums bezeugt ausdrücklich ein Schriftsteller dieser Generation, indem er, von den Verhältnissen der marianischen Zeit sprechend, ein Vermögen von 2 Mill. Sesterzen (152 000 Taler) "nach damaligen Verhältnissen Reichtum" nennt; und ebendahin führen die Angaben, die wir über das Vermögen einzelner Individuen finden. Der schwerreiche Lucius Domitius Ahenobarbus verhieß zwanzigtausend Soldaten jedem vier Jugera Land aus eigenem Besitz; das Vermögen des Pompeius belief sich auf 70 Mill. Sesterzen (5300000 Taler), das des Schauspielers Aesopus auf 20 (1520000 Taler); Marcus Crassus, der reichste der Reichen, besaß am Anfang seiner Laufbahn 7 (530000 Taler), am Ausgang derselben nach Verspendung ungeheurer Summen an das Volk 170 Millionen Sesterzen (13 Mill. Taler). Die Folgen solcher Armut und solchen Reichtums waren nach beiden Seiten eine äußerlich verschiedene, aber wesentlich gleichartige ökonomische und sittliche Zerrüttung. Wenn der gemeine Mann einzig durch die Unterstützung aus Staatsmitteln vor dem Verhungern gerettet ward, so war es die notwendige Folge dieses Bettlerelends, die freilich wechselwirkend auch wieder als Ursache auftrat, daß er der Bettlerfaulheit und dem bettlerhaften Wohlleben sich ergab. Statt zu arbeiten, gaffte der römische Plebejer lieber im Theater; die Schenken und Bordelle hatten solchen Zuspruch, daß die Demagogen ihre Rechnung dabei fanden, vorwiegend die Besitzer derartiger Etablissements in ihr Interesse zu ziehen. Die Fechterspiele, die Offenbarung wie die Nahrung der ärgsten Demoralisation in der alten Welt, waren zu solcher Blüte gelangt, daß mit dem Verkauf der Programme derselben ein einträgliches Geschäft gemacht ward, und nahmen in dieser Zeit die entsetzliche Neuerung auf, daß über Leben und Tod des Besiegten nicht das Duellgesetz oder die Willkür des Siegers, sondern die Laune des zuschauenden Publikums entschied und nach dessen Wink der Sieger den daniederliegenden Besiegten entweder verschonte oder durchbohrte. Das Handwerk des Fechters war so im Preise gestiegen oder auch die Freiheit so im Preise gesunken, daß die Unerschrockenheit und der Wetteifer, die auf den Schlachtfeldern dieser Zeit vermißt wurden, in den Heeren der Arena allgemein waren und, wo das Duellgesetz es mit sich brachte, jeder Gladiator lautlos und ohne zu zucken sich durchbohren ließ, ja daß freie Männer nicht selten sich den Unternehmern für Kost und Lohn als Fechtknechte verkauften. Auch die Plebejer des fünften Jahrhunderts hatten gedarbt und gehungert, aber ihre Freiheit hatten sie nicht verkauft; und noch weniger würden die Rechtweiser jener Zeit sich dazu hergegeben haben, den ebenso sitten- wie rechtswidrigen Kontrakt eines solchen Fechtknechts, "sich unweigerlich fesseln, peitschen, brennen oder töten zu lassen, wenn die Gesetze der Anstalt dies mit sich bringen würden", auf unfeinen juristischen Schleichwegen als statthaft und klagbar hinzustellen.
In der vornehmen Welt kam nun dergleichen nicht vor; aber im Grunde war sie kaum anders, am wenigsten besser. Im Nichtstun nahm es der Aristokrat dreist mit dem Proletarier auf; wenn dieser auf dem Pflaster lungerte, dehnte jener sich bis in den hellen Tag hinein in den Feldern. Die Verschwendung regierte hier ebenso maß- wie geschmacklos. Sie warf sich auf die Politik wie auf das Theater, natürlich zu beider Verderben: man kaufte das Konsulamt um unglaublichen Preis – im Sommer 700 (54) ward allein die erste Stimmabteilung mit 10 Mill. Sesterzen (760000 Talern) bezahlt – und verdarb durch den tollen Dekorationsluxus dem Gebildeten alle Freude am Bühnenspiel. Die Mietpreise scheinen in Rom durchschnittlich vierfach höher als in den Landstädten sich gestellt zu haben; ein Haus daselbst ward einmal für 15 Mill. Sesterzen (1150000 Taler) verkauft. Das Haus des Marcus Lepidus (Konsul 676 78), als Sulla starb, das schönste in Rom, war ein Menschenalter später noch nicht der hundertste in der Rangfolge der römischen Paläste. Des mit den Landhäusern getriebenen Schwindels ward bereits gedacht; wir finden, daß für ein solches, das hauptsächlich seines Fischteiches wegen geschätzt war, 4 Mill. Sesterzen (300000 Taler) bezahlt wurden; und der ganz vornehme Mann bedurfte jetzt schon wenigstens zweier Landhäuser, eines in den Sabiner- oder Albaner Bergen bei der Hauptstadt und eines zweiten in der Nähe der kampanischen Bäder, dazu noch womöglich eines Gartens unmittelbar vor den Toren Roms. Noch unsinniger als diese Villen- waren die Grabpaläste, von denen einzelne noch bis auf den heutigen Tag es bezeugen, welches himmelhohen Quaderhaufens der reiche Römer bedurfte, um standesmäßig gestorben zu sein. Die Pferde- und Hundeliebhaber fehlten auch nicht; für ein Luxuspferd waren 24000 Sesterzen (1830 Taler) ein nicht ungewöhnlicher Preis. Man raffinierte auf Möbel von feinem Holz – ein Tisch von afrikanischem Zypressenholz ward mit 1 Mill. Sesterzen (67000 Taler) bezahlt; auf Gewänder von Purpurstoffen oder durchsichtiger Gaze und daneben auch auf die zierlich vor dem Spiegel zurechtgelegten Falten – der Redner Hortensius soll einen Kollegen wegen Injurien belangt haben, weil er ihm im Gedränge den Rock zerknittert; auf Edelsteine und Perlen, die zuerst in dieser Zeit an die Stelle des alten, unendlich schöneren und kunstvolleren Goldschmucks traten: es war schon vollkommenes Barbarentum, wenn bei Pompeius' Triumph über Mithradates das Bild des Siegers ganz von Perlen gearbeitet erschien und wenn man im Speisesaal die Sofas und die Etageren mit Silber beschlagen, ja das Küchengeschirr von Silber fertigen ließ. Gleicher Art ist es, wenn die Sammler dieser Zeit aus den alten Silberbechern die kunstvollen Medaillons herausbrachen um sie in goldene Gefäße wiedereinzusetzen. Auch der Reiseluxus ward nicht vermißt. "Wenn der Statthalter reiste", erzählt Cicero von einem der sizilischen, "was natürlich im Winter nicht geschah, sondern erst mit Frühlingsanfang, nicht dem des Kalenders, sondern dem Anfang der Rosenzeit, so ließ er, wie es bei den Königen von Bithynien Brauch war, sich auf einer Achtträgersänfte befördern, sitzend auf Kissen von maltesischer Gaze und mit Rosenblättern gestopft, einen Kranz auf dem Kopf, einen zweiten um den Hals geschlungen, ein feines, leinenes, kleingetüpfeltes, mit Rosen angefülltes Riechsäckchen an die Nase haltend; und so ließ er bis vor sein Schlafzimmer sich tragen." Aber keine Gattung des Luxus blühte so wie die roheste von allen, der Luxus der Tafel. Die ganze Villeneinrichtung und das ganze Villenleben lief schließlich hinaus auf das Dinieren; man hatte nicht bloß verschiedene Tafelzimmer für Winter und Sommer, sondern auch in der Bildergalerie, in der Obstkammer, im Vogelhaus wurde serviert oder auf einer im Wildpark aufgeschlagenen Estrade, um welche dann, wenn der bestellte "Orpheus" im Theaterkostüm erschien und Tusch blies, die dazu abgerichteten Rehe und Wildschweine sich drängten. So ward für Dekoration gesorgt, aber die Realität darüber durchaus nicht vergessen. Nicht bloß der Koch war ein graduierter Gastronom, sondern oft machte der Herr selbst den Lehrmeister seiner Köche. Längst war der Braten durch Seefische und Austern in den Schatten gestellt; jetzt waren die italischen Flußfische völlig von der guten Tafel verbannt und galten die italischen Delikatessen und die italischen Weine fast für gemein. Es wurden jetzt schon bei Volksfesten außer dem italischen Falerner drei Sorten ausländischen Weines – Sizilianer, Lesbier, Chier – verteilt, während ein Menschenalter zuvor es auch bei großen Schmäusen genügt hatte, einmal griechischen Wein herumzugeben; in dem Keller des Redners Hortensius fand sich ein Lager von 10000 Krügen (zu 33 Berliner Quart) fremden Weines. Es war kein Wunder, daß die italischen Weinbauer anfingen, über die Konkurrenz der griechischen Inselweine zu klagen. Kein Naturforscher kann eifriger die Länder und Meere nach neuen Tieren und Pflanzen durchsuchen, als es von den Eßkünstlern jener Zeit wegen neuer Küchenelegantien geschahWir haben noch (Macr. Sat. 3, 13) den Speisezettel derjenigen Mahlzeit, welche Lucius Lentulus Niger vor 691 (63) bei Antritt seines Pontifikats gab und an der die Pontifices – darunter Caesar –, die Vestalischen Jungfrauen und einige andere Priester und nah verwandte Damen Anteil nahmen. Vor der Mahlzeit kamen Meerigel; frische Austern soviel die Gäste wollten; Gienmuscheln; Lazarusklappen; Krammetsvögel mit Spargeln; gemästetes Huhn; Auster- und Muschelpastete; schwarze und weiße Meereicheln; noch einmal Lazarusklappen; Glykymarismuscheln; Nesselmuscheln; Feigenschnepfen; Rehrippen; Schweinsrippen; Geflügel in Mehl gebacken; Feigenschnepfen; Purpurmuscheln, zwei Sorten. Die Mahlzeit selbst bestand aus Schweinsbrust, Schweinskopf; Fischpastete; Schweinspastete; Enten; Kriechenten gekocht; Hasen; gebratenem Geflügel; Kraftmehlbackwerk; pontischem Backwerk.
Das sind die Kollegienschmäuse, von denen Varro (rust. 3, 2, 16) sagt, daß sie die Preise aller Delikatessen in die Höhe trieben. Derselbe zählt in einer seiner Satiren als die namhaftesten ausländischen Delikatessen folgende auf: Pfauen von Samos; Haselhühner aus Phrygien; Kraniche von Melos; Zicklein von Ambrakia; Thunfische von Kalchedon; Muränen aus der Gaditanischen Meerenge; Edelfische (?) von Pessinus. Austern und Muscheln von Tarent; Störe (?) von Rhodos; Scarusfische (?) von Kilikien; Nüsse von Thasos; Datteln aus Ägypten; spanische Eicheln.
Daß Sittlichkeit und Familienleben unter solchen Verhältnissen in allen Schichten der Gesellschaft zur Antiquität wurden, versteht sich von selbst. Es war nicht mehr der ärgste Schimpf und das schlimmste Verbrechen, arm zu sein, sondern das einzige: um Geld verkaufte der Staatsmann den Staat, der Bürger seine Freiheit; um Geld war die Offizierstelle wie die Kugel des Geschworenen feil; um Geld gab die vornehme Dame so gut sich preis wie die gemeine Dirne; Urkundenfälschung und Meineide waren so gemein geworden, daß bei einem Volkspoeten dieser Zeit der Eid "das Schuldenpflaster" heißt. Man hatte vergessen, was Ehrlichkeit war; wer eine Bestechung zurückwies, galt nicht für einen rechtschaffenen Mann, sondern für einen persönlichen Feind. Die Kriminalstatistik aller Zeiten und Länder wird schwerlich ein Seitenstück bieten zu einem Schaudergemälde so mannigfaltiger, so entsetzlicher und so widernatürlicher Verbrechen, wie es der Prozeß des Aulus Cluentius in dem Schoß einer der angesehensten Familien einer italischen Ackerstadt vor uns aufrollt.
Wie aber im tiefen Grunde des Volkslebens der Schlamm immer giftiger und immer bodenloser sich sammelte, so legte sich um so viel glatter und gleißender über die Oberfläche der Firnis feiner Sitten und allgemeiner Freundschaft. Alle Welt besuchte sich einander, so daß in den vornehmen Häusern es schon nötig wird, die jeden Morgen zum Lever sich einstellenden Personen in einer gewissen, von dem Herrn oder gelegentlich auch dem Kammerdiener festgesetzten Reihenfolge vorzulassen, auch nur den namhafteren einzeln Audienz zu geben, die übrigen aber teils in Gruppen, teils schließlich in Masse abzufertigen, mit welcher Scheidung Gaius Gracchus, auch hierin der Pfadfinder der neuen Monarchie, vorangegangen sein soll. Eine ebenso große Ausdehnung wie die Höflichkeitsbesuche hat auch der Höflichkeitsbriefwechsel gewonnen; zwischen Personen, die weder ein persönliches Verhältnis noch Geschäfte miteinander haben, fliegen dennoch die "freundschaftlichen" Briefe über Land und Meer, und umgekehrt kommen eigentliche und förmliche Geschäftsbriefe fast nur da noch vor, wo das Schreiben an eine Korporation gerichtet ist. In der gleichen Weise werden die Einladungen zur Tafel, die üblichen Neujahrsgeschenke, die häuslichen Feste ihrem Wesen entfremdet und fast in öffentliche Festlichkeiten verwandelt; ja, der Tod selbst befreit nicht von diesen Rücksichten auf die unzähligen "Nächsten", sondern, um anständig gestorben zu sein, muß der Römer jeden derselben wenigstens mit einem Andenken bedacht haben. Ebenwie in gewissen Kreisen unserer Börsenwelt war der eigentliche innige häusliche und hausfreundliche Zusammenhang dem damaligen Rom so vollständig abhanden gekommen, daß mit den inhaltlos gewordenen Formen und Floskeln desselben der gesamte Geschäfts- und Bekanntenverkehr sich staffieren und dann allmählich an die Stelle der wirklichen jenes Gespenst der "Freundschaft" treten konnte, welches unter den mancherlei über den Ächtungen und Bürgerkriegen dieser Zeit schwebenden Höllengeistern nicht den letzten Platz einnimmt.
