Theodor Mommsen
Römische Geschichte
Theodor Mommsen

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4. Kapitel

Pompeius und der Osten

Wir haben früher gesehen, wie trostlos im Osten zu Lande und zur See die Angelegenheiten Roms standen, als im Anfang des Jahres 687 (67) Pompeius zunächst die Führung des Krieges gegen die Piraten mit beinahe unumschränkter Machtvollkommenheit übernahm. Er begann damit, das ungeheure ihm überwiesene Gebiet in dreizehn Bezirke zu teilen und jeden derselben einem seiner Unterfeldherren zu überweisen, um daselbst Schiffe und Mannschaften zu rüsten, die Küsten abzusuchen und die Piratenboote aufzubringen oder einem der Kollegen ins Garn zu jagen. Er selbst ging mit dem besten Teil der vorhandenen Kriegsschiffe, unter denen auch diesmal die rhodischen sich auszeichneten, früh im Jahr in See und reinigte zunächst die sizilischen, afrikanischen und sardischen Gewässer, um vor allem die Getreidezufuhr aus diesen Provinzen nach Italien wieder in Gang zu bringen. Für die Säuberung der spanischen und gallischen Küsten sorgten inzwischen die Unterfeldherren. Es war bei dieser Gelegenheit, daß der Konsul Gaius Piso von Rom aus die Aushebungen zu hemmen versuchte, welche Pompeius' Legat Marcus Pomponius kraft des Gabinischen Gesetzes in der Provinz Narbo veranstaltete – ein unkluges Beginnen, dem zu steuern und zugleich die gerechte Erbitterung der Menge gegen den Konsul in den gesetzlichen Schranken zu halten Pompeius vorübergehend wieder in Rom erschien. Als nach vierzig Tagen im westlichen Becken des Mittelmeers die Schiffahrt überall freigemacht war, ging Pompeius mit seinen sechzig besten Fahrzeugen weiter in das östliche Meer, zunächst nach dem Ur- und Hauptsitz der Piraterie, den lykischen und kilikischen Gewässern. Auf die Kunde von dem Herannahen der römischen Flotte verschwanden nicht bloß die Piratenkähne überall von der offenen See; auch die starken lykischen Festen Antikragos und Kragos ergaben sich, ohne ernstlichen Widerstand zu leisten. Mehr noch als die Furcht öffnete Pompeius' wohlberechnete Milde die Tore dieser schwer zugänglichen Seeburgen. Seine Vorgänger hatten jeden gefangenen Seeräuber ans Kreuz heften lassen; er gab ohne Bedenken allen Quartier und behandelte namentlich die auf den genommenen Piratenbooten vorgefundenen gemeinen Ruderer mit ungewohnter Nachsicht. Nur die kühnen kilikischen Seekönige wagten einen Versuch, wenigstens ihre eigenen Gewässer mit den Waffen gegen die Römer zu behaupten: nachdem sie ihre Kinder und Frauen und ihre reichen Schätze in die Bergschlösser des Taurus geflüchtet hatten, erwarteten sie die römische Flotte an der Westgrenze Kilikiens, auf der Höhe von Korakesion. Aber Pompeius' wohlbemannte und mit allem Kriegszeug wohlversehene Schiffe erfochten hier einen vollständigen Sieg. Ohne weiteres Hindernis landete er darauf und begann die Bergschlösser der Korsaren zu stürmen und zu brechen, während er fortfuhr, ihnen selbst als Preis der Unterwerfung Freiheit und Leben zu bieten. Bald gab die große Menge es auf, in ihren Burgen und Bergen einen hoffnungslosen Krieg fortzusetzen und bequemte sich zur Ergebung. Neunundvierzig Tage nachdem Pompeius in der östlichen See erschienen, war Kilikien unterworfen und der Krieg zu Ende. Die rasche Überwältigung der Piraterie war eine große Erleichterung, aber keine großartige Tat: mit den Hilfsmitteln des römischen Staates, die in verschwenderischem Maße waren aufgeboten worden, konnten die Korsaren so wenig sich messen als die vereinigten Diebesbanden einer großen Stadt mit einer wohlorganisierten Polizei. Es war naiv, eine solche Razzia als einen Sieg zu feiern. Aber verglichen mit dem langjährigen Bestehen und der grenzenlosen, täglich weiter um sich greifenden Ausdehnung des Übels ist es erklärlich, daß die überraschend schnelle Überwältigung der gefürchteten Piraten auf das Publikum den gewaltigsten Eindruck machte; um so mehr, da dies die erste Probe des in einer Hand zentralisierten Regiments war und die Parteien gespannt darauf harrten, ob es verstehen werde, besser als das kollegialische zu regieren. Gegen 400 Schiffe und Boote, darunter 90 eigentliche Kriegsfahrzeuge, wurden teils von Pompeius genommen, teils ihm ausgeliefert; im ganzen sollen an 1300 Piratenfahrzeuge zugrunde gerichtet und außerdem die reichgefüllten Arsenale und Zeughäuser der Flibustier in Flammen aufgegangen sein. Von den Seeräubern waren gegen 10000 umgekommen, über 20000 dem Sieger lebend in die Hände gefallen, wogegen Publius Clodius, der Flottenführer der in Kilikien stehenden römischen Armee, und eine Menge anderer von den Piraten weggeführter, zum Teil daheim längst tot geglaubter Individuen durch Pompeius ihre Freiheit wiedererlangten. Im Sommer 687 (67), drei Monate nach dem Beginn des Feldzugs, gingen Handel und Wandel wieder ihren gewohnten Gang und anstatt der früheren Hungersnot herrschte in Italien Überfluß.

Ein verdrießliches Zwischenspiel auf der Insel Kreta trübte indes einigermaßen diesen erfreulichen Erfolg der römischen Waffen. Dort stand schon im zweiten Jahre Quintus Metellus, beschäftigt, die im wesentlichen bereits bewirkte Unterwerfung der Insel zu vollenden, als Pompeius in den östlichen Gewässern erschien. Eine Kollision lag nahe, denn nach dem Gabinischen Gesetz erstreckte sich Pompeius' Kommando konkurrierend mit dem des Metellus auf die ganze Ianggestreckte, aber nirgends über zwanzig deutsche Meilen breite Insel; doch war Pompeius so rücksichtsvoll, sie keinem seiner Unterbefehlshaber zu überweisen. Allein die noch widerstrebenden kretischen Gemeinden, die ihre unterworfenen Landsleute von Metellus mit der grausamsten Strenge zur Verantwortung hatten ziehen sehen und dagegen die milden Bedingungen vernahmen, welche Pompeius den ihm sich ergebenden Ortschaften des südlichen Kleinasiens zu stellen pflegte, zogen es vor, ihre Gesamtunterwerfung an Pompeius einzugeben, der sie auch in Pamphylien, wo er eben sich befand, von ihren Gesandten entgegennahm und ihnen seinen Legaten Lucius Octavius mitgab, um Metellus den Abschluß der Verträge anzuzeigen und die Städte zu übernehmen. Kollegialisch war dies Verfahren freilich nicht; allein das formelle Recht war durchaus auf seiten des Pompeius und Metellus im offenbarsten Unrecht, wenn er, den Vertrag der Städte mit Pompeius vollständig ignorierend, dieselben als feindliche zu behandeln fortfuhr. Vergeblich protestierte Octavius; vergeblich rief er, da er selbst ohne Truppen gekommen war, aus Achaia den dort stehenden Unterfeldherrn des Pompeius, Lucius Sisenna, herbei; Metellus, weder um Octavius noch um Sisenna sich bekümmernd, belagerte Eleutherna und nahm Lappa mit Sturm, wo Octavius selbst gefangengenommen und beschimpft entlassen, die mit ihm gefangenen Kreter aber dem Henker überliefert wurden. So kam es zu förmlichen Gefechten zwischen Sisennas Truppen, an deren Spitze nach dieses Führers Tode sich Octavius stellte, und denen des Metellus; selbst als jene nach Achaia zurückkommandiert worden waren, setzte Octavius in Gemeinschaft mit dem Kreter Aristion den Krieg fort, und Hierapytna, wo beide sich hielten, ward von Metellus erst nach der hartnäckigsten Gegenwehr bezwungen.

In der Tat hatte damit der eifrige Optimat Metellus gegen den Oberfeldherrn der Demokratie auf eigene Hand den förmlichen Bürgerkrieg begonnen; es zeugt von der unbeschreiblichen Zerrüttung der römischen Staatsverhältnisse, daß diese Auftritte zu nichts weiterem führten als zu einer bitteren Korrespondenz zwischen den beiden Generalen, die ein paar Jahre darauf wieder friedlich und sogar "freundschaftlich" nebeneinander im Senate saßen.

Pompeius stand während dieser Vorgänge in Kilikien; für das nächste Jahr, wie es schien, einen Feldzug vorbereitend gegen die Kretenser oder vielmehr gegen Metellus, in der Tat des Winkes harrend, der ihn zum Eingreifen in die gründlich verwirrten Angelegenheiten des kleinasiatischen Kontinents berief. Was von Lucullus' Heer nach den erlittenen Verlusten und der Verabschiedung der Fimbrianischen Legionen noch übrig war, stand untätig am oberen Halys in der Landschaft der Trokmer an der Grenze des pontischen Gebietes. Den Oberbefehl führte einstweilen immer noch Lucullus, da sein ernannter Nachfolger Glabrio fortfuhr, in Vorderasien zu säumen. Ebenso untätig lagerten in Kilikien die drei von Quintus Marcius Rex befehligten Legionen. Das pontische Gebiet war wieder ganz in der Gewalt des Königs Mithradates, der die einzelnen Männer und Gemeinden, die den Römern sich angeschlossen hatten, wie zum Beispiel die Stadt Eupatoria, mit grausamer Strenge ihren Abfall büßen ließ. Zu einer ernsten Offensive gegen die Römer schritten die Könige des Ostens nicht, sei es daß sie überhaupt nicht in ihrem Plan lag, sei es, was auch behauptet wurde, daß Pompeius' Landung in Kilikien die Könige Mithradates und Tigranes bewog, von weiterem Vorgehen abzustehen. Rascher als Pompeius selbst es gehofft haben mochte, verwirklichte das Manilische Gesetz seine im stillen genährten Hoffnungen: Glabrio und Rex wurden abberufen und die Statthalterschaften Pontus-Bithynien und Kilikien mit den darin stehenden Truppen sowie die Führung des Pontisch-Armenischen Krieges nebst der Befugnis, mit den Dynasten des Ostens nach eigenem Gutdünken Krieg, Frieden und Bündnis zu machen, auf Pompeius übertragen. Über die Aussicht auf so reiche Ehren und Spolien vergaß Pompeius gern die Züchtigung eines übellaunigen und seine sparsamen Lorbeerblätter neidisch hütenden Optimaten, gab den Zug gegen Kreta und die fernere Verfolgung der Korsaren auf und bestimmte auch seine Flotte zu Unterstützung des Angriffs, den er gegen die Könige von Pontus und Armenien entwarf. Doch verlor er über diesen Landkrieg die immer wieder aufs neue ihr Haupt erhebende Piraterie keineswegs völlig aus den Augen. Ehe er Asien verließ (691 63), ließ er daselbst noch die nötigen Schiffe gegen die Korsaren instand setzen; auf seinen Antrag ward das Jahr darauf für Italien eine ähnliche Maßregel beschlossen und die dazu nötige Summe vom Senat bewilligt. Man fuhr fort, die Küsten mit Reiterbesatzungen und kleinen Geschwadern zu decken. Wenn man auch, wie schon die später zu erwähnenden Expeditionen gegen Kypros 696 (58) und gegen Ägypten 699 (55) beweisen, der Piraterie nicht durchaus Herr ward, so hat dieselbe doch nach der Expedition des Pompeius unter allen Wechselfällen und politischen Krisen Roms niemals wieder so ihr Haupt emporheben und so völlig die Römer an der See verdrängen können, wie es unter dem Regiment der verrotteten Oligarchie geschehen war.

Die wenigen Monate, die vor dem Beginn des kleinasiatischen Feldzugs noch übrig waren, wurden von dem neuen Oberfeldherrn mit angestrengter Tätigkeit zu diplomatischen und militärischen Vorbereitungen benutzt. Es gingen Gesandte an Mithradates, mehr um zu kundschaften, als um eine ernstliche Vermittlung zu versuchen. Am pontischen Hofe hoffte man, daß der König der Parther, Phraates, durch die letzten bedeutenden Erfolge, die die Verbündeten über Rom davongetragen hatten, sich zum Eintritt in das pontisch-armenische Bündnis bestimmen lassen werde. Dem entgegenzuwirken gingen römische Boten an den Hof von Ktesiphon; und ihnen kamen die inneren Wirren zu Hilfe, die das armenische Herrscherhaus zerrissen. Des Großkönigs Tigranes gleichnamiger Sohn hatte sich gegen seinen Vater empört, sei es daß er den Tod des Greises nicht abwarten mochte, sei es daß der Argwohn desselben, der schon mehreren seiner Brüder das Leben gekostet hatte, ihn die einzige Möglichkeit der Rettung in der offenen Empörung sehen ließ. Vom Vater überwunden, hatte er mit einer Anzahl vornehmer Armenier sich an den Hof des Arsakiden geflüchtet und intrigierte dort gegen den Vater. Es war zum Teil sein Werk, daß Phraates den Lohn für den Beitritt, der ihm von beiden Seiten geboten ward, den gesicherten Besitz Mesopotamiens, lieber aus der Hand der Römer nahm und den mit Lucullus hinsichtlich der Euphratgrenze abgeschlossenen Vertrag mit Pompeius erneuerte, ja sogar darauf einging, mit den Römern gemeinschaftlich gegen Armenien zu operieren. Noch größeren Schaden als durch die Förderung des Bündnisses zwischen den Römern und den Parthern tat der jüngere Tigranes den Königen Tigranes und Mithradates dadurch, daß sein Aufstand eine Spaltung zwischen ihnen selbst hervorrief. Der Großkönig näherte im geheimen den Argwohn, daß der Schwiegervater bei der Schilderhebung seines Enkels – die Mutter des jüngeren Tigranes, Kleopatra, war die Tochter Mithradats – die Hand im Spiel gehabt haben möge, und wenn es auch darüber nicht zum offenen Bruch kam, so war doch das gute Einverständnis der beiden Monarchen eben in dem Augenblick gestört, wo sie desselben am dringendsten bedurften.

