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Claudine. Lubin.
Claudine. Ja, ich hatte mir's gleich gedacht, daß du dahinter stecktest, und daß du es jemand ausgeplaudert hättest, der's unserm Herrn wieder erzählt hat.
Lubin. Auf Ehr' und Seligkeit, ich hab' nur beiläufig einem Menschen ein paar kleine Andeutungen gemacht, damit er's nicht weitersagen sollte, daß er mich aus dem Haus hat kommen sehen. Aber es scheint mir fast, die Leute hier zu Lande sind große Schwatzbasen.
Claudine. Weiß Gott, dieser Herr Vicomte hat sich seinen Mann gut ausgesucht, als er dich zu seinem Boten erwählte. Bei dir ist er gerade an den Rechten gekommen!
Lubin. Tut nichts. Das nächste Mal werd' ich pfiffiger sein und mich besser in acht nehmen.
Claudine. Jawohl, hinterher.
Lubin. Laß gut sein und hör mich mal an.
Claudine. Was soll ich denn anhören?
Lubin. Guck mir mal ins Gesicht.
Claudine. Nun, was gibt's denn?
Lubin. Claudine!
Claudine. Was?
Lubin. Ach, geh! Du weißt recht gut, was ich dir sagen will.
Claudine. Nein.
Lubin. Schwerebrett! Ich bin in dich verschossen.
Claudine. Im Ernst?
Lubin. Ja, hol' mich der Teufel! Du kannst mir's glauben, weil ich sonst nicht so fluchen würde.
Claudine. Ei, schau mal an!
Lubin. Wenn ich dich ansehe, dann bibbert mir das Herz im Leibe.
Lubin. Wie stellst du's nur an, so hübsch zu sein?
Claudine. Just wie alle andern.
Lubin. Schau, zu einem Viertelpfund braucht's nicht viel Butter, und wenn du nur willst, dann wirst du meine Frau, und ich werde dein Mann, und dann sind wir beide Mann und Frau.
Claudine. Da wärst du am Ende grad so eifersüchtig wie unser Herr.
Lubin. I bewahre.
Claudine. Mir ist nichts so zuwider wie die argwöhnischen Ehemänner; ich will einen, der unter keinen Umständen aus der Fassung kommt; einen, der so felsenfest von meiner Tugend überzeugt ist, daß er mich mit der größten Seelenruhe mitten unter dreißig Mannsbildern sehen könnte.
Lubin. Abgemacht; so einer werd' ich sein.
Claudine. Es gibt nichts Einfältigeres, als wenn ein Mann seiner Frau nicht traut und sie beständig drangsaliert. Denn klipp und klar gesprochen, dabei kommt nie was Gutes heraus. Das bringt uns erst auf schlechte Gedanken, und die Männer machen sich durch ihr ewiges Gezeter oft selbst zu dem, was aus ihnen wird.
Lubin. Abgemacht; bei mir sollst du die größte Freiheit haben zu tun, was dir beliebt.
Claudine. So gehört sich's, wenn man nicht betrogen sein will. Wenn ein Mann sich auf uns verläßt, dann nehmen wir uns nicht mehr Freiheit, als wir brauchen. Das ist genau so, wie wenn uns jemand seinen Geldbeutel hinhält und sagt: Bitte, bedienen Sie sich. Dann greifen wir nur mit Bescheidenheit zu und geben uns mit wenigem zufrieden. Wer uns aber den Brotkorb höher hängt, dem ziehen wir ohne Barmherzigkeit das Fell über die Ohren.
Lubin. Unbesorgt, ich werde einer von denen sein, die den Geldbeutel hinhalten! Wenn's weiter nichts ist, da kannst du mich heiraten – vom Fleck weg.
Claudine. Nun gut, gut; wir wollen sehen.
Lubin. Komm doch her, Claudinchen!
Claudine. Was willst du?
Lubin. Komm, sag' ich.
Claudine. Halt, nicht anfassen! Das kann ich nicht leiden.
Lubin. Ach, nur ein ganz klein bißchen in aller Freundschaft.
Claudine. Laß mich los, sag' ich dir. Darin versteh' ich keinen Spaß.
Lubin. Claudinchen!