Ein ebenso charakteristischer Zug in dem schimmernden Verfall dieser Zeit ist die Emanzipation der Frauenwelt. ökonomisch hatten die Frauen längst sich selbständig gemacht; in der gegenwärtigen Epoche begegnen schon eigene Frauenanwälte, die einzelnstehenden reichen Damen bei ihrer Vermögensverwaltung und ihren Prozessen dienstbeflissen zur Hand gehen, durch Geschäfts- und Rechtskenntnis ihnen imponieren und damit reichlichere Trinkgelder und Erbschaftsquoten herausschlagen als andere Pflastertreter der Börse. Aber nicht bloß der ökonomischen Vormundschaft des Vaters oder des Mannes fühlten die Frauen sich entbunden. Liebeshändel aller Art waren beständig auf dem Tapet. Ballettänzerinnen ( mimae) nahmen an Mannigfaltigkeit und Virtuosität ihrer Industrien mit den heutigen es vollkommen auf; ihre Primadonnen, die Cytheris und wie sie weiter heißen, beschmutzen selbst die Blätter der Geschichte. Indes ihrem gleichsam konzessionierten Gewerbe tat sehr wesentlichen Abbruch die freie Kunst der Damen der aristokratischen Kreise. Liaisons in den ersten Häusern waren so häufig geworden, daß nur ein ganz ausnehmendes Ärgernis sie zum Gegenstand besonderen Klatsches machen konnte; ein gerichtliches Einschreiten nun gar schien beinahe lächerlich. Ein Skandal ohnegleichen, wie ihn Publius Clodius 693 (61) bei dem Weiberfest im Hause des Oberpontifex aufführte, obwohl tausendmal ärger als die Vorfälle, die noch fünfzig Jahre zuvor zu einer Reihe von Todesurteilen geführt hatten, ging fast ohne Untersuchung und ganz ohne Strafe hin. Die Badesaison – im April, wo die Staatsgeschäfte ruhten und die vornehme Welt in Baiae und Puteoli zusammenströmte – zog ihren Hauptreiz mit aus den erlaubten und unerlaubten Verhältnissen, die neben Musik und Gesang und eleganten Frühstücken im Nachen oder am Ufer die Gondelfahrten belebten. Hier herrschten die Damen unumschränkt; indes begnügten sie sich keineswegs mit dieser ihnen von Rechts wegen zustehenden Domäne, sondern sie machten auch Politik, erschienen in Parteizusammenkünften und beteiligten sich mit ihrem Geld und ihren Intrigen an dem wüsten Koterietreiben der Zeit. Wer diese Staatsmänninnen auf der Bühne Scipios und Catos agieren sah und daneben den jungen Elegant, wie er mit glattem Kinn, feiner Stimme und trippelndem Gang, mit Kopf- und Busentüchern, Manschettenhemden und Frauensandalen das lockere Dirnchen kopierte, dem mochte wohl grauen vor der unnatürlichen Welt, in der die Geschlechter die Rollen schienen wechseln zu wollen. Wie man in den Kreisen dieser Aristokratie über Ehescheidung dachte, läßt das Verfahren ihres besten und sittlichsten Mannes Marcus Cato erkennen, der auf Bitten eines heiratslustigen Freundes von seiner Frau sich zu scheiden, keinen Anstand nahm und ebensowenig daran, nach dem Tode dieses Freundes dieselbe Frau zum zweitenmal zu heiraten. Ehe- und Kinderlosigkeit griffen vornehmlich in den höheren Ständen immer weiter um sich. Wenn unter diesen die Ehe längst als eine Last galt, die man höchstens im öffentlichen Interesse über sich nahm, so begegnen wir jetzt schon auch bei Cato und Catos Gesinnungsgenossen der Maxime, aus der ein Jahrhundert zuvor Polybios den Verfall von Hellas ableitete: daß es Bürgerpflicht sei, die großen Vermögen zusammenzuhalten und darum nicht zu viel Kinder zu zeugen. Wo waren die Zeiten, als die Benennung "Kinderzeuger" ( proletarius) für den Römer ein Ehrenname gewesen war!
Infolge dieser sozialen Zustände schwand der latinische Stamm in Italien in erschreckender Weise zusammen und legte sich über die schönen Landschaften teils die parasitische Einwanderung, teils die reine Öde. Ein ansehnlicher Teil der Bevölkerung Italiens strömte in das Ausland. Schon die Summe von Kapazitäten und Arbeitskräften, welche die Lieferung von italischen Beamten und italischen Besatzungen für das gesamte Mittelmeergebiet in Anspruch nahm, überstieg die Kräfte der Halbinsel, zumal da die also in die Fremde gesandten Elemente zum großen Teil der Nation für immer verloren gingen. Denn je mehr die römische Gemeinde zu einem viele Nationen umfassenden Reiche erwuchs, desto mehr entwöhnte sich die regierende Aristokratie, Italien als ihre ausschließliche Heimat zu betrachten; von der zum Dienst ausgehobenen oder angeworbenen Mannschaft aber ging ein ansehnlicher Teil in den vielen Kriegen, namentlich in dem blutigen Bürgerkriege zugrunde, und ein anderer ward durch die lange, zuweilen auf ein Menschenalter sich erstreckende Dienstzeit der Heimat völlig entfremdet. In gleicher Weise wie der öffentliche Dienst hielt die Spekulation einen Teil der Grundbesitzer- und fast die ganze Kaufmannschaft wenn nicht auf zeitlebens, doch auf lange Zeit außer Landes fest und entwöhnte namentlich die letztere in dem demoralisierenden Handelsreiseleben überhaupt der bürgerlichen Existenz im Mutterlande und der vielfach bedingten innerhalb der Familie. Als Ersatz dafür erhielt Italien teils das Sklaven- und Freigelassenenproletariat, teils die aus Kleinasien, Syrien und Ägypten einströmenden Handwerker und Händler, die vornehmlich in der Hauptstadt und mehr noch in den Hafenstädten Ostia, Puteoli, Brundisium wucherten. Aber in dem größten und wichtigsten Teil Italiens trat nicht einmal ein solcher Ersatz der reinen Elemente durch unreine ein, sondern schwand die Bevölkerung sichtlich hin. Vor allem galt dies von den Weidelandschaften, wie denn das gelobte Land der Viehzucht, Apulien, von Gleichzeitigen der menschenleerste Teil Italiens genannt wird, und von der Umgegend Roms, wo die Campagna unter der steten Wechselwirkung des zurückgehenden Ackerbaues und der zunehmenden bösen Luft jährlich mehr verödete. Labici, Gabii, Bovillae, einst freundliche Landstädtchen, waren so verfallen, daß es schwer hielt, Vertreter derselben für die Zeremonie des Latinerfestes aufzutreiben. Tusculum, obwohl immer noch eine der angesehensten Gemeinden Latiums, bestand fast nur noch aus einigen vornehmen Familien, die in der Hauptstadt lebten, aber ihr tusculanisches Heimatrecht festhielten, und stand an Zahl der stimmfähigen Bürger weit zurück selbst hinter kleinen Gemeinden des inneren Italiens. Der Stamm der waffenfähigen Mannschaft war in diesem Landstrich, auf dem einst Roms Wehrhaftigkeit wesentlich beruht hatte, so vollständig ausgegangen, daß man die im Vergleich mit den gegenwärtigen Verhältnissen fabelhaft klingenden Berichte der Chronik von den Äquer- und Volskerkriegen mit Staunen und vielleicht mit Grauen las. Nicht überall war es so arg, namentlich nicht in den übrigen Teilen Mittelitaliens und in Kampanien: aber dennoch "standen", wie Varro klagt, durchgängig einst menschenreiche Städte verödet.
Es ist ein grauenvolles Bild, dies Bild Italiens unter dem Regiment der Oligarchie. Zwischen der Welt der Bettler und der Welt der Reichen ist der verhängnisvolle Gegensatz durch nichts vermittelt oder gemildert. Je deutlicher und peinlicher er auf beiden Seiten empfunden ward, je schwindelnd höher der Reichtum stieg, je tiefer der Abgrund der Armut gähnte, desto häufiger ward in dieser wechselvollen Welt der Spekulation und des Glücksspiels der einzelne aus der Tiefe in die Höhe und wieder aus der Höhe in die Tiefe geschleudert. Je weiter äußerlich die beiden Welten auseinanderklafften, desto vollständiger begegneten sie sich in der gleichen Vernichtung des Familienlebens, das doch aller Nationalität Keim und Kern ist, in der gleichen Faulheit und Üppigkeit, der gleichen bodenlosen Ökonomie, der gleichen unmännlichen Abhängigkeit, der gleichen, nur im Tarif unterschiedenen Korruption, der gleichen Verbrecherentsittlichung, dem gleichen Gelüsten, mit dem Eigentum den Krieg zu beginnen. Reichtum und Elend im innigen Bunde treiben die Italiker aus Italien aus und füllen die Halbinsel halb mit Sklavengewimmel, halb mit schauerlicher Stille. Es ist ein grauenvolles Bild, aber kein eigentümliches; überall, wo das Kapitalistenregiment im Sklavenstaat sich vollständig entwickelt, hat es Gottes schöne Welt in gleicher Weise verwüstet. Wie die Ströme in verschiedenen Farben spiegeln, die Kloake aber überall sich gleich sieht, so gleicht auch das Italien der ciceronischen Epoche wesentlich dem Hellas des Polybios und bestimmter noch dem Karthago der hannibalischen Zeit, wo in ganz ähnlicher Weise das allmächtig regierende Kapital den Mittelstand zugrunde gerichtet, den Handel und die Gutswirtschaft zur höchsten Blüte gesteigert und schließlich eine gleißend übertünchte sittliche und politische Verwesung der Nation herbeigeführt hatte. Alles, was in der heutigen Welt das Kapital an argen Sünden gegen Nation und Zivilisation begangen hat, bleibt so tief unter den Greueln der alten Kapitalistenstaaten, wie der freie Mann, sei er auch noch so arm, über dem Sklaven bleibt; und erst wenn Nordamerikas Drachensaat reift, wird die Welt wieder ähnliche Früchte zu ernten haben.
Diese Leiden, an denen die italische Volkswirtschaft daniederlag, waren ihrem tiefsten Kerne nach unheilbar, und was daran noch geheilt werden konnte, mußte wesentlich das Volk und die Zeit bessern; denn auch die weiseste Regierung vermag so wenig wie der geschickteste Arzt, die verdorbenen Säfte des Organismus in frische zu verwandeln oder bei tieferliegenden Übeln mehr zu tun, als die Zufälligkeiten abzuwehren, die die Heilkraft der Natur in ihrem Wirken hindern. Eine solche Abwehr gewährte an sich schon die friedliche Energie des neuen Regiments, durch welche einige der ärgsten Auswüchse von selber wegfielen, wie zum Beispiel die künstliche Großziehung des Proletariats, die Straflosigkeit der Verbrechen, der Ämterkauf und anderes mehr. Allein etwas mehr konnte die Regierung doch tun als bloß nicht schaden. Caesar gehörte nicht zu den überklugen Leuten, die das Meer darum nicht eindämmen, weil der Springflut doch kein Deich zu trotzen vermag. Es ist besser, wenn die Nation und ihre Ökonomie von selbst die naturgemäße Bahn geht; aber da sie aus dieser ausgewichen war, so setzte Caesar alle seine Energie ein, um von oben herab die Nation in das heimatliche und Familienleben zurückzubringen und die Volksökonomie durch Gesetz und Dekret zu reformieren. Um der dauernden Abwesenheit der Italiker aus Italien zu steuern und die vornehme Welt und die Kaufmannschaft zur Gründung eigener Herde in der Heimat zu veranlassen, wurde nicht bloß die Dienstzeit der Soldaten verkürzt, sondern auch den Männern senatorischen Standes überhaupt untersagt, anders als in öffentlichen Geschäften ihren Aufenthalt außerhalb Italiens zunehmen, den übrigen Italikern in heiratsfähigem Alter (vom zwanzigsten bis zum vierzigsten Jahr) vorgeschrieben, nicht über drei Jahre hintereinander von Italien abwesend zu sein. In demselben Sinn hatte Caesar schon in seinem ersten Konsulat bei Gründung der Kolonie Capua die Väter mehrerer Kinder vorzugsweise bedacht und setzte nun als Imperator den Vätern zahlreicher Familien außerordentliche Belohnungen aus, während er zugleich als oberster Richter der Nation Scheidung und Ehebruch mit einem nach römischen Begriffen unerhörten Rigorismus behandelte. Er verschmähte es sogar nicht, ein detailliertes Luxusgesetz zu erlassen, das unter anderm die Bauverschwendung wenigstens in einem ihrer unsinnigsten Auswüchse, den Grabmonumenten, beschnitt, den Gebrauch von Purpurgewändern und Perlen auf gewisse Zeiten, Alters- und Rangklassen beschränkte und ihn erwachsenen Männern ganz untersagte, dem Tafelaufwand ein Maximum setzte und eine Anzahl Luxusgerichte geradezu verbot. Dergleichen Verordnungen waren freilich nicht neu; neu aber war es, daß der "Sittenmeister" ernstlich über deren Befolgung hielt, die Eßwarenmärkte durch bezahlte Aufpasser überwachte, ja, den vornehmen Herren durch seine Gerichtsdiener die Tafel revidieren und die verbotenen Schüsseln auf dieser selbst konfiszieren ließ. Durch solche theoretische und praktische Unterweisung in der Mäßigkeit, welche die neue monarchische Polizei der vornehmen Welt erteilte, konnte freilich kaum mehr erreicht werden, als daß der Luxus sich etwas mehr in die Verborgenheit zurückzog; allein wenn die Heuchelei die Huldigung ist, die das Laster der Tugend darbringt, so war unter den damaligen Verhältnissen selbst eine polizeilich hergestellte Scheinehrbarkeit ein nicht zu verachtender Fortschritt zum Bessern.
Ernsterer Art waren und mehr Erfolg versprachen die Maßregeln Caesars zur besseren Regulierung der italischen Geld- und Bodenwirtschaft. Zunächst handelte es sich hier um transitorische Bestimmungen hinsichtlich des Geldmangels und der Schuldenkrise überhaupt. Das durch den Lärm über die zurückgehaltenen Kapitalien hervorgerufene Gesetz, daß niemand über 60000 Sesterzen (4600 Taler) an barem Gold und Silber vorrätig haben dürfe, mag wohl nur erlassen sein, um den Zorn des blinden Publikums gegen die Wucherer zu beschwichtigen; die Form der Publikation, wobei fingiert ward, daß hiermit nur ein älteres, in Vergessenheit geratenes Gesetz wieder eingeschärft werde, zeigt es, daß Caesar dieser Verfügung sich schämte, und schwerlich wird von ihr wirklich Anwendung gemacht sein. Eine weit ernstere Frage war die Behandlung der schwebenden Forderungen, deren vollständigen Erlaß die Partei, die sich die seine nannte, von Caesar mit Ungestüm begehrte. Daß derselbe auf dieses Begehren so nicht einging, ward schon gesagt; indes wurden doch, und zwar schon im Jahre 705 (49), den Schuldnern zwei wichtige Zugeständnisse gemacht. Einmal wurden die rückständigen Zinsen niedergeschlagenDieses ist zwar nicht überliefert, folgt aber notwendig aus der Gestattung, die durch Barzahlung oder Anweisung gezahlten Zinsen ( si quid usurae nomine numeratum auf perscriptum fuisset: Suet. Caes. 42) als gesetzwidrig gezahlt an dem Kapital zu kürzen. und die gezahlten vom Kapital abgezogen. Zweitens ward der Gläubiger genötigt, die bewegliche und unbewegliche Habe des Schuldners an Zahlungs Statt nach demjenigen Taxwert anzunehmen, welchen die Sachen vor dem Bürgerkrieg und der durch denselben herbeigeführten allgemeinen Entwertung gehabt hatten. Die letztere Festsetzung war nicht unbillig; wenn der Gläubiger tatsächlich als der Eigentümer der Habe seines Schuldners bis zum Belauf der ihm geschuldeten Summe anzusehen war, so war es wohl gerechtfertigt, daß er an der allgemeinen Entwertung des Besitzes seinen Anteil mittrug. Dagegen die Annullierung der geleisteten oder ausstehenden Zinszahlungen, durch welche der Sache nach die Gläubiger außer den Zinsen selbst von dem, was sie zur Zeit der Erlassung des Gesetzes an Kapital zu fordern hatten, durchschnittlich 25 Prozent einbüßten, war in der Tat nichts anderes als eine teilweise Gewährung der von den Demokraten so ungestüm begehrten Kassation der aus Darlehen herrührenden Forderungen; und wie arg auch die Zinswucherer gewirtschaftet haben mochten, so ist es doch nicht möglich, damit die rückwirkende Vernichtung aller Zinsforderungen ohne Unterschied zu rechtfertigen. Um diese Agitation wenigstens zu begreifen, muß man sich erinnern, wie die demokratische Partei zu der Zinsfrage stand. Das gesetzliche Verbot, Zinsen zu nehmen, das die alte Plebejeropposition im Jahre 412 (342) erzwungen hatte, war zwar durch die mittels der Prätur den Zivilprozeß beherrschende Nobilität tatsächlich außer Anwendung gesetzt, aber doch formell seit jener Zeit in Gültigkeit geblieben; und die Demokraten des siebenten Jahrhunderts, die sich durchaus als die Fortsetzer jener alten ständisch-sozialen Bewegung betrachteten, hatten die Nichtigkeit der Zinszahlungen zu jeder Zeit behauptet, auch schon in den Wirren der marianischen Zeit dieselbe wenigstens vorübergehend praktisch geltend gemacht. Es ist nicht glaublich, daß Caesar die kruden Ansichten seiner Partei über die Zinsfrage teilte; wenn er in seinem Bericht über die Liquidationsangelegenheit der Verfügung über die Hingabe der Habe der Schuldner an Zahlungs Statt gedenkt, aber von der Kassation der Zinsen schweigt, so ist dies vielleicht ein stummer Selbstvorwurf. Allein wie jeder Parteiführer hing doch auch er von seiner Partei ab und konnte die traditionellen Sätze der Demokratie in der Zinsfrage nicht geradezu verleugnen; um so mehr, als er über diese Frage nicht als der allmächtige Sieger von Pharsalos, sondern schon vor seinem Abgang nach Epirus zu entscheiden hatte. Wenn er aber diesen Bruch in die Rechtsordnung und das Eigentum vielleicht mehr zuließ als bewirkte, so ist es sicher sein Verdienst, daß jenes ungeheuerliche Begehren der Kassation sämtlicher Darlehnsforderungen zurückgewiesen ward: und es darf wohl als eine Ehrenrettung für ihn angesehen werden, daß die Schuldner über das ihnen gemachte, nach ihrer Ansicht höchst ungenügende Zugeständnis noch weit ungehaltener waren als die verkürzten Gläubiger und unter Caelius und Dolabella jene törichten und, wie bereits früher erzählt, rasch vereitelten Versuche machten, das, was Caesar ihnen verweigert hatte, durch Krawall und Bürgerkrieg zu erzwingen.