Zugleich betrieb Pompeius die Rüstungen mit Energie. Die asiatischen Bundes- und Klientelgemeinden wurden gemahnt, den vertragsmäßigen Zuzug zu leisten. Öffentliche Anschläge forderten die entlassenen Veteranen der Legionen Fimbrias auf, als Freiwillige wieder unter die Fahnen zurückzutreten, und durch große Versprechungen und den Namen des Pompeius ließ ein ansehnlicher Teil derselben in der Tat sich bestimmen, dem Rufe zu folgen. Die gesamte Streitmacht, die unter Pompeius' Befehlen vereinigt war, mochte mit Ausschluß der Hilfsvölker sich auf etwa 40-50000 Mann belaufenPompeius verteilte unter seine Soldaten und Offiziere als Ehrengeschenk 384 Mill. Sesterzen (= 16000 Talente; App. Mithr. 116); da die Offiziere 100 Mill. empfingen (Plin. nat. 37, 2, 16), von den gemeinen Soldaten aber jeder 6000 Sesterzen (Plin., App.), so zählte das Heer noch bei dem Triumph etwa 40000 Mann..

Im Frühjahr 688 (66) begab sich Pompeius nach Galatien, um den Oberbefehl über die Truppen Luculls zu übernehmen und mit ihnen in das pontische Gebiet einzurücken, wohin die kilikischen Legionen angewiesen waren zu folgen. In Danala, einer Ortschaft der Trokmer, trafen die beiden Feldherren zusammen; die Versöhnung aber, die die beiderseitigen Freunde zu bewirken gehofft hatten, ward nicht erreicht. Die einleitenden Höflichkeiten gingen bald über in bittere Erörterungen und diese in heftigen Wortwechsel; man schied verstimmter, als man gekommen war. Da Lucullus fortfuhr, gleich als wäre er noch im Amte, Ehrengeschenke zu machen und Ländereien zu verteilen, so erklärte Pompeius alle nach seinem Eintreffen von seinem Amtsvorgänger vollzogenen Handlungen für nichtig. Formell war er in seinem Recht; sittlichen Takt in der Behandlung eines verdienten und mehr als genug gekränkten Gegners durfte man bei ihm nicht suchen.

Sowie es die Jahreszeit erlaubte, überschritten die römischen Truppen die pontische Grenze. Gegen sie stand hier mit 30000 Mann zu Fuß und 3000 Reitern König Mithradates. Im Stich gelassen von seinen Verbündeten und mit verstärkter Macht und Energie von Rom angegriffen, machte er einen Versuch, Frieden zu erwirken; allein von unbedingter Unterwerfung, die Pompeius forderte, wollte er nichts hören – was konnte der unglücklichste Feldzug ihm Schlimmeres bringen? Um sein Heer, größtenteils Schützen und Reiter, nicht dem furchtbaren Stoß der römischen Linieninfanterie preiszugeben, wich er langsam vor dem Feinde zurück und nötigte die Römer, ihm auf seinen Kreuz- und Quermärschen zu folgen, wobei er, wo Gelegenheit dazu war, mit seiner überlegenen Reiterei der feindlichen standhielt und den Römern durch die Erschwerung der Verpflegung nicht geringe Drangsale bereitete. Ungeduldig gab endlich Pompeius es auf, die pontische Armee zu begleiten und ging, den König stehen lassend, daran, das Land zu unterwerfen: er rückte an den oberen Euphrat, überschritt ihn und betrat die östlichen Provinzen des Pontischen Reiches. Aber auch Mithradates folgte auf das linke Euphratufer nach, und in der Anaitischen oder Akilisenischen Landschaft angelangt, verlegte er den Römern den Weg bei der festen und mit Wasser wohl versehenen Burg Dasteira, von wo aus er mit seinen leichten Truppen das Blachfeld beherrschte. Pompeius, immer noch der kilikischen Legionen entbehrend und ohne sie nicht stark genug, um sich in dieser Lage zu behaupten, mußte über den Euphrat zurückgehen und in dem waldigen, von Felsschluchten und Tieftälern vielfach durchschnittenen Terrain des pontischen Armenien vor den Reitern und Bogenschützen des Königs Schutz suchen. Erst als die Truppen aus Kilikien eintrafen und es möglich machten, nun mit Übermacht die Offensive wiederaufzunehmen, ging Pompeius wieder vor, umschloß das Lager des Königs mit einer Postenkette von fast vier deutschen Meilen Länge und hielt ihn hier förmlich blockiert, während die römischen Detachements die Gegend weit umher durchstreiften. Die Not im pontischen Lager war groß; schon mußte die Bespannung niedergestoßen werden, endlich nach fünfundvierzigtägigem Verweilen ließ der König seine Kranken und Verwundeten, da er sie weder retten konnte, noch dem Feinde in die Hände fallen lassen wollte, durch die eigenen Leute niedermachen und brach zur Nachtzeit in möglichster Stille auf gegen Osten. Vorsichtig folgte Pompeius durch das unbekannte Land; schon näherte der Marsch sich der Grenze, die Mithradates' und Tigranes' Gebiete voneinander schied. Als der römische Feldherr erkannte, daß Mithradates nicht innerhalb seines Gebietes den Kampf zur Entscheidung zu bringen, sondern den Feind in die grenzenlosen Fernen des Ostens sich nachzuziehen gedenke, entschloß er sich, dies nicht zu gestatten. Die beiden Heere lagerten hart aneinander. Während der Mittagsrast brach das römische auf, ohne daß der Feind es bemerkte, umging ihn und besetzte die vorwärts liegenden und einen vom Feinde zu passierenden Engpaß beherrschenden Anhöhen am südlichen Ufer des Flusses Lykos (Jeschil Irmak) unweit des heutigen Enderes, da wo später Nikopolis erbaut ward. Den folgenden Morgen brachen die Pontiker in gewohnter Weise auf und, den Feind wie bisher hinter sich vermutend, schlugen sie nach zurückgelegtem Tagesmarsch ihr Lager eben in dem Tale, dessen Höhenring die Römer besetzt hatten. Plötzlich erscholl in der Stille der Nacht rings im Kreise um sie der gefürchtete Schlachtruf der Legionen und regneten von allen Seiten die Geschosse in die asiatischen Heerhaufen, in denen Soldaten und Troß, Wagen, Pferde, Kamele sich durcheinander schoben und in deren dichtem Knäuel trotz der Dunkelheit kein Geschoß fehlging. Als die Römer sich verschossen hatten, stürmten sie von den Höhen herab auf die in dem Scheine des inzwischen aufgegangen Mondes sichtbar gewordenen und fast wehrlos ihnen preisgegebenen Scharen, und was nicht von dem Eisen der Feinde fiel, ward in dem fürchterlichen Gedränge unter den Hufen und Rädern zermalmt. Es war das letzte Schlachtfeld, auf welchem der greise König mit den Römern gestritten hat. Mit drei Begleitern, zweien seiner Reiter und einer Kebse, die in Männertracht ihm zu folgen und tapfer neben ihm zu streiten gewohnt war, entrann er von dort zu der Feste Sinoria, wo sich ein Teil seiner Getreuen zu ihm fand. Er teilte seine hier aufbewahrten Schätze, 6000 Talente Goldes (11 Mill. Taler), unter sie aus, versah sie und sich mit Gift und eilte mit dem ihm gebliebenen Haufen den Euphrat hinauf, um mit seinem Verbündeten, dem Großkönig von Armenien, sich zu vereinigen.

Auch diese Hoffnung war eitel; das Bündnis, auf das vertrauend Mithradates den Weg nach Armenien einschlug, bestand damals bereits nicht mehr. Während der eben erzählten Kämpfe zwischen Mithradates und Pompeius war der Partherkönig, dem Drängen der Römer und vor allem dem des landflüchtigen armenischen Prinzen nachgebend, mit gewaffneter Hand in das Reich des Tigranes eingefallen und hatte denselben gezwungen, sich in die unzugänglichen Gebirge zurückzuziehen. Die Invasionsarmee begann sogar die Belagerung der Hauptstadt Artaxata; allein da dieselbe sich in die Länge zog, entfernte sich König Phraates mit dem größten Teil seiner Truppen, worauf Tigranes das zurückgebliebene parthische Korps und die von seinem Sohn geführten armenischen Emigranten überwältigte und in dem ganzen Reiche seine Herrschaft wiederherstellte. Begreiflicherweise indes war unter diesen Umständen der König wenig geneigt, mit den aufs neue siegreichen Römern zu schlagen, am wenigsten sich für Mithradates aufzuopfern, dem er minder traute als je, seit ihm die Meldung zugekommen war, daß sein rebellischer Sohn beabsichtige, sich zu dem Großvater zu begeben. So knüpfte er mit den Römern Unterhandlungen über einen Sonderfrieden an; aber er wartete den Abschluß des Vertrages nicht ab, um das Bündnis, das ihn an Mithradates fesselte, zu zerreißen. An der armenischen Grenze angelangt, mußte dieser vernehmen, daß der Großkönig Tigranes einen Preis von 100 Talenten (150000 Taler) auf seinen Kopf gesetzt, seine Gesandten festgenommen und sie den Römern ausgeliefert habe. König Mithradates sah sein Reich in den Händen des Feindes, seine Bundesgenossen im Begriff, mit demselben sich zu vergleichen; es war nicht möglich, den Krieg fortzusetzen; er mußte sich glücklich schätzen, wenn es ihm gelang, sich an die Ost- und Nordgestade des Schwarzen Meeres zu retten, vielleicht seinen abtrünnigen und mit den Römern in Verbindung getretenen Sohn Machares wieder aus dem Bosporanischen Reiche zu verdrängen und an der Mäotis für neue Entwürfe einen neuen Boden zu finden. So schlug er sich nordwärts. Als der König auf der Flucht die alte Grenze Kleinasiens, den Phasis, überschritten hatte, stellte Pompeius vorläufig seine Verfolgung ein; statt aber in das Quellgebiet des Euphrat zurückzukehren, wandte er sich seitwärts in das Gebiet des Araxes, um mit Tigranes ein Ende zu machen. Fast ohne Widerstand zu finden gelangte er in die Gegend von Artaxata (unweit Eriwan) und schlug drei deutsche Meilen von der Stadt sein Lager. Daselbst fand der Sohn des Großkönigs sich zu ihm, der nach dem Sturze des Vaters das armenische Diadem aus der Hand der Römer zu empfangen hoffte und darum den Abschluß des Vertrages zwischen seinem Vater und den Römern in jeder Weise zu hindern bemüht war. Der Großkönig war nur um so mehr entschlossen, den Frieden um jeden Preis zu erkaufen. Zu Pferd und ohne Purpurgewand, aber geschmückt mit der königlichen Stirnbinde und dem königlichen Turban erschien er an der Pforte des römischen Lagers und begehrte, vor den römischen Feldherrn geführt zu werden. Nachdem er hier auf Geheiß der Liktoren, wie die römische Lagerordnung es erheischte, sein Roß und sein Schwert abgegeben hatte, warf er nach Barbarenart sich dem Prokonsul zu Füßen und legte zum Zeichen der unbedingten Unterwerfung Diadem und Tiara in seine Hände. Pompeius, hocherfreut über den mühelosen Sieg, hob den gedemütigten König der Könige auf, schmückte ihn wieder mit den Abzeichen seiner Würde und diktierte den Frieden. Außer einer Zahlung von 9 Mill. Talern (6000 Talente) an die Kriegskasse und einem Geschenk an die Soldaten, wovon auf jeden einzelnen 50 Denare (15 Taler) kamen, trat der König alle gemachten Eroberungen wieder ab, nicht bloß die phönikischen, syrischen, kilikischen, kappadokischen Besitzungen, sondern auch am rechten Ufer des Euphrat Sophene und Korduene; er ward wieder beschränkt auf das eigentliche Armenien und mit seinem Großkönigtum war es von selber vorbei. In einem einzigen Feldzuge hatte Pompeius die beiden mächtigen Könige von Pontus und Armenien vollständig unterworfen. Am Anfang des Jahres 688 (66) stand kein römischer Soldat jenseits der Grenze der altrömischen Besitzungen, am Schlusse desselben irrte König Mithradates landflüchtig und ohne Heer in den Schluchten des Kaukasus und saß König Tigranes auf dem armenischen Thron nicht mehr als König der Könige, sondern als römischer Lehnfürst. Das gesamte kleinasiatische Gebiet westlich vom Euphrat gehorchte den Römern unbedingt; die siegreiche Armee nahm ihre Winterquartiere östlich von diesem Strom auf armenischem Boden, in der Landschaft vom oberen Euphrat bis an den aus welchem damals zuerst die Italiker ihre Rosse tränkten.