Claudine (ihn zurückstoßend). Nichts da!
Lubin. Ach, du bist aber gar nicht leutselig! Pfui, ist das garstig, einen armen Menschen so wegzustoßen! Schämst du dich denn gar nicht, daß du so hübsch bist und dich nicht einmal willst tätscheln lassen? Na, so komm doch!
Claudine. Gleich kriegst du eins hinter die Ohren.
Lubin. O, du Ungeheuer! O, du Kannibalin! Pfui und noch einmal pfui! So ein Scheusal von Grausamkeit!
Claudine. Du wirst gar zu frech.
Lubin. Was hättest du denn für 'nen Schaden davon, wenn du mich ein klein bißchen gewähren ließest?
Claudine. Du mußt Geduld haben.
Lubin. Nur ein Küßchen als Vorschuß auf die Ehe.
Claudine. Daraus wird nichts.
Lubin. Claudinchen, du kannst mir's später in Abzug bringen.
Claudine. Ja, Schnecken! Einmal auf den Leim gegangen und nicht wieder. Mach, daß du fortkommst, und sag deinem Herrn Vicomte, ich würde sein Briefchen bestellen.
Lubin. Auf Wiedersehn, du widerborstiger Engel du!
Claudine. Recht netter Schmeichelname.
Lubin. Auf Wiedersehn, du Fels, du Kiesel, du Granitblock und was es sonst noch Steinhartes auf der Welt gibt! (Ab)
Claudine (allein). Ich werd' es ihr heimlich zustecken . . . Da kommt sie gerade mit ihrem Mann. Ich muß warten, bis sie allein ist.
Dandin. Angelique.
Dandin. Nein, nein, so leicht lass' ich mir kein X für ein U machen. Ich weiß nur zu gewiß, daß man mich wahr berichtet hat. Meine Augen sind besser, als man glaubt, und mit deinen geschwollenen Reden führst du mich nicht hinters Licht.
Vorige. Clitander.
Clitander (im Hintergrund für sich. Ah, da ist sie! Aber ihr Mann ist bei ihr.
Dandin (ohne Clitander zu bemerken). Trotz all deinen Faxen hab' ich dich durchschaut und kenne die Geringschätzung, die du für unsern Bund empfindest. (Clitander und Angelique grüßen sich) Gott, laß doch die Komplimentiererei; auf diese Art von Achtung verzicht' ich. Oder willst du dich gar noch über mich lustig machen?
Angelique. Ich mich lustig machen? Nicht um die Welt!
Dandin. Ich weiß, was du dir denkst, und . . . (Clitander und Angelique grüßen sich abermals) Schon wieder! Laß diese Scherze jetzt endlich beiseit'! Mir ist klar, daß du dich wegen deines Adels für hoch über mich erhaben hältst: aber die Achtung, die ich von dir verlange, bezieht sich nicht auf meine Person, sondern auf ein so heiliges Band wie die Ehe . . . (Angelique macht Clitander ein Zeichen) Was soll das Achselzucken? Hab' ich vielleicht eine Dummheit gesagt?
Angelique. Ist mir gar nicht eingefallen, die Achseln zu zucken.
Dandin. Ich sehe, was ich sehe. Ich wiederhole dir, die Ehe ist eine Kette, vor der man allen möglichen Respekt haben soll; und es ist unverantwortlich von dir, so damit umzuspringen. (Angelique nickt Clitander zu) Jawohl unverantwortlich. Da ist nichts mit dem Kopf zu schütteln und Gesichter zu schneiden.
Angelique. Ich weiß wirklich nicht, was du von mir willst.
Dandin. Ich aber weiß es nur zu gut. Mir ist längst bekannt, daß du dir nichts aus mir machst. Aber wenn ich auch nicht adlig bin, so stamm' ich wenigstens von einem Geschlecht ohne Fehl und Makel: ja wahrhaftig, die Familie Dandin . . .
Clitander (hat sich Angelique genähert, ohne von Dandin bemerkt zu werben, und flüstert ihr zu). Nur auf zwei Worte!
Dandin. Was sagst du?
Angelique. Ich? Ich habe nicht gemuckst.