Aber Caesar beschränkte sich nicht darauf, dem Schuldner für den Augenblick zu helfen, sondern er tat, was er als Gesetzgeber tun konnte, um die fürchterliche Allmacht des Kapitals auf die Dauer zu beugen. Vor allen Dingen ward der große Rechtssatz proklamiert, daß die Freiheit nicht ein dem Eigentum kommensurables Gut ist, sondern ein ewiges Menschenrecht, das der Staat nur dem Schuldigen, nicht dem Schuldner abzuerkennen das Recht hat. Es ist Caesar, der, vielleicht auch hier angeregt durch die humanere ägyptische und griechische, besonders die Solonische GesetzgebungDie ägyptischen Königsgesetze (Diod. 1, 79) und ebenso das Solonische Recht (Plut. Sol. 13, 15) untersagten die Schuldbriefe, worin auf die Nichtzahlung der Verlust der persönlichen Freiheit des Schuldners gesetzt war; und wenigstens das letztere legte auch im Falle des Konkurses dem Schuldner nicht mehr auf als die Abtretung seiner sämtlichen Aktiva., dieses den Satzungen der älteren Konkursordnung schnurstracks widersprechende Prinzip eingeführt hat in das gemeine Recht, wo es seit ihm unangefochten sich behauptet. Nach römischem Landrecht ward der zahlungsunfähige Schuldner Knecht seines Gläubigers. Das Poetelische Gesetz hatte zwar dem nur durch Verlegenheiten, nicht durch wahre Überschuldung augenblicklich zahlungsunfähig Gewordenen verstattet, durch Abtretung seiner Habe die persönliche Freiheit zu retten; für den wirklich Überschuldeten jedoch war jener Rechtssatz wohl in Nebenpunkten gemildert, aber in der Hauptsache durch ein halbes Jahrtausend unverändert festgehalten worden; ein zunächst auf das Vermögen gerichteter Konkurs kam nur ausnahmsweise vor dann, wenn der Schuldner tot oder seines Bürgerrechts verlustig gegangen oder nicht aufzufinden war. Erst Caesar gab dem überschuldeten Manne das Recht, worauf noch unsere heutigen Konkursordnungen beruhen: durch förmliche Abtretung der Habe an die Gläubiger, mochte sie zu ihrer Befriedigung ausreichen oder nicht, allemal seine persönliche Freiheit, wenn auch mit geschmälerten Ehren- und politischen Rechten, zu erretten und eine neue Vermögensexistenz zu beginnen, in der er wegen der aus der älteren Zeit herrührenden und im Konkurs nicht gedeckten Forderungen nur dann eingeklagt werden durfte, wenn er sie bezahlen konnte, ohne wiederum sich ökonomisch zu ruinieren. Wenn also dem großen Demokraten die unvergängliche Ehre zuteil ward, die persönliche Freiheit prinzipiell vom Kapital zu emanzipieren, so versuchte er ferner, die Übermacht des Kapitals durch Wuchergesetze auch polizeilich einzudämmen. Die demokratische Antipathie gegen die Zinsverträge verleugnete auch er nicht. Für den italischen Geldverkehr wurde eine Maximalsumme der dem einzelnen Kapitalisten zu gestattenden Zinsdarlehen festgestellt, welche sich nach dem einem jeden zuständigen italischen Grundbesitz gerichtet zu haben scheint und vielleicht die Hälfte des Wertes desselben betrug. Übertretungen dieser Bestimmung wurden, nach Art des in den republikanischen Wuchergesetzen vorgeschriebenen Verfahrens, als Kriminalvergehen behandelt und vor eine eigene Geschworenenkommission gewiesen. Wenn es gelang, diese Vorschriften praktisch durchzuführen, so wurde jeder italische Geschäftsmann dadurch genötigt, vor allem zugleich auch italischer Grundbesitzer zu werden, und die Klasse der bloß von ihren Zinsen zehrenden Kapitalisten verschwand in Italien gänzlich. Mittelbar wurde damit auch die nicht minder schädliche Kategorie der überschuldeten und der Sache nach nur für ihre Gläubiger das Gut verwaltenden Grundeigentümer wesentlich beschränkt, indem die Gläubiger, wenn sie ihr Zinsgeschäft fortführen wollten, gezwungen wurden, selber sich anzukaufen. Schon hierin übrigens liegt es, daß Caesar keineswegs jenes naive Zinsverbot der alten Popularpartei einfach erneuern, sondern vielmehr das Zinsnehmen innerhalb gewisser Grenzen gestatten wollte. Sehr wahrscheinlich aber hat er dabei sich nicht auf jene bloß für Italien gültige Anordnung eines Maximalsatzes der auszuleihenden Summen beschränkt, sondern auch, namentlich mit Rücksicht auf die Provinzen, für die Zinsen selbst Maximalsätze vorgeschrieben. Die Verfügungen, daß es unstatthaft sei, höhere Zinsen als eins vom Hundert monatlich oder von rückständigen Zinsen wieder Zinsen zu nehmen oder endlich an rückständigen Zinsen mehr als eine dem Kapital gleichkommende Summe gerichtlich geltend zu machen, wurden, wahrscheinlich ebenfalls nach griechisch-ägyptischem MusterWenigstens der letztere Satz kehrt wieder in den alten ägyptischen Königsgesetzen (Diod. 1, 79). Dagegen kennt das Solonische Recht keine Zinsbeschränkungen, erlaubt vielmehr ausdrücklich, Zinsen von jeder beliebigen Höhe auszumachen., im Römischen Reiche zuerst von Lucius Lucullus für Kleinasien aufgestellt und daselbst von seinen besseren Nachfolgern beibehalten, sodann bald auch auf andere Provinzen durch Statthalterverordnungen übertragen und endlich wenigstens ein Teil derselben durch einen Beschluß des römischen Senats vom Jahre 704 (50) mit Gesetzeskraft in allen Provinzen versehen. Wenn diese Lucullischen Verfügungen späterhin in ihrem vollen Umfang als Reichsgesetz erscheinen und durchaus die Grundlage der römischen, ja der heutigen Zinsgesetzgebung geworden sind, so darf auch dies vielleicht auf eine Bestimmung Caesars zurückgeführt werden.
Hand in Hand mit diesen Bestrebungen, der Kapitalübermacht zu wehren, gingen die Bemühungen, die Bodenwirtschaft in diejenige Bahn zurückzuleiten, die dem Gemeinwesen die förderlichste war. Sehr wesentlich war hierfür schon die Verbesserung der Rechtspflege und der Polizei. Wenn bisher niemand in Italien seines Lebens und seines beweglichen oder unbeweglichen Eigentums sicher gewesen war, wenn zum Beispiel die römischen Bandenführer in den Zwischenzeiten, wo ihre Leute nicht in der Hauptstadt Politik machen halfen, in den Wäldern Etruriens dem Raube obgelegen oder auch die Landgüter ihrer Soldherren durch Eroberungen arrondiert hatten, so hatte dergleichen Faustrecht nunmehr ein Ende; und vor allem die ackerbauende Bevölkerung aller Klassen mußte davon die wohltätigen Folgen empfinden. Auch Caesars Baupläne, die sich durchaus nicht auf die Hauptstadt beschränkten, waren bestimmt, hier einzugreifen; so sollte zum Beispiel die Anlegung einer bequemen Fahrstraße von Rom durch die Apenninenpässe zum Adriatischen Meer den italischen Binnenverkehr beleben, die Niedrigerlegung des Fuciner Sees der marsischen Bauernschaft zugute kommen. Allein auch unmittelbar griff Caesar in die wirtschaftlichen Zustände Italiens ein. Den italischen Viehzüchtern wurde auferlegt, wenigstens den dritten Teil ihrer Hirten aus freigeborenen, erwachsenen Leuten zu nehmen, wodurch zugleich dem Banditenwesen gesteuert und dem freien Proletariat eine Erwerbsquelle geöffnet ward. In der agrarischen Frage ging Caesar, der bereits in seinem ersten Konsulat in die Lage gekommen war, sie zu regulieren, verständiger als Tiberius Gracchus, nicht darauf aus, die Bauernwirtschaft wiederherzustellen um jeden Preis, selbst um den einer unter juristischen Klauseln versteckten Revolution gegen das Eigentum; ihm wie jedem andern echten Staatsmann galt vielmehr als die erste und unverbrüchlichste aller politischen Maximen die Sicherheit dessen, was Eigentum ist oder doch im Publikum als Eigentum gilt, und nur innerhalb der hierdurch gezogenen Schranken suchte er die Hebung des italischen Kleinbesitzes, die auch ihm als eine Lebensfrage der Nation erschien, zu bewerkstelligen. Es ließ auch so noch viel in dieser Beziehung sich tun. Jedes Privatrecht, mochte es Eigentum oder titulierter Erbbesitz heißen, auf Gracchus oder auf Sulla zurückgehen, ward unbedingt von ihm respektiert. Dagegen das sämtliche wirkliche Domanialland in Italien, mit Einschluß eines ansehnlichen Teils der in den Händen geistlicher Innungen befindlichen, rechtlich dem Staate zuständigen Liegenschaften, wurde von Caesar, nachdem er in seiner streng sparsamen, auch im kleinen keine Verschleuderung und Vernachlässigung duldenden Weise durch die wiedererweckte Zwanzigerkommission eine allgemeine Revision der italischen Besitztitel veranstaltet hatte, zur Verteilung in gracchanischer Weise bestimmt, natürlich soweit es sich zum Ackerbau eignete – die dem Staate gehörigen apulischen Sommer- und samnitischen Winterweiden blieben auch ferner Domäne; und es war wenigstens die Absicht des Imperators, wenn diese Domänen nicht ausreichen würden, das weiter erforderliche Land durch Ankauf italischer Grundstücke aus der Staatskasse zu beschaffen. Bei der Auswahl der neuen Bauern wurden natürlich vor allen die gedienten Soldaten berücksichtigt und soweit möglich die Last, welche die Aushebung für das Mutterland war, dadurch in eine Wohltat umgewandelt, daß Caesar den als Rekruten ausgehobenen Proletarier ihm als Bauer zurückgab; bemerkenswert ist es auch, daß die verödeten latinischen Gemeinden, wie zum Beispiel Veii und Capena, vorzugsweise mit neuen Kolonisten bedacht worden zu sein scheinen. Die Vorschrift Caesars, daß die neuen Eigentümer erst nach zwanzig Jahren befugt sein sollten, die empfangenen Ländereien zu veräußern, war ein glücklicher Mittelweg zwischen der völligen Freigebung des Veräußerungsrechts, die den größten Teil des verteilten Landes rasch wieder in die Hände der großen Kapitalisten zurückgeführt haben würde, und den bleibenden Beschränkungen der Verkehrsfreiheit, wie sie Tiberius Gracchus und Sulla, beide gleich vergeblich, verfügt hatten.
Wenn also die Regierung energisch dazu tat, die kranken Elemente des italischen Volkslebens zu entfernen und die gesunden zu stärken, so sollte endlich das neu regulierte Munizipalwesen, nachdem sich dasselbe erst jüngst aus der Krise des Bundesgenossenkriegs in und neben dem Staatswesen entwickelt hatte, der neuen absoluten Monarchie das mit ihr verträgliche Gemeindeleben mitteilen und die stockende Zirkulation der edelsten Elemente des öffentlichen Lebens wieder zu rascheren Pulsschlägen erwecken. Als leitender Grundsatz in den beiden im Jahre 705 (49) für das Cisalpinische Gallien, im Jahre 709 (45) für Italien erlassenen GemeindeordnungenVon beiden Gesetzen sind beträchtliche Bruchstücke noch vorhanden., von denen namentlich die letztere für die ganze Folgezeit Grundgesetz blieb, erscheint teils die strenge Reinigung der städtischen Kollegien von allen unsittlichen Elementen, während von politischer Polizei darin keine Spur vorkommt, teils die möglichste Beschränkung des Zentralisierens und die möglichst freie Bewegung der Gemeinden, denen auch jetzt noch die Wahl der Beamten und eine wenngleich beschränkte Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit verblieb. Die allgemeinen polizeilichen Bestimmungen, zum Beispiel die Beschränkungen des Assoziationsrechts, griffen freilich auch hier Platz.
Dies sind die Ordnungen, durch die Caesar versuchte, die italische Volkswirtschaft zu reformieren. Es ist leicht, sowohl ihre Unzulänglichkeit darzutun, indem auch sie noch eine Menge von Übelständen bestehen ließen, als auch nachzuweisen, daß sie vielfach schädlich wirkten, indem sie die Verkehrsfreiheit zum Teil sehr empfindlich beschränkten. Es ist noch leichter nachzuweisen, daß die Schäden der italischen Volkswirtschaft überhaupt unheilbarer Art waren. Aber trotzdem wird der praktische Staatsmann das Werk wie den Meister bewundern. Es war schon etwas, daß da, wo ein Mann wie Sulla, an Abhilfe verzweifelnd, mit einer bloß formalen Reorganisation sich begnügt hatte, das Übel an seinem eigentlichen Sitze angefaßt und hier mit ihm gerungen ward; und wir dürfen wohl urteilen, daß Caesar mit seinen Reformen dem Maße des Möglichen so nahe kam, als zu kommen dem Staatsmann und dem Römer gegeben war. Die Verjüngung Italiens hat auch er von ihnen nicht erwarten können noch erwartet, sondern diese vielmehr auf einem sehr verschiedenen Wege zu erreichen gesucht, den darzulegen es nötig wird, zunächst die Lage der Provinzen, wie Caesar sie vorfand, ins Auge zu fassen.
Die Provinzen, welche Caesar vorfand, waren vierzehn an der Zahl; sieben europäische: das Jenseitige und das Diesseitige Spanien; das Transalpinische Gallien; das Italische Gallien mit Illyricum; Makedonien mit Griechenland; Sizilien; Sardinien mit Korsika; fünf asiatische: Asia; Bithynien und Pontus; Kilikien mit Kypros; Syrien; Kreta; und zwei afrikanische: Kyrene und Afrika; wozu Caesar durch die Einrichtung der beiden neuen Statthalterschaften des Lugdunensischen Galliens und Belgiens und durch Konstituierung Illyricums als einer eigenen Provinz noch drei neue Sprengel hinzufügteDa nach Caesars Ordnung jährlich sechzehn Proprätoren und zwei Prokonsuln in die Statthalterschaften sich teilten und die letzteren zwei Jahre im Amt blieben, so möchte man schließen daß er die Zahl der Provinzen insgesamt auf zwanzig zu bringen beabsichtigte. Zu einer Gewißheit ist indes hier um so weniger zu gelangen, als Caesar vielleicht absichtlich weniger Ämter einrichtete als Kandidaturen..