Aber das neue Gebiet, das die Römer hier betraten, erweckte ihnen neue Kämpfe. Unwillig sahen die tapferen Völkerschaften des mittleren und östlichen Kaukasus die fernen Okzidentalen auf ihrem Gebiet lagern. Es wohnten dort in der fruchtbaren und wasserreichen Hochebene des heutigen Georgien die Iberer, eine tapfere, wohlgeordnete, ackerbauende Nation, deren Geschlechtergaue unter ihren Ältesten das Land nach Feldgemeinschaft bestellten, ohne Sondereigentum der einzelnen Bauern. Heer und Volk waren eins; an der Spitze des Volkes standen teils die Herrengeschlechter, daraus immer der Älteste der ganzen iberischen Nation als König, der Nächstälteste als Richter und Heerführer vorstand, teils besondere Priesterfamilien, denen vornehmlich oblag, die Kunde der mit anderen Völkern geschlossenen Verträge zu bewahren und über deren Einhaltung zu wachen. Die Masse der Unfreien galten als Leibeigene des Königs. Auf einer weit niedrigeren Kulturstufe standen ihre östlichen Nachbarn, die Albaner oder Alaner, die am unteren Kur bis zum Kaspischen Meere hinab saßen. Vorwiegend ein Hirtenvolk, weideten sie, zu Fuß oder zu Pferde, ihre zahlreichen Herden auf den üppigen Wiesen des heutigen Schirwan; die wenigen Ackerfelder wurden noch mit dem alten Holzpflug ohne eiserne Schar bestellt. Münze war unbekannt und über hundert ward nicht gezählt. Jeder ihrer Stämme, deren sechsundzwanzig waren, hatten seinen eigenen Häuptling und sprach seinen besonderen Dialekt. An Zahl den Iberern weit überlegen, vermochten sich die Albaner an Tapferkeit durchaus nicht mit denselben zu messen. Die Fechtart beider Nationen war übrigens im ganzen die gleiche: sie stritten vorwiegend mit Pfeilen und leichten Wurfspießen, die sie häufig nach Indianerart aus Waldverstecken, hinter Baumstämmen hervor oder von den Baumwipfeln herab, auf den Feind entsendeten; die Albaner hatten auch zahlreiche, zum Teil nach medisch-armenischer Art mit schweren Kürassen und Schienen gepanzerte Reiter. Beide Nationen lebten auf ihren Äckern und Triften in vollkommener, seit unvordenklicher Zeit bewahrter Unabhängigkeit. Den Kaukasus scheint gleichsam die Natur selbst zwischen Europa und Asien als Damm gegen die Völkerfluten aufgerichtet zu haben: an ihm hatten einst die Waffen des Kyros wie die Alexanders ihre Grenze gefunden; jetzt schickte die tapfere Besatzung dieser Scheidewand sich an, sie auch gegen die Römer zu verteidigen. Aufgeschreckt durch die Kunde, daß der römische Oberfeldherr im nächsten Frühjahr das Gebirge zu überschreiten und den pontischen König jenseits des Kaukasus zu verfolgen beabsichtige – den Mithradates, vernahm man, überwinterte in Dioskurias (Iskuria zwischen Suchum Kale und Anaklia) am Schwarzen Meer –, überschritten zuerst die Albaner unter dem Fürsten Oroizes noch im Mittwinter 688/89 (66/65) den Kur und warfen sich auf das der Verpflegung wegen in drei größere Korps unter Quintus Metellus Celer, Lucius Flaccus und Pompeius selbst auseinander gelegte Heer. Aber Celer, den der Hauptangriff traf, hielt tapfer stand und Pompeius selbst verfolgte, nachdem er sich des gegen ihn geschickten Haufens entledigt, die auf allen Punkten geschlagenen Barbaren bis an den Kur. Der König der Iberer, Artokes, hielt sich ruhig und versprach Frieden und Freundschaft; allein Pompeius, davon benachrichtigt, daß er insgeheim rüste, um die Römer bei ihrem Marsche in den Pässen des Kaukasus zu überfallen, rückte im Frühjahr 689 (65), bevor er die Verfolgung des Mithradates wiederaufnahm, vor die beiden kaum eine halbe deutsche Meile voneinander entfernten Festungen Harmozika (Horumziche oder Armazi) und Seusamora (Tsumar), welche wenig oberhalb des heutigen Tiflis die beiden Flußtäler des Kur und seines Nebenflusses Aragua und damit die einzigen von Armenien nach Iberien führenden Pässe beherrschen. Artokes, eher er dessen sich versah, vom Feinde überrascht, brannte eiligst die Kurbrücke ab und wich unterhandelnd in das innere Land zurück. Pompeius besetzte die Festungen und folgte den Iberern auf das andere Ufer des Kur, wodurch er sie zu sofortiger Unterwerfung zu bestimmen hoffte. Artokes aber wich weiter und weiter in das innere Land zurück, und als er endlich am Fluß Peloros Halt machte, geschah es nicht, um sich zu ergeben, sondern um zu schlagen. Allein dem Anprall der Legionen standen doch die iberischen Schützen keinen Augenblick, und da Artokes auch den Peioros von den Römern überschritten sah, fügte er sich endlich den Bedingungen, die der Sieger stellte, und sandte seine Kinder als Geiseln. Pompeius marschierte jetzt, seinem früher entworfenen Plane gemäß, durch den Sarapanapaß aus dem Gebiet des Kur in das des Phasis und von da am Flusse hinab an das Schwarze Meer, wo an der kolchischen Küste die Flotte unter Servilius bereits seiner harrte. Aber es war ein unsicherer Gedanke und fast ein wesenloses Ziel, dem zuliebe man Heer und Flotte an den märchenreichen kolchischen Strand geführt hatte. Der soeben mühselig zurückgelegte Zug durch unbekannte und meist feindliche Nationen war nichts, verglichen mit dem, der noch bevorstand; und wenn es denn wirklich gelang, von der Phasismündung aus die Streitmacht nach der Krim zu führen, durch kriegerische und arme Barbarenstämme, auf unwirtlichen und unbekannten Gewässern, längs einer Küste, wo an einzelnen Stellen die Gebirge lotrecht in die See hinabfallen und es schlechterdings notwendig gewesen wäre, die Schiffe zu besteigen; wenn es gelang, diesen Zug zu vollenden, der vielleicht schwieriger war als die Heerfahrten Alexanders und Hannibals – was ward im besten Falle damit erzielt, das irgend den Mühen und Gefahren entsprach? Freilich war der Krieg nicht geendigt, solange der alte König noch unter den Lebenden war; aber wer bürgte dafür, daß es wirklich gelang, das königliche Wild zu fangen, um dessentwillen diese beispiellose Jagd angestellt werden sollte? War es nicht besser, selbst auf die Gefahr hin, daß Mithradates noch einmal die Kriegsfackel nach Kleinasien schleudere, von einer Verfolgung abzustehen, die so wenig Gewinn und so viele Gefahren verhieß? Wohl drängten den Feldherrn zahlreiche Stimmen im Heer, noch zahlreichere in der Hauptstadt, die Verfolgung unablässig und um jeden Preis fortzusetzen; aber es waren Stimmen teils tolldreister Hitzköpfe, teils derjenigen perfiden Freunde, die den allzumächtigen Imperator gern um jeden Preis von der Hauptstadt ferngehalten und ihn im Osten in unabsehbare Unternehmungen verwickelt hätten. Pompeius war ein zu erfahrener und zu bedächtiger Offizier, um im hartnäckigen Festhalten an einer so unverständigen Expedition seinen Ruhm und sein Heer auf das Spiel zu setzen; ein Aufstand der Albaner im Rücken des Heeres gab den Vorwand her, um die weitere Verfolgung des Königs aufzugeben und die Rückkehr anzuordnen. Die Flotte erhielt den Auftrag, in dem Schwarzen Meer zu kreuzen, die kleinasiatische Nordküste gegen jeden feindlichen Einfall zu decken, den Kimmerischen Bosporus aber streng zu blockieren unter Androhung der Lebensstrafe für jeden Kauffahrer, der die Blockade brechen würde. Die Landtruppen führte Pompeius nicht ohne große Beschwerden durch das kolchische und armenische Gebiet an den unteren Lauf des Kur und weiter, den Strom überschreitend, in die albanische Ebene. Mehrere Tage mußte das römische Heer in der glühenden Hitze durch dies wasserarme Blachland marschieren, ohne auf den Feind zu treffen; erst am linken Ufer des Abas (wahrscheinlich der sonst Alazonios, jetzt Alasan genannte Fluß) stellte unter Führung des Koses, Bruders des Königs Oroizes, sich die Streitmacht der Albaner den Römern entgegen; sie soll mit Einschluß des von den transkaukasischen Steppenbewohnern eingetroffenen Zuzuges 60000 Mann zu Fuß und 12000 Reiter gezählt haben. Dennoch hätte sie schwerlich den Kampf gewagt, wenn sie nicht gemeint hätte, bloß mit der römischen Reiterei fechten zu sollen; aber die Reiter waren nur vorangestellt und wie diese sich zurückzogen, zeigten sich dahinter verborgen die römischen Infanteriemassen. Nach kurzem Kampfe war das Heer der Barbaren in die Wälder versprengt, die Pompeius zu umstellen und anzuzünden befahl. Die Albaner bequemten sich hierauf, Frieden zu machen und dem Beispiele der mächtigeren Völker folgend, schlossen alle zwischen dem Kur und dem Kaspischen Meer sitzenden Stämme mit dem römischen Feldherrn Vertrag ab. Die Albaner, Iberer und überhaupt die südlich am und unter dem Kaukasus ansässigen Völkerschaften traten also wenigstens für den Augenblick in ein abhängiges Verhältnis zu Rom. Wenn dagegen auch die Völker zwischen dem Phasis und der Mäotis, Kolcher, Soaner, Heniocher, Zyger, Achäer, sogar die fernen Bastarner dem langen Verzeichnis der von Pompeius unterworfenen Nationen eingereiht wurden, so nahm man dabei offenbar es mit dem Begriff der Unterwerfung sehr wenig genau. Der Kaukasus bewährte sich abermals in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung; wie die persische und die hellenische fand auch die römische Eroberung an ihm ihre Grenze.

So blieb denn König Mithradates sich selbst und dem Verhängnis überlassen. Wie einst sein Ahnherr, der Gründer des Pontischen Staates, sein künftiges Reich zuerst betreten hatte, flüchtend vor den Häschern des Antigonos und nur von sechs Reitern begleitet, so hatte nun der Enkel die Grenzen seines Reiches wieder überschreiten und seine und seiner Väter Eroberungen mit dem Rücken ansehen müssen. Aber die Würfel des Verhängnisses hatten keinem öfter und launenhafter die höchsten Gewinste und die gewaltigsten Verluste zugeworfen als dem alten Sultan von Sinope, und rasch und unberechenbar wechseln die Geschicke im Osten. Wohl mochte Mithradates jetzt am Abend seines Lebens jeden neuen Wechselfall mit dem Gedanken hinnehmen, daß auch er nur wieder einen neuen Umschwung vorbereite und das einzig Stetige der ewige Wandel der Geschicke sei. War doch die römische Herrschaft der Orientalen im tiefsten Grunde ihres Wesens unerträglich und Mithradates selbst, im Guten wie im Bösen, der rechte Fürst des Ostens; bei der Schlaffheit des Regiments, wie der römische Senat es über die Provinzen übte, und bei dem gärenden und zum Bürgerkriege reifenden Hader der politischen Parteien in Rom konnte Mithradates, wenn es ihm glückte, seine Zeit abzuwarten, gar wohl noch zum drittenmal seine Herrschaft wiederherstellen. Darum eben, weil er hoffte und plante, solange Leben in ihm war, blieb er den Römern gefährlich, solange er lebte, als landflüchtiger Greis nicht minder wie da er mit seinen Hunderttausenden ausgezogen war, um Hellas und Makedonien den Römern zu entreißen. Der rastlose alte Mann gelangte im Jahre 689 (85) von Dioskurias unter unsäglichen Beschwerden teils zu Lande, teils zur See in das Reich von Pantikapäon, stürzte hier durch sein Ansehen und sein starkes Gefolge seinen abtrünnigen Sohn Machares vom Thron und zwang ihn, sich selber den Tod zu geben. Von hier aus versuchte er noch einmal, mit den Römern zu unterhandeln; er bat, ihm sein väterliches Reich zurückzugeben und erklärte sich bereit, die Oberhoheit Roms anzuerkennen und als Lehnfürst Zins zu entrichten. Allein Pompeius weigerte sich, dem König eine Stellung zu gewähren, in der er das alte Spiel aufs neue begonnen haben würde, und bestand darauf, daß er sich persönlich unterwerfe. Mithradates aber dachte nicht daran, sich dem Feinde in die Hände zu liefern, sondern entwarf neue und immer ausschweifendere Pläne. Mit Anspannung aller der Mittel, die seine geretteten Schätze und der Rest seiner Staaten ihm darboten, rüstete er ein neues, zum Teil aus Sklaven bestehendes Heer von 36000 Mann, das er nach römischer Art bewaffnete und einübte, und eine Kriegsflotte; dem Gerücht zufolge beabsichtigte er durch Thrakien, Makedonien und Pannonien westwärts zu ziehen, die Skythen in den sarmatischen Steppen, die Kelten an der Donau als Bundesgenossen mit sich fortzureißen und mit dieser Völkerlawine sich auf Italien zu stürzen. Man hat dies wohl großartig gefunden und den Kriegsplan des pontischen Königs mit dem Heereszug Hannibals verglichen; aber derselbe Entwurf, der in einem genialen Geiste genial ist, wird eine Torheit in einem verkehrten. Diese beabsichtigte Invasion der Orientalen in Italien war einfach lächerlich und nichts als die Ausgeburt einer ohnmächtigen phantasierenden Verzweiflung. Durch die vorsichtige Kaltblütigkeit ihres Führers blieben die Römer davor bewahrt, dem abenteuerlichen Gegner abenteuernd zu folgen und in der fernen Krim einen Angriff abzuwehren, dem, wenn er nicht in sich selber erstickte, immer noch früh genug am Fuße der Alpen begegnet ward. In der Tat, während Pompeius, ohne weiter um die Drohungen des ohnmächtigen Riesen sich zu bekümmern, das gewonnene Gebiet zu ordnen beschäftigt war, erfüllten ohne sein Zutun sich im entlegenen Norden die Geschicke des greisen Königs. Die unverhältnismäßigen Rüstungen hatten unter den Bosporanern, denen man die Häuser einriß, die Ochsen vom Pflug spannte und niederstieß, um Balken und Flechsen zum Maschinenbau zu gewinnen, die heftigste Gärung hervorgerufen. Auch die Soldaten gingen unlustig an die hoffnungslose italische Expedition. Stets war Mithradates umgeben gewesen von Argwohn und Verrat; er hatte nicht die Gabe, Liebe und Treue bei den Seinigen zu erwecken. Wie er in früheren Jahren seinen ausgezeichneten Feldherrn Archelaos genötigt hatte, im römischen Lager Schutz zu suchen, wie während der Feldzüge Luculls seine vertrautesten Offiziere Diokles, Phönix, sogar die namhaftesten römischen Emigranten zum Feind übergegangen waren, so folgte jetzt, wo sein Stern erblich und der alte, kranke, verbitterte Sultan keinem mehr als seinen Verschnittenen zugänglich war, noch rascher Abfall auf Abfall. Der Kommandant der Festung Phanagoria (auf der asiatischen Küste Kertsch gegenüber), Kastor, erhob zuerst die Fahne des Aufstandes; er proklamierte die Freiheit der Stadt und lieferte die in der Festung befindlichen Söhne Mithradats in die Hände der Römer. Während unter den bosporanischen Städten der Aufstand sich ausbreitete, Chersonesos (unweit Sevastopol), Theudosia (Kaffa) und andere sich den Phanagoriten anschlossen, ließ der König seinem Argwohn und seiner Grausamkeit den Lauf. Auf die Anzeige verächtlicher Eunuchen hin wurden seine Vertrautesten an das Kreuz geschlagen; die eigenen Söhne des Königs waren ihres Lebens am wenigsten sicher. Derjenige von ihnen, der des Vaters Liebling und wahrscheinlich von ihm zum Nachfolger bestimmt war, Pharnakes, entschloß sich und trat an die Spitze des Insurgenten. Die Häscher, welche Mithradates sandte, um ihn zu verhaften, die gegen ihn ausgeschickten Truppen gingen zu ihm über; das Korps der italischen Überläufer, vielleicht der tüchtigste unter den Mithradatischen Heerhaufen und ebendarum am wenigsten geneigt, die abenteuerliche und für die Überläufer besonders bedenkliche Expedition gegen Italien mitzumachen, erklärte sich in Masse für den Prinzen; die übrigen Heerabteilungen und die Flotte folgten dem gegebenen Beispiel. Nachdem die Landschaft und die Armee den König verlassen hatten, öffnete endlich auch die Hauptstadt Pantikapäon den Insurgenten die Tore und überlieferte ihnen den alten, in seinem Palaste eingeschlossenen König. Von der hohen Mauer seiner Burg flehte dieser den Sohn an, ihm wenigstens das Leben zu gewähren und nicht in das Blut des Vaters die Hände zu tauchen; aber die Bitte klang übel aus dem Munde eines Mannes, an dessen eigenen Händen das Blut der Mutter und das frisch vergossene seines unschuldigen Sohnes Xiphares klebte, und in seelenloser Härte und Unmenschlichkeit übertraf Pharnakes noch seinen Vater. Da es nun also zum Tode ging, so beschloß der Sultan, wenigstens zu sterben, wie er gelebt hatte: seine Frauen, seine Kebse und seine Töchter, unter diesen die jugendlichen Bräute der Könige von Ägypten und Kypros, sie alle mußten die Bitterkeit des Todes erleiden und den Giftbecher leeren, bevor auch er denselben nahm und dann, da der Trank nicht schnell genug wirkte, einem keltischen Söldner Betuitus den Nacken zum tödlichen Streiche darbot. So starb im Jahre 691 (63) Mithradates Eupator, im achtundsechzigsten Jahre seines Lebens, im siebenundfünfzigsten seiner Regierung, sechsundzwanzig Jahre nachdem er zum ersten Male gegen die Römer ins Feld gezogen war. Die Leiche, die König Pharnakes als Belegstück seiner Verdienste und seiner Loyalität an Pompeius sandte, ward auf dessen Anordnung beigesetzt in den Königsgräbern von Sinope.

