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Im schärfsten Gegensatz zu den latinischen und den sabellischen Italikern wie zu den Griechen steht das Volk der Etrusker oder, wie sie sich selber nannten, der RasenRas-ennae mit der 1, 131 erwähnten gentilizischen Endung.. Schon der Körperbau unterschied die beiden Nationen; statt des schlanken Ebenmaßes der Griechen und Italiker zeigen die Bildwerke der Etrusker nur kurze stämmige Figuren mit großem Kopf und dicken Armen. Was wir wissen von den Sitten und Gebräuchen dieser Nation, läßt gleichfalls auf eine tiefe und ursprüngliche Verschiedenheit von den griechisch-italischen Stämmen schließen, so namentlich die Religion, die bei den Tuskern einen trüben phantastischen Charakter trägt und im geheimnisvollen Zahlenspiel und wüsten und grausamen Anschauungen und Gebräuchen sich gefällt, gleich weit entfernt von dem klaren Rationalismus der Römer und dem menschlich heiteren hellenischen Bilderdienst. Was hierdurch angedeutet wird, das bestätigt das wichtigste Dokument der Nationalität, die Sprache, deren auf uns gekommene Reste, so zahlreich sie sind, und so manchen Anhalt sie für die Entzifferung darbieten, dennoch so vollkommen isoliert stehen, daß es bis jetzt nicht einmal gelungen ist, den Platz des Etruskischen in der Klassifizierung der Sprachen mit Sicherheit zu bestimmen, geschweige denn die Überreste zu deuten. Deutlich unterscheiden wir zwei Sprachperioden. In der älteren ist die Vokalisierung vollständig durchgeführt und das Zusammenstoßen zweier Konsonanten fast ohne Ausnahme vermiedenDahin gehören z. B. Inschriften caeritischer Tongefäße wie: minice θumamimaθumaramlisiaeipurenaieθeeraisieepanamineθunastavhelefu oder: mi ramuθas kaiufinaia. . Durch Abwerfen der vokalischen konsonantischen Endungen und durch Abschwächen oder Ausstoßen der Vokale ward dies weiche und klangvolle Idiom allmählich in eine unerträglich harte und rauhe Sprache verwandeltWie die Sprache jetzt klingen mochte, davon kann einen Begriff geben zum Beispiel der Anfang der großen Perusiner Inschrift: eulat tanna larezu amevaχr lautn velθinase stlaafunas sleleθcaru. ; so machte man zum Beispiel ram θa aus ramu θaf, Tarchnaf aus Tarquinius, Menrva aus Minerva, Menle, Pultuke, Elchsentre aus Menelaos, Polydeukes, Alexandros. Wie dumpf und rauh die Aussprache war, zeigt am deutlichsten, daß o und u, b und p, c und g, d und t den Etruskern schon in sehr früher Zeit zusammenfielen. Zugleich wurde wie im Lateinischen und in den rauheren griechischen Dialekten der Akzent durchaus auf die Anfangssilbe zurückgezogen. Ähnlich wurden die aspirierten Konsonanten behandelt; während die Italiker sie wegwarfen mit Ausnahme des aspirierten b oder des f, und die Griechen umgekehrt mit Ausnahme dieses Lautes die übrigen θ φ χ beibehielten, ließen die Etrusker den weichsten und lieblichsten, das φ gänzlich, außer in Lehnwörtern fallen und bedienten sich dagegen der übrigen drei in ungemeiner Ausdehnung, selbst wo sie nicht hingehörten, wie zum Beispiel Thetis ihnen Thethis, Telephus Thelaphe, Odysseus Utuze oder Uthuze heißt. Von den wenigen Endungen und Wörtern, deren Bedeutung ermittelt ist, entfernen die meisten sich weit von allen griechisch-italischen Analogien; so die Zahlwörter alle; so die Endung al zur Bezeichnung der Abstammung, häufig als Metronymikon, wie zum Beispiel Canial auf einer zwiesprachigen Inschrift von Chiusi übersetzt wird durch Cainnia natus; die Endung sa bei Frauennamen zur Bezeichnung des Geschlechts, in das sie eingeheiratet haben, so daß zum Beispiel die Gattin eines Licinius Lecnesa heißt. So ist cela oder clan mit dem