Jean Baptiste Molière
Tartüff
Jean Baptiste Molière

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Zweiter Akt

Erster Auftritt

Orgon. Marianne.

Orgon. Marianne!

Marianne.             Hier, mein Vater!

Orgon.                                               Komm noch näher;
Ich möchte mit dir reden, ungestört.

Marianne (zu Orgon, der ins Nebenzimmer sieht).
Was gibt's?

Orgon.               Ich will nur sehn, ob niemand hört.
Dies Stübchen dort ist wie gemacht für Späher. –
Wohlan! – zum Lobe hat mich stets bewogen
Dein gutes Herz, dein sanfter Sinn;
Ich habe dich auch immer vorgezogen.

Marianne. Sie wissen, daß ich dafür dankbar bin.

Orgon. Sehr gut gesagt, und weil es so bestellt,
Mußt du mir doppelt zum Gefallen leben.

Marianne. Ich will mir alle Mühe geben.

Orgon. Sehr schön. Nun sag, wie dir Tartüff gefällt?

Marianne. Mir?

Orgon.             Überlege deine Antwort erst!

Marianne. Mein Gott, ich sage, was Sie wollen.

 

Zweiter Auftritt

Orgon. Marianne. Dorine (tritt leise ein, lauscht erst von ferne und stellt sich dann hinter Orgon, ohne gesehen zu werden)

Orgon. Sehr brav . . . Dann sag, daß du den würdevollen
Und edlen Mann sehr hoch verehrst,
Daß du ihn gerne siehst und glücklich wärst,
Wenn ich ihn dir bestimmte zum Gemahl.
Nun?

Marianne (überrascht zurückweichend).
          O!

Orgon.           Was?

Marianne.                 Hab' ich recht verstanden?

Orgon.                                                                 Wie?

Marianne. Erst wiederholen Sie mir noch einmal:
Wen soll ich gerne sehn und mit Vergnügen
Betrachten als den Gatten Ihrer Wahl?

Orgon. Tartüff.

Marianne.         Nein, nein, das sag' ich nie,
Und wenn ich's sagte, würd' ich lügen.

Orgon. Doch Wahrheit wird es bald, verlaß dich drauf!
Ich will es so, und deinen Willen zähm' ich.

Marianne. Sie wollten . . .!

Orgon.                               Ja, durch diese Heirat nehm' ich
Tartüff in die Familie auf.
Er wird dein Mann, und damit fertig!
Deshalb . . . (Bemerkt Dorine, die dicht hinter ihm steht)
                    Was haben Sie denn hier verloren?
Aus Neugier sind Sie bald allgegenwärtig
Und haben überall die Ohren.

Dorine. Ihr Heiratsplan ist schon herumgekommen,
Durch Zufall, oder hat man sich's gedacht:
Doch als man mir die Nachricht hinterbracht,
Ich hab' sie nicht für Ernst genommen.

Orgon. Und was ist so unglaublich denn daran?

Dorine. Sie reden sich wohl ein, daß Sie dran glauben?

Orgon. Das zu beweisen werd' ich mir erlauben.

Dorine. Sie sind ein gar zu spaß'ger Mann.

Orgon. Der Tag, der's offenbart, wird bald erscheinen.

Dorine. Ach, Larifari!

Orgon (zu Marianne).     Kind, ich scherze nicht.

Dorine. Ja, glauben Sie denn, was Ihr Vater spricht?
Er tut nur so.

Orgon.                 Bei Gott . . .!

Dorine.                                     Sie finden keinen,
Der's Ihnen glaubt.

Orgon.                           Jetzt wird es mir zu bunt!

Dorine. Und glaubt man's, werden Sie dann besser fahren?
Wie, was? Ein Mann, dem Anschein nach gesund,
Ein Mann, der ausgewachsen ist seit Jahren,
Der wäre so vom bösen Geist besessen . . .

Orgon. Was für ein Ton? Sie scheinen zu vergessen,
Auf welchem Fuß wir miteinander stehn.