In dem Regiment über diese Provinzen war die oligarchische Mißwirtschaft auf einem Punkte angekommen, wie ihn wenigstens im Okzident, trotz mancher achtbarer Leistungen in diesem Fach, keine zweite Regierung jemals erreicht hat und wo nach unserer Fassungskraft eine Steigerung nicht mehr möglich scheint. Allerdings traf die Verantwortung hierfür die Römer nicht allein. Fast überall hatte bereits vor ihnen das griechische, phönikische oder asiatische Regiment den Völkern den höheren Sinn und das Rechts- und Freiheitsgefühl besserer Zeiten ausgetrieben. Es war wohl arg, daß jeder angeschuldigte Provinziale auf Verlangen in Rom persönlich zur Verantwortung sich zu stellen verpflichtet war; daß der römische Statthalter beliebig in die Rechtspflege und in die Verwaltung der abhängigen Gemeinden eingriff, Bluturteile fällte und Verhandlungen des Gemeinderats kassierte; daß er im Kriegsfall mit den Milizen nach Gutdünken und oft in schandbarer Weise schaltete, wie zum Beispiel Cotta bei der Belagerung des pontischen Herakleia der Miliz alle gefährlichen Posten anwies, um seine Italiker zu schonen, und, da die Belagerung nicht nach Wunsch ging, seinen Werkmeistern den Kopf vor die Füße zu legen befahl. Es war wohl arg, daß keine Vorschrift der Sittlichkeit oder des Strafrechts weder die römischen Vögte noch ihr Gefolge band und daß Vergewaltigungen, Schändungen und Ermordungen mit oder ohne Form Rechtens in den Provinzen alltägliche Auftritte waren. Allein es war dies wenigstens nichts Neues: fast überall war man sklavischer Behandlung längst gewohnt und es kam am Ende wenig darauf an, ob ein karthagischer Vogt, ein syrischer Satrap oder ein römischer Prokonsul den Lokaltyrannen spielte. Das materielle Wohlbefinden, ziemlich das einzige, wofür man in den Provinzen noch Sinn hatte, ward durch jene Vorgänge, die zwar bei den vielen Tyrannen viele, aber doch nur einzelne Individuen trafen, weit minder gestört als durch die auf allen zugleich lastende finanzielle Exploitierung, welche mit solcher Energie doch niemals noch aufgetreten war. Die Römer bewährten ihre alte Meisterschaft im Geldwesen jetzt auf diesem Gebiet in einer entsetzlichen Weise. Es ist früher versucht worden, das römische System der Provinzialbelastung in seinen bescheidenen und verständigen Grundlagen wie in seiner Steigerung und Verderbung darzustellen. Daß die letztere progressiv zunahm, versteht sich von selbst. Die ordentlichen Abgaben wurden weit drückender durch die Ungleichheit der Steuerverteilung und durch das verkehrte Hebesystem als durch ihre Höhe. Über die Einquartierungslast äußerten römische Staatsmänner selbst, daß eine Stadt ungefähr gleich viel leide, wenn der Feind sie erstürme und wenn ein römisches Heer Winterquartier in ihr nehme. Während die Besteuerung nach ihrem ursprünglichen Charakter die Vergütung für die von Rom übernommene Kriegslast gewesen war und die steuernde Gemeinde also ein Recht darauf hatte, vom ordentlichen Dienst verschont zu bleiben, wurde jetzt, wie zum Beispiel für Sardinien bezeugt ist, der Besatzungsdienst größtenteils den Provinzialen aufgebürdet und sogar in den ordentlichen Heeren außer anderen Leistungen die ganze schwere Last des Reiterdienstes auf sie abgewälzt. Die außerordentlichen Leistungen, wie zum Beispiel die Kornlieferungen gegen geringe oder gar keine Vergütung zum Besten des hauptstädtischen Proletariats, die häufigen und kostspieligen Flottenrüstungen und Strandverteidigungen, um der Piraterie zu steuern, die Aufgaben, Kunstwerke, wilde Bestien oder andere Bedürfnisse des wahnwitzigen römischen Theater- und Tierhetzenluxus herbeizuschaffen, die militärischen Requisitionen im Kriegsfall, waren ebenso häufig wie erdrückend und unberechenbar. Ein einzelnes Beispiel mag zeigen, wie weit die Dinge gingen. Während der dreijährigen Verwaltung Siziliens durch Gaius Verres sank die Zahl der Ackerwirte in Leontinoi von 84 auf 32, in Motuka von 187 auf 86, in Herbita von 252 auf 120, in Agyrion von 250 auf 80; so daß in vier der fruchtbarsten Distrikte Siziliens von hundert Grundbesitzern 59 ihre Äcker lieber brach liegen ließen, als sie unter diesem Regiment bestellten. Und diese Ackerwirte waren, wie schon ihre geringe Zahl zeigt und auch ausdrücklich gesagt wird, keineswegs kleine Bauern, sondern ansehnliche Plantagenbesitzer und zum großen Teil römische Bürger!
In den Klientelstaaten waren die Formen der Besteuerung etwas verschieden, aber die Lasten selbst womöglich noch ärger, da außer den Römern hier auch noch die einheimischen Höfe erpreßten. In Kappadokien und Ägypten war der Bauer wie der König bankrott und jener den Steuereinnehmer, dieser den römischen Gläubiger zu befriedigen außerstande. Dazu kamen denn die eigentlichen Erpressungen nicht bloß des Statthalters selbst, sondern auch seiner "Freunde", von denen jeder gleichsam eine Anweisung auf den Statthalter zu haben meinte und ein Anrecht, durch ihn aus der Provinz als ein gemachter Mann zurückzukommen. Die römische Oligarchie glich in dieser Beziehung vollständig einer Räuberbande und betrieb das Plündern der Provinzialen berufs- und handwerksmäßig: ein tüchtiges Mitglied griff nicht allzu säuberlich zu, da man ja mit den Sachwaltern und den Geschworenen zu teilen hatte und je mehr, um desto sicherer stahl. Auch die Diebesehre war bereits entwickelt: der große Räuber sah auf den kleinen, dieser auf den bloßen Dieb geringschätzig herab; wer einmal wunderbarerweise verurteilt worden war, tat groß mit der hohen Ziffer der als erpreßt ihm nachgewiesenen Summen. So wirtschafteten in den Ämtern die Nachfolger jener Männer, die von ihrer Verwaltung nichts nach Hause zu bringen gewohnt gewesen als den Dank der Untertanen und den Beifall der Mitbürger.
Aber womöglich noch ärger und noch weniger einer Kontrolle unterworfen hausten die italischen Geschäftsmänner unter den unglücklichen Provinzialen. Die einträglichsten Stücke des Grundbesitzes und das gesamte Handels- und Geldwesen in den Ämtern konzentrierten sich in ihren Händen. Die Güter in den überseeischen Gebieten, welche italischen Vornehmen gehörten, waren allem Elend der Verwalterwirtschaft ausgesetzt und sahen niemals ihren Herrn, ausgenommen etwa die Jagdparke, welche schon in dieser Zeit im Transalpinischen Gallien mit einem Flächeninhalt bis fast zu einer deutschen Quadratmeile vorkommen. Die Wucherei florierte wie nie zuvor. Die kleinen Landeigentümer in Illyricum, Asia, Ägypten wirtschafteten schon zu Varros Zeit größtenteils tatsächlich als Schuldknechte ihrer römischen oder nichtrömischen Gläubiger, ebenwie einst die Plebejer für ihre patrizischen Zinsherren. Es kam vor, daß Kapitalien selbst an Stadtgemeinden zu vier Prozent monatlich verborgt wurden. Es war etwas Gewöhnliches, daß ein energischer und einflußreicher Geschäftsmann zu besserer Betreibung seiner Geschäfte entweder vom Senat sich den Gesandten-Dies ist die sogenannte "freie Gesandtschaft" (libera legatio), nämlich eine Gesandtschaft ohne eigentliche öffentliche Aufträge. oder auch vom Statthalter den Offizierstitel geben ließ und womöglich auch Mannschaft dazu; in beglaubigter Weise wird ein Fall erzählt, wo einer dieser ehrenwerten kriegerischen Bankiers wegen einer Forderung an die Stadt Salamis auf Kypros den Gemeinderat derselben im Rathaus so lange blockiert hielt, bis fünf der Ratsmitglieder Hungers gestorben waren.
Zu dieser gedoppelten Pressung, von denen jede allein unerträglich war und deren Ineinandergreifen immer besser sich regulierte, kamen dann die allgemeinen Drangsale hinzu, von denen doch auch die römische Regierung die Schuld, zum großen Teil wenigstens mittelbar trug. In den vielfachen Kriegen wurden bald von den Barbaren, bald von den römischen Heeren große Kapitalien aus dem Lande weggeschleppt und größere verdorben. Bei der Nichtigkeit der römischen Land- und Seepolizei wimmelte es überall von Land- und Seeräubern. In Sardinien und im inneren Kleinasien war die Bandenwirtschaft endemisch; in Afrika und im Jenseitigen Spanien machte sie es nötig, alle außerhalb der städtischen Ringmauern angelegten Gebäude mit Mauern und Türmen zu befestigen. Das furchtbare Übel der Piraterie ward bereits in einem anderen Zusammenhang geschildert. Die Panazeen des Prohibitivsystems, mit denen der römische Statthalter dazwischenzufahren pflegte, wenn, wie das unter solchen Verhältnissen nicht fehlen konnte, Geldklemme oder Brotteuerung eintrat, die Verbote der Gold- und Getreideausfuhr aus der Provinz, machten denn auch die Sache nicht besser. Die Kommunalverhältnisse waren fast überall, außer durch den allgemeinen Notstand, auch noch durch lokale Wirren und Unterschleife der Gemeindebeamten zerrüttet. Wo solche Bedrängnisse nicht etwa vorübergehend, sondern Menschenalter hindurch auf den Gemeinden und den einzelnen mit unabwendbar stetigem, jährlich steigendem Drucke lasteten, mußte wohl der bestgeordnete öffentliche oder Privathaushalt ihnen erliegen und das unsäglichste Elend über alle Nationen vom Tajo bis zum Euphrat sich ausbreiten. "Alle Gemeinden", heißt es in einer schon 684 (70) veröffentlichten Schrift "sind zugrunde gerichtet"; ebendasselbe wird für Spanien und das Narbonensische Gallien, also die verhältnismäßig ökonomisch noch am leidlichsten gestellten Provinzen, insbesondere bezeugt. In Kleinasien gar standen Städte wie Samos und Halikarnassos fast leer; der rechtliche Sklavenstand schien hier, verglichen mit den Peinigungen, denen der freie Provinziale unterlag, ein Hafen der Ruhe, und sogar der geduldige Asiate war, nach den Schilderungen römischer Staatsmänner selbst, des Lebens überdrüssig geworden. Wen zu ergründen gelüstet, wie tief der Mensch sinken kann, sowohl in dem frevelhaften Zufügen wie in dem nicht minder frevelhaften Ertragen alles denkbaren Unrechts, der mag aus den Kriminalakten dieser Zeit zusammenlesen, was römische Große zu tun, was Griechen, Syrer und Phöniker zu leiden vermochten. Selbst die eigenen Staatsmänner räumten öffentlich und ohne Umschweife ein, daß der römische Name durch ganz Griechenland und Asien unaussprechlich verhaßt sei; und wenn die Bürger des pontischen Herakleia einmal die römischen Zöllner sämtlich erschlugen, so war dabei nur zu bedauern, daß dergleichen nicht öfter geschah.
Die Optimaten spotteten über den neuen Herrn, der seine "Meierhöfe" einen nach dem andern selbst zu besichtigen kam; in der Tat forderte der Zustand aller Provinzen den ganzen Ernst und die ganze Weisheit eines jener seltenen Männer, denen der Königsname es verdankt, daß er den Völkern nicht bloß gilt als leuchtendes Exempel menschlicher Unzulänglichkeit. Die geschlagenen Wunden mußte die Zeit heilen; daß sie es konnte und daß nicht ferner neue geschlagen wurden, dafür sorgte Caesar. Das Verwaltungswesen ward durchgreifend umgestaltet. Die Sullanischen Prokonsuln und Proprätoren waren in ihrem Sprengel wesentlich souverän und tatsächlich keiner Kontrolle unterworfen gewesen; die Caesarischen waren die wohl in Zucht gehaltenen Diener eines strengen Herrn, der schon durch die Einheit und die lebenslängliche Dauer seiner Macht zu den Untertanen ein natürlicheres und leidlicheres Verhältnis hatte als jene vielen, jährlich wechselnden kleinen Tyrannen. Die Statthalterschaften wurden zwar auch ferner unter die jährlich abtretenden zwei Konsuln und sechzehn Prätoren verteilt, aber dennoch, indem der Imperator acht von den letzteren geradezu ernannte und die Verteilung der Provinzen unter die Konkurrenten lediglich von ihm abhing, der Sache nach von dem Imperator vergeben. Auch die Kompetenz der Statthalter ward tatsächlich beschränkt. Es blieb ihnen die Leitung der Rechtspflege und die administrative Kontrolle der Gemeinden, aber ihr Kommando ward paralysiert durch das neue Oberkommando in Rom und dessen, dem Statthalter zur Seite gestellte Adjutanten, das Hebewesen wahrscheinlich schon jetzt, auch in den Provinzen wesentlich an kaiserliche Bediente übertragen, so daß der Statthalter fortan mit einem Hilfspersonal umringt war, welches entweder durch die Gesetze der militärischen Hierarchie oder durch die noch strengeren der häuslichen Zucht unbedingt von dem Imperator abhing. Wenn bisher der Prokonsul und sein Quästor erschienen waren gleichsam als die zur Einziehung der Brandschatzung abgesandten Mitglieder einer Räuberbande, so waren Caesars Beamte dazu da, um den Schwachen gegen den Starken zu beschützen; und an die Stelle der bisherigen, schlimmer als nichtigen Kontrolle der Ritter- oder senatorischen Gerichte trat für sie die Verantwortung vor einem gerechten und unnachsichtigen Monarchen. Das Gesetz über Erpressungen, dessen Bestimmungen Caesar schon in seinem ersten Konsulat verschärft hatte, wurde gegen die Oberkommandanten in den Ämtern von ihm mit unerbittlicher, selbst über den Buchstaben desselben hinausgehender Schärfe zur Anwendung gebracht; und die Steuerbeamten gar, wenn sie ja es wagten, sich eine Unrechtfertigkeit zu erlauben, büßten ihrem Herrn, wie Knechte und Freigelassene nach dem grausamen Hausrecht jener Zeit zu büßen pflegten. Die außerordentlichen öffentlichen Lasten wurden auf das richtige Maß und den wirklichen Notfall zurückgeführt, die ordentlichen wesentlich vermindert. Der durchgreifenden Regulierung des Steuerwesens ward bereits früher gedacht: die Ausdehnung der Steuerfreiheiten, die durchgängige Herabsetzung der direkten Abgaben, die Beschränkung des Zehntsystems auf Afrika und Sardinien, die vollständige Beseitigung der Mittelsmänner bei der Einziehung der direkten Abgaben waren für die Provinzialen segensreiche Reformen. Daß Caesar nach dem Beispiel eines seiner größten demokratischen Vorgänger, des Sertorius, die Untertanen von der Einquartierungslast hat befreien und die Soldaten anhalten wollen, sich selber bleibende stadtartige Standlager zu errichten, ist zwar nicht nachzuweisen; aber er war, wenigstens nachdem er die Prätendenten- mit der Königsrolle vertauscht hatte, nicht der Mann, den Untertan dem Soldaten preiszugeben; und es war in seinem Geiste gedacht, als die Erben seiner Politik solche Kriegslager und aus diesen Kriegslagern wieder Städte erschufen, in denen die italische Zivilisation Brennpunkte inmitten der barbarischen Grenzlandschaften fand.