Kasus clensi Sohn; seχ Tochter; ril Jahr; der Gott Hermes wird Turms, Aphrodite Turan, Hephaestos Sethlans, Bakchos Fufluns. Neben diesen fremdartigen Formen und Lauten finden sich allerdings einzelne Analogien zwischen dem Etruskischen und den italischen Sprachen. Die Eigennamen sind im wesentlichen nach dem allgemeinen italischen Schema gebildet: die häufige gentilizische Endung enas oder enaSo Maecenas, Porsena, Vivenna, Caecina, Spurinna. Der Vokal in der vorletzten Silbe ist ursprünglich lang, wird aber infolge der Zurückziehung des Akzents auf die Anfangssilbe häufig verkürzt und sogar ausgestoßen. So finden wir neben Porsēna, auch Porsĕna, neben Caecina Ceicne. kehrt wieder in der auch in italischen, besonders sabellischen Geschlechtsnamen häufigen Endung enus, wie denn die etruskischen Namen Maecenas und Spurinna den römischen Maecius und Spurius genau entsprechen. Eine Reihe von Götternamen, die auf etruskischen Denkmälern oder bei Schriftstellern als etruskische vorkommen, sind dem Stamme und zum Teil auch der Endung nach so durchaus lateinisch gebildet, daß, wenn diese Namen wirklich von Haus aus etruskisch sind, die beiden Sprachen eng verwandt gewesen sein müssen: so Usil (Sonne und Morgenröte, verwandt mit ausum, aurum, aurora, sol), Minerva (menervare), Lasa (lascivus), Neptunus, Voltumna. Indes da diese Analogien erst aus den späteren politischen und religiösen Beziehungen zwischen Etruskern und Latinern und den dadurch veranlaßten Ausgleichungen und Entlehnungen herrühren können, so stoßen sie noch nicht das Ergebnis um, zu dem die übrigen Wahrnehmungen hinführen, daß die tuskische Sprache von den sämtlichen griechisch-italischen Idiomen mindestens so weit abstand wie die Sprache der Kelten und der Slaven. So wenigstens klang sie den Römern; "tuskisch und gallisch" sind Barbarensprachen, "oskisch und volskisch" Bauernmundarten. Wenn aber die Etrusker dem griechisch-italischen Sprachstamm fernstanden, so ist es bis jetzt ebensowenig gelungen, sie einem andern bekannten Stamme anzuschließen. Auf die Stammesverwandtschaft mit dem etruskischen sind die verschiedenartigsten Idiome, bald mit der einfachen, bald mit der peinlichen Frage, aber alle ohne Ausnahme vergeblich befragt worden; selbst mit dem baskischen, an das den geographischen Verhältnissen nach noch am ersten gedacht werden könnte, haben entscheidende Analogien sich nicht herausgestellt. Ebensowenig deuten die geringen Reste, die von der liturgischen Sprache in Orts- und Personennamen auf uns gekommen sind, auf Zusammenhang mit den Tuskern. Nicht einmal die verschollene Nation, die auf den Inseln des tuskischen Meeres, namentlich auf Sardinien, jene rätselhaften Grabtürme, Nurhagen genannt, zu Tausenden aufgeführt hat, kann füglich mit der etruskischen in Verbindung gebracht werden, da im etruskischen Gebiet kein einziges gleichartiges Gebäude vorkommt. Höchstens deuten einzelne, wie es scheint, ziemlich zuverlässige Spuren darauf hin, daß die Etrusker im allgemeinen den Indogermanen beizuzählen sind. So ist namentlich mi im Anfang vieler älterer Inschriften sicher εμί, ειμί und findet die Genetivform konsonantischer Stämme veneruf, rafuvuf im Altlateinischen genau sich wieder, entsprechend der alten sanskritischen Endung as. Ebenso hängt der Name des etruskischen Zeus Tina oder Tinia wohl mit dem sanskritischen dina = Tag zusammen wie Ζάν mit dem gleichbedeutenden diwan. Aber selbst dies zugegeben erscheint das etruskische Volk darum kaum weniger isoliert. "Die Etrusker", sagt schon Dionysios, "stehen keinem Volke gleich an Sprache und Sitte"; und weiter haben auch wir nichts zu sagen.