Dorine. Na, kommen Sie deshalb nicht gleich in Wut.
Verbrechen sind noch nicht geschehn.
Für einen Frömmler ist Ihr Kind zu gut!
Sein Lorbeer blüht auf einem andern Felde.
Warum bestehn Sie grad auf der Partie
Und wählen sich mit Ihrem vielen Gelde
Den Habenichts zum Eidam?

Orgon.                                           Schweigen Sie!
Er hat nichts; darum grad ist er zu schätzen;
Grad seine Dürftigkeit und Blöße
Erhebt den Edlen über Erdengröße;
Denn seiner Güter ließ er sich entsetzen,
Weil nie an zeitlichen Besitz gekettet
Dem Ewigen sein ganzes Trachten galt.
Ich streck' ihm gern was vor, damit er bald
Sich aufhilft und sein Gut zurück sich rettet.
Die Länderei'n gehören ihm nach Recht;
Auch ist er adelig zur Welt gekommen.

Dorine. Jawohl, das sagt er; aber einem Frommen
Stehn solche Prahlereien schlecht.
Wer so viel Wesen macht mit heil'gem Leben,
Für den sind Nam' und Abkunft einerlei,
Und ist er wirklich gottergeben,
Macht er von diesen besser kein Geschrei.
Wozu der Hochmut? – Doch davon genug;
Den Menschen selber schauen Sie sich an!
Und solcher Tochter solchen Mann
Zu geben, halten Sie für klug?
Sehn Sie denn nicht, was stets zu fürchten bliebe?
Was wird davon die Folge sein?
Die Tugend eines Mädchens setzt man ein,
Wenn man sie zwingt zur Heirat ohne Liebe.
Der Vorsatz, eine brave Frau zu bleiben,
Hängt ab vom Mann; die Ehemänner alle,
Auf die man mit den Fingern deutet, treiben
Durch eigne Schuld ihr Weib zum Falle.
Die Treu' zu wahren dieser Sorte Gatten,
Dazu hat keine Frau Geduld,
Und sündigt sie, dann ist es deren Schuld,
Die zu der Ehe sie genötigt hatten.
Ihr Plan ist deshalb ganz und gar gefährlich.

Orgon (zu Marianne).
Am Ende gibt man mir noch Unterricht.

Dorine. Ja, passen Sie nur auf; es schadet schwerlich.

Orgon. Kind, kümmre dich um dies Gefasel nicht;
Bedenke, daß du meine Tochter bist.
Das Wort, das ich Valer gab, kann nicht gelten:
Man sagt, daß er dem Spiel verfallen ist.
Auch seinen Glauben hab' ich Grund zu schelten;
Die Kirche hat er längst nicht mehr betreten.

Dorine. O doch! Nur nicht zur Stunde, wo die Laffen
Hineingehn, um einander zu begaffen.

Orgon. Um Ihre Meinung hab' ich nicht gebeten.
Tartüff steht mit dem Himmel du und du;
Dies Rüstzeug überstrahlt die andern weit.
Er führt dich einer Musterehe zu,
Die triefen wird von Glück und Seligkeit.
Zusammen werdet ihr in Lieb' und Glauben
Ein Leben führen wie die Turteltauben;
Nie gibt es einen Streit in eurem Haus,
Und an dem kleinen Finger lenkst du ihn.

Dorine. O nein, sie wird ihn an der Nase ziehn.

Orgon. Verdammt Gewäsch!

Dorine.                                   Der sieht mir danach aus!
Der wird es schon zuwege bringen,
Daß Ihrer Tochter Tugend flöten geht.

Orgon. Ob Ihnen wohl der Mund nicht stille steht!
Beschäftigen Sie sich mit andern Dingen.

Dorine. Als wenn mich nicht Ihr eigner Vorteil triebe!

Orgon. Zu gütig! Schweigen Sie jetzt still!

Dorine. Aus Liebe nur . . .

Orgon.                             Ich danke für die Liebe!

Dorine. So? Ich kann lieben, wen ich will.

Orgon. Zum Kuckuck!

Dorine.                         Ihre Ehre ist mir wert;
Ich will verhüten, daß man Sie verlache.

Orgon. Still, sag' ich; sonst . . .