Bei weitem schwieriger als dem Beamtenunwesen zu steuern war es, die Provinzialen von der erdrückenden Übermacht des römischen Kapitals zu befreien. Geradezu brechen ließ dieselbe sich nicht, ohne Mittel anzuwenden, die noch gefährlicher waren als das Übel; die Regierung konnte vorläufig nur einzelne Mißbräuche abstellen, wie zum Beispiel Caesar die Benutzung des Staatsgesandtentitels zu wucherlichen Zwecken untersagte, und der offenbaren Vergewaltigung und dem handgreiflichen Wucher durch scharfe Handhabung der allgemeinen Straf- und der auch auf die Provinzen sich erstreckenden Wuchergesetze entgegentreten, eine gründlichere Heilung des Übels aber von dem unter der besseren Verwaltung wiederaufblühenden Wohlstand der Provinzialen erwarten. Transitorische Verfügungen, um der Überschuldung einzelner Provinzen abzuhelfen, waren in den letzten Zeiten mehrfach ergangen. Caesar selbst hatte 694 (60) als Statthalter des Jenseitigen Spaniens den Gläubigern zwei Drittel der Einnahmen ihrer Schuldner zugewiesen, um daraus sich bezahlt zu machen. Ähnlich hatte schon Lucius Lucullus als Statthalter von Kleinasien einen Teil der maßlos angeschwollenen Zinsreste geradezu kassiert, für den übrigen Teil die Gläubiger angewiesen auf den vierten Teil des Ertrages der Ländereien ihrer Schuldner sowie auf eine angemessene Quote der aus Hausmiete oder Sklavenarbeit denselben zufließenden Nutzungen. Es ist nicht überliefert, daß Caesar nach dem Bürgerkrieg ähnliche allgemeine Schuldenliquidationen in den Provinzen veranlaßt hätte; doch kann es, nach dem eben Bemerkten und nach dem, was für Italien geschah, kaum bezweifelt werden, daß Caesar darauf ebenfalls hingearbeitet hat oder dies wenigstens in seinem Plan lag.
Wenn also der Imperator, soweit Menschenkraft es vermochte, die Provinzialen der Bedrückungen durch die Beamten und Kapitalisten Roms entlastete, so durfte man zugleich von der durch ihn neu erstarkenden Regierung mit Sicherheit erwarten, daß sie die wilden Grenzvölker verscheuchen und die Land- und Seepiraten zerstreuen werde, wie die aufsteigende Sonne die Nebel verjagt. Wie auch noch die alten Wunden schmerzten, mit Caesar erschien den vielgeplagten Untertanen die Morgenröte einer erträglicheren Zeit, seit Jahrhunderten wieder die erste intelligente und humane Regierung und eine Friedenspolitik, die nicht auf der Feigheit, sondern auf der Kraft beruhte. Wohl mochten mit den besten Römern vor allem die Untertanen an der Leiche des großen Befreiers trauern.
Allein diese Abstellung der bestehenden Mißbräuche war nicht die Hauptsache in Caesars Provinzialreform. In der römischen Republik waren, nach der Ansicht der Aristokratie wie der Demokratie, die Ämter nichts gewesen als wie sie häufig genannt werden: Landgüter des römischen Volkes, und als solche waren sie benutzt und ausgenutzt worden. Damit war es jetzt vorbei. Die Provinzen als solche sollten allmählich untergehen, um der verjüngten hellenisch-italischen Nation eine neue und geräumigere Heimat zu bereiten, von deren einzelnen Bezirken keiner nur um eines andern willen da war, sondern alle für einen und einer für alle; die Leiden und Schäden der Nation, für die in dem alten Italien keine Hilfe war, sollte das neue Dasein in der verjüngten Heimat, das frischere, breitere, großartigere Volksleben von selber überwinden. Bekanntlich waren diese Gedanken nicht neu. Die seit Jahrhunderten stehend gewordene Emigration aus Italien in die Provinzen hatte längst, freilich den Emigranten selber unbewußt, eine solche Ausdehnung Italiens vorbereitet. In planmäßiger Weise hatte zuerst Gaius Gracchus, der Schöpfer der römischen demokratischen Monarchie, der Urheber der transalpinischen Eroberungen, der Gründer der Kolonien Karthago und Narbo, die Italiker über Italiens Grenzen hinausgelenkt, sodann der zweite geniale Staatsmann, den die römische Demokratie hervorgebracht, Quintus Sertorius, damit begonnen, die barbarischen Okzidentalen zur latinischen Zivilisation anzuleiten; er gab der vornehmen spanischen Jugend römische Tracht und hielt sie an, lateinisch zu sprechen und auf der von ihm gegründeten Bildungsanstalt in Osca sich die höhere italische Bildung anzueignen. Bei Caesars Regierungsantritt war bereits eine massenhafte, freilich der Stetigkeit wie der Konzentration großenteils ermangelnde italische Bevölkerung in allen Provinzen und Klientelstaaten vorhanden – um von den förmlich italischen Städten in Spanien und dem südlichen Gallien zu schweigen, erinnern wir nur an die zahlreichen Bürgertruppen, die Sertorius und Pompeius in Spanien, Caesar in Gallien, Juba in Numidien, die Verfassungspartei in Afrika, Makedonien, Griechenland, Kleinasien und Kreta aushoben; an die freilich übelgestimmte lateinische Leier, auf der die Stadtpoeten von Corduba schon im Sertorianischen Kriege der römischen Feldherren Lob und Preis sangen; an die eben ihrer sprachlichen Eleganz wegen geschätzten Übersetzungen griechischer Poesien, die der älteste namhafte außeritalische Poet, der Transalpiner Publius Terentius Varro von der Aude, kurz nach Caesars Tode veröffentlichte.
Andererseits war die Durchdringung des latinischen und des hellenischen Wesens, man möchte sagen, so alt wie Rom. Schon bei der Einigung Italiens hatte die obsiegende latinische Nation alle anderen besiegten Nationalitäten sich assimiliert, nur die einzige griechische, so wie sie war, sich eingefügt, ohne sie äußerlich mit sich zu verschmelzen. Wohin der römische Legionär kam, dahin folgte der griechische Schulmeister, in seiner Art nicht minder ein Eroberer, ihm nach; schon früh finden wir namhafte griechische Sprachlehrer ansässig am Guadalquivir, und in der Anstalt von Osca ward so gut griechisch gelehrt wie lateinisch. Die höhere römische Bildung selbst war ja durchaus nichts anderes als die Verkündung des großen Evangeliums hellenischer Art und Kunst im italischen Idiom; gegen die bescheidene Anmaßung der zivilisierenden Eroberer, dasselbe zunächst in ihrer Sprache den Barbaren des Westens zu verkündigen, konnte der Hellene wenigstens nicht laut protestieren. Schon längst erblickte der Grieche überall, und am entschiedensten eben da, wo das Nationalgefühl am reinsten und am stärksten war, an den von barbarischer Denationalisierung bedrohten Grenzen, wie zum Beispiel in Massalia, am Nordgestade des Schwarzen Meeres und am Euphrat und Tigris, den Schild und das Schwert des Hellenismus in Rom; und in der Tat nahmen Pompeius' Städtegründungen im fernen Osten nach jahrhundertelanger Unterbrechung Alexanders segensreiches Werk wieder auf.
Der Gedanke eines italisch-hellenischen Reiches mit zweien Sprachen und einer einheitlichen Nationalität war nicht neu – er wäre sonst auch nichts gewesen als ein Fehler; aber daß er aus schwankenden Entwürfen zu sicherer Fassung, aus zerstreuten Anfängen zu konzentrierter Grundlegung fortschritt, ist das Werk des dritten und größten der demokratischen Staatsmänner Roms.
Die erste und wesentlichste Bedingung zu der politischen und nationalen Nivellierung des Reichs war die Erhaltung und Ausdehnung der beiden zu gemeinschaftlichem Herrschen bestimmten Nationen, unter möglichst rascher Beseitigung der neben ihr stehenden barbarischen oder barbarisch genannten Stämme. In gewissem Sinne könnte man allerdings neben Römern und Griechen noch eine dritte Nationalität nennen, die mit denselben in der damaligen Welt an Ubiquität wetteiferte und auch in dem neuen Staate Caesars eine nicht unwesentliche Rolle zu spielen bestimmt war. Es sind dies die Juden. Das merkwürdige, nachgiebig zähe Volk war in der alten wie in der heutigen Welt überall und nirgends heimisch und überall und nirgends mächtig. Die Diadochen Davids und Salomos bedeuteten für die Juden jener Zeit kaum mehr, als heutzutage Jerusalem für sie bedeutet; die Nation fand wohl für ihre religiöse und geistige Einheit einen sichtbaren Anhalt in dem kleinen Königreich von Jerusalem, aber sie selbst bestand keineswegs in der Untertanenschaft der Hasmonäer, sondern in den zahllos durch das ganze Parthische und das ganze Römische Reich zerstreuten Judenschaften. In Alexandreia namentlich und ähnlich in Kyrene bildeten die Juden innerhalb dieser Städte eigene, administrativ und selbst lokal abgegrenzte Gemeinwesen, den Judenvierteln unserer Städte nicht ungleich, aber freier gestellt und von einem "Volksherrn" als oberstem Richter und Verwalter geleitet. Wie zahlreich selbst in Rom die jüdische Bevölkerung bereits vor Caesar war, und zugleich, wie landsmannschaftlich eng die Juden auch damals zusammenhielten, beweist die Bemerkung eines Schriftstellers dieser Zeit, daß es für den Statthalter bedenklich sei, den Juden in seiner Provinz zu nahe zu treten, weil er dann sicher darauf zählen dürfe, nach seiner Heimkehr von dem hauptstädtischen Pöbel ausgepfiffen zu werden. Auch zu jener Zeit war das vorwiegende Geschäft der Juden der Handel: mit dem erobernden römischen Kaufmann zog damals der jüdische Händler ebenso überall hin wie später mit dem genuesischen und venezianischen, und neben der römischen strömte das Kapital allerorts bei der jüdischen Kaufmannschaft zusammen. Auch zu jener Zeit endlich begegnen wir der eigentümlichen Antipathie der Okzidentalen gegen diese so gründlich orientalische Rasse und ihre fremdartigen Meinungen und Sitten. Dies Judentum, obwohl nicht der erfreulichste Zug in dem nirgends erfreulichen Bilde der damaligen Völkermengung, war nichtsdestoweniger ein im natürlichen Verlauf der Dinge sich entwickelndes geschichtliches Moment, das der Staatsmann weder sich ableugnen noch bekämpfen durfte und dem Caesar vielmehr, ebenwie sein Vorgänger Alexander, in richtiger Erkenntnis der Verhältnisse möglichst Vorschub tat. Wenn Alexander, der Stifter des alexandrinischen Judentums, damit nicht viel weniger für die Nation tat wie ihr eigener David durch den Tempelbau von Jerusalem, so förderte auch Caesar die Juden in Alexandreia wie in Rom durch besondere Begünstigungen und Vorrechte und schützte namentlich ihren eigentümlichen Kult gegen die römischen wie gegen die griechischen Lokalpfaffen. Die beiden großen Männer dachten natürlich nicht daran, der hellenischen oder italisch-hellenischen Nationalität die jüdische ebenbürtig zur Seite zu stellen. Aber der Jude, der nicht wie der Okzidentale die Pandoragabe politischer Organisation empfangen hat und gegen den Staat sich wesentlich gleichgültig verhält; der ferner ebenso schwer den Kern seiner nationalen Eigentümlichkeit aufgibt als bereitwillig denselben mit jeder beliebigen Nationalität umhüllt und bis zu einem gewissen Grad der fremden Volkstümlichkeit sich anschmiegt – der Jude war ebendarum wie geschaffen für einen Staat, welcher auf den Trümmern von hundert lebendigen Politien erbaut und mit einer gewissermaßen abstrakten und von vornherein verschliffenen Nationalität ausgestattet werden sollte. Auch in der alten Welt war das Judentum ein wirksames Ferment des Kosmopolitismus und der nationalen Dekomposition und insofern ein vorzugsweise berechtigtes Mitglied in dem Caesarischen Staate, dessen Politie doch eigentlich nichts als Weltbürgertum, dessen Volkstümlichkeit im Grunde nichts als Humanität war.
Indes die positiven Elemente des neuen Bürgertums blieben ausschließlich die latinische und die hellenische Nationalität. Mit dem spezifisch italischen Staat der Republik war es also zu Ende; jedoch war es nichts als ein sehr erklärliches, aber auch sehr albernes Gerede des grollenden Adels, daß Caesar Italien und Rom absichtlich zugrunde richte, um den Schwerpunkt des Reiches in den griechischen Osten zu verlegen und zur Hauptstadt desselben Ilion oder Alexandreia zu machen. Vielmehr behielt in Caesars Organisation die latinische Nationalität immer das Übergewicht; wie sich dies schon darin ausspricht, daß er jede Verfügung in lateinischer, aber die für die griechisch redenden Landschaften bestimmten daneben in griechischer Sprache erließ. Im allgemeinen ordnete er die Verhältnisse der beiden großen Nationen in seiner Monarchie ebenwie sie in dem geeinigten Italien seine republikanischen Vorgänger geordnet hatten: die hellenische Nationalität wurde geschützt, wo sie bestand, die italische nach Vermögen erweitert und ihr die Erbschaft der aufzulösenden Rassen bestimmt. Es war dies schon deshalb notwendig, weil eine völlige Gleichstellung des griechischen und lateinischen Elements im Staate aller Wahrscheinlichkeit nach in sehr kurzer Zeit diejenige Katastrophe herbeigeführt haben würde, die manche Jahrhunderte später der Byzantinismus vollzog; denn das Griechentum war nicht bloß geistig nach allen Richtungen hin dem römischen Wesen überlegen, sondern auch an Masse, und hatte in Italien selbst an den Schwärmen der gezwungen oder freiwillig nach Italien wandernden Hellenen und Halbhellenen eine Unzahl unscheinbarer, aber in ihrem Einfluß nicht hoch genug anzuschlagender Apostel. Um nur der eminentesten Erscheinung auf diesem Gebiete zu gedenken, so ist das Regiment der griechischen Lakaien über die römischen Monarchen so alt wie die Monarchie: der erste in der ebenso langen wie widerwärtigen Liste dieser Individuen ist Pompeius' vertrauter Bedienter Theophanes von Mytilene, welcher durch seine Gewalt über den schwachen Herrn wahrscheinlich mehr als irgendein anderer Mann zu dem Ausbruch des Krieges zwischen Pompeius und Caesar beigetragen hat. Nicht ganz mit Unrecht ward er nach seinem Tode von seinen Landsleuten göttlich verehrt: eröffnete er doch die Kammerdienerregierung der Kaiserzeit, die gewissermaßen eben auch eine Herrschaft der Hellenen über die Römer war. Die Regierung hatte demnach allen Grund, die Ausbreitung des Hellenismus wenigstens im Westen nicht noch von oben herab zu fördern. Wenn Sizilien nicht bloß des Zehntendrucks entlastet, sondern auch seinen Gemeinden das latinische Recht bestimmt ward, dem seiner Zeit vermutlich die volle Gleichstellung mit Italien nachfolgen sollte, so kann Caesars Absicht nur gewesen sein, die herrliche, aber damals verödete und wirtschaftlich zum größten Teil in italische Hände gelangte Insel, welche die Natur nicht so sehr zum Nachbarland Italiens bestimmt hat als zu der schönsten seiner Landschaften, völlig in Italien aufgehen zu lassen. Im übrigen aber ward das Griechentum, wo es bestand, erhalten und geschützt. Wie nahe auch die politischen Krisen es dem Imperator legten, die festen Pfeiler des Hellenismus im Okzident und in Ägypten umzustürzen, Massalia und Alexandreia wurden weder vernichtet noch denationalisiert.