(Dandin geht um seine Frau herum, und Clitander zieht sich zurück, indem er ihm eine tiefe Verbeugung macht)
Dandin. Angelique.
Dandin. Da schwänzelt er schon wieder um dich herum.
Angelique. Ist das vielleicht meine Schuld? Was kann ich dagegen tun?
Dandin. Du kannst dagegen tun, was eine Frau tut, die nur ihrem Mann gefallen will. Was man auch behaupten mag, die Liebhaber pflegen sich nur da heranzudrängen, wo man sie gut aufnimmt. Es gibt gewisse zuckersüße Mienen, die sie anlocken, wie der Honig die Fliegen: eine rechtschaffene Frau aber weiß sich so zu benehmen, daß sie ihr von allem Anfang an fernbleiben.
Angelique. Mir fernbleiben? Ei weshalb denn? Ich bin durchaus nicht erbost darüber, daß man mich schön findet. Im Gegenteil, es macht mir Vergnügen.
Dandin. Ja, ja; aber welche Rolle soll dabei der Ehemann spielen?
Angelique. Die Rolle eines vernünftigen Menschen, den es freut, seine Frau gefeiert zu sehen.
Dandin. Gehorsamer Diener! Daraus mach' ich mir einen Pappenstiel; an diesen Brauch ist das Geschlecht der Dandins nicht gewöhnt.
Angelique. Dann wird das Geschlecht der Dandins sich von jetzt an daran gewöhnen müssen. Denn ich meinesteils erkläre dir, daß ich ganz und gar nicht willens bin, der Welt zu entsagen und mich in der Ehe lebendig begraben zu lassen. Was? Weil es einem Mann einfällt, uns zu heiraten, darum soll alles für uns zu Ende sein, und wir sollen jeden Umgang mit anderen lebendigen Wesen abbrechen? Eine recht merkwürdige Sache, diese Tyrannei der Herren Ehemänner! Mir scheint es denn doch etwas zu viel verlangt, daß wir uns für alle Zerstreuungen abtöten sollen, um nur noch für sie auf der Welt zu sein! Ich denke nicht daran; ich will nicht so jung sterben.
Dandin. So also hältst du den Treuschwur, den du am Altar mir geleistet hast?
Angelique. Nicht freiwillig hab' ich das getan; ich bin von dir dazu gezwungen worden. Hast du mich vor der Trauung auch nur gefragt, ob ich einverstanden bin oder ob ich dich gern habe? Du hast das alles nur mit meinen Eltern abgemacht; eigentlich hast du nur sie geheiratet und nicht mich. Darum mußt du dich auch ausschließlich an sie halten, falls dir irgend ein Unrecht widerfährt. Ich habe dich nicht geheißen, mich zur Frau zu nehmen; du hast mich geheiratet, ohne dich um meine Gefühle zu kümmern; also halte ich mich auch nicht für verpflichtet, mich wie eine Sklavin deinem Willen zu unterwerfen. Nein, ich will mit deiner Erlaubnis die schönen Tage meiner Jugend genießen, will die holde Freiheit ausnutzen, auf die man in meinen Jahren Anspruch hat, will in der Gesellschaft verkehren und mich daran erfreuen, daß man mir Artigkeiten sagt. Das wirst du auf dich nehmen müssen als deine Buße, und danke deinem Schöpfer, daß ich nicht zu Schlimmerem fähig bin.
Dandin. Aha! So also steht es mit deiner Gesinnung? Ich bin dein Mann, und ich sage dir, das paßt mir nicht.
Angelique. Und ich bin deine Frau, und ich sage dir, mir paßt es.
Dandin (für sich). Mich juckt die Hand, ihr das ganze Gesicht so zu verarbeiten, daß sie in ihrem Leben keinem Süßholzraspler mehr gefallen kann. Ach! – Ruhig Blut, George Dandin! Ich könnte mich nicht länger im Zaum halten; drum ist's besser, ich mache mich davon.
Angelique. Claudine.
Claudine. Gnädige Frau, ich konnt' es kaum erwarten, daß er fortginge; denn hier hab' ich ein Briefchen, Sie wissen schon, von wem.
Angelique. Zeig her! (Sie liest)
Claudine (für sich). Soviel ich bemerke, mißfällt ihr, was darin steht, nicht allzusehr.
Angelique. Ach, Claudine, wie bezaubernd er sich auszudrücken weiß! In jedem Wort, in jeder Gebärde haben doch diese Herren vom Hofe ein unwiderstehliches Etwas! Welch ein Abstand zwischen ihnen und unseren Provinzialen!
Claudine. Ich glaub's wohl, daß Ihnen danach die Dandins nicht mehr recht gefallen wollen.
Angelique. Bleib hier; ich will ihm gleich die Antwort schreiben. (Ab)
Claudine (allein). Mich dünkt, ich habe nicht nötig, ihr anzuempfehlen, daß sie freundlich ausfällt. Aber da kommt ja . . .
Claudine. Clitander. Lubin.
Claudine. Wahrhaftig, gnädiger Herr, Sie haben sich da einen tüchtigen Boten ausgesucht.
Clitander. Ich wagte nicht, einen von meinen Leuten zu schicken; aber, meine liebe Claudine, ich muß dich nun entschieden für die guten Dienste belohnen, die du mir erwiesen hast. (Er sucht in seiner Tasche)
Claudine. Ach, gnädiger Herr, ist ja gar nicht nötig. Nein, wirklich, gnädiger Herr, machen Sie sich doch deshalb keine Mühe; ich tu' das alles nur, weil Sie's verdienen, und weil ich etwas für Sie übrig habe.
Clitander (gibt ihr Geld). Ich bin dir sehr dankbar.
Lubin (zu Claudine). Weil wir uns ja doch heiraten, so gib's mir; ich leg's dann zu dem meinigen.
Claudine. Ich schreib' es dir gut, ebenso wie den Kuß.
Clitander (zu Claudine). Nun sag, hast du meinen Brief deiner schönen Herrin eingehändigt?
Claudine. Ja. Sie schreibt eben schon die Antwort.
Clitander. Aber, Claudine, gibt es denn gar keine Möglichkeit, daß ich mit ihr sprechen kann?
Claudine. Warum nicht? Kommen Sie nur mit mir; ich werde das schon machen.
Clitander. Aber wird sie damit einverstanden sein? Und ist keine Gefahr dabei?
Claudine. Nein, nein. Ihr Mann ist nicht zu Haus, und überdies braucht sie sich vor dem am wenigsten in acht zu nehmen. Wenn nur ihre Eltern nichts davon merken – alles übrige ist unbedenklich.
Clitander. Ich verlasse mich ganz auf dich. (Beide ab)
Lubin (allein). Schwerebrett! Was krieg' ich da für eine kluge Frau! Die hat mehr Grütze im Kopf als vier andere zusammengenommen.
Lubin. Dandin.
Dandin (leise, für sich). Ist das nicht der Mensch von vorhin? Nun gebe Gott, daß er sich dazu bestimmen läßt, den Eltern zu bezeugen, was sie mir nicht glauben wollen.
Lubin. Ei, sind Sie's, Herr Plappermund? Hab' ich Ihnen nicht auf die Seele gebunden, nichts zu verraten? Und haben Sie mir's nicht fest versprochen? Sie sind also eine Klatschbase und sagen alles weiter, was man Ihnen im strengsten Vertrauen mitteilt,
Dandin. Ich?
Lubin. Ja, Sie! Sie haben dem Mann die ganze Geschichte gesteckt, und Sie sind schuld, daß er den Heidenlärm verführt hat. Noch ein Glück, daß ich nun weiß, was für ein Waschweib Sie sind. Ich werde mich hüten, Ihnen noch mal was anzuvertrauen.
Dandin. Höre, guter Freund . . .
Lubin. Hätten Sie nicht geschwatzt, dann würd' ich Ihnen erzählen, was jetzt eben wieder vorgeht; aber zur Strafe sollen Sie kein Sterbenswort davon erfahren.
Dandin. Wie? Was geht denn vor?
Lubin. Nichts; gar nichts. Das haben Sie nun von Ihrer Redseligkeit; Sie werden nichts davon zu schmecken kriegen, wenn Ihnen auch noch so sehr das Wasser im Munde zusammenläuft.
Dandin. Halt! Einen Augenblick!
Lubin. Nein.
Dandin. Nur auf ein einziges Wort.
Lubin. Papperlapapp! Sie möchten mir gern die Würmer aus der Nase ziehen!
Dandin. Nein, das nicht.
Lubin. Haha, wer ein Dummkopf wäre! Ich merke, wo Sie hinaus wollen.
Dandin. Etwas ganz anderes. Höre doch nur!
Lubin. Hilft alles nichts. Sie wollen, ich soll Ihnen sagen, daß der Herr Vicomte der Claudine Geld in die Hand gedrückt, und daß sie ihn zu ihrer Gnädigen geführt hat. Aber so ein Ochse bin ich nicht.
Dandin. Ich bitte dich . . .
Lubin. Nein.
Dandin. Ich verspreche dir . . .
Dandin (allein).
Dandin. Ich habe bei diesem Einfaltspinsel nicht so viel erreicht, wie ich gehofft hatte. Aber die Neuigkeit, die ihm eben entschlüpft ist, wäre an sich schon genügend; und wenn der Liebhaber wirklich in meinem Hause steckt, so muß mich das in den Augen der Eltern rechtfertigen und sie von der Unverschämtheit ihrer Tochter vollkommen überzeugen. Das Schlimme dabei ist nur, daß ich nicht weiß, wie ich den Fingerzeig richtig verwerten kann. Geh' ich ins Haus, dann läuft der Bube mir davon, und wär' ich auch selbst der Augenzeuge meiner Schande gewesen, man wird mir meinen Schwur nicht glauben und mir sagen, ich hätte geträumt. Ruf' ich dagegen Schwiegervater und Schwiegermutter herbei, ohne mich vergewissert zu haben, daß der Hahn im Korbe sitzt, dann ist's dieselbe Geschichte, und ich komme abermals in die Patsche wie vorhin. Könnt' ich's denn nicht in aller Stille herausbringen, ob er noch da ist? (Er sieht durchs Schlüsselloch) Himmlischer Vater! Es ist kein Zweifel mehr, ich hab' ihn durchs Schlüsselloch gesehen. Das Schicksal selbst liefert mir den Beweis in die Hand, und um sein Werk zu vervollständigen, führt es im gegebenen Augenblick die Richter herbei, die ich brauche.
Dandin. Herr und Frau von Sotenville.
Dandin. Nun also! Sie haben mir vorhin nicht glauben wollen, und ich habe gegen Ihre Tochter den kürzeren gezogen; aber jetzt kann ich Ihnen deutlich zeigen, wie sie mit mir umspringt. Meine Schande ist jetzt, Gott sei Dank, so sonnenklar, daß Ihnen jeder Zweifel daran vergehen wird.
Herr von Sotenville. Wie, Herr Schwiegersohn, Sie kommen noch einmal auf diese Geschichte zurück?
Dandin. Ja, ich komme zurück; und ich habe den triftigsten Grund, zurückzukommen.
Frau von Sotenville. Sie wollen uns wieder den Kopf heiß machen?
Dandin. Ja, Frau Baronin; denn meinem Kopf wird noch viel ärger eingeheizt.
Herr von Sotenville. Werden Sie's denn nicht bald müde, uns beschwerlich zu fallen?
Dandin. Nein; aber ich werd' es müde, zum Narren gehalten zu werden.
Frau von Sotenville. Können Sie sich denn um keinen Preis von Ihren Hirngespinsten befreien?
Dandin. Nein; aber ich möchte von einer Frau befreit sein, die mir meine Ehre stiehlt.
Frau von Sotenville. Großer Gott im Himmel! Herr Schwiegersohn, achten Sie auf Ihre Worte!
Herr von Sotenville. Corbleu, vermeiden Sie zum mindesten solche verletzenden Ausdrücke.
Dandin. Einem geprügelten Hund kann man nicht verbieten zu heulen.
Frau von Sotenville. Vergessen Sie nicht, daß Sie ein Fräulein geheiratet haben.
Dandin. Das vergess ich keinen Augenblick und werd's all mein Lebtag nicht vergessen.
Herr von Sotenville. Nun, dann seien Sie auch darauf bedacht, mit etwas mehr