Dorine.                                     Es ist Gewissenssache,
Daß man Sie zur Vernunft bekehrt.

Orgon. Zum Teufel, schweig, du unverschämte Schlange!

Dorine. Seht mir den frommen Mann! Er flucht.

Orgon. Weil deine Frechheit ihresgleichen sucht.
Hältst du jetzt nicht den Mund, dann wird dir bange.

Dorine. Schön, ich bin still; doch denk' ich mir das Meine.

Orgon. Denk, was du willst, nur möglichst innerlich!
Und damit basta! (Zu Marianne)
                            Kind, ich kam ins reine,
Nachdem ich's reiflich überlegt.

Dorine (beiseite).                               Ich keuche
Vor Wut.

Orgon.           Tartüff an und für sich
Ist kein Adonis . . .

Dorine (beiseite).           Eine Vogelscheuche.

Orgon. Doch dafür ist er förmlich überladen
Mit innren Reizen.

Dorine (beiseite).           Guten Appetit!

(Orgon wendet sich nach Dorine um, hört ihr mit gekreuzten Armen zu und sieht ihr ins Gesicht)

An ihrer Stelle zög' mich ohne Schaden
Kein Mann gewaltsam zum Altare mit.
Dem würd' ich zeigen schon nach wenig Wochen,
Wie sich ein Weib zu rächen wagt!

Orgon (zu Dorine).
Was ist denn das? Hab' ich umsonst gesprochen?

Dorine. Wieso? Zu Ihnen hab' ich nichts gesagt.

Orgon. Zu wem denn sonst?

Dorine.                                   Ich rede nur mit mir.

Orgon (beiseite).
Ich muß bei diesem unverschämten Drachen
Handgreiflich mich verständlich machen.

(Er setzt sich in Positur, um Dorine eine Ohrfeige zu geben, und bei jedem Wort, welches er seiner Tochter sagt, wendet er sich um und sieht nach Dorine, welche vor ihm steht, ohne zu sprechen)

Mein Kind . . . nun überlege dir . . .
Den ich gewählt . . . das ist der rechte Mann . . .
    (zu Dorine)
Du sagst ja nichts?

Dorine.                           Ich werd' wohl fertig sein.

Orgon. Ein Wörtchen nur.

Dorine.                             Ich denke nicht daran.

Orgon. Ich warte.

Dorine.                 Darauf fall' ich nicht herein.

Orgon. Dein Vater, Kind, erkor dir ihn;
Das wirst du dir nicht zweimal sagen lassen.

Dorine (die Flucht ergreifend).
So ein Gemahl, der würde grad mir passen.

Orgon (hat vergebens versucht, Dorine eine Ohrfeige zu geben).
Das Weib da hat die Hölle ausgespien.
Die bringt mich noch zu Greueltaten!
Ich halt's nicht länger aus, ich bin am Schluß;
Ich bin wahrhaftig so in Wut geraten,
Daß ich im Freien Atem schöpfen muß.

 

Dritter Auftritt

Marianne. Dorine.

Dorine. Ist Ihre Sprache denn gestört?
Muß ich denn völlig Ihre Rolle spielen?
Daß Sie den hirnverbrannten Plan gehört
Und nicht ein einzigmal ins Wort ihm fielen.

Marianne. Er ist mein Vater; kann er nicht befehlen?

Dorine. Solch einer Drohung muß man sich entziehn.

Marianne. Wie denn?

Dorine.                       Ihm sagen, daß wir selber wählen,
Daß Sie für sich heiraten, nicht für ihn,
Daß Sie als Hauptperson in diesem Spiele
Von Ihrem eigenen Geschmack nicht wichen,
Und wenn Tartüff ihm gar so sehr gefiele,
Dann sollt' er lieber selbst ihn ehelichen.

Marianne. Ein Vater hat beim Kind so groß Gewicht,
Daß ich die ganze Zeit den Mut nicht fand . . .

Dorine. Valer jedoch hielt an um Ihre Hand:
Ich frage, lieben Sie ihn oder nicht?