Ebensowenig läßt sich bestimmen, von wo die Etrusker nach Italien eingewandert sind; und hiermit ist nicht viel verloren, da diese Wanderung auf jeden Fall der Kinderzeit des Volkes angehört und dessen geschichtliche Entwicklung in Italien beginnt und endet. Indes ist kaum eine Frage eifriger verhandelt worden als diese, nach jenem Grundsatz der Archäologen, vorzugsweise nach dem zu forschen, was weder wißbar noch wissenswert ist, "nach der Mutter der Hekabe", wie Kaiser Tiberius meinte. Da die ältesten und bedeutendsten etruskischen Städte tief im Binnenlande liegen, ja unmittelbar am Meer keine einzige namhafte etruskische Stadt begegnet außer Populonia, von dem wir aber eben sicher wissen, daß es zu den alten Zwölf Städten nicht gehört hat; da ferner in geschichtlicher Zeit die Etrusker von Norden nach Süden sich bewegen, so sind sie wahrscheinlich zu Lande nach der Halbinsel gekommen; wie denn auch die niedere Kulturstufe, auf der wir sie zuerst finden, mit einer Einwanderung über das Meer sich schlecht vertragen würde. Eine Meerenge überschritten schon in frühester Zeit die Völker gleich einem Strom; aber eine Landung an der italischen Westküste setzt ganz andere Bedingungen voraus. Danach muß die ältere Heimat der Etrusker west- oder nordwärts von Italien gesucht werden. Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, daß die Etrusker über die rätischen Alpen nach Italien gekommen sind, da die ältesten in Graubünden und Tirol nachweisbaren Ansiedler, die Räter, bis in die historische Zeit etruskisch redeten und auch ihr Name auf den der Rasen anklingt; sie können freilich Trümmer der etruskischen Ansiedlungen am Po, aber wenigstens ebenso gut auch ein in den älteren Sitzen zurückgebliebener Teil des Volks sein.
Mit dieser einfachen und naturgemäßen Auffassung aber tritt in grellen Widerspruch die Erzählung, daß die Etrusker aus Asien ausgewanderte Lyder seien. Sie ist sehr alt: schon bei Herodot findet sie sich und kehrt dann in zahllosen Wandlungen und Steigerungen bei den Späteren wieder, wenngleich einzelne verständige Forscher, wie zum Beispiel Dionysios, sich nachdrücklich dagegen erklärten und darauf hinwiesen, daß in Religion, Gesetz, Sitte und Sprache zwischen Lydern und Etruskern auch nicht die mindeste Ähnlichkeit sich zeige. Es ist möglich, daß ein vereinzelter kleinasiatischer Piratenschwarm nach Etrurien gelangt ist und an dessen Abenteuer diese Märchen anknüpfen; wahrscheinlicher aber beruht die ganze Erzählung auf einem bloßen Quiproquo. Die italischen Etrusker oder die Turs-ennae – denn diese Form scheint die ursprüngliche und der griechischen Τυρ-σηνοί, Τυρρηνοί, der umbrischen Turs-ci, den beiden römischen Tusci Etrusci zu Grunde zu liegen – begegneten sich in dem Namen ungefähr mit dem lydischen Volke der Τορρηβοί oder auch wohl Τυρρ-ηνοί, so genannt von der Stadt Τύρρα; und diese offenbar zufällige Namensvetterschaft scheint in der Tat die einzige Grundlage jener durch ihr hohes Alter reicht besser gewordenen Hypothese und des ganzen babylonischen Turmes darauf aufgeführter Geschichtsklitterungen zu sein. Indem man mit dem lydischen Piratenwesen den alten etruskischen Seeverkehr verknüpfte und endlich noch – zuerst nachweislich tut es Thukydides – die torrhebischen Seeräuber mit Recht oder Unrecht zusammenwarf mit dem auf allen Meeren plündernden und hausenden Flibustiervolk der Pelasger, entstand eine der heillosesten Verwirrungen geschichtlicher Überlieferung. Die Tyrrhener bezeichnen bald die lydischen Torrheber – so in den ältesten Quellen, wie in den Homerischen Hymnen; bald als Tyrrhener-Pelasger oder auch bloß Tyrrhener die pelasgische Nation; bald endlich die italischen Etrusker, ohne daß die letzteren mit den Pelasgern oder den Torrhebern je sich nachhaltig berührt oder gar die Abstammung mit ihnen gemein hätten.