Mithradates' Tod galt den Römern einem Siege gleich: lorbeerbekränzt, als hätten sie einen solchen zu melden, erschienen die Boten, welche dem Feldherrn die Katastrophe berichteten, im römischen Lager von Jericho. Ein großer Feind ward mit ihm zu Grabe getragen, ein größerer, als je noch in dem schlaffen Osten einer den Römern erstanden war. Instinktmäßig fühlte es die Menge; wie einst Scipio mehr noch über Hannibal als über Karthago triumphiert hatte, so wurde auch die Überwindung der zahlreichen Stämme des Ostens und des Großkönigs selbst fast vergessen über Mithradates' Tod, und bei Pompeius' feierlichem Einzug zog nichts mehr die Blicke der Menge auf sich als die Schildereien, in denen man den König Mithradates als Flüchtling sein Pferd am Zügel führen, dann ihn sterbend zwischen den Leichen seiner Töchter niedersinken sah. Wie man auch über die Eigenartigkeit des Königs urteilen mag, er ist eine bedeutende, im vollen Sinne des Wortes weltgeschichtliche Gestalt. Er war keine geniale, wahrscheinlich nicht einmal eine reichbegabte Persönlichkeit; aber er besaß die sehr respektable Gabe zu hassen, und mit diesem Hasse hat er den ungleichen Kampf gegen die übermächtigen Feinde ein halbes Jahrhundert hindurch zwar ohne Erfolg, aber mit Ehren bestanden. Bedeutungsvoller noch als durch seine Individualität ward er durch den Platz, auf den die Geschichte ihn gestellt hat. Als der Vorläufer der nationalen Reaktion des Orients gegen die Okzidentalen hat er den neuen Kampf des Ostens gegen den Westen eröffnet; und das Gefühl, daß man mit seinem Tode nicht am Ende, sondern am Anfang sei, blieb den Besiegten wie den Siegern.

Pompeius inzwischen war, nachdem er im Jahre 689 (65) mit den Völkern des Kaukasus gekriegt hatte, zurückgegangen in das Pontische Reich und bezwang daselbst die letzten noch Widerstand leistenden Schlösser, welche, um dem Räuberunwesen zu steuern, geschleift, die Schloßbrunnen durch hineingewälzte Felsblöcke unbrauchbar gemacht wurden. Von da brach er im Sommer 690 (64) nach Syrien auf, um dessen Verhältnisse zu ordnen.

Es ist schwierig, den aufgelösten Zustand, in dem die syrischen Landschaften damals sich befanden, anschaulich darzulegen. Zwar hatte infolge der Angriffe Luculls der armenische Statthalter Magadates im Jahre 685 (69), diese Provinzen geräumt, und auch die Ptolemäer, so gern sie die Versuche ihrer Vorfahren, die syrische Küste zu ihrem Reiche zu fügen, erneuert haben würden, scheuten sich doch, durch die Okkupation Syriens die römische Regierung zu reizen, um so mehr als diese noch nicht einmal für Ägypten ihren mehr als zweifelhaften Rechtstitel reguliert hatte und von den syrischen Prinzen mehrfach angegangen worden war, sie als die legitimen Erben des erloschenen Lagidenhauses anzuerkennen. Aber wenn auch die größeren Mächte sich augenblicklich sämtlich der Einmischung in die Angelegenheiten Syriens enthielten, so litt das Land doch weit mehr, als es unter einem großen Krieg hätte leiden können, durch die end- und ziellosen Fehden der Fürsten, Ritter und Städte. Die faktischen Herren im Seleukidenreich waren derzeit die Beduinen, die Juden und die Nabatäer. Die unwirtliche, quell- und baumlose Sandsteppe, die von der Arabischen Halbinsel aus bis an und über den Euphrat sich hinziehend gegen Westen bis an den syrischen Gebirgszug und seinen schmalen Küstensaum, gegen Osten bis zu den reichen Niederungen des Tigris und des unteren Euphrat reicht, diese asiatische Sahara ist die uralte Heimat der Söhne Ismaels; seit es eine Überlieferung gibt, finden wir dort den "Bedawin", den "Sohn der Wüste", seine Zelte schlagen und seine Kamele weiden oder auch auf seinem geschwinden Roß Jagd machen, bald auf den Stammfeind, bald auf den wandernden Handelsmann. Begünstigt früher durch König Tigranes, der sich ihrer für seine handelspolitischen Pläne bediente, nachher durch die vollständige Meisterlosigkeit in dem syrischen Lande, breiteten diese Kinder der Wüste über das nördliche Syrien sich aus; namentlich spielten diejenigen Stämme hier politisch fast die erste Rolle, die durch die Nachbarschaft der zivilisierten Syrer die ersten Anfänge einer geordneten Existenz in sich aufgenommen hatten. Die namhaftesten unter diesen Emiren waren Abgaros, der Häuptling des Araberstammes der Mardaner, den Tigranes um Edessa und Karrhä im oberen Mesopotamien angesiedelt hatte; dann westlich vom Euphrat Sampsikeramos, Emir der Araber von Hemesa (Homs) zwischen Damaskos und Antiocheia und Herr der starken Festung Arethusa; Azizos, das Haupt einer anderen, in derselben Gegend streifenden Horde; Alchaudonios, der Fürst der Rhambäer, der schon mit Lucullus sich in Verbindung gesetzt hatte, und andere mehr. Neben diesen Beduinenfürsten waren überall dreiste Gesellen aufgetreten, die es den Kindern der Wüste in dem edlen Gewerbe der Wegelagerung gleich- oder auch zuvortaten: so Ptolemaeos Mennaeos' Sohn, vielleicht der mächtigste unter diesen syrischen Raubrittern und einer der reichsten Männer dieser Zeit, der über das Gebiet der Ityräer – der heutigen Drusen – in den Tälern des Libanos wie an der Küste und über die nördlich vorliegende Marsyasebene mit den Städten Heliopolis (Baalbek) und Chalkis gebot und 8000 Reiter aus seiner Tasche besoldete; so Dionaysios und Kinyras, die Herren der Seestädte Tripolis (Tarablus) und Byblos (zwischen Tarablus und Beirut); so der Jude Silas in Lysias, einer Festung unweit Apameia am Orontes.

Im Süden Syriens dagegen schien der Stamm der Juden sich um diese Zeit zu einer politischen Macht konsolidieren zu wollen. Durch die fromme und kühne Verteidigung des uralten jüdischen Nationalkultus, den der nivellierende Hellenismus der syrischen Könige bedrohte, war das Geschlecht der Hasmonäer oder der Makkabi nicht bloß zum erblichen Prinzipal und allmählich zu königlichen Ehren gelangt, sondern es hatten auch die fürstlichen Hochpriester erobernd nach Norden, Osten und Süden um sich gegriffen. Als der tapfere Jannaeos Alexandros starb (675 79) erstreckte sich das Jüdische Reich gegen Süden über das ganze philistäische Gebiet bis an die ägyptische Grenze, gegen Südosten bis an die des Nabatäerreiches von Petra, von welchem Jannaeos beträchtliche Strecken am rechten Ufer des Jordan und des Toten Meeres abgerissen hatte, gegen Norden über Samaria und die Dekapolis bis zum See Genezareth; schon machte er hier Anstalt, Ptolemais (Acco) einzunehmen und die Übergriffe der Ityräer erobernd zurückzuweisen. Die Küste gehorchte den Juden vom Berg Karmel bis nach Rhinokorura mit Einschluß des wichtigen Gaza – nur Askalon war noch frei –, so daß das einst vom Meer fast abgeschnittene Gebiet der Juden jetzt mit unter den Freistätten der Piraterie aufgeführt werden konnte. Wahrscheinlich hätten, zumal da der armenische Sturm, eben als er sich den Grenzen Judäas nahte, durch Lucullus' Dazwischenkunft von dieser Landschaft abgewendet ward, die begabten Herrscher des Hasmonäischen Hauses ihre Waffen noch weiter getragen, wenn nicht die Machtentwicklung dieses merkwürdigen, erobernden Priesterstaates durch innere Spaltungen im Keime geknickt worden wäre. Der konfessionelle und der nationale Unabhängigkeitssinn, deren energische Vereinigung den Makkabäerstaat ins Leben gerufen hatte, traten rasch wieder aus- und sogar gegeneinander. Der jüdischen Orthodoxie oder dem sogenannten Pharisäismus genügte die freie Religionsübung, wie sie den syrischen Herrschern abgetrotzt worden war; ihr praktisches Ziel war eine von dem weltlichen Regiment wesentlich absehende, aus den Orthodoxen in aller Herren Ländern zusammengesetzte Judengemeinschaft, welche in der jedem gewissenhaften Juden obliegenden Steuer für den Tempel zu Jerusalem und in den Religionsschulen und geistlichen Gerichten ihre sichtbaren Vereinigungspunkte fand. Dieser von dem staatlichen Leben sich abwendenden, mehr und mehr in theologischer Gedankenlosigkeit und peinlichem Zeremonialdienst erstarrenden Orthodoxie gegenüber standen die Vertreter der nationalen Unabhängigkeit, erstarkt in den glücklichen Kämpfen gegen die Fremdherrschaft, vorschreitend zu dem Gedanken einer Wiederherstellung des jüdischen Staates, die Vertreter der alten großen Geschlechter, die sogenannten Sadduzäer, teils dogmatisch, indem sie nur die heiligen Bücher selber gelten ließen und den Vermächtnissen der Schriftgelehrten, das ist der kanonischen Tradition, nur Autorität, nicht Kanonizität zusprachenSo verwarfen die Sadduzäer die Engel- und Geisterlehre und die Auferstehung der Toten. Die meisten überlieferten Differenzpunkte zwischen Pharisäern und Sadduzäern beziehen sich auf untergeordnete rituelle, juristische und Kalenderfragen. Charakteristisch ist es, daß die siegenden Pharisäer diejenigen Tage, an denen sie in den einzelnen Kontroversen definitiv die Oberhand behalten oder ketzerische Mitglieder aus dem Oberkonsistorium ausgestoßen hatten, in das Verzeichnis der Gedenk- und Festtage der Nation eingetragen haben.; teils und vor allem politisch, indem sie anstatt des fatalistischen Zuwartens auf den starken Arm des Herrn Zebaoth das Heil der Nation erwarten lehrten von den Waffen dieser Welt und von der innerlichen und äußerlichen Stärkung des in den glorreichen Makkabäerzeiten wiederaufgerichteten Davidischen Reiches. Jene Orthodoxen fanden ihren Halt in der Priesterschaft und der Menge; sie bestritten den Hasmonäern die Legitimität ihrer Hohenpriesterschaft und fochten gegen die bösen Ketzer mit der ganzen rücksichtslosen Unversöhnlichkeit, womit die Frommen für den Besitz irdischer Güter zu streiten gewohnt sind. Die staatliche Partei dagegen stützte sich auf die von den Einflüssen des Hellenismus berührte Intelligenz, auf das Heer, in dem zahlreiche pisidische und kilikische Söldner dienten, und auf die tüchtigeren Könige, welche hier mit der Kirchengewalt rangen, ähnlich wie ein Jahrtausend später die Hohenstaufen mit dem Papsttum. Mit starker Hand hatte Jannaeos die Priesterschaft niedergehalten; unter seinen beiden Söhnen kam es (685f. 69) zu einem Bürger- und Bruderkrieg, indem die Pharisäer sich dem kräftigen Aristobulos widersetzten und versuchten, unter der nominellen Herrschaft seines Bruders, des gutmütigen und schlaffen Hyrkanos, ihre Zwecke zu erreichen. Dieser Zwist brachte nicht bloß die jüdischen Eroberungen ins Stocken, sondern gab auch auswärtigen Nationen Gelegenheit, sich einzumischen und dadurch im südlichen Syrien eine gebietende Stellung zu gewinnen. Zunächst gilt dies von den Nabatäern. Diese merkwürdige Nation ist oft mit ihren östlichen Nachbarn, den schweifenden Arabern, zusammengeworfen worden, aber näher als den eigentlichen Kindern Ismaels ist sie dem aramäischen Zweige verwandt. Dieser aramäische oder, nach der Benennung der Okzidentalen, syrische Stamm muß von seinen ältesten Sitzen um Babylon, wahrscheinlich des Handels wegen, in sehr früher Zeit eine Kolonie an die Nordspitze des Arabischen Meerbusens ausgeführt haben: dies sind die Nabatäer auf der Sinaitischen Halbinsel zwischen dem Golf von Suez und Aila und in der Gegend von Petra (Wadi Musa). In ihren Häfen wurden die Waren vom Mittelmeer gegen indische umgesetzt; die große südliche Karawanenstraße, die von Gaza zur Euphratmündung und dem Persischen Meerbusen lief, führte durch die Hauptstadt der Nabatäer Petra, deren heute noch prachtvolle Felspaläste und Felsengräber deutlicheres Zeugnis von der nabatäischen Zivilisation ablegen als die fast verschollene Überlieferung. Die Pharisäerführer, denen nach Priesterart der Sieg ihrer Partei um den Preis der Unabhängigkeit und Integrität des Landes nicht zu teuer erkauft schien, ersuchten den König der Nabatäer, Aretas, um Hilfe gegen Aristobulos, wofür sie alle von Jannäos ihm entrissenen Eroberungen an ihn zurückzugeben verhießen. Daraufhin war Aretas mit angeblich 50000 Mann in das jüdische Land eingerückt und, verstärkt durch den Anhang der Pharisäer, hielt er den König Aristobulos in seiner Hauptstadt belagert.