Marianne. Dorine! Kannst du noch so grausam scherzen?
Wie könntest du im Zweifel sein?
Du lasest hundertmal in meinem Herzen
Und weißt: Ihn lieb' ich, ihn allein!

Dorine. Weiß ich, ob Herz und Lippen einig waren,
Ob ungemindert noch die Glut?

Marianne. Glaub mir, daß dein Verdacht mir wehe tut;
Wie warm sie brennt, hast du genug erfahren.

Dorine. Also, Sie lieben ihn?

Marianne.                             Bis in den Tod!

Dorine. Und, wie es scheint, er Sie desgleichen.

Marianne. Ich glaube.

Dorine.                       Und ihr möchtet's bald erreichen,
Verbunden euch zu sehn.

Marianne.                                 Das tät' uns not.

Dorine. Und was die andre Heirat anbetrifft . . .?

Marianne. Wenn man mich dazu nötigt, nehm' ich Gift.

Dorine. Vortrefflicher Gedanke! Wundervoll!
Sie sterben, und die Sache ist erledigt.
Dies Mittel hilft gewiß. – Mich macht es toll,
Wenn man mir solchen Unsinn predigt.

Marianne. Dorine! Warum wirst du gleich so wild?
Du hast kein Mitgefühl mit Andrer Plagen.

Dorine. Nicht, wenn sie sich so unerhört betragen
Und sich verkriechen, wo's zu handeln gilt.

Marianne. Ach Gott, ich hab' nur solche Angst . . .

Dorine. Wer wahrhaft liebt, dem ziemt Entschlossenheit.

Marianne. Mein Herz bleibt deshalb doch Valer geweiht.
Könnt' er nicht tun, was du von mir verlangst?

Dorine. Wie? Daß Ihr Vater, stolz auf seine Schwächen,
Von dem Tartüff beschwatzt und eingelullt,
Jetzt im Begriffe steht, sein Wort zu brechen,
Daran ist gar wohl Ihr Geliebter schuld?

Marianne. Und würd' ich mich zu lautem Trotz vermessen,
Dann wüßte mein Geheimnis alle Welt.
Soll ich für ihn, so hoch mein Herz ihn stellt,
Die Scham, die Kindespflicht vergessen?
Willst du, daß allen Augen offenbar . . .

Dorine. Nichts will ich, nichts. Ich sehe schon, Sie werden
Die Frau Tartüff. Wie unrecht es doch war,
Mich gegen dieses Glück so zu gebärden!
So tun Sie doch, wonach der Wunsch Sie zieht!
Um solchen Freier sollte man sich reißen:
Ein Herr Tartüff, das will was heißen.
Ja, Herr Tartüff, wenn man's bei Licht besieht,
Das ist ein Mann, der sich mit Anstand schneuzt;
Sein Ehgespons hat Ursach', stolz zu blicken,
Weil man vor ihm in Ehrfurcht sich bekreuzt.
Er ist von Adel, hat ein Äußres zum Bestricken,
Ein angenehm Gesicht mit roten Ohren:
Kurzum, Sie können sehr zufrieden sein.

Marianne. Mein Gott!

Dorine.                       Ja, leuchtet Ihnen denn nicht ein,
Welch hübscher Mensch zur Gattin Sie erkoren?

Marianne. Nicht weiter, ich beschwöre dich, sei still!
Errette mich von diesem Ehejoch.
Mir ist ja alles recht. So hilf mir doch!

Dorine. Ein Kind muß wollen, was sein Vater will.
Und wählt er auch zum Eidam einen Affen.
Sie werden sich ein gutes Leben schaffen.
Zu seinem Städtchen geht's per Extrapost,
Wo Onkel, Vettern aus der Erde schießen;
Die füttern Sie sodann mit Geisteskost.
Die feine Welt wird Ihnen sich erschließen:
Erfreut kommt Ihnen schon im Flur entgegen
Die Frau Kanzleirat und die Frau Notar
Und wird Sie bitten, abzulegen.
Doch erst im Karneval wird's wunderbar:
Tanzkränzchen, Brummbaß und zwei Flöten,
Und manchmal gar Hanswurst und Puppenspiel.
Wenn dann der Herr Gemahl . . .