Von geschichtlichem Interesse ist es dagegen zu bestimmen, was die nachweislich ältesten Sitze der Etrusker waren und wie sie von dort aus sich weiter bewegten. Daß sie vor der großen keltischen Invasion in der Landschaft nördlich vom Padus saßen, östlich an der Etsch grenzend mit den Venetern illyrischen (albanesischen?) Stammes, westlich mit den Ligurern, ist vielfach beglaubigt; vornehmlich zeugt dafür der schon erwähnte rauhe etruskische Dialekt, den noch in Livius' Zeit die Bewohner der rätischen Alpen redeten, sowie das bis in späte Zeit tuskisch gebliebene Mantua. Südlich vom Padus und an den Mündungen dieses Flusses mischten sich Etrusker und Umbrer, jener als der herrschende Stamm, dieser als der ältere, der die alten Kaufstädte Atria und Spina gegründet hatte, während Felsina (Bologna) und Ravenna tuskische Anlagen scheinen. Es hat lange gewährt, ehe die Kelten den Padus überschritten; womit es zusammenhängt, daß auf dem rechten Ufer desselben das etruskische und umbrische Wesen weit tiefere Wurzeln geschlagen hat als auf dem früh aufgegebenen linken. Doch sind überhaupt die Landschaften nördlich vom Apennin zu rasch von einer Nation an die andere gelangt, als daß eine dauerhafte Volksentwicklung sich hier hätte gestalten können.
Weit wichtiger für die Geschichte wurde die große Ansiedelung der Tusker in dem Lande, das heute noch ihren Namen trägt. Mögen auch Ligurer oder Umbrer hier einstmals gewohnt haben, so sind doch ihre Spuren durch die etruskische Okkupation und Zivilisation so gut wie vollständig ausgetilgt worden. In diesem Gebiet, das am Meer von Pisae bis Tarquinii reicht und östlich vom Apennin abgeschlossen wird, hat die etruskische Nationalität ihre bleibende Stätte gefunden und mit großer Zähigkeit bis in die Kaiserzeit hinein sich behauptet. Die Nordgrenze des eigentlich tuskischen Gebietes machte der Arnus; das Gebiet von da nordwärts bis zur Mündung der Macra und dem Apennin war streitiges Grenzland, bald ligurisch, bald etruskisch, und größere Ansiedlungen gediehen deshalb daselbst nicht. Die Südgrenze bildete anfangs wahrscheinlich der Ciminische Wald, eine Hügelkette südlich von Viterbo, späterhin der Tiberstrom; es ward schon oben angedeutet, daß das Gebiet zwischen dem Ciminischen Gebirg und dem Tiber mit den Städten Sutrium, Nepete, Falerii, Veii, Caere erst geraume Zeit später als die nördlicheren Distrikte, möglicherweise erst im zweiten Jahrhundert Roms, von den Etruskern eingenommen zu sein scheint und daß die ursprüngliche italische Bevölkerung sich hier, namentlich in Falerii, wenn auch in abhängigem Verhältnis behauptet haben muß.