Unter dem Faust- und Fehderecht, die also von einem Ende Syriens zum andern herrschten, litten natürlich vor allen Dingen die größeren Städte, wie Antiocheia, Seleukeia, Damaskos, deren Bürger in ihrem Feldbau wie in ihrem See- und Karawanenhandel sich gelähmt sahen. Die Bürger von Byblos und Berytos (Beirut) vermochten weder ihre Äcker noch ihre Schiffe vor den Ityräern zu schützen, die von ihren Berg- und Seekastellen aus Land und Meer gleich unsicher machten. Die von Damaskos suchten der Angriffe der Ityräer und des Ptolemaeos dadurch sich zu erwehren, daß sie sich den entfernteren Königen der Nabatäer oder der Juden zu eigen gaben. In Antiocheia mischten sich Sampsikeramos und Azizos in die inneren Fehden der Bürgerschaft und fast wäre die hellenische Großstadt schon jetzt der Sitz eines arabischen Emirs geworden. Es waren Zustände, die an die königlosen Zeiten des deutschen Mittelalters erinnern, als Nürnberg und Augsburg nicht in des Königs Recht und Gericht, sondern einzig in ihren Wällen noch Schutz fanden; ungeduldig harrten die syrischen Kaufbürger des starken Arms, der ihnen Frieden und Verkehrssicherheit wiedergab. An einem legitimen König übrigens fehlte es in Syrien nicht; man hatte deren sogar zwei oder drei. Ein Prinz Antiochos aus dem Hause der Seleukiden war von Lucullus als Herr der nördlichsten syrischen Provinz Kommagene eingesetzt worden, Antiochos der Asiate, dessen Ansprüche auf den syrischen Thron sowohl bei dem Senat als bei Lucullus Anerkennung gefunden hatten, war nach dem Abzug der Armenier in Antiocheia aufgenommen und daselbst als König anerkannt worden. Ihm war dort sogleich ein dritter Seleukidenprinz, Philippos, als Nebenbuhler entgegengetreten, und es hatte die große, fast wie die alexandrinische bewegliche und oppositionslustige Bürgerschaft von Antiocheia sowie dieser und jener benachbarte arabische Emir sich eingemischt in den Familienzwist, der nun einmal von der Herrschaft der Seleukiden unzertrennlich schien. War es ein Wunder, daß die Legitimität den Untertanen zum Spott und zum Ekel ward und daß die sogenannten rechtmäßigen Könige noch etwas weniger im Lande galten als die kleinen Fürsten und Raubritter?

In diesem Chaos Ordnung zu schaffen, bedurfte es weder genialer Konzeptionen noch gewaltiger Machtentfaltung, wohl aber der klaren Einsicht in die Interessen Roms und seiner Untertanen, und der kräftigen und folgerechten Aufrichtung und Aufrechthaltung der als notwendig erkannten Institutionen. Die Legitimitätspolitik des Senats hatte sich sattsam prostituiert; den Feldherrn, den die Opposition ans Regiment gebracht, durften nicht dynastische Rücksichten leiten, sondern er hatte einzig darauf zu sehen, daß das Syrische Reich in Zukunft weder durch Zwist der Prätendenten noch durch die Begehrlichkeit der Nachbarn der römischen Klientel entzogen werde. Dazu aber gab es nur einen Weg: daß die römische Gemeinde durch einen von ihr gesandten Satrapen mit kräftiger Hand die Zügel der Regierung erfasse, die den Königen des regierenden Hauses mehr noch durch eigene Verschuldung als durch äußere Unfälle seit langem tatsächlich entglitten waren. Den Weg schlug Pompeius ein. Antiochos der Asiate erhielt auf seine Bitte, ihn als den angestammten Herrscher Syriens anzuerkennen, die Antwort, daß Pompeius einem Könige, der sein Reich weder zu behaupten noch zu regieren wisse, die Herrschaft nicht einmal auf die Bitte seiner Untertanen, geschweige denn gegen deren bestimmt ausgesprochene Wünsche zurückgeben werde. Mit diesem Briefe des römischen Prokonsuls war das Haus des Seleukos von dem Throne gestoßen, den es seit zweihundertfünfzig Jahren eingenommen hatte. Antiochos verlor bald darauf sein Leben durch die Hinterlist des Emirs Sampsikeramos, als dessen Klient er in Antiocheia den Herrn spielte; seitdem ist von diesen Schattenkönigen und ihren Ansprüchen nicht weiter die Rede. Wohl aber war es, um das neue römische Regiment zu begründen und eine leidliche Ordnung in die verwirrten Verhältnisse zu bringen, noch erforderlich, mit Heeresmacht in Syrien einzurücken und all die Störer der friedlichen Ordnung, die während der vieljährigen Anarchie emporgewachsen waren, durch die römischen Legionen zu schrecken oder niederzuwerfen. Schon während der Feldzüge im Pontischen Reiche und am Kaukasus hatte Pompeius den Angelegenheiten Syriens seine Aufmerksamkeit zugewandt und einzelne Beauftragte und Abteilungen wo es not tat eingreifen lassen. Aulus Gabinius – derselbe, der als Volkstribun Pompeius nach dem Osten gesandt hatte – war schon 689 (65) an den Tigris und sodann quer durch Mesopotamien nach Syrien marschiert, um die verwickelten Verhältnisse im jüdischen Lande zu schlichten. Ebenso war das schwer bedrängte Damaskos bereits durch Lollius und Metellus besetzt worden. Bald nachher traf ein anderer Adjutant des Pompeius, Marcus Scaurus, in Judäa ein, um die immer neu wieder daselbst ausbrechenden Fehden beizulegen. Auch Lucius Afrianus, der während Pompeius' Expedition nach dem Kaukasus das Kommando über die römischen Truppen in Armenien führte, hatte von Korduene (dem nördlichen Kurdistan) aus sich in das obere Mesopotamien begeben und, nachdem er durch die hilfreiche Teilnahme der in Karrhä angesiedelten Hellenen den gefährlichen Weg durch die Wüste glücklich zurückgelegt hatte, die Araber in Osrhoene zur Botmäßigkeit gebracht. Gegen Ende des Jahres 690 (64), langte dann Pompeius selbst in Syrien anDen Winter 689/90 (65/64) brachte Pompeius noch in der Nähe des Kaspischen Meeres zu (Dio 37, 7). Im Jahre 690 (64) unterwarf er zunächst im Pontischen Reiche die letzten noch Widerstand leistenden Burgen und zog dann langsam, überall die Verhältnisse regelnd, gegen Süden. Daß die Ordnung Syriens 690 (64) begann, bestätigt sich dadurch, daß die syrische Provinzialära mit diesem Jahre anhebt und durch Ciceros Angabe hinsichtlich Kommagenes (ad. Q. fr. 2. 12, 2; vgl. Dio 37, 7). Den Winter 691/90 (64/63) scheint Pompeius in Antiocheia sein Hauptquartier gehabt zu haben (Ios. bel. Iud. 14, 3, 1 u. 2, wo die Verwirrung von Niese im Hermes 11, 1877, S. 471 berichtigt worden ist). und verweilte dort bis zum Sommer des folgenden Jahres, entschlossen durchgreifend und für jetzt und künftig die Verhältnisse ordnend. Zurückgehend auf die Zustände des Reiches in den besseren Zeiten der Seleukidenherrschaft, wurden alle usurpierten Gewalten beseitigt, die Raubherren aufgefordert, ihre Burgen zu übergeben, die arabischen Scheichs wieder auf ihr Wüstengebiet beschränkt, die Verhältnisse der einzelnen Gemeinden definitiv geregelt. Diesen strengen Befehlen Gehorsam zu verschaffen, standen die Legionen bereit, und ihr Einschreiten erwies sich insbesondere gegen die verwegenen Raubritter als notwendig. Silas, der Herr von Lysias, der Herr von Tripolis, Dionysios, der Herr von Byblos, Kinyras, wurden in ihren Burgen gefangengenommen und hingerichtet, die Berg- und Seeschlösser der Ityräer gebrochen, Ptolemaeos Mennaeos' Sohn in Chalkis gezwungen, mit 1000 Talenten (1827000 Taler) Lösegeld sich Freiheit und Herrschaft zu erkaufen. Im übrigen fanden die Befehle des neuen Machthabers meistenteils widerstandslosen Gehorsam. Nur die Juden schwankten. Die früher von Pompeius gesandten Vermittler, Gabinius und Scaurus, hatten – beide, wie es heißt, mit bedeutenden Summen bestochen – im Streite der beiden Brüder Hyrkanos und Aristobulos zu Gunsten des letzteren entschieden, auch den König Aretas veranlaßt, die Belagerung von Jerusalem aufzuheben und sich in seine Heimat zu begeben, wobei er auf dem Rückweg noch von Aristobulos eine Niederlage erlitt. Als aber Pompeius in Syrien eintraf, kassierte er die Anordnungen seiner Untergebenen und wies die Juden an, ihre alte Hochpriesterverfassung, wie der Senat sie um 593 (61) anerkannt hatte, wieder einzuführen und wie auf das Fürstentum selbst, so auch auf alle von den Hasmonäischen Fürsten gemachten Eroberungen zu verzichten. Es waren die Pharisäer, welche eine Gesandtschaft von zweihundert ihrer angesehensten Männer an den römischen Feldherrn gesandt und von ihm den Sturz des Königtums ausgewirkt hatten; nicht zum Vorteil der eigenen Nation, aber wohl zu dem der Römer, die der Natur der Sache nach auch hier zurückkommen mußten auf die alten Rechte der Seleukiden und eine erobernde Macht, wie die des Jannaeos war, innerhalb ihres Reiches nicht dulden konnten. Aristobulos schwankte, ob es besser sei, das Unvermeidliche geduldig über sich ergehen zu lassen oder mit den Waffen in der Hand dem Verhängnis zu erliegen; bald schien er im Begriff, sich Pompeius zu unterwerfen, bald die nationale Partei unter den Juden zum Kampfe gegen die Römer aufzurufen. Als endlich, da schon die Legionen vor den Toren standen, er sich dem Feinde ergab, weigerte sich der entschlossenere oder fanatisiertere Teil seiner Armee, den Befehlen des unfreien Königs Folge zu leisten. Die Hauptstadt unterwarf sich; den steilen Tempelfelsen verteidigte jene fanatische Schar drei Monate hindurch mit todesmutiger Hartnäckigkeit, bis endlich während der Sabbathruhe der Belagerten die Belagerer eindrangen, des Heiligtums sich bemächtigten und die Anstifter dieser verzweifelten Gegenwehr, soweit sie nicht unter den römischen Schwertern gefallen waren, unter die Beile der Liktoren sandten. Damit ging der letzte Widerstand in den neu zum römischen Staat gezogenen Gebieten zu Ende.

Das von Lucullus begonnene Werk hatte Pompeius vollendet: die bisher formell selbständigen Staaten Bithynien, Pontus und Syrien waren mit dem römischen vereinigt, die seit mehr als hundert Jahren als notwendig erkannte Vertauschung des schwächlichen Klientelsystems mit der unmittelbaren Herrschaft über die wichtigeren abhängigen Gebiete war endlich verwirklicht worden, sowie der Senat gestürzt und die Gracchische Partei ans Ruder gekommen war. Man hatte im Osten neue Grenzen erhalten, neue Nachbarn, neue freundliche und feindliche Beziehungen. Neu traten unter die mittelbar römischen Gebiete ein das Königreich Armenien und die kaukasischen Fürstentümer, ferner das Reich am Kimmerischen Bosporus, der geringe Überrest der ausgedehnten Eroberungen Mithradates Eupators, jetzt unter der Regierung seines Sohnes und Mörders Pharnakes ein römischer Klientelstaat; nur die Stadt Phanagoria, deren Befehlshaber Kastor das Signal zum Aufstand gegeben hatte, wurde dafür von den Römern als frei und unabhängig anerkannt. Nicht gleicher Erfolge konnte man gegen die Nabatäer sich rühmen. König Aretas hatte zwar, dem Begehren der Römer sich fügend, das jüdische Land geräumt; allein Damaskos war noch in seinen Händen und das Nabatäerland nun gar hatte noch kein römischer Soldat betreten. Um dies zu unterwerfen oder mindestens doch den neuen Nachbarn im arabischen Lande zu zeigen, daß jetzt am Orontes und am Jordan die römischen Adler geboten und daß die Zeit vorbei war, wo die syrischen Landschaften als herrenloses Gut zu brandschatzen jedem freistand, begann Pompeius im Jahre 691 (63) eine Expedition gegen Petra; allein aufgehalten durch den Aufstand der Juden, der während dieses Zuges zum Ausbruch kam, überließ er seinem Nachfolger Marcus Scaurus nicht ungern die Ausführung der schwierigen Unternehmung gegen die fern inmitten der Wüste gelegene NabatäerstadtZwar lassen Orosius (6, 6) und Dio (37, 15), ohne Zweifel beide nach Livius, Pompeius bis nach Petra gelangen, auch wohl die Stadt einnehmen oder gar das Rote Meer erreichen; allein daß er im Gegenteil bald nach Empfang der Nachricht von dem Tode Mithradats, die ihm auf dem Marsche nach Jerusalem zukam, aus Syrien nach Pontus zurückging, sagt Plutarch (Pomp. 41, 42) und wird durch Florus (1, 39) und Josephus (bel. Iud. 14, 3, 3 u. 4) bestätigt. Wenn König Aretas unter den von Pompeius Besiegten in den Bulletins figuriert, so genügte hierfür sein durch Pompeius veranlaßter Abzug von Jerusalem.. In der Tat sah auch Scaurus sich bald genötigt, unverrichteter Sache umzukehren. Er mußte sich begnügen, in den Wüsten am linken Ufer des Jordan die Nabatäer zu bekriegen, wo er sich auf die Juden zu stützen vermochte, aber doch auch nur sehr unbedeutende Erfolge davontrug. Schließlich überredete der gewandte jüdische Minister Antipatros aus Idumäa den Aretas, sich die Gewähr seiner sämtlichen Besitzungen mit Einschluß von Damaskos von dem römischen Statthalter um eine Geldsumme zu erkaufen; und dies ist denn der auf den Münzen des Scaurus verherrlichte Friede, wo König Aretas, das Kamel am Zügel, kniefällig, dem Römer den Ölzweig darreichend erscheint.