Dagegen das römische Wesen ward durch Kolonisierung wie durch Latinisierung mit allen Kräften und an den verschiedensten Punkten des Reiches von der Regierung gehoben. Der zwar aus einer argen Vereinigung formeller Rechts- und brutaler Machtentwicklung hervorgegangene, aber, um freie Hand gegen die zur Vernichtung bestimmten Nationen zu haben, unumgänglich notwendige Satz, daß an allem, nicht durch besonderen Akt der Regierung an Gemeinden oder Private abgetretenen Grund und Boden in den Provinzen der Staat das Eigentum, der zeitige Inhaber nur einen geduldeten und jederzeit widerruflichen Erbbesitz habe, wurde auch von Caesar festgehalten und durch ihn aus einer demokratischen Parteitheorie zu einem Fundamentalprinzip des monarchischen Rechts erhoben. In erster Linie kam für die Ausbreitung der römischen Nationalität natürlich Gallien in Frage. Gallien diesseits der Alpen erhielt durch die längst von der Demokratie als vollzogen angenommene und nun (705 49) durch Caesar schließlich vollzogene Aufnahme der transpadanischen Gemeinden in den römischen Bürgerverband durchgängig, was ein großer Teil der Bewohner längst gehabt: politische Gleichberechtigung mit dem Hauptland. Tatsächlich hatte sich diese Provinz in den vierzig Jahren, die seit Erteilung des Latinerrechts verflossen waren, bereits vollständig latinisiert. Die Exklusiven mochten spotten über den breiten und gurgelnden Akzent des Kettenlateins und ein "ich weiß nicht was von hauptstädtischer Anmut" bei dem Insubrer und Veneter vermissen, der sich als Caesars Legionär mit dem Schwert einen Platz auf dem römischen Markt und sogar in der römischen Kurie erobert hatte. Nichtsdestoweniger war das Cisalpinische Gallien mit seiner dichten, vorwiegend bauernschaftlichen Bevölkerung schon vor Caesar der Sache nach eine italische Landschaft und blieb Jahrhunderte lang der rechte Zufluchtsort italischer Sitte und italischer Bildung; wie denn die Lehrer der latinischen Literatur nirgends sonst außerhalb der Hauptstadt so vielen Zuspruch und Anklang fanden. Wenn also das Cisalpinische Gallien wesentlich in Italien aufging, so trat zugleich an die Stelle, die es bisher eingenommen hatte, die transalpinische Provinz, die ja durch Caesars Eroberungen aus einer Grenz- in eine Binnenprovinz umgewandelt worden war und die durch ihre Nähe wie durch ihr Klima vor allen anderen Gebieten sich dazu eignete, mit der Zeit gleichfalls eine italische Landschaft zu werden. Dorthin hauptsächlich, nach dem alten Zielpunkt der überseeischen Ansiedlungen der römischen Demokratie, ward der Strom der italischen Emigration gelenkt. Es wurden daselbst teils die alte Kolonie Narbo durch neue Ansiedler verstärkt, teils in Baeterrae (Béziers) unweit Narbo, in Arelate (Arles) und Arausio (Orange) an der Rhone und in der neuen Hafenstadt Forum Iulii (Fréjus) vier neue Bürgerkolonien angelegt, deren Namen zugleich das Andenken der tapferen Legionen bewahrten, die das nördliche Gallien zum Reiche gebracht hattenNarbo heißt Kolonie der Decimaner, Baeterrae der Septimaner, Forum Iulii der Octavaner, Arelate der Sextaner, Arausio der Secundaner. Die neunte Legion fehlt, weil sie ihre Nummer durch die Meuterei von Placentia entehrt hatte. Daß übrigens die Kolonisten dieser Kolonien den eponymen Legionen angehörten, wird nicht gesagt und ist nicht glaublich; die Veteranen selbst wurden wenigstens der großen Mehrzahl nach in Italien angesiedelt. Ciceros Klage, daß Caesar "ganze Provinzen und Landschaften auf einen Schlag konfisziert habe" (off. 2, 7, 27, vgl. Phil. 13,15; 31, 32), geht ohne Zweifel, wie schon die enge Verknüpfung derselben mit dem Tadel des Triumphs über die Massalioten beweist, auf die dieser Kolonien wegen in der narbonensischen Provinz vorgenommenen Landeinziehungen und zunächst auf die Massalia auferlegten Gebietsverluste.. Die nicht mit Kolonisten belegten Ortschaften scheinen zugleich, wenigstens größtenteils, in derselben Art wie einst das transpadanische Kettenland, der Romanisierung entgegengeführt worden zu sein durch Verleihung latinischen Stadtrechts; namentlich wurde Nemausus (Nîmes) als der Hauptort des den Massalioten infolge ihrer Auflehnung gegen Caesar aberkannten Gebiets aus einem massaliotischen Flecken in eine latinische Stadtgemeinde umgewandelt und mit ansehnlichem Gebiet und selbst mit Münzrecht ausgestattetAusdrücklich überliefert ist es nicht, von wem das latinische Recht der nichtkolonisierten Ortschaften dieser Gegend und namentlich von Nemausus herrührt. Aber da Caesar selbst (civ. 1, 35) so gut wie geradezu sagt, daß Nemausus bis 705 (49) ein massaliotisches Dorf war; da nach dem Livianischen Bericht (Dio 41, 25; Flor. epit. 2, 13; Oros. hist. 6, 15) eben dieser Teil des Gebietes den Massalioten von Caesar entzogen ward da endlich schon auf voraugustischen Münzen und sodann bei Strabon die Stadt als Gemeinde latinischen Rechts vorkommt, so kann nur Caesar der Urheber dieser Latinitätsverleihung sein. Von Ruscino (Roussillon bei Perpignan) und anderen, im Narbonensischen Gallien früh zu latinischer Stadtverfassung gelangten Gemeinden läßt sich nur vermuten, daß sie dieselbe gleichzeitig mit Nemausus empfingen.. Indem also das Cisalpinische Gallien von der vorbereitenden Stufe zur vollen Gleichstellung mit Italien fortschritt, rückte gleichzeitig die narbonensische Provinz in jenes vorbereitende Stadium nach; ganz wie bisher im Cisalpinischen Gallien hatten die ansehnlichsten Gemeinden daselbst das volle Bürger-, die übrigen latinisches Recht.
In den anderen nichtgriechischen und nichtlatinischen Landschaften des Reiches, welche der Einwirkung Italiens und dem Assimilationsprozeß noch ferner standen, beschränkte Caesar sich darauf, einzelne Brennpunkte für die italische Zivilisation zu gründen, wie dies bisher in Gallien Narbo gewesen war, um durch sie die künftige vollständige Ausgleichung vorzubereiten. Solche Anfänge lassen, mit Ausnahme der ärmsten und geringsten von allen, der sardinischen, in sämtlichen Provinzen des Reiches sich nachweisen. Wie Caesar im nördlichen Gallien verfuhr, ward schon dargelegt; die lateinische Sprache erhielt hier, wenn auch noch nicht für alle Zweige des öffentlichen Verkehrs, durchgängig offizielle Geltung und es entstand am Lemansee als die nördlichste Stadt italischer Verfassung die Kolonie Noviodunum (Nyon).
In Spanien, vermutlich damals der am dichtesten bevölkerten Landschaft des Römischen Reiches, wurden nicht bloß in der wichtigen hellenisch-iberischen Hafenstadt Emporiae neben der alten Bevölkerung Caesarische Kolonisten angesiedelt, sondern, wie neuerdings aufgefundene Urkunden gezeigt haben, auch eine Anzahl wahrscheinlich überwiegend dem hauptstädtischen Proletariat entnommener Kolonisten in der Stadt Urso (Osuna), unweit Sevilla im Herzen von Andalusien, und vielleicht noch in mehreren anderen Ortschaften dieser Provinz versorgt. Die alte und reiche Kaufstadt Gades, deren Munizipalwesen Caesar schon als Prätor zeitgemäß umgestaltet hatte, erhielt jetzt von dem Imperator das volle Recht der italischen Munizipien (705 49) und wurde, was in Italien Tusculum gewesen war, die erste außeritalische, nicht von Rom gegründete Gemeinde, die in den römischen Bürgerverband eintrat. Einige Jahre nachher (709 45) wurde das gleiche Recht auch einigen anderen spanischen Gemeinden und vermutlich noch mehreren das latinische zuteil.
In Afrika wurde, was Gaius Gracchus nicht hatte zu Ende führen sollen, jetzt ins Werk gesetzt und an derjenigen Stätte, wo die Stadt der Erbfeinde Roms gestanden, 3000 italische Kolonisten und eine große Anzahl der im karthagischen Gebiet ansässigen Pacht- und Bittbesitzer angesiedelt; und zum Erstaunen rasch wuchs unter den unvergleichlich günstigen Lokalverhältnissen die neue "Venuskolonie", das römische Karthago, wieder empor. Utica, bis dahin die Haupt- und erste Handelsstadt der Provinz, war schon im vorweg, es scheint durch Erteilung des latinischen Rechts, für die Wiedererweckung des überlegenen Konkurrenten einigermaßen entschädigt worden. In dem neu zum Reiche gefügten numidischen Gebiet erhielten das wichtige Cirta und die übrigen, dem römischen Condottiere Publius Sittius für sich und die Seinigen überwiesenen Gemeinden das Recht römischer Militärkolonien. Die stattlichen Provinzstädte freilich, die das wahnsinnige Wüten Jubas und der verzweifelten Reste der Verfassungspartei in Schutthaufen verwandelt hatte, erhoben sich nicht so rasch wieder, wie sie eingeäschert worden waren, und manche Trümmerstätte erinnerte noch lange nachher an diese verhängnisvolle Zeit; allein die beiden neuen Julischen Kolonien, Karthago und Cirta, wurden und blieben die Mittelpunkte der afrikanisch-römischen Zivilisation.
In dem verödeten griechischen Land beschäftigte Caesar außer mit anderen Plänen, zum Beispiel der Anlage einer römischen Kolonie in Buthroton (Korfu gegenüber), vor allem sich mit der Wiederherstellung von Korinth; nicht bloß wurde eine ansehnliche Bürgerkolonie dorthin geführt, sondern auch der Plan entworfen, durch den Durchstich des Isthmus die gefährliche Umschiffung des Peloponnes abzuschneiden und den ganzen italisch-asiatischen Verkehr durch den Korinthisch-Saronischen Meerbusen zu leiten. Endlich rief selbst in dem entlegenen hellenischen Osten der Monarch italische Ansiedlungen ins Leben: so am Schwarzen Meer in Herakleia und in Sinope, welche Städte die italischen Kolonisten ähnlich wie Emporiae mit den alten Bewohnern teilten; so an der syrischen Küste in dem wichtigen Hafen von Berytos, das wie Sinope italische Verfassung erhielt; ja sogar in Ägypten wurde auf der den Hafen von Alexandreia beherrschenden Leuchtturminsel eine römische Station gegründet.
Durch diese Anordnungen ward die italische Gemeindefreiheit in weit umfassenderer Weise, als es bisher geschehen war, in die Provinzen getragen. Die Vollbürgergemeinden, also sämtliche Städte der cisalpinischen Provinz und die in dem Transalpinischen Gallien und sonst zerstreuten Bürgerkolonien und Bürgermunizipien, standen den italischen insofern gleich, als sie sich selber verwalteten und selbst eine, allerdings beschränkte, Gerichtsbarkeit ausübten: wogegen freilich die wichtigeren Prozesse vor die hier kompetenten römischen Behörden, in der Regel den Statthalter des Sprengels gehörtenDaß keiner Vollbürgergemeinde mehr als beschränkte Gerichtsbarkeit zustand, ist ausgemacht. Auffallend ist es aber, was aus der Caesarischen Gemeindeordnung für das Cisalpinische Gallien bestimmt hervorgeht, daß die jenseits der munizipalen Kompetenz liegenden Prozesse aus dieser Provinz nicht vor den Statthalter derselben, sondern vor den römischen Prätor gehen; denn im übrigen ist der Statthalter ja in seinem Sprengel ebensowohl anstatt des Prätors, der zwischen Bürgern, wie anstatt dessen, der zwischen Bürgern und Nichtbürgern Recht spricht, und durchaus für alle Prozesse kompetent. Ohne Zweifel ist dies ein Überrest der vorsullanischen Ordnung, wo in dem ganzen festländischen Gebiet bis zu den Alpen lediglich die Stadtbeamten kompetent waren und also hier sämtliche Prozesse, wo sie die munizipale Kompetenz überschritten, notwendig vor die Prätoren in Rom kamen. Dagegen in Narbo, Gades, Karthago, Korinth gingen die Prozesse in diesem Fall sicher an den betreffenden Statthalter; wie denn auch schon aus praktischen Rücksichten nicht wohl an einen Rechtszug nach Rom gedacht werden kann.. Die formell autonomen latinischen und die sonstigen befreiten Gemeinden, also jetzt die sizilischen und die des Narbonensischen Galliens, soweit sie nicht Bürgergemeinden waren, alle und auch in anderen Provinzen eine beträchtliche Zahl, hatten nicht bloß die freie Verwaltung, sondern wahrscheinlich unbeschränkte Gerichtsbarkeit, so daß der Statthalter hier nur kraft seiner allerdings sehr arbiträren Verwaltungskontrolle einzugreifen befugt war. Wohl hatte es auch früher schon Vollbürgergemeinden innerhalb der Statthaltersprengel gegeben, wie zum Beispiel Aquileia und Narbo, und hatten ganze Statthaltersprengel, wie das Diesseitige Gallien, aus Gemeinden mit italischer Verfassung bestanden; aber wenn nicht rechtlich, war es doch politisch eine ungemein wichtige Neuerung, daß es jetzt eine Provinz gab, die so gut wie Italien lediglich von römischen Bürgern bevölkert warWarum die Erteilung des römischen Bürgerrechts an eine Landschaft insgesamt und der Fortbestand der Provinzialverwaltung für dieselbe als sich einander ausschließende Gegensätze gedacht zu werden pflegen, ist nicht abzusehen. Überdies erhielt notorisch das Cisalpinische Gallien durch den Roscischen Volksschluß vom 11. März 705 (49) die Civität, während es Provinz blieb, solange Caesar lebte, und erst nach seinem Tode mit Italien vereinigt ward (Dio 48, 12), auch die Statthalter bis 711 (43) nachweisbar sind. Schon daß die Caesarische Gemeindeordnung die Landschaft nie als Italien, sondern als Cisalpinisches Gallien bezeichnet, mußte auf das Richtige führen., und daß andere es zu werden versprachen. Es fiel damit der eine große tatsächliche Gegensatz, in dem Italien zu den Provinzen gestanden hatte; und auch der zweite, daß in Italien regelmäßig keine Truppen standen, wohl aber in den Provinzen, war gleichermaßen im Verschwinden: die Truppen standen jetzt nur da, wo es eine Grenze zu verteidigen gab, und die Kommandanten der Provinzen, bei denen dies nicht zutraf, wie zum Beispiel bei Narbo und Sizilien, waren nur dem Namen nach noch Offiziere. Der formelle Gegensatz zwischen Italien und den Provinzen, der zu allen Zeiten auf anderen Unterschieden beruht hatte, blieb allerdings auch jetzt bestehen, Italien der Sprengel der bürgerlichen Rechtspflege und der Konsuln-Prätoren, die Provinzen kriegsrechtliche Jurisdiktionsbezirke und den Prokonsuln und Proprätoren unterworfen; allein der Prozeß nach Bürger- und nach Kriegsrecht fiel längst praktisch zusammen, und die verschiedene Titulatur der Beamten hatte wenig zu bedeuten, seit über allen der eine Imperator stand.
Offenbar ist in all diesen einzelnen munizipalen Gründungen und Ordnungen, die wenigstens dem Plan, wenn auch vielleicht nicht alle der Ausführung nach, auf Caesar zurückgehen, ein bestimmtes System. Italien ward aus der Herrin der unterworfenen Völkerschaften umgewandelt in die Mutter der verjüngten italisch-hellenischen Nation. Die dem Mutterlande vollständig gleichgestellte cisalpinische Provinz verhieß und verbürgte es, daß in der Monarchie Caesars, ebenwie in der frischeren Epoche der Republik, jede latinisierte Landschaft erwarten durfte, den älteren Schwestern und der Mutter selbst ebenbürtig an die Seite zu treten. Auf der Vorstufe zur vollen nationalen und politischen Ausgleichung mit Italien standen dessen Nebenländer, das griechische Sizilien und das rasch sich latinisierende südliche Gallien. Auf einer entfernteren Stufe zu dieser Ausgleichung standen die übrigen Landschaften des Reiches, in denen, wie bisher in Südgallien Narbo römische Kolonie gewesen war, jetzt die großen Seestädte: Emporiae, Gades, Karthago, Korinth, Herakleia im Pontos, Sinope, Berytos, Alexandreia, italische oder hellenisch-italische Gemeinden wurden, die Stützpunkte einer italischen Zivilisation selbst im griechischen Osten, die Grundpfeiler der künftigen nationalen und politischen Nivellierung des Reiches. Die Herrschaft der Stadtgemeinde Rom über das Litoral des Mittelmeeres war zu Ende; an ihre Stelle trat der neue Mittelmeerstaat und sein erster Akt war die Sühnung der beiden größten Untaten, die jene Stadtgemeinde an der Zivilisation begangen hatte. Wenn die Zerstörung der beiden größten Handelsplätze im römischen Gebiet den Wendepunkt bezeichnete, wo die Schutzherrschaft der römischen Gemeinde in politische Tyrannisierung und finanzielle Ausnutzung der untertänigen Landschaften überging, so bezeichnete jetzt die sofortige und glänzende Wiederherstellung von Karthago und Korinth die Begründung des neuen, alle Landschaften am Mittelmeer zu nationaler und politischer Gleichheit, zu wahrhaft staatlicher Einigung heranbildenden großen Gemeinwesens. Wohl durfte Caesar der Stadt Korinth zu ihrem vielberühmten alten den neuen Namen der "Julischen Ehre" verleihen.