Marianne.                                           Du wirst mich töten!
So kommen wir gewiß nicht an das Ziel.

Dorine. Ich hab' die Ehre!

Marianne.                         Bleib doch hier, Dorine!

Dorine. Und das ist die gerechte Strafe jetzt.

Marianne. Dorinchen!

Dorine.                         Nein!

Marianne.                               Wenn je der Tag erschiene . . .

Dorine. Tartüff bekommt Sie; das ist festgesetzt.

Marianne. Ich weiß, wie sehr dir mein Vertraun gebührt:
Was rätst du mir?

Dorine.                       Sich Frau Tartüff zu nennen.

Marianne. Nun, weil mein Schicksal dich nicht rührt,
So will ich blind in mein Verderben rennen.
Verzweiflung wird mir schnell ein Mittel reichen,
Bei dem man keine andre Hilfe braucht.
    (Will gehen)

Dorine (ihr nacheilend).
Halt, halt! Mein Zorn ist halb verraucht.
Man läßt sich schließlich doch erweichen.

Marianne. Glaub mir, bevor ich des Altares Stufen
Mit ihm besteige, lieber in den Tod!

Dorine. Nur nicht so hitzig. Noch ist keine Not . . .
Da kommt Valer – und grade wie gerufen.

 

Vierter Auftritt

Vorige. Valer.

Valer. Ich weiß nicht, Fräulein, ob man sich geirrt:
Mir ist da eine Nachricht zugekommen . . .

Marianne. Was denn?

Valer.                           Daß Herr Tartüff Ihr Gatte wird.

Marianne. Mein Vater hat es sich so vorgenommen.

Valer. Ihr Vater?

Marianne.           Ja, so lautet sein Entschluß;
Noch eben hat er mir's befohlen.

Valer. Im Ernst?

Marianne.           In vollem Ernst und unverhohlen
Sagt er, daß ich mich ihm verbinden muß.

Valer. Und Sie besinnen sich wohl noch?

Marianne. Ich weiß nicht . . .

Valer.                                     O, die Antwort ist vergnüglich!
Sie wissen nicht . . .

Marianne.                       Nein. – Raten Sie mir doch!

Valer. Dann rat' ich: Nehmen Sie ihn unverzüglich!

Marianne. Das ist Ihr Rat?

Valer.                                 Ja.

Marianne.                                 Wirklich?

Valer.                                                       Unbedingt.
Die Wahl ist lobenswert, man muß gestehn!

Marianne. Mein Herr, was Sie mir raten, soll geschehn.

Valer. Ich merke, daß es Ihnen leicht gelingt.

Marianne. Nicht leichter als das Raten Ihnen.

Valer. Ich riet so, weil ich zählt' auf Ihren Dank.

Marianne. Ich folge, um den Ihren zu verdienen.

Dorine (sich nach dem Hintergrund zurückziehend; beiseite).
Mir scheint, das wird ein regelrechter Zank.

Valer. Das also nennt man Liebe! Und Sie schworen
Mir einstmals . . .

Marianne.                 Fangen Sie davon nicht an!
Sie haben klar gesagt, daß ich den Mann
Heiraten müsse, den man mir erkoren,
Und werd' ich jetzt willfährig sein,
So hab' ich Ihrem guten Rat gehuldigt.

Valer. Sie meinen, daß Sie das entschuldigt?
Entschlossen waren Sie von vornherein.
Gut, daß es einen nicht'gen Vorwand gibt,
Um Ihren Wortbruch zu verbrämen.

Marianne. Sie haben Recht!

Valer.                                     Recht hab' ich anzunehmen,
Daß Sie mich wahrhaft nie geliebt.

Marianne. Nehmen Sie's an! Ich habe nichts dagegen.

Valer. So? Nichts dagegen? Mein gekränkter Sinn
Geht schon vielleicht auf ganz denselben Wegen:
Ich weiß ein Herz, dem ich willkommen bin.

Marianne. Ich zweifle nicht. So groß Verdienst darf hoffen . . .