Bei weitem folgenreicher als diese neuen Beziehungen der Römer zu den Armeniern, Iberern, Bosporanern und Nabatäern war die Nachbarschaft, in welche sie durch die Okkupation Syriens zu dem parthischen Staate traten. So geschmeidig die römische Diplomatie gegen Phraates aufgetreten war, als noch der pontische und der armenische Staat aufrecht standen, so willig damals sowohl Lucullus als Pompeius ihm den Besitz der Landschaften jenseits des Euphrat zugestanden hatten, so schroff stellte jetzt der neue Nachbar sich neben den Arsakiden; und wenn die königliche Kunst, die eigenen Fehler zu vergessen, es ihm gestattete, mochte Phraates wohl jetzt sich der warnenden Worte Mithradats erinnern, daß der Parther durch das Bündnis mit den Okzidentalen gegen die stammverwandten Reiche erst diesen und sodann sich selber das Verderben bereite. Römer und Parther im Bunde hatten Armenien zugrunde gerichtet; als es gestürzt war, kehrte Rom, seiner alten Politik getreu, die Rollen um und begünstigte den gedemütigten Feind auf Kosten des allzumächtigen Bundesgenossen. Schon die auffallende Bevorzugung gehört hierher, die der Vater Tigranes seinem Sohne, dem Verbündeten und Tochtermann des Partherkönigs, gegenüber bei Pompeius fand; es war eine unmittelbare Beleidigung, als bald nachher auf Pompeius' Befehl der jüngere Tigranes mit seiner Familie zur Haft gebracht und selbst dann nicht freigegeben ward, als sich Phraates bei dem befreundeten Feldherrn für seine Tochter und seinen Schwiegersohn verwandte. Aber Pompeius blieb hierbei nicht stehen. Die Landschaft Korduene, auf welche sowohl Phraates als Tigranes Ansprüche erhoben, wurde auf Pompeius' Befehl durch römische Truppen für den letzteren okkupiert und die im Besitz befindlichen Parther über die Grenze hinausgeschlagen, ja bis nach Arbela in Adiabene verfolgt, ohne daß die Regierung von Ktesiphon auch nur vorher gehört worden wäre (689 65). Weitaus am bedenklichsten jedoch war es, daß die Römer keineswegs geneigt schienen, die traktatenmäßig festgestellte Euphratgrenze zu respektieren. Mehrmals marschierten römische, von Armenien nach Syrien bestimmte Abteilungen quer durch Mesopotamien; der arabische Emir Abgaros von Osrhoene ward unter auffallend günstigen Bedingungen in die römische Klientel aufgenommen; ja Oruros, das im oberen Mesopotamien etwa zwischen Nisibis und dem Tigris 50 deutsche Meilen östlich von dem kommagenischen Euphratübergang liegt, ward bezeichnet als östlicher Grenzpunkt der römischen Herrschaft, vermutlich der mittelbaren, insofern die größere und fruchtbarere nördliche Hälfte Mesopotamiens von den Römern ebenso wie Korduene dem Armenischen Reiche zugelegt worden war. Die Grenze zwischen Römern und Parthern ward also statt des Euphrat die große syrisch-mesopotamische Wüste; und auch dies schien nur vorläufig. Den parthischen Gesandten, die kamen, um auf das Einhalten der allerdings, wie es scheint, nur mündlich abgeschlossenen Verträge hinsichtlich der Euphratgrenze zu dringen, gab Pompeius die zweideutige Antwort, daß Roms Gebiet sich so weit erstrecke wie sein Recht. Ein Kommentar zu dieser Rede schien der auffällige Verkehr zwischen dem römischen Oberfeldherrn und den parthischen Satrapen der Landschaft Medien und selbst der fernen Provinz Elymais (zwischen Susiana, Medien und Persien im heutigen Luristan)Diese Auffassung beruht auf der Erzählung Plutarchs (Pomp. 36), welche durch Strabons (16, 744) Schilderung der Stellung des Satrapen von Elymais unterstützt wird. Eine Ausschmückung davon ist es, wenn in den Verzeichnissen der von Pompeius besiegten Landschaften und Könige Medien und dessen König Dareios aufgeführt werden (Diod. fr. Vat. p. 140; App. Mithr. 117); und daraus weiter herausgesponnen ist Pompeius' Krieg mit den Medern (Vell. 2, 40; App. Mithr. 106, 114) und nun gar der Zug desselben nach Ekbatana (Oros. hist. 6, 5). Eine Verwechselung mit der fabelhaften gleichnamigen Stadt auf dem Karmel hat hier schwerlich stattgefunden; es ist einfach jene unleidliche, wie es scheint aus Pompeius' großartigen und absichtlich zweideutigen Bulletins sich herleitende, Übertreibung, die aus seiner Razzia gegen die Gätuler einen Zug an die afrikanische Westküste (Plut. Pomp. 38), aus seiner fehlgeschlagenen Expedition gegen die Nabatäer eine Eroberung der Stadt Petra, aus seinem Schiedsspruch hinsichtlich der Grenzen Armeniens eine Feststellung der römischen Reichsgrenze jenseits Nisibis gemacht hat.. Die Statthalter dieses letzteren, gebirgigen, kriegerischen und entlegenen Landes waren von je her bestrebt gewesen, eine von dem Großkönig unabhängige Stellung zu gewinnen; um so verletzender und bedrohlicher war es für die parthische Regierung, wenn Pompeius von diesem Dynasten die dargebotene Huldigung annahm. Nicht minder war es bezeichnend, daß der Titel des "Königs der Könige", der dem Partherkönig bis dahin auch von den Römern im offiziellen Verkehr zugestanden worden war, jetzt auf einmal von ihnen mit dem einfachen Königstitel vertauscht ward. Es war das mehr noch eine Drohung als eine Verletzung der Etikette. Seit Rom die Erbschaft der Seleukiden getan, schien es fast, als gedenke man dort im gelegenen Augenblick auf jene alten Zeiten zurückzugreifen, da ganz Iran und Turan von Antiocheia aus beherrscht wurden und es doch kein Parthisches Reich gab, sondern nur eine parthische Satrapie. Der Hof von Ktesiphon hätte also Grund genug gehabt, mit Rom den Krieg zu beginnen; es schien die Einleitung dazu, daß er im Jahre 690 (64) wegen der Grenzfrage ihn an Armenien erklärte. Aber Phraates hatte doch nicht den Mut, eben jetzt, wo der gefürchtete Feldherr mit seiner starken Armee an den Grenzen des Parthischen Reiches stand, mit den Römern offen zu brechen. Als Pompeius Kommissarien sandte, um den Streit zwischen Parthien und Armenien gütlich beizulegen, fügte Phraates sich der aufgezwungenen römischen Vermittlung und ließ es sich gefallen, daß ihr Schiedsspruch den Armeniern Korduene und das nördliche Mesopotamien zuwies. Bald nachher schmückte seine Tochter mit ihrem Sohne und ihrem Gemahl den Triumph des römischen Feldherrn. Auch die Parther zitterten vor der römischen Übermacht; und wenn sie nicht wie die Pontiker und die Armenier den römischen Waffen erlegen waren, so schien die Ursache davon nur die zu sein, daß sie es nicht gewagt hatten, den Kampf zu bestehen.

Noch lag es dem Feldherrn ob, die inneren Verhältnisse der neugewonnenen Landschaften zu regulieren und die Spuren eines dreizehnjährigen, verheerenden Krieges soweit möglich zu tilgen. Das in Kleinasien von Lucullus und der ihm beigegebenen Kommission, auf Kreta von Metellus begonnene Organisationsgeschäft erhielt den endlichen Abschluß durch Pompeius. Die bisherige Provinz Asia, die Mysien, Lydien, Phrygien und Karien umfaßte, ward aus einer Grenz- eine Mittelprovinz; neu eingerichtet wurden die Provinz Bithynien und Pontus, welche gebildet ward aus dem gesamten ehemaligen Reiche des Nikomedes und der westlichen Hälfte des ehemaligen pontischen Staates bis an und über den Halys; die Provinz Kilikien, die zwar schon älter war, aber doch erst jetzt ihrem Namen entsprechend erweitert und organisiert ward und auch Pamphylien und Isaurien miteinschloß; die Provinz Syrien und die Provinz Kreta. Freilich fehlte viel, daß jene Ländermasse als römischer Territorialbesitz in dem heutigen Sinne des Wortes hätte betrachtet werden können. Form und Ordnung des Regiments blieben im wesentlichen, wie sie waren; nur trat an den Platz der bisherigen Monarchen die römische Gemeinde. Wie bisher bestanden jene asiatischen Landschaften aus einer bunten Mischung von Domanialbesitzungen, tatsächlich oder rechtlich autonomen Stadtgebieten, fürstlichen und priesterlichen Herrschaften und Königreichen, welche alle für die innere Verwaltung mehr oder minder sich selbst überlassen waren, übrigens aber bald in milderen, bald in strengeren Formen von der römischen Regierung und deren Prokonsuln in ähnlicher Weise abhingen, wie früher von dem Großkönig und dessen Satrapen. Wenigstens dem Range nach nahm unter den abhängigen Dynasten den ersten Platz ein der König von Kappadokien, dessen Gebiet schon Lucullus durch die Belehnung mit der Landschaft Melitene (um Malatia) bis an den Euphrat erweitert hatte und dem Pompeius noch teils an der Westgrenze einige von Kilikien abgerissene Bezirke von Kastabala bis nach Derbe bei Ikonion, teils an der Ostgrenze die am linken Euphratufer Melitene gegenüber gelegene, anfänglich dem armenischen Prinzen Tigranes zugedachte Landschaft Sophene verlieh, wodurch also die wichtigste Euphratpassage ganz in die Gewalt dieses Fürsten kam. Die kleine Landschaft Kommagene zwischen Syrien und Kappadokien mit der Hauptstadt Samosata (Samsat) blieb als abhängiges Königtum dem schon genannten Seleukiden AntiochosDer Krieg, den dieser Antiochos mit Pompeius geführt haben soll (App. Mithr. 106, 117), stimmt sehr wenig zu dem Vertrag, den derselbe mit Lucullus abschloß (Dio 36, 4) und seinem ungestörten Verbleiben in der Herrschaft; vermutlich ist auch er bloß daraus herausgesponnen, daß Antiochos von Kommagene unter den von Pompeius unterworfenen Königen figurierte.: demselben wurden auch die wichtige, den südlicheren Übergang über den. Euphrat beherrschende Festung Seleukeia (bei Biradjik) und die nächsten Striche am linken Ufer des Euphrat zugeteilt und somit dafür gesorgt, daß die beiden Hauptübergänge über den Euphrat mit einem entsprechenden Gebiet am östlichen Ufer in den Händen zweier von Rom völlig abhängigen Dynasten blieben. Neben den Königen von Kappadokien und Kommagene und an wirklicher Macht ihnen bei weitem überlegen herrschte in Kleinasien der neue König Deiotarus. Einer der Vierfürsten des um Pessinus ansässigen Keltenstammes der Tolistoboger und von Lucullus und Pompeius mit den anderen kleinen römischen Klienten zur Heerfolge aufgeboten, hatte Deiotarus in diesen Feldzügen, im Gegensatz zu all den schlaffen Orientalen, seine Zuverlässigkeit und seine Tatkraft so glänzend bewährt, daß die römischen Feldherren zu seinem galatischen Erbe und seinen Besitzungen in der reichen Landschaft zwischen Amisos und der Halysmündung ihm noch die östliche Hälfte des ehemals Pontischen Reiches mit den Seestädten Pharnakia und Trapezus und das pontische Armenien bis zur kolchischen und großarmenischen Grenze als Königreich Klein-Armenien verliehen. Bald nachher vermehrte er sein schon ansehnliches Gebiet noch durch die Landschaft der keltischen Trokmer, deren Vierfürsten er verdrängte. So ward der geringe Lehnsmann einer der mächtigsten Dynasten Kleinasiens, dem die Hut eines wichtigen Teils der Reichsgrenze anvertraut werden konnte. Vasallen geringerer Bedeutung waren die übrigen zahlreichen galatischen Vierfürsten, von denen einer, der Trokmerfürst Bogodiatarus, wegen seiner im Mithradatischen Kriege bewährten Tüchtigkeit von Pompeius mit der ehemals pontischen Grenzstadt Mithradation beschenkt ward; der Fürst von Paphlagonien, Attalos, der sein Geschlecht auf das alte Herrscherhaus der Pylämeniden zurückführte; Aristarchos und andere kleine Herren im kolchischen Gebiet; Tarkondimotos, der im östlichen Kilikien in den Bergtälern des Amanos gebot; Ptolemaeos Mennaeos' Sohn, der fortfuhr, in Chalkis am Libanos zu herrschen; der Nabatäerkönig Aretas als Herr von Damaskos; endlich die arabischen Emirs in den Landschaften dies- und jenseits des Euphrat, Abgaros in Osrhoene, den die Römer, um ihn als vorgeschobenen Posten gegen die Parther zu benutzen, auf alle Weise in ihr Interesse zu ziehen sich bemühten, Sampsikeramos in Hemesa, Alchaudonios der Rhambäer, ein anderer Emir in Bostra. Dazu kamen ferner die geistlichen Herren, die im Osten häufig gleich den weltlichen Dynasten über Land und Leute geboten, und an deren in dieser Heimat des Fanatismus fest gegründeter Autorität zu rütteln oder auch nur die Tempel ihrer Schätze zu berauben die Römer klüglich sich enthielten: der Hochpriester der Göttin Mutter in Pessinus; die beiden Hochpriester der Göttin Ma in dem kappadokischen Komana (am oberen Saros) und in der gleichnamigen pontischen Stadt (Gümenek bei Tokat), welche beide Herren in ihren Landschaften nur dem König an Macht nachstanden und deren jeder noch in viel späterer Zeit ausgedehnte Liegenschaften mit eigener Gerichtsbarkeit und an sechstausend Tempelsklaven besaß – mit dem pontischen Hochpriesteramt ward Archelaos, der Sohn des gleichnamigen, von Mithradates zu den Römern übergegangenen Feldherrn, von Pompeius belehnt –; der Hochpriester des Venasischen Zeus in dem kappadokischen Amt Morimene, dessen Einkünfte sich auf jährlich 23300 Taler (15 Talente) beliefen; der "Erzpriester und Herr" desjenigen Gebiets im Rauhen Kilikien, wo Teukros, des Aias Sohn, dem Zeus einen Tempel gegründet hatte, welche seine Nachkommen kraft Erbrechts vorstanden; der "Erzpriester und Herr des Volkes" der Juden, dem Pompeius, nachdem er die Mauern der Hauptstadt und die königlichen Schatz- und Zwingburgen im Lande geschleift hatte, unter ernstlicher Verwarnung, Friede zu halten und nicht weiter auf Eroberungen auszugehen, die Vorstandschaft seiner Nation zurückgab. Neben diesen weltlichen und geistlichen Potentaten standen die Stadtgemeinden. Zum Teil waren dieselben zu größeren Verbänden zusammengeordnet, welche einer verhältnismäßigen Selbständigkeit sich erfreuten, wie namentlich der wohlgeordnete und zum Beispiel der Teilnahme an der wüsten Piratenwirtschaft stets ferngebliebene Bund der dreiundzwanzig lykischen Städte; wogegen die zahlreichen vereinzelt stehenden Gemeinden, selbst wenn sie die Selbstregierung verbrieft erhalten hatten, tatsächlich von den römischen Statthaltern durchaus abhängig waren. Die Römer verkannten es nicht, daß mit der Aufgabe, den Hellenismus zu vertreten und im Osten Alexanders Marken zu schirmen und zu erweitern, vor allem die Hebung des städtischen Wesens ihnen zur Pflicht geworden war; denn wenn die Städte überall die Träger der Gesittung sind, so faßte vor allem der Antagonismus der Orientalen und Okzidentalen in seiner ganzen Schärfe sich zusammen in dem Gegensatz der orientalischen, militärisch-despotischen Lebenshierarchie und des hellenisch-italischen gewerb- und handeltreibenden städtischen Gemeinwesens. Lucullus und Pompeius, sowenig sie auch sonst auf die Nivellierung der Zustände im Osten ausgingen, und sosehr auch der letztere in Detailfragen die Anordnungen seines Vorgängers zu meistern und zu ändern geneigt war, trafen doch vollständig zusammen in dem Grundsatz, das städtische Wesen in Kleinasien und Syrien bach Kräften zu fördern. Kyzikos, an dessen kräftiger Gegenwehr die erste Heftigkeit des letzten Krieges sich gebrochen hatte, empfing von Lucullus eine beträchtliche Erweiterung seines Gebietes. Das pontische Herakleia, wie energisch es auch den Römern widerstanden hatte, erhielt dennoch sein Gebiet und seine Häfen zurück, und Cottas barbarisches Wüten gegen die unglückliche Stadt erfuhr im Senat den schärfsten Tadel. Lucullus hatte es tief und aufrichtig beklagt, daß das Schicksal ihm das Glück versagt hatte, Sinope und Amisos von der Verheerung durch die pontische und die eigene Soldateska zu erretten; er tat wenigstens, was er vermochte, um sie wiederherzustellen, erweiterte ansehnlich ihre Gebiete, bevölkerte sie aufs neue teils mit den alten Bewohnern, die auf seine Einladung scharenweise in die geliebte Heimat zurückkehrten, teils mit neuen Ansiedlern hellenischer Abstammung und sorgte für den Wiederaufbau der zerstörten Gebäude. In gleichem Sinn und in noch größerem Maßstab verfuhr Pompeius. Schon nach der Überwindung der Piraten hatte er die Gefangenen, deren Zahl 20000 überstieg, statt nach dem Beispiel seiner Vorgänger sie zu kreuzigen, angesiedelt teils in den verödeten Städten des Ebenen Kilikien, wie in Mallos, Adana, Epiphaneia, und besonders in Soloi, das seitdem den Namen der Pompeiusstadt (Pompeiopolis) führte, teils in Dyme in Achaia, ja sogar in Tarent. Die Piratenkolonisierung fand vielfachen TadelHierauf zielt vermutlich Ciceros Vorwurf (off. 3, 12, 49): piratas immunes habemus, socios vectigales; insofern nämlich jene Piratenkolonien wahrscheinlich von Pompeius zugleich mit der Immunität beschenkt wurden, während bekanntlich die von Rom abhängigen Provinzialgemeinden durchschnittlich steuerpflichtig waren., da sie gewissermaßen auf das Verbrechen eine Belohnung zu setzen schien; in der Tat war sie politisch und sittlich wohl gerechtfertigt, denn wie die Dinge damals standen, war die Piraterie etwas anderes als Räuberei und die Gefangenen billig, nach Kriegsrecht zu behandeln. Vor allen Dingen aber ließ Pompeius es sich angelegen sein, in den neuen römischen Provinzen das städtische Wesen emporzubringen. Wie städtearm das Pontische Reich war, ward schon bemerkt; die meisten Distrikte Kappadokiens hatten noch ein Jahrhundert später keine Städte, sondern nur Bergfestungen als Zufluchtsort für die ackerbauende Bevölkerung im Kriege: im ganzen östlichen Kleinasien wird es, abgesehen von den sparsam gesäten griechischen Kolonien an den Küsten, zu dieser Zeit nicht anders gewesen sein. Die Zahl der von Pompeius in diesen Landschaften neu gegründeten Städte wird einschließlich der kilikischen Ansiedlungen auf neununddreißig angegeben, von denen mehrere zu hoher Blüte gelangten. Die namhaftesten dieser Ortschaften in dem ehemaligen Pontischen Reiche sind Nikopolis, die "Siegesstadt", gegründet an dem Orte, wo Mithradates die letzte einschneidende Niederlage erlitt – das schönste Siegesdenkmal des trophäenreichen Feldherrn; Megalopolis, nach Pompeius' Beinamen genannt, an der Grenze von Kappadokien und Klein-Armenien, das spätere Sebasteia (jetzt Siwas); Ziela, wo die Römer die unglückliche Schlacht lieferten, eine um den dasigen Tempel der Anaitis entstandene und bisher dem Hochpriester derselben eigene Ortschaft, der Pompeius städtische Form und städtisches Recht gab; Diopolis, früher Kabeira, später Neo-Caesarea (Niksar), gleichfalls eine der Walstätten des letzten Krieges; Magnopolis oder Pompeiopolis, das wiederhergestellte Eupatoria am Zusammenfluß des Lykos und des Iris, ursprünglich von Mithradates erbaut, aber wegen des Abfalls der Stadt zu den Römern wieder von ihm zerstört; Neapolis, sonst Phazemon, zwischen Amaseia und dem Halys. Die meisten dieser Stadtgründungen wurden nicht durch Kolonisten aus der Ferne bewirkt, sondern durch Niederlegung der Dörfer und Zusammenziehung ihrer Bewohnerin den neuen Mauerring; nur in Nikopolis siedelte Pompeius die Invaliden und Bejahrten seiner Armee an, die es vorzogen, statt später in Italien, hier sofort eine Heimat sich zu gründen. Aber auch an anderen Orten entstanden auf den Wink des Machthabers neue Brennpunkte der hellenischen Zivilisation. In Paphlagonien bezeichnete ein drittes Pompeiupolis die Stätte, wo Mithradates' Armee im Jahre 666 (88) den großen Sieg über die Bithyner erfocht. In Kappadokien, das vielleicht mehr als irgendeine andere Provinz durch den Krieg gelitten hatte, wurden die Residenz Mazaka (später Caesarea, jetzt Kayseri) und sieben andere Ortschaften von Pompeius wiederhergestellt und städtisch eingerichtet. In Kilikien und Koilesyrien zählte man zwanzig von Pompeius angelegte Städte. In den von den Juden geräumten Distrikten erhob sich Gadara in der Dekapolis auf Pompeius' Befehl aus seinen Trümmern und ward die Stadt Seleukis gegründet. Bei weitem der größte Teil des auf dem asiatischen Kontinent zur Verfügung stehenden Domaniallandes muß von Pompeius für seine neuen Ansiedlungen verwandt worden sein, wogegen auf Kreta, um das Pompeius sich wenig oder gar nicht kümmerte, der römische Domanialbesitz ziemlich ausgedehnt geblieben zu sein scheint.