Wenn also das neue einheitliche Reich mit einer Nationalität ausgestattet ward, die freilich notwendigerweise der volkstümlichen Individualität entbehrte und mehr ein unlebendiges Kunstprodukt als ein frischer Trieb der Natur war, so bedurfte dasselbe ferner der Einheit in denjenigen Institutionen, in denen das allgemeine Leben der Nationen sich bewegt: in Verfassung und Verwaltung, in Religion und Rechtspflege, in Münze, Maß und Gewicht; wobei natürlich lokale Besonderheiten mannigfaltigster Art mit wesentlicher Einigung sich vollkommen vertrugen. Überall kann auf diesen Gebieten nur von Anfängen die Rede sein, da die einheitliche Durchbildung der Monarchie Caesars in der Zukunft lag und er nichts tat, als für den Bau von Jahrhunderten den Grund legen. Aber von den Linien, die der große Mann auf diesen Gebieten gezogen hat, lassen noch manche sich erkennen; und es ist erfreulicher, hier ihm nachzugehen, als in dem Trümmerbau der Nationalitäten.
Hinsichtlich der Verfassung und Verwaltung wurden bereits in einem anderen Zusammenhang die wichtigsten Momente der neuen Einheit hervorgehoben: der Übergang der Souveränität von dem römischen Gemeinderat auf den Alleinherrscher der Mittelmeermonarchie; die Umwandlung jenes Gemeinderats in einen höchsten, Italien wie die Provinzen repräsentierenden Reichsrat: vor allem die begonnene Übertragung der römischen und überhaupt der italischen Gemeindeordnung auf die Provinzialgemeinden. Es führte dieser letztere Weg, die Verleihung latinischen und demnach römischen Rechts an die zum vollständigen Eintritt in den Einheitsstaat reifen Gemeinden, gleichmäßige kommunale Ordnungen allmählich von selbst herbei. Nur in einer Hinsicht konnte man hierauf nicht warten. Das neue Reich bedurfte sofort einer Institution, die der Regierung die hauptsächlichen Grundlagen der Verwaltung, die Bevölkerungs- und Vermögensverhältnisse der einzelnen Gemeinden, übersichtlich vor Augen legte, das heißt eines verbesserten Zensus. Zunächst ward der italische reformiert. Nach Caesars VerordnungDas Fortbestehen der munizipalen Schatzungsbehörden spricht dafür, daß die örtliche Abhaltung des Zensus bereits infolge des Bundesgenossenkriegs für Italien fortgesetzt worden war (Römisches Staatsrecht, Bd. 2, 3. Aufl., S. 368); wahrscheinlich aber ist die Durchführung dieses Systems Caesars Werk., die freilich wohl nur die infolge des Bundesgenossenkrieges wenigstens im Prinzip getroffenen Anordnungen zur Ausführung brachte, sollten künftig, wenn in der römischen Gemeinde die Schatzung stattfand, gleichzeitig in jeder italischen der Name eines jeden Gemeindebürgers und der seines Vaters oder Freilassers, sein Bezirk, sein Alter und sein Vermögen von der höchsten Behörde der Gemeinde aufgezeichnet und diese Listen an den römischen Schatzmeister so früh abgeliefert werden, daß dieser das allgemeine Verzeichnis der römischen Bürger und der römischen Habe rechtzeitig vollenden konnte. Daß es Caesars Absicht war, ähnliche Institutionen auch in den Provinzen einzuführen, dafür bürgt teils die von Caesar angeordnete Vermessung und Katastrierung des gesamten Reiches, teils die Einrichtung selbst; denn es war ja damit die allgemeine Formel gefunden, um so gut in den italischen wie in den nichtitalischen Gemeinden des Staats die für die Zentralverwaltung erforderlichen Aufnahmen zu bewirken. Offenbar war es auch hier Caesars Absicht, auf die Traditionen der älteren republikanischen Zeit zurückzugehen und die Reichsschatzung wiedereinzuführen, welche die ältere Republik, wesentlich in derselben Weise wie Caesar die italische, durch analoge Ausdehnung des Instituts der städtischen Zensur mit seinen Fristen und sonstigen wesentlichen Normen auf die sämtlichen Untertanengemeinden Italiens und Siziliens bewirkt hatte. Es war dies eines der ersten Institute gewesen, das die erstarrende Aristokratie verfallen und damit der obersten Verwaltungsbehörde jede Übersicht über die disponiblen Mannschaften und Steuerkräfte und also jede Möglichkeit einer wirksamen Kontrolle verloren gehen ließ. Die vorhandenen Spuren und der Zusammenhang der Dinge selbst zeigen unwidersprechlich, daß Caesar die Erneuerung der seit Jahrhunderten verschollenen Reichsschatzung vorbereitete.
Daß in der Religion und in der Rechtspflege an eine durchgreifende Nivellierung nicht gedacht werden konnte, ist kaum nötig zu sagen; doch bedurfte der neue Staat bei aller Toleranz gegen Lokalglauben und Munizipalstatute eines gemeinsamen, der italisch-hellenischen Nationalität entsprechenden Kultus und einer allgemeinen, den Munizipalstatuten übergeordneten Rechtssatzung. Er bedurfte ihrer: denn beides war tatsächlich schon da. Auf dem religiösen Gebiet war man seit Jahrhunderten tätig gewesen, den italischen und den hellenischen Kult teils durch äußerliche Aufnahme, teils durch innerliche Ausgleichung der Gottheitsbegriffe ineinanderzuarbeiten und bei der nachgiebigen Formlosigkeit der italischen Götter hatte es nicht einmal große Schwierigkeit gemacht, den Jupiter in dem Zeus, die Venus in der Aphrodite und so jede wesentliche Idee des latinischen Glaubens in ihrem hellenischen Gegenbild aufzuheben. Die italisch-hellenische Religion stand bereits in den Grundzügen fertig da; wie sehr man eben auf diesem Gebiete sich dessen bewußt war, über die spezifisch römische hinaus und zu einer italisch-hellenischen Quasinationalität fortgeschritten zu sein, beweist zum Beispiel die in Varros schon erwähnter Theologie aufgestellte Unterscheidung der "gemeinen", d. h. der von den Römern wie den Griechen anerkannten Götter, von den besonderen der römischen Gemeinde.
Im Rechtswesen hatte es auf dem Gebiete des Kriminal- und Polizeirechts, wo die Regierung unmittelbar eingreift und dem rechtlichen Bedürfnis wesentlich durch eine verständige Legislation genügt wird, keine Schwierigkeit, auf dem Wege der gesetzgeberischen Tätigkeit denjenigen Grad materieller Gleichförmigkeit zu erreichen, der allerdings auch hier für die Reichseinheit notwendig war. Im Zivilrecht dagegen, wo die Initiative dem Verkehr, dem Gesetzgeber nur die Formulierung zusteht, war das einheitliche Reichszivilrecht, das der Gesetzgeber zu schaffen freilich nicht vermocht hätte, längst auch bereits auf naturgemäßem Wege durch den Verkehr selber entwickelt worden. Das römische Stadtrecht zwar beruhte rechtlich immer noch auf der in den Zwölf Tafeln enthaltenen Formulierung des latinischen Landrechts. Die späteren Gesetze hatten wohl im einzelnen mancherlei zeitgemäße Verbesserungen eingeführt, unter denen leicht die wichtigste sein mochte die Abschaffung der alten ungeschickten Prozeßeröffnung durch stehende Spruchformeln der Parteien und ihre Ersetzung durch eine von dem prozeßleitenden Beamten schriftlich abgefaßte Instruktion für den Einzelgeschworenen (formula); allein in der Hauptsache hatte die Volkslegislation nur über jene altersgraue Grundlage einen den englischen Statutargesetzen vergleichbaren unübersehlichen Wust großenteils längst veralteter und vergessener Spezialgesetze aufgeschichtet. Die Versuche wissenschaftlicher Formulierung und Systematisierung hatten die verschlungenen Gänge des alten Zivilrechts allerdings zugänglich gemacht und erhellt; allein dem Grundmangel, daß ein vor vierhundert Jahren abgefaßtes städtisches Weistum mit seinen ebenso diffusen wie konfusen Nachträgen jetzt als das Recht eines großen Staates dienen sollte, konnte kein römischer Blackstone abhelfen. Gründlicher half der Verkehr sich selbst. Längst hatte in Rom der rege Verkehr zwischen Römern und Nichtrömern ein internationales Privatrecht ( ius gentium; 1, 167) entwickelt, das heißt einen Komplex von Satzungen namentlich über Verkehrsverhältnisse, nach welchen römische Richter dann sprachen, wenn eine Sache weder nach ihrem eigenen noch nach irgendeinem anderen Landrecht entschieden werden konnte, sondern sie genötigt waren, von den römischen, hellenischen, phönikischen und sonstigen Rechtseigentümlichkeiten absehend, auf die allem Verkehr zu Grunde liegenden gemeinsamen Rechtsanschauungen zurückzugehen. Hier knüpfte die neuere Rechtsbildung an. Zunächst als Richtschnur für den rechtlichen Verkehr der römischen Bürger unter sich setzte sie an die Stelle des alten, praktisch unbrauchbar gewordenen tatsächlich ein neues Stadtrecht, das materiell beruhte auf einem Kompromiß zwischen dem nationalen Zwölftafelrecht und dem internationalen oder dem sogenannten Rechte der Völker. An jenem wurde wesentlich, wenn auch natürlich mit zeitgemäßen Modifikationen, festgehalten im Ehe-, Familien- und Erbfolgerecht; dagegen ward in allen Bestimmungen, die den Vermögensverkehr betrafen, also für Eigentum und Kontrakte, das Internationalrecht maßgebend; ja hier wurde sogar dem lokalen Provinzialrecht manche wichtige Einrichtung entlehnt, zum Beispiel die Wuchergesetzgebung und das Hypothekarinstitut. Ob auf einmal oder allmählich, ob durch einen oder mehrere Urheber, durch wen, wann und wie diese tiefgreifende Neuerung ins Leben trat, sind Fragen, auf die wir eine genügende Antwort schuldig bleiben müssen; wir wissen nur, daß diese Reform, wie natürlich, zunächst ausging von dem Stadtgericht, daß sie zuerst sich formulierte in den jährlich von dem neu antretenden Stadtrichter zur Nachachtung für die Parteien ergehenden Belehrungen über die wichtigsten, in dem beginnenden Gerichtsjahr einzuhaltenden Rechtsmaximen (edictum annuum oder perpetuum praetoris urbani de iuris dictione) und daß sie, wenn auch manche vorbereitende Schritte in früheren Zeiten getan sein mögen, sicher erst in dieser Epoche ihre Vollendung fand. Die neue Rechtssatzung war theoretisch abstrakt, insofern die römische Rechtsanschauung darin ihrer nationalen Besonderheit insoweit sich entäußert hatte, als sie derselben sich bewußt worden war; sie war aber zugleich praktisch positiv, indem sie keineswegs in die trübe Dämmerung allgemeiner Billigkeit oder gar in das reine Nichts des sogenannten Naturrechts verschwamm, sondern von bestimmten Behörden für bestimmte konkrete Fälle nach festen Normen angewandt ward und einer gesetzlichen Formulierung nicht bloß fähig, sondern in dem Stadtedikt wesentlich schon teilhaft geworden war. Diese Satzung entsprach ferner materiell den Bedürfnissen der Zeit, insofern sie für Prozeß, Eigentumserwerb, Kontraktabschluß die durch den gesteigerten Verkehr geforderten bequemeren Formen darbot. Sie war endlich bereits im wesentlichen im ganzen Umfang des römischen Reiches allgemein subsidiäres Recht geworden, indem man die mannigfaltigen Lokalstatuten für diejenigen Rechtsverhältnisse, die nicht zunächst Verkehrsverhältnisse sind, sowie für den Lokalverkehr zwischen Gliedern desselben Rechtssprengels beibehielt, dagegen den Vermögensverkehr zwischen Reichsangehörigen verschiedener Rechtskreise durchgängig nach dem Muster des, rechtlich auf diese Fälle freilich nicht anwendbaren, Stadtediktes sowohl in Italien wie in den Provinzen regulierte. Das Recht des Stadtedikts hatte also wesentlich dieselbe Stellung in jener Zeit, die in unserer staatlichen Entwicklung das römische Recht eingenommen hat: auch dies ist, soweit solche Gegensätze sich vereinigen lassen, zugleich abstrakt und positiv; auch dies empfahl sich durch seine, verglichen mit dem älteren Satzungsrecht, geschmeidigen Verkehrsformen und trat neben den Lokalstatuten als allgemeines Hilfsrecht ein. Nur darin hatte die römische Rechtsentwicklung vor der unsrigen einen wesentlichen Vorzug, daß die denationalisierte Gesetzgebung nicht, wie bei uns, vorzeitig und durch Kunstgeburt, sondern rechtzeitig und naturgemäß sich einfand.
Diesen Rechtszustand fand Caesar vor. Wenn er den Plan entwarf zu einem neuen Gesetzbuch, so ist es nicht schwer zu sagen, was er damit beabsichtigt hat. Es konnte dies Gesetzbuch einzig das Recht der römischen Bürger zusammenfassen und allgemeines Reichsgesetzbuch nur insofern sein, als ein zeitgemäßes Gesetzbuch der herrschenden Nation von selbst im ganzen Umfange des Reiches allgemeines Subsidiarrecht werden mußte. Im Kriminalrecht, wenn überhaupt der Plan sich auf dies miterstreckte, bedurfte es nur einer Revision und Redaktion der Sullanischen Ordnungen. Im Zivilrecht war für einen Staat, dessen Nationalität eigentlich die Humanität war, die notwendige und einzig mögliche Formulierung jenes schon aus dem rechtlichen Verkehr freiwillig hervorgewachsene Stadtedikt in gesetzlicher Sicherung und Präzisierung. Den ersten Schritt zu dieser hatte das Cornelische Gesetz von 687 (67) getan, indem es den Richter an die zu Anfang seines Amtes aufgestellten Maximen band und ihm vorschrieb, nicht willkürlich anderes Recht zu sprechen – eine Bestimmung, die wohl mit dem Zwölftafelgesetz verglichen werden darf und für die Fixierung des neueren Stadtrechts fast ebenso bedeutsam geworden ist wie jenes für die Fixierung des älteren. Aber wenn auch seit dem Cornelischen Volksschluß das Edikt nicht mehr unter dem Richter stand, sondern gesetzlich der Richter unter dem Edikt; wenn auch das neue Gesetzbuch im Gerichtsgebrauch wie im Rechtsunterricht das alte Stadtrecht tatsächlich verdrängt hatte, so stand es doch noch jedem Stadtrichter frei, bei Antritt seines Amtes das Edikt unbeschränkt und willkürlich zu verändern, und überwog das Zwölftafelrecht mit seinen Zusätzen formell immer noch das Stadtedikt, so daß in jedem einzelnen Kollisionsfall die veraltete Satzung durch arbiträres Eingreifen der Beamten, also genau genommen durch Verletzung des formellen Rechts, beseitigt werden mußte. Die subsidiäre Anwendung des Stadtedikts in dem Fremdengericht in Rom und in den verschiedenen Provinzialgerichtshöfen war nun gar gänzlich in die Willkür der einzelnen Oberbeamten gestellt. Offenbar war es notwendig, das alte Stadtrecht, soweit es nicht in das neuere übergegangen war, definitiv zu beseitigen und in dem letzteren der willkürlichen Änderung durch jeden einzelnen Stadtrichter angemessene Grenzen zu setzen, etwa auch die subsidiäre Anwendung desselben neben den Lokalstatuten zu regulieren. Dies war Caesars Absicht, als er den Plan zu einem Gesetzbuch entwarf; denn dies mußte sie sein. Der Plan ward nicht ausgeführt und damit jener lästige Übergangszustand in dem römischen Rechtswesen verewigt, bis nach sechshundert Jahren, und auch dann nur unvollkommen, diese notwendige Reform von einem der Nachfolger Caesars, dem Kaiser Justinianus, vollzogen ward.
Endlich in Münze, Maß und Gewicht war die wesentliche Ausgleichung des latinischen und des hellenischen Systems längst im Zuge. Sie war uralt in den für Handel und Verkehr unentbehrlichen Bestimmungen des Gewichts, der Körper- und Längenmaße und in dem Münzwesen wenig jünger als die Einführung der Silberprägung. Indes reichten diese älteren Gleichungen nicht aus, da in der hellenischen Welt selbst die verschiedenartigsten metrischen und Münzsysteme nebeneinander bestanden; es war notwendig und lag auch ohne Zweifel in Caesars Plan, in dem neuen einheitlichen Reich, soweit es nicht bereits früher schon geschehen war, römische Münze, römisches Maß und römisches Gewicht jetzt überall in der Art einzuführen, daß im offiziellen Verkehr allein danach gerechnet, und die nichtrömischen Systeme teils auf lokale Geltung beschränkt, teils zu den römischen in ein ein für allemal reguliertes Verhältnis gesetzt wurdenKürzlich zum Vorschein gekommene pompeianische Gewichte legen die Annahme nahe, daß im Anfang der Kaiserzeit neben dem römischen Pfund die attische Mine (vermutlich im Verhältnis von 3 : 4) als zweites Reichsgewicht Geltung gehabt hat (Heymes 16, 1880, S. 311).. Nachweisen indes läßt Caesars Tätigkeit sich nur auf zweien der wichtigsten dieser Gebiete, in dem Geld- und im Kalenderwesen.
Das römische Geldwesen beruhte auf den beiden neben und in einem festen Verhältnis zueinander umlaufenden edlen Metallen, von denen das Gold nach dem GewichtDie Goldstücke, die Sulla und gleichzeitig Pompeius, beide in geringer Zahl, schlagen ließen, heben diesen Satz nicht auf: denn sie wurden wahrscheinlich lediglich nach dem Gewicht genommen ähnlich wie die goldenen Philippeer, die auch bis nach Caesars Zeit im Umlauf gewesen sind. Merkwürdig sind sie allerdings, insofern sie das Caesarische Reichsgold ähnlich einleiten wie Sullas Regentschaft die neue Monarchie., das Silber nach dem Gepräge gegeben und genommen ward, tatsächlich aber infolge des ausgedehnten überseeischen Verkehrs das Gold bei weitem das Silber überwog. Ob nicht schon früher im ganzen Umfange des Reiches die Annahme des römischen Silbergeldes obligatorisch war, ist ungewiß; auf jeden Fall vertrat die Stelle des Reichsgeldes im ganzen römischen Gebiet wesentlich das ungemünzte Gold, um so mehr als die Römer in allen Provinzen und Klientelstaaten die Goldprägung untersagt hatten, und hatte der Denar außer in Italien auch im Cisalpinischen Gallien, in Sizilien, in Spanien und sonst vielfach, namentlich im Westen, gesetzlich oder faktisch sich eingebürgert. Mit Caesar aber beginnt die Reichsmünze. Ebenwie Alexander bezeichnete auch er die Gründung der neuen, die zivilisierte Welt umfassenden Monarchie dadurch, daß das einzig weltenvermittelnde Metall auch in der Münze den ersten Platz erhielt. In wie großartigem Umfang sogleich das neue Caesarische Goldstück (zu 7 Taler, 18 Groschen nach heutigem Metallwert) geprägt ward, beweist die Tatsache, daß in einem einzelnen, sieben Jahre nach Caesars Tode vergrabenen Schatz sich 80000 dieser Stücke beisammen gefunden haben. Freilich mögen hier nebenbei auch finanzielle Spekulationen von Einfluß gewesen seinEs scheint nämlich, daß man in älterer Zeit die auf Silber lautenden Forderungen der Staatsgläubiger nicht wider deren Willen in Gold, nach dem legalen Kurs desselben zum Silber, bezahlen konnte; wogegen es keinen Zweifel leidet, daß seit Caesar das Goldstück unweigerlich für 100 Silbersesterzen angenommen werden mußte. Es war dies ebendamals um so wichtiger, als infolge der durch Caesar in Umlauf gebrachten großen Quantitäten Goldes dasselbe eine Zeitlang im Handelskurs 25 Prozent unter dem Legalkurs stand.. Was das Silbergeld anlangt, so ward durch Caesar die Alleinherrschaft des römischen Denars im gesamten Westen, zu der der Grund schon früher gelegt worden war, schließlich festgestellt, indem er die einzige okzidentalische Münzstätte, die im Silbercourant noch mit der römischen konkurrierte, die massaliotische, definitiv schloß. Die Prägung von silberner oder kupferner Scheidemünze blieb einer Anzahl okzidentalischer Gemeinden erlaubt, wie denn Dreivierteldenare von einigen latinischen Gemeinden des südlichen Galliens, halbe Denare von mehreren nordgallischen Gauen, kupferne Kleinmünzen vielfach auch noch nach Caesar von Kommunen des Westens geschlagen worden sind; allein auch diese Scheidemünze war durchgängig auf römischen Fuß geprägt und ihre Annahme überdies wahrscheinlich nur im Lokalverkehr obligatorisch. An eine einheitliche Regulierung des Münzwesens im Osten, wo große Massen groben, großenteils zu leicht ausgebrachten oder vernutzten Silbergeldes, zum Teil sogar, wie in Ägypten, eine unserem Papiergeld verwandte Kupfermünze umlief, auch die syrischen Handelsstädte den Mangel ihrer bisherigen, dem mesopotamischen Courant entsprechenden Landesmünze sehr schwer empfunden haben würden, scheint Caesar so wenig gedacht zu haben wie die frühere Regierung. Wir finden hier später die Einrichtung, daß der Denar überall gesetzlichen Kurs hat und offiziell nur nach ihm gerechnet wirdEs gibt wohl keine Inschrift der Kaiserzeit, die Geldsummen anders als in römischer Münze angäbe., die Lokalmünzen aber innerhalb ihres beschränkten Rayons zwar auch Legalkurs, aber nach einem für sie ungünstigen Tarif gegen den Denar habenSo gilt die attische Drachme, obwohl merklich schwerer als der Denar, doch diesem gleich; das antiochische Tetradrachmon, durchschnittlich 15 Gramm Silber schwer, gleich 3 römischen Denaren, die nur gegen 12 Gramm wiegen; so der kleinasiatische Cistophorus nach Silberwert über 3, nach dem Legaltarif 2 Denare; so die rhodische halbe Drachme nach Silberwert ¾, nach dem Legaltarif 5/8 Denare und so weiter.; dieselbe ist wahrscheinlich nicht auf einmal und zum Teil auch wohl schon von Caesar eingeführt worden, auf jeden Fall aber die wesentliche Ergänzung der Caesarischen Reichsmünzordnung, deren neues Goldstück in dem ungefähr gleich schweren Alexanders sein unmittelbares Muster fand und wohl ganz besonders auf die Zirkulation im Orient berechnet war.
Verwandter Art war die Kalenderreform. Der republikanische Kalender, unglaublicherweise immer noch der alte, aus der vormetonischen Oktaeteris verunstaltete Dezemviralkalender, war durch die Verbindung elendester Mathematik und elendester Administration dahin gelangt, um volle 67 Tage der wahren Zeit voranzugehen und zum Beispiel das Blütenfest statt am 28. April am 11. Juli zu feiern. Caesar beseitigte endlich diesen Mißstand und führte mit Hilfe des griechischen Mathematikers Sosigenes das nach dem ägyptischen Eudoxischen Kalender geordnete italische Bauernjahr sowie ein verständiges Einschaltungssystem in den religiösen und offiziellen Gebrauch ein, indem zugleich das alte Kalenderneujahr des 1. März abgeschafft, dagegen der zunächst für den Amtswechsel der höchsten Magistrate festgestellte und infolgedessen längst im bürgerlichen Leben überwiegende Termin des 1. Januar auch als Kalenderepoche für den Jahreswechsel angenommen ward. Beide Änderungen traten mit dem 1. Januar 709 der Stadt, 45 vor Chr., ins Leben und mit ihnen der Gebrauch des von seinem Urheber benannten Julianischen Kalenders, der lange nach dem Untergang der Monarchie Caesars in der gebildeten Welt maßgebend geblieben und in der Hauptsache es noch ist. Zur Erläuterung ward in einem ausführlichen Edikt ein den ägyptischen Himmelsbeobachtungen entnommener und, freilich nicht geschickt, auf Italien übertragener Sternkalender hinzugefügt, welcher den Auf- und Untergang der namhaften Gestirne nach Kalendertagen bestimmteDie Identität dieses vielleicht von Marcus Flavius redigierten Edikts (Macr. Sat. I, 14, 2) und der angeblichen Schrift Caesars von den Gestirnen beweist der Scherz Ciceros (Plut. Caes. 59), daß jetzt die Leier nach Verordnung aufgehe.
Übrigens wußte man schon vor Caesar, daß das Sonnenjahr von 365 Tagen sechs Stunden, das dem ägyptischen Kalender zugrunde lag und das er seinem Kalender zugrunde legte, etwas zu lang angesetzt sei. Die genaueste Berechnung des tropischen Jahres, die die alte Welt kannte, die des Hipparchos, setzte dasselbe auf 365 Tage 5 Stunden 52' 12"; die wahre Länge ist 365 Tage 5 Stunden 48' 48".
Dies waren die Grundlagen der Mittelmeermonarchie Caesars. Zum zweitenmal war in Rom die soziale Frage zu einer Krise gelangt, wo die Gegensätze, so wie sie aufgestellt waren, unauflöslich, so wie sie ausgesprochen waren, unversöhnlich nicht bloß schienen, sondern waren. Damals war Rom dadurch gerettet worden, daß Italien in Rom und Rom in Italien aufging und in der neuen erweiterten und verwandelten Heimat jene alten Gegensätze nicht ausgeglichen wurden, sondern wegfielen. Wieder ward jetzt Rom dadurch gerettet, daß die Landschaften des Mittelmeeres in ihm aufgingen oder zum Aufgehen vorbereitet wurden; der Krieg der italischen Armen und Reichen, der in dem alten Italien nur mit der Vernichtung der Nation endigen konnte, hatte in dem Italien dreier Weltteile kein Schlachtfeld und keinen Sinn mehr. Die latinischen Kolonien schlossen die Kluft, die im fünften Jahrhundert die römische Gemeinde zu verschlingen drohte; den tieferen Riß des siebenten Jahrhunderts füllten Gaius Gracchus' und Caesars transalpinische und überseeische Kolonisationen. Für das einzige Rom hat die Geschichte nicht bloß Wunder getan, sondern auch seine Wunder wiederholt und zweimal die im Staate selbst unheilbare innere Krise dadurch geheilt, daß sie den Staat verjüngte. Wohl ist viel Verwesung in dieser Verjüngung; wie die Einigung Italiens auf den Trümmern der samnitischen und etruskischen Nation sich vollzog, so erbaute auch die Mittelmeermonarchie sich auf den Ruinen unzähliger, einst lebendiger und tüchtiger Staaten und Stämme; aber es ist eine Verwesung, der frische und zum Teil noch heute grünende Saaten entkeimten. Was zugrunde ging um des neuen Gebäudes willen, waren nur die längst schon von der nivellierenden Zivilisation zum Untergang bezeichneten sekundären Nationalitäten. Caesar hat, wo er zerstörend auftrat, nur den ausgefällten Spruch der geschichtlichen Entwicklung vollzogen, die Keime der Kultur aber geschützt, wo und wie er sie fand, in seinem eigenen Lande so gut wie bei der verschwisterten Nation der Hellenen. Er hat das Römertum gerettet und erneuert, aber auch das Griechentum hat er nicht bloß geschont, sondern mit derselben sicheren Genialität, womit er die Neugründung Roms vollbrachte, auch der Regeneration der Hellenen sich unterzogen und das unterbrochene Werk des großen Alexander wiederaufgenommen, dessen Bild, wohl mag man es glauben, niemals aus Caesars Seele wich. Er hat diese beiden großen Aufgaben nicht bloß nebeneinander, sondern eine durch die andere gelöst. Die beiden großen Wesenheiten des Menschentums, die allgemeine und die individuelle Entwicklung oder Staat und Kultur, einst im Keime vereinigt in jenen alten, fern von den Küsten und Inseln des Mittelmeers in urväterlicher Einfachheit ihre Herden weidenden Graecoitalikern, hatten sich geschieden, als dieselben sich sonderten in Italiker und Hellenen, und waren seitdem durch Jahrtausende geschieden geblieben. Jetzt erschuf der Enkel des troischen Fürsten und der latinischen Königstochter aus einem Staat ohne eigene Kultur und einer kosmopolitischen Zivilisation ein neues Ganzes, in welchem auf dem Gipfel menschlichen Daseins, in der reichen Fülle des glückseligen Alters Staat und Kultur wiederum sich zusammenfanden und den einem solchen Inhalt angemessenen Umkreis würdig erfüllten.
Die Linien sind dargelegt, welche Caesar für dieses Werk gezogen hat, nach denen er selbst arbeitete und nach denen die Späteren, viele Jahrhunderte hindurch gebannt in die von diesem Manne vorgezeichneten Bahnen, wo nicht mit dem Geiste und der Energie, doch im ganzen nach den Intentionen des großen Meisters weiter zu arbeiten versuchten. Vollendet ist wenig, gar manches nur angelegt. Ob der Plan vollständig ist, mag entscheiden, wer mit einem solchen Mann in die Wette zu denken wagt; wir bemerken keine wesentlichen Lücken in dem, was vorliegt, jeder einzelne Baustein genug, um einen Mann unsterblich zu machen, und doch wieder alle zusammen ein harmonisches Ganzes. Fünf und ein halbes Jahr, nicht halb so lange wie Alexander, schaltete Caesar als König von Rom; zwischen sieben großen Feldzügen, die ihm nicht mehr als zusammen fünfzehn MonateCaesar verweilte in Rom im April und Dezember 705 (49), beide Male auf wenige Tage; vom September bis Dezember 707 (47); etwa vier Herbstmonate des fünfzehnmonatlichen Jahres 708 (46) und vom Oktober 709 (45) bis zum März 710 (44). in der Hauptstadt seines Reiches zu verweilen erlaubten, ordnete er die Geschicke der Welt für die Gegenwart und die Zukunft; von der Feststellung der Grenzlinie zwischen Zivilisation und Barbarei an bis hinab zu der Beseitigung der Regenpfützen auf den Gassen der Hauptstadt, und behielt dabei noch Zeit und Heiterkeit genug, um den Preisstücken im Theater aufmerksam zu folgen und dem Sieger den Kranz mit improvisierten Versen zu erteilen. Die Schnelligkeit und Sicherheit der Ausführung des Planes beweist, daß er lange durchdacht und in allen Teilen im einzelnen festgestellt war; allein auch so bleibt sie nicht viel weniger wunderbar als der Plan selbst. Die Grundzüge waren gegeben und damit der neue Staat für alle Zukunft bestimmt; vollenden konnte den Bau nur die grenzenlose Zukunft. Insofern durfte Caesar sich sagen, daß sein Ziel erreicht sei, und das wohl mochten die Worte bedeuten, die man zuweilen aus seinem Munde vernahm, daß er genug gelebt habe. Aber eben weil der Bau ein unendlicher war, fügte der Meister, solange er lebte, rastlos Stein auf Stein, mit immer gleicher Geschmeidigkeit und immer gleicher Spannkraft tätig an seinem Werk, ohne je zu überstürzen oder zu verschieben, eben als gebe es für ihn nur ein Heute und kein Morgen. So wirkte und schaffte er wie nie ein Sterblicher vor und nach ihm, und als ein Wirkender und Schaffender lebt er noch nach Jahrtausenden im Gedächtnis der Nationen, der erste und doch auch der einzige Imperator Caesar.