Seitdem der Tiberstrom die Markscheide Etruriens gegen Umbrien und Latium bildete, mag hier im ganzen ein friedliches Verhältnis eingetreten sein und eine wesentliche Grenzverschiebung nicht stattgefunden haben, am wenigsten gegen die Latiner. So lebendig in den Römern das Gefühl lebte, daß der Etrusker ihnen fremd, der Latiner ihr Landsmann war, so scheinen sie doch vom rechten Ufer her weit weniger Überfall und Gefahr befürchtet zu haben als zum Beispiel von den Stammesverwandten in Gabii und Alba; natürlich, denn dort schützte nicht bloß die Naturgrenze des breiten Stromes, sondern auch der für Roms merkantile und politische Entwicklung folgenreiche Umstand, daß keine der mächtigeren etruskischen Städte unmittelbar am Fluß lag wie am latinischen Ufer Rom. Dem Tiber am nächsten waren die Veienter, und sie waren es auch, mit denen Rom und Latium am häufigsten in ernste Konflikte gerieten, namentlich um den Besitz von Fidenae, welches den Veientern auf dem linken Tiberufer, ähnlich wie auf dem rechten den Römern das Ianiculum, als eine Art Brückenkopf diente und bald in den Händen der Latiner, bald in denen der Etrusker sich befand. Dagegen mit dem etwas entfernteren Caere war das Verhältnis im ganzen weit friedlicher und freundlicher, als es sonst unter Nachbarn in solchen Zeiten vorzukommen pflegt. Es gibt wohl schwankende und in die graueste Fernzeit gerückte Sagen von Kämpfen zwischen Latium und Caere, wie denn der caeritische König Mezentius über die Latiner große Siege erfochten und denselben einen Weinzins auferlegt haben soll; aber viel bestimmter als der einstmalige Fehdestand erhellt aus der Tradition ein vorzugsweise enges Verhältnis zwischen den beiden uralten Mittelpunkten des Handels- und Seeverkehrs in Latium und in Etrurien. Sichere Spuren von einem Vordringen der Etrusker über den Tiber hinaus auf dem Landweg mangeln überhaupt. Zwar werden in dem großen Barbarenheer, das Aristodemos im Jahre 230 (524) der Stadt unter den Mauern von Kyme vernichtet, die Etrusker in erster Reihe genannt; indes selbst wenn man diese Nachricht als bis ins einzelne glaubwürdig betrachtet, folgt daraus nur, daß die Etrusker an einem großen Plünderzuge teilnahmen. Weit wichtiger ist es, daß südwärts vom Tiber keine auf dem Landweg gegründete etruskische Ansiedlung nachweisbar ist und daß namentlich von einer ernstlichen Bedrängung der latinischen Nation durch die Etrusker gar nichts wahrgenommen wird. Der Besitz des Ianiculum und der beiden Ufer der Tibermündung blieb den Römern, soviel wir sehen, unangefochten. Was die Übersiedlungen etruskischer Gemeinschaften nach Rom anlangt, so findet sich ein vereinzelter, aus tuskischen Annalen gezogener Bericht, daß eine tuskische Schar, welche Caelius Vivenna von Volsinii und nach dessen Untergang der treue Genosse desselben, Mastarna, angeführt habe, von dem letzteren nach Rom geführt worden sei. Es mag dies zuverlässig sein, wenngleich die Herleitung des Namens des caelischen Berges von diesem Caelius offenbar eine Philologenerfindung ist und nun gar der Zusatz, daß dieser Mastarna in Rom König geworden sei unter dem Namen Servius Tullius, gewiß nichts ist als eine unwahrscheinliche Vermutung solcher Archäologen, die mit dem Sagenparallelismus sich abgaben. Auf etruskische Ansiedlungen in Rom deutet weiter das "Tuskerquartier" unter dem Palatin.
Auch das kann schwerlich bezweifelt werden, daß das letzte Königsgeschlecht, das über die Römer geherrscht hat, das der Tarquinier, aus Etrurien entsprossen ist, sei es nun aus Tarquinii, wie die Sage will, sei es aus Caere, wo das Familiengrab der Tarchnas vor kurzem aufgefunden worden ist; auch der in die Sage verflochtene Frauenname Tanaquil oder Tanchvil ist unlateinisch, dagegen in Etrurien gemein. Allein die überlieferte Erzählung, wonach Tarquinius der Sohn eines aus Korinth nach Tarquinii übergesiedelten Griechen war und in Rom als Metöke einwanderte, ist weder Geschichte noch Sage und die geschichtliche Kette der Ereignisse offenbar hier nicht bloß verwirrt, sondern völlig zerrissen. Wenn aus dieser Überlieferung überhaupt etwas mehr entnommen werden kann als die nackte und im Grunde gleichgültige Tatsache, daß zuletzt ein Geschlecht tuskischer Abkunft das königliche Szepter in Rom geführt hat, so kann darin nur liegen, daß diese Herrschaft eines Mannes tuskischer Herkunft über Rom weder als eine Herrschaft der Tusker oder einer tuskischen Gemeinde über Rom, noch umgekehrt als die Herrschaft Roms über Südetrurien gefaßt werden darf. In der Tat ist weder für die eine noch für die andere Annahme irgendein ausreichender Grund vorhanden; die Geschichte der Tarquinier spielt in Latium, nicht in Etrurien, und soweit wir sehen, hat während der ganzen Königszeit Etrurien auf Rom weder in der Sprache noch in Gebräuchen einen wesentlichen Einfluß geübt oder gar die ebenmäßige Entwicklung des römischen Staats oder des latinischen Bundes unterbrochen.