Nicht minder wie auf Gründung neuer Ortschaften war Pompeius darauf bedacht, die bestehenden Gemeinden zu ordnen und zu heben. Die eingerissenen Mißbräuche und Usurpationen wurden nach Vermögen abgestellt; ausführliche und für die verschiedenen Provinzen mit Sorgfalt entworfene Gemeindeordnungen regelten im einzelnen das Munizipalwesen. Eine Reihe der ansehnlichsten Städte ward mit neuen Privilegien beschenkt. Die Autonomie erhielten Antiocheia am Orontes, die bedeutendste Stadt des römischen Asien und nur wenig zurückstehend hinter dem ägyptischen Alexandreia und hinter dem Bagdad des Altertums, der Stadt Seleukeia im Parthischen Reiche, ferner die Nachbarstadt von Antiocheia, das persische Seleukeia, das damit für seine mutige Gegenwehr gegen Tigranes den Lohn empfing; Gaza und überhaupt alle von der jüdischen Herrschaft befreite Städte; in Vorderasien Mytilene; Phanagoria am Schwarzen Meer.

So war der Bau des asiatischen Römerstaates vollendet, der mit seinen Lehnkönigen und Vasallen, den gefürsteten Priestern und der Reihe ganz- und halbfreier Städte lebhaft erinnert an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Er war kein Wunderwerk, weder hinsichtlich der überwundenen Schwierigkeiten, noch hinsichtlich der erreichten Vollendung, und ward es auch nicht durch all die großen Worte, mit denen in Rom die vornehme Welt zu Gunsten des Lucullus, die lautere Menge zum Preise des Pompeius freigebig waren. Pompeius namentlich ließ sich feiern und feierte sich selbst in einer Weise, daß man ihn fast für noch schwachköpfiger hätte halten mögen, als er in der Tat war. Wenn die Mytilenäer ihm eine Bildsäule errichteten als ihrem Erretter und Gründer, als demjenigen, der die den Erdkreis erfüllenden Kriege sowohl zu Lande wie zur See beendigt, so mochte eine solche Huldigung für den Bezwinger der Piraten und der Reiche des Ostens nicht allzu überschwenglich scheinen. Aber die Römer übertrafen diesmal die Griechen. Pompeius' eigene Triumphalinschriften rechneten 12 Millionen unterworfener Seelen und 1538 eroberte Städte und Burgen heraus – es schien, als solle die Quantität die Qualität ersetzen – und erstreckten den Kreis seiner Siege vom Mäotischen zum Kaspischen, von diesem zum Roten Meer, von welchen drei Meeren er keines je mit Augen gesehen hat; ja wenn er es auch nicht geradezu sagte, so veranlaßte er doch das Publikum zu meinen, daß die Einziehung Syriens, die wahrlich keine Heldentat war, den ganzen Osten bis nach Baktrien und Indien zum Römischen Reiche gebracht habe – in so nebelhafte Ferne verschwamm in seinen Angaben die Grenzlinie seiner östlichen Eroberungen. Die demokratische Servilität, die zu allen Zeiten mit der höfischen gewetteifert hat, ging bereitwillig auf dergleichen geschmacklosen Schwindel ein. Ihr genügte nicht der pomphafte Triumphalzug, der am 28. und 29. September 593 (61), dem sechsundvierzigsten Geburtstag Pompeius des Großen, durch die Gassen Roms sich bewegte, verherrlicht, um von den Kleinodien aller Art zu schweigen, durch die Kroninsignien Mithradats und durch die Kinder der drei mächtigsten Könige Asiens, des Mithradates, Tigranes und Phraates: sie lohnte ihrem Feldherrn, der zweiundzwanzig Könige besiegt, dafür mit königlichen Ehren und verlieh ihm den goldenen Kranz und die Insignien der Magistratur auf Lebenszeit. Die ihm zu Ehren geschlagenen Münzen zeigen gar die Weltkugel zwischen dem dreifachen, aus den drei Weltteilen heimgebrachten Lorbeer und über ihr schwebend jenen dem Triumphator über Afrika, Spanien und Asien von der Bürgerschaft verehrten Goldkranz. Es kann solchen kindischen Huldigungen gegenüber nicht wundernehmen, daß auch im entgegengesetzten Sinne Stimmen laut wurden. Unter der römischen vornehmen Welt war es eine geläufige Rede, daß das eigentliche Verdienst der Unterwerfung des Ostens Lucullus zukomme und Pompeius nur nach dem Osten gegangen sei, um Lucullus zu verdrängen und die von fremder Hand gebrochenen Lorbeeren um die eigene Stirn zu flechten. Beides war vollständig falsch; nicht Pompeius, sondern Glabrio ward nach Asien gesandt, um Lucullus abzulösen, und wie wacker auch Lucullus gefochten, es war Tatsache, daß, als Pompeius den Oberbefehl übernahm, die Römer all ihre früheren Erfolge wieder eingebüßt und keinen Fußbreit pontischen Bodens innehatten. Mehr zum Ziele traf der Spott der Hauptstädter, die nicht ermangelten, dem mächtigen Besieger des Erdballs die Namen der von ihm überwundenen Großmächte als Spitznamen beizulegen und ihn bald als "Sieger von Salem" bald als "Emir" (Arabarches), bald als den römischen Sampsikeramos begrüßten. Der unbefangene Urteiler wird indes weder in jene Überschwenglichkeiten noch in diese Verkleinerungen einstimmen. Lucullus und Pompeius haben, indem sie Asien unterwarfen und ordneten, sich nicht als Helden und Staatsschöpfer bewährt, aber wohl als einsichtige und kräftige Heerführer und Statthalter. Als Feldherr bewies Lucullus nicht gemeine Talente und ein an Verwegenheit grenzendes Selbstvertrauen, Pompeius militärische Einsicht und eine seltene Zurückhaltung, wie denn kaum je ein General mit solchen Streitkräften und einer so vollkommen freien Stellung so vorsichtig aufgetreten ist wie Pompeius im Osten. Die glänzendsten Aufgaben trugen von allen Seiten sich ihm gleichsam selber an: er konnte nach dem Kimmerischen Bosporus und gegen das Rote Meer hin aufbrechen; er hatte Gelegenheit, den Parthern den Krieg zu erklären; die aufständischen Landschaften Ägyptens luden ihn ein, den von Rom nicht anerkannten König Ptolemaeos vom Thron zu stoßen und das Testament Alexanders in Vollzug zu setzen; aber Pompeius ist weder nach Pantikapäon noch nach Petra, weder nach Ktesiphon noch nach Alexandreia gezogen; durchaus pflückte er nur diejenigen Früchte, die ihm von selber in die Hand fielen. Ebenso schlug er alle seine Schlachten zur See wie zu Lande mit einer erdrückenden Übermacht. Wäre diese Mäßigung hervorgegangen aus dem strengen Einhalten der erteilten Instruktionen, wie Pompeius vorzugehen pflegte, oder auch aus der Einsicht, daß Roms Eroberungen irgendwo eine Grenze finden müßten und neuer Gebietszuwachs dem Staat nicht förderlich sei, so würde sie ein höheres Lob verdienen, als die Geschichte es dem talentvollsten Offizier erteilt; allein wie Pompeius war, ist seine Zurückhaltung ohne Zweifel einzig das Resultat des ihm eigentümlichen Mangels an Sicherheit und an Initiative – Mängel freilich, die dem Staate in diesem Falle weit nützlicher wurden als die entgegengesetzten Vorzüge seines Vorgängers. Allerdings sind auch von Lucullus wie von Pompeius sehr arge Fehler begangen worden. Lucullus erntete deren Früchte selbst, indem sein unbesonnenes Verfahren ihm alle Resultate seiner Siege wieder entriß; Pompeius überließ es seinen Nachfolgern, die Folgen seiner falschen Politik gegen die Parther zu tragen. Er konnte diese entweder bekriegen, wenn er dessen sich getraute, oder mit ihnen Frieden halten und, wie er versprochen, den Euphrat als Grenze anerkennen; zu jenem war er zu zaghaft, zu diesem zu eitel, und so kam er denn zu der einfältigen Perfidie, die gute Nachbarschaft, die der Hof von Ktesiphon wünschte und seinerseits übte, durch die maßlosesten Übergriffe unmöglich zu machen, dennoch aber dem Feinde zu gestatten, sich die Zeit des Bruches und der Vergeltung selber wählen zu dürfen. Als Verwalter Asiens erwarb Lucullus ein mehr als fürstliches Vermögen, und auch Pompeius empfing als Lohn für seine Organisation von dem König von Kappadokien, von der reichen Stadt Antiocheia und anderen Herren und Gemeinden große Barsummen und noch ansehnlichere Schuldverschreibungen. Indes dergleichen Erpressungen waren fast eine gewohnheitsmäßige Steuer geworden, und beide Feldherren bewiesen doch nicht gerade in wichtigeren Fragen sich käuflich, ließen auch womöglich sich von der Partei bezahlen, deren Interessen mit denen Roms zusammenfielen. Wie die Zeiten einmal waren, hindert dies nicht, die Verwaltung beider Männer als eine relativ löbliche und zunächst im Interesse Roms, demnächst in dem der Provinzialen geführte zu bezeichnen. Die Verwandlung der Klienten in Untertanen, die bessere Regulierung der Ostgrenze, die Begründung eines einheitlichen und starken Regiments waren segensreich für die Herrscher wie für die Beherrschten. Der finanzielle Gewinn, den Rom machte, war unermeßlich; die neue Vermögenssteuer, die mit Ausnahme einzelner, besonders befreiter Gemeinden all jene Fürsten, Priester und Städte nach Rom zu zahlen hatten, steigerte die römischen Staatseinnahmen fast um die Hälfte ihres bisherigen Betrags. Freilich litt Asien schwer. Pompeius legte an Geld und Kleinodien einen Betrag von 15 Mill. Talern (200 Mill. Sesterzen) in die Staatskasse nieder und verteilte 29 Millionen (16000 Talente) unter seine Offiziere und Soldaten; wenn man hierzu die bedeutenden von Lucullus heimgebrachten Summen, die nichtoffiziellen Erpressungen der römischen Armee und den Betrag der Kriegsschäden selbst rechnet, so ist die finanzielle Erschöpfung des Landes begreiflich. Die römische Besteuerung Asiens war vielleicht an sich nicht schlimmer als die der früheren Regenten, aber lastete doch insofern schwerer auf dem Lande, als die Abgaben fortan in das Ausland gingen und nur zum kleineren Teil wieder in Asien verwandt wurden; und auf jeden Fall war sie in den alten wie in den neugewonnenen Provinzen basiert auf die systematische Ausbeutung der Landschaften zu Gunsten Roms. Aber die Verantwortung hierfür trifft weit weniger die Feldherren persönlich als die Parteien daheim, auf die jene Rücksicht zu nehmen hatten; Lucullus war sogar energisch bemüht, dem wucherischen Treiben der römischen Kapitalisten in Asien Schranken zu setzen, und sein Sturz ward wesentlich mit hierdurch herbeigeführt. Wie sehr es beiden Männern Ernst damit war, die heruntergekommenen Landschaften wieder in die Höhe zu bringen, beweist ihre Tätigkeit da, wo keine Rücksichten der Parteipolitik ihnen die Hände banden, namentlich ihre Fürsorge für die kleinasiatischen Städte. Wenn auch noch Jahrhunderte später manches in Ruinen liegende asiatische Dorf an die Zeiten des großen Krieges erinnerte, so mochte doch Sinope wohl mit dem Jahr der Wiederherstellung durch Lucullus eine neue Ära beginnen und fast alle ansehnlicheren Binnenstädte des Pontischen Reiches Pompeius als ihren Stifter dankbar verehren. Die Einrichtung des römischen Asien durch Lucullus und Pompeius darf bei all ihren unleugbaren Mängeln eine im ganzen verständige und löbliche genannt werden; wie schwere Übelstände aber auch ihr anhaften mochten, den vielgeplagten Asiaten mußte sie schon darum willkommen sein, weil sie zugleich kam mit dem so lange und so schmerzlich entbehrten inneren und äußeren Frieden.