Valer. Ach, mein Verdienst ist nicht der Rede wert;
Sie selber haben mich davon belehrt.
Allein ich hab' ein weiblich Herz getroffen,
Das gütig, wenn ein ältres Band zerrissen,
Mir bieten wird vollwertigen Ersatz.

Marianne. Dem guten Herzen mach' ich gerne Platz:
Es wird Sie sicher schnell zu trösten wissen.

Valer. Mein ganz Bemühn setz' ich daran!
Untreue muß man einem Weib vergällen,
Und wenn man sie nicht gleich vergessen kann,
Soll man sich wenigstens so stellen.
Denn eine Feigheit wär' es, ein Verbrechen,
Durch Liebe noch zu lohnen, den Verrat.

Marianne. Sehr männlich und sehr edel, in der Tat.

Valer. Gewiß, und niemand wird mir widersprechen.
Ja, soll ich Ihnen denn fürs ganze Leben
Treu bleiben und in Lieb' ergeben,
Derweil Sie eines Andern Arm umfaßt?
Ist denn mein Herz nicht frei für neue Ketten?

Marianne. Sie hören ja, daß mir's vortrefflich paßt.
Wenn Sie's nur schon verwirklicht hätten!

Valer. Sie wünschen's?

Marianne.                     Ja.

Valer.                                 Nun reißt mir die Geduld!
Sie wünschen's, Fräulein, und ich werd's vollbringen.
    (Er macht einen Schritt zur Tür)

Marianne. Sehr schön!

Valer (umkehrend).         Doch wohlgemerkt, nur Sie sind schuld,
Da Sie zum Äußersten mich zwingen.

Marianne. Jawohl.

Valer (noch einmal umkehrend).
                        – Und da Sie zu dem ganzen Plan
Das Beispiel gaben.

Marianne.                       Will ich zugestehn.

Valer (an der an der Tür).
Genug! Sie wünschen's und es wird getan.

Marianne. Das freut mich sehr.

Valer (kommt wieder zurück).       Auf Nimmerwiedersehn!

(Geht nach der Tür. Kleine Pause)

Marianne. Auch gut!

Valer (dreht sich hart an bei Tür um).
                            Wie?

Marianne.                           Was?

Valer.                                           Sie riefen mir, nicht wahr?

Marianne. Das träumten Sie.

Valer.                                     So eil' ich denn von hinnen!

Marianne. Mein Herr!

Valer.                           Mein Fräulein!
    (Geht ganz langsam nach hinten)

Dorine (zu Marianne).                           Es ist sonnenklar,
Ihr alle beide seid von Sinnen.
Ich wollte sehn, wie weit ihr's würdet treiben:
Drum hört' ich dem Krakeel so lange zu. –
He! Herr Valer!
    (Sie zieht Valer am Arm)

Valer (scheinbar widerstrebend).
                          Dorine, was willst du?

Dorine. Hierher, ich bitte!

Valer.                               Nein, ich darf nicht bleiben.
Was sie gewünscht hat, das geschehe.

Dorine. Nur einen Augenblick!

Valer.                                       Es ist beschlossen.

Dorine. O!

Marianne (beiseite).
            Meine Gegenwart macht ihn verdrossen;
Am besten ist es, wenn ich gehe.

Dorine (läßt Valer los und läuft hinter Marianne drein).
Jetzt Die! – Wohin?

Marianne.                       Laß mich!

Dorine.                                             Das darf nicht sein!

Marianne. Dorine, suche nicht, mich zu verhindern . . .

Valer (beiseite).
Ich sehe längst, mein Anblick macht ihr Pein;
Nun, diese Marter will ich lindern.

Dorine (eilt von Marianne wieder zu Valer).
Jetzt wieder Der! Zum Henker! Wollt ihr endlich
Den Unsinn lassen! Kommt nur beide her!

(Sie nimmt Valer und Marianne bei der Hand und nähert sie einander)

Valer (zu Dorine).
Was willst du?

Marianne (zu Dorine).   Was ist dein Begehr?

Dorine. Euch zu versöhnen, selbstverständlich.
    (Zu Valer)
Sind Sie denn toll, solch Zanken anzufangen?