Die Ursache dieser relativen Passivität Etruriens gegen das latinische Nachbarland ist wahrscheinlich teils zu suchen in den Kämpfen der Etrusker mit den Kelten am Padus, den diese vermutlich erst nach der Vertreibung der Könige in Rom überschritten, teils in der Richtung der etruskischen Nation auf Seefahrt und Meer- und Küstenherrschaft, womit zum Beispiel die kampanischen Ansiedelungen entschieden zusammenhängen und wovon im folgenden Kapitel weiter die Rede sein wird.
Die tuskische Verfassung beruht gleich der griechischen und latinischen auf der zur Stadt sich entwickelnden Gemeinde. Die frühe Richtung der Nation aber auf Schiffahrt, Handel und Industrie scheint rascher, als es sonst in Italien der Fall gewesen ist, hier eigentlich städtische Gemeinwesen ins Leben gerufen zu haben; zuerst von allen italischen Städten wird in den griechischen Berichten Caere genannt. Dagegen finden wir die Etrusker im ganzen minder kriegstüchtig und kriegslustig als die Römer und Sabeller; die unitalische Sitte, mit Söldnern zu fechten, begegnet hier sehr früh. Die älteste Verfassung der Gemeinden muß in den allgemeinen Grundzügen Ähnlichkeit mit der römischen gehabt haben; Könige oder Lucumonen herrschten, die ähnliche Insignien, also wohl auch ähnliche Machtfülle besaßen wie die römischen; Vornehme und Geringe standen sich schroff gegenüber; für die Ähnlichkeit der Geschlechterordnung bürgt die Analogie des Namensystems, nur daß bei den Etruskern die Abstammung von mütterlicher Seite weit mehr Beachtung findet als im römischen Recht. Die Bundesverfassung scheint sehr lose gewesen zu sein. Sie umschloß nicht die gesamte Nation, sondern es waren die nördlichen und die kampanischen Etrusker zu eigenen Eidgenossenschaften vereinigt ebenso wie die Gemeinden des eigentlichen Etrurien; jeder dieser Bünde bestand aus zwölf Gemeinden, die zwar eine Metropole, namentlich für den Götterdienst, und ein Bundeshaupt oder vielmehr einen Oberpriester anerkannten, aber doch im wesentlichen gleichberechtigt gewesen zu sein scheinen und zum Teil wenigstens so mächtig, daß weder eine Hegemonie sich bilden noch die Zentralgewalt zur Konsolidierung gelangen konnte. Im eigentlichen Etrurien war die Metropole Volsinii; von den übrigen Zwölfstädten desselben kennen wir durch sichere Überlieferung nur Perusia, Vetulonium, Volci und Tarquinii. Es ist indes ebenso selten, daß die Etrusker wirklich gemeinschaftlich handeln, als das Umgekehrte selten ist bei der latinischen Eidgenossenschaft; die Kriege führt regelmäßig eine einzelne Gemeinde, die von ihren Nachbarn wen sie kann ins Interesse zieht, und wenn ausnahmsweise der Bundeskrieg beschlossen wird, so schließen sich dennoch sehr häufig einzelne Städte aus – es scheint den etruskischen Konföderationen mehr noch als den ähnlichen italischen Stammbünden von Haus aus an einer festen und gebietenden Oberleitung gefehlt zu haben.