Es blieb auch im wesentlichen Friede im Orient, bis der von Pompeius mit der ihm eigenen Zaghaftigkeit nur angedeutete Gedanke, die Landschaften östlich vom Euphrat zum Römischen Reiche zu fügen, von der neuen Triarchie der römischen Machthaber energisch, aber unglücklich wiederaufgenommen ward und bald darauf der Bürgerkrieg wie alle anderen so auch die östlichen Provinzen in seinen verhängnisvollen Strudel hineinzog. Daß in der Zwischenzeit die Statthalter Kilikiens beständig mit den Bergvölkern des Amanos, die von Syrien mit den Schwärmen der Wüste zu fechten hatten und namentlich in diesem Kriege gegen die Beduinen manche römische Truppe aufgerieben ward, ist ohne weitere Bedeutung. Bemerkenswerter ist der eigensinnige Widerstand, den die zähe jüdische Nation den Eroberern entgegensetzte. Teils des abgesetzten Königs Aristobulos Sohn Alexandros, teils Aristobulos selbst, dem es nach einiger Zeit gelang, aus der Gefangenschaft zu entkommen, erregten während der Statthalterschaft des Aulus Gabinius (697-700 57-54) drei verschiedene Aufstände gegen die neuen Machthaber, deren jedem die von Rom eingesetzte Regierung des Hochpriesters Hyrkanos ohnmächtig erlag. Es war nicht politische Überlegung, sondern der unbesiegbare Widerwille des Orientalen gegen das unnatürliche Joch, der sie zwang, gegen den Stachel zu löcken; wie denn auch der letzte und gefährlichste dieser Aufstände, zu welchem die durch die ägyptischen Krisen veranlaßte Wegziehung der syrischen Okkupationsarmee den nächsten Anstoß gab, begann mit der Ermordung der in Palästina ansässigen Römer. Nicht ohne Mühe gelang es dem tüchtigen Statthalter, die wenigen Römer, die diesem Schicksal sich entzogen und eine vorläufige Zuflucht auf dem Berge Garizim gefunden hatten, von den dort sie blockiert haltenden Insurgenten zu erretten und nach mehreren hart bestrittenen Feldschlachten und langwierigen Belagerungen den Aufstand zu bewältigen. Infolgedessen ward die Hohenpriestermonarchie abgeschafft und das jüdische Land, wie einst Makedonien, in fünf selbständige, von optimatisch geordneten Regierungskollegien verwaltete Kreise aufgelöst, auch Samaria und andere, von den Juden geschleifte Ortschaften wiederhergestellt, um ein Gegengewicht gegen Jerusalem zu bilden, endlich den Juden ein schwererer Tribut auferlegt als den übrigen syrischen Untertanen Roms.

Noch ist es übrig, auf das Königreich Ägypten nebst dem letzten ihm von den ausgedehnten Eroberungen der Lagiden übriggebliebenen Nebenland, der schönen Insel Kypros, einen Blick zu werfen. Ägypten war jetzt der einzige wenigstens dem Namen nach noch unabhängige Staat des hellenischen Ostens; ebenwie einst, als die Perser an der östlichen Hälfte des Mittelmeers sich festsetzten, Ägypten ihre letzte Eroberung war, säumten auch die mächtigen Eroberer aus dem Westen am längsten mit der Einziehung dieser reichen und eigenartigen Landschaft. Die Ursache lag, wie bereits angedeutet wurde, weder in der Furcht vor dem Widerstand Ägyptens noch in dem Mangel einer geeigneten Veranlassung. Ägypten war ungefähr ebenso machtlos wie Syrien und bereits im Jahre 673 (81) in aller Form Rechtens der römischen Gemeinde angestorben; das am Hofe von Alexandreia herrschende Regiment der königlichen Garde, welche Minister und gelegentlich Könige ein- und absetzte, für sich nahm, was ihr gefiel, und, wenn ihr die Erhöhung des Soldes verweigert ward, den König in seinem Palast belagerte, war im Lande oder vielmehr in der Hauptstadt – denn das Land mit seiner Ackersklavenbevölkerung kam überhaupt kaum in Betracht – ganz und gar nicht beliebt, und wenigstens eine Partei daselbst wünschte die Einziehung Ägyptens durch Rom und tat sogar Schritte, um sie herbeizuführen. Allein je weniger die Könige Ägyptens daran denken konnten, mit den Waffen gegen Rom zu streiten, desto energischer setzte das ägyptische Gold gegen die römischen Reunionspläne sich zur Wehre; und infolge der eigentümlichen despotisch-kommunistischen Zentralisation der ägyptischen Volkswirtschaft waren die Einkünfte des Hofes von Alexandreia der römischen Staatseinnahme, selbst nach deren Vermehrung durch Pompeius, noch ungefähr gleich. Die argwöhnische Eifersucht der Oligarchie, die weder die Eroberung noch die Verwaltung Ägyptens gern einem einzelnen gönnte, kam hinzu. So vermochten die faktischen Herren von Ägypten und Kypros durch Bestechung der führenden Männer im Senat sich ihre schwankenden Kronen nicht bloß zu fristen, sondern sogar neu zu befestigen und vom Senat die Bestätigung ihrer Königstitel zu erkaufen. Allein damit waren sie noch nicht am Ziel. Das formelle Staatsrecht forderte einen Beschluß der römischen Bürgerschaft; bevor dieser erlassen war, waren die Ptolemäer abhängig von der Laune jedes demokratischen Machthabers, und sie hatten also den Bestechungskrieg auch gegen die andere römische Partei zu eröffnen, welche als die mächtigere weit höhere Preise bedang. Der Ausgang war ungleich. Die Einziehung von Kypros ward im Jahre 696 (58) vom Volke, das heißt von den Führern der Demokratie verfügt, wobei als offizieller Grund, weshalb dieselbe jetzt vorgenommen werde, die Förderung der Piraterie durch die Kyprioten angegeben ward. Marcus Cato, von seinen Gegnern mit der Ausführung dieser Maßregel beauftragt, kam nach der Insel ohne Heer; allein es bedurfte dessen auch nicht. Der König nahm Gift; die Einwohner fügten sich, ohne Widerstand zu leisten, dem unvermeidlichen Verhängnis und wurden dem Statthalter von Kilikien untergeordnet. Der überreiche Schatz von fast 7000 Talenten (fast 13 Mill. Taler), den der ebenso habsüchtige wie geizige König sich nicht hatte überwinden können, für die zur Rettung seiner Krone erforderlichen Bestechungen anzugreifen, fiel mit dieser zugleich an die Römer und füllte in erwünschter Weise die leeren Gewölbe ihres Ärars.

Dagegen gelang es dem Bruder, der in Ägypten regierte, die Anerkennung durch Volksschluß von den neuen Herren Roms im Jahre 695 (59) zu erkaufen; der Kaufpreis soll 6000 Talente (11 Mill. Taler) betragen haben. Die Bürgerschaft freilich, längst gegen den guten Flötenbläser und schlechten Regenten erbittert und nun durch den definitiven Verlust von Kypros und den infolge der Transaktionen mit den Römern unerträglich gesteigerten Steuerdruck aufs äußerste gebracht (696 58), jagte ihn dafür aus dem Lande. Als der König darauf, gleichsam wie wegen Entwährung des Kaufobjekts, sich an seine Verkäufer wandte, waren diese billig genug einzusehen, daß es ihnen als redlichen Geschäftsmännern obliege, dem Ptolemaeos sein Reich wiederzuverschaffen; nur konnten die Parteien sich nicht einig werden, wem der wichtige Auftrag, Ägypten mit bewaffneter Hand zu besetzen, nebst den davon zu erhoffenden Sporteln zukommen solle. Erst als die Triarchie auf der Konferenz von Luca sich neu befestigte, wurde zugleich auch diese Angelegenheit geordnet, nachdem Ptolemaeos noch sich zur Erlegung weiterer 10000 Talente (18 Mill. Taler) verstanden hatte: der Statthalter Syriens, Aulus Gabinius, erhielt jetzt von den Machthabern Befehl, sofort zur Zurückführung des Königs die nötigen Schritte zu tun. Die Bürgerschaft von Alexandreia hatte inzwischen des vertriebenen Königs ältester Tochter Berenike die Krone aufgesetzt und ihr in der Person eines der geistlichen Fürsten des römischen Asien, des Hochpriesters von Komana Archelaos, einen Gemahl gegeben, der Ehrgeiz genug besaß, um an die Hoffnung, den Thron der Lagiden zu besteigen, seine gesicherte und ansehnliche Stellung zu setzen. Seine Versuche, die römischen Machthaber für sich zu gewinnen, blieben ohne Erfolg; aber er schrak auch nicht zurück vor dem Gedanken, sein neues Reich mit den Waffen in der Hand selbst gegen die Römer behaupten zu müssen. Gabinius, ohne ostensible Vollmacht, den Krieg gegen Ägypten zu beginnen, aber von den Machthabern dazu angewiesen, nahm die angebliche Förderung der Piraterie durch die Ägypter und den Flottenbau des Archelaos zum Vorwand und brach ungesäumt auf gegen die ägyptische Grenze (699 55). Der Marsch durch die Sandwüste zwischen Gaza und Pelusion, an der so manche gegen Ägypten gerichtete Invasion gescheitert war, ward diesmal glücklich zurückgelegt, was besonders .dem raschen und geschickten Führer der Reiterei, Marcus Antonius, verdankt ward. Auch die Grenzfestung Pelusion wurde von der dort stehenden jüdischen Besatzung ohne Gegenwehr übergeben. Vorwärts dieser Stadt trafen die Römer auf die Ägypter, schlugen sie, wobei Antonius wiederum sich auszeichnete, und gelangten, die erste römische Armee, an den Nil. Hier hatten Flotte und Heer der Ägypter zum letzten entscheidenden Kampfe sich aufgestellt; aber die Römer siegten abermals und Archelaos selbst fand mit vielen der Seinigen kämpfend den Tod. Sofort nach dieser Schlacht ergab sich die Hauptstadt und damit war jeder Widerstand am Ende. Das unglückliche Land ward seinem rechtmäßigen Zwingherrn überliefert: das Henken und Köpfen, womit ohne des ritterlichen Antonius' Dazwischenkunft Ptolemaeos die Wiederherstellung des legitimen Regiments bereits in Pelusion zu feiern begonnen haben würde, ging nun ungehemmt seinen Gang, und vor allen anderen ward die unschuldige Tochter von dem Vater auf das Schafott gesandt. Die Bezahlung des mit den Machthabern vereinbarten Lohnes scheiterte an der absoluten Unmöglichkeit, dem ausgesogenen Lande die verlangten ungeheuren Summen abzupressen, obwohl man dem armen Volke den letzten Pfennig nahm; dafür aber, daß das Land wenigstens ruhig blieb, sorgte die in der Hauptstadt zurückgelassene Besatzung von römischer Infanterie und keltischer und deutscher Reiterei, welche die einheimischen Prätorianer ablöste und übrigens nicht unglücklich ihnen nacheiferte. Die bisherige Hegemonie Roms über Ägypten ward damit in eine unmittelbare militärische Okkupation verwandelt und die nominelle Fortdauer des einheimischen Königtums war nicht so sehr eine Bevorzugung des Landes als eine zwiefache Belastung.


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