Valer. Du hörtest ja, wie sie mich aufgeregt.

Dorine (zu Marianne).
Ist's nicht verrückt, wenn man sich so beträgt?

Marianne. Du sahst ja, wie er mit mir umgegangen.

Dorine. Einfältig wart ihr alle zwei. –
    (Zu Valer.)
Ihr einziger Wunsch ist, Ihnen zu gehören.
    (Zu Marianne)
Er liebt nur Sie und sehnt den Tag herbei,
Der ewig Sie vereint: ich kann's beschwören.

Marianne (zu Valer).
Wozu denn aber einen solchen Rat?

Valer (zu Marianne).
Wozu denn eine solche Frage grad?

Dorine. Toll seid ihr, sag' ich! – Euch die Hand gereicht!
    (Zu Valer)
Was zögern Sie?

Valer (gibt Dorine seine Hand).
                            Die Hand?

Dorine (zu Marianne).                     Und nun die Ihre!

Marianne. Was soll das alles heißen?

Dorine.                                                 Wird's vielleicht?
Ihr liebt euch beide tiefer, als ihr denkt.

(Valer und Marianne halten sich bei der Hand, ohne sich anzusehen)

Valer (sich zu Marianne wendend).
Ja, wenn man tut, als ob man sich noch ziere,
Und einem nicht einmal ein Blickchen schenkt . . .

(Marianne wendet sich lächelnd zu Valer)

Dorine. Verliebten fehlt doch immer eine Schraube.

Valer (zu Marianne).
Gestehen Sie, ich war mit Recht verletzt.
Auch war's nicht hübsch von Ihnen, wie ich glaube,
Daß Sie mit Gleichmut mir den Schlag versetzt.

Marianne. O Undankbarster aller Undankbaren . . .

Dorine. Den Streitfall können wir uns noch versparen.
Jetzt fragt sich's, wie der Heirat man entgeht.

Marianne. Nun sag, wie soll uns das gelingen?

Dorine. Wir lassen alle Minen springen.
Ihr Vater ist verrückt – (Zu Valer) der Kopf ist ihm verdreht.
    (Zu Marianne)
Sie aber zeigen jetzt am besten Proben
Von Fügsamkeit, so bunt er's immer treibt;
Dann wird, wenn sonst nichts übrig bleibt,
Die Hochzeit weiter stets hinausgeschoben.
Wer Zeit gewinnt, hat viel gewonnen.
Bald werden Sie vom Schnupfen angesteckt,
Der nicht so schnell vergeht, wie er begonnen;
Bald hat ein Unglückszeichen Sie erschreckt:
Ein Leichenzug, dem Sie begegnet,
Ein böser Traum, ein Glas, das Sie zerbrochen,
Und schließlich – eh' das Jawort ausgesprochen,
Gibt's keinen Priester, der Sie segnet.
Jedoch, damit wir völlig sicher gehn,
Darf niemand euch beisammen sehn.
    (Zu Valer)
Drum fort! Die Freunde mögen Sie beschützen
Vorm Wortbruch, den man Ihnen droht.
Der Bruder soll uns gleichfalls unterstützen;
Auch Stiefmama gehört zum Aufgebot.
Mit Gott!

Valer (zu Marianne).
              Was wir gemeinsam auch erstreben,
Vor allem gibt Ihr Herz mir Zuversicht.

Marianne (zu Valer).
Für meines Vaters Willen bürg' ich nicht;
Ich aber hab' gewählt – fürs ganze Leben!

Valer. Das gibt mir Kraft! Und wenn Gefahren winken . . .

Dorine. Solch Pärchen hat doch nie sich ausgeschwätzt!
Nun fort mit euch.

Valer (zurückkommend).   Ich will nur . . .
    (Reicht Marianne hinter Dorinens Rücken die Hand)

Dorine.                                                   Fertig jetzt!
Sie gehn zur Rechten, Sie zur Linken.

(Sie stößt sie mit leichtem Druck auseinander. Beide werfen sich in der Tür noch Kußhände zu, während Dorine, Luft schöpfend, mit in die Seite gestemmten Armen in der Mitte der Bühne steht)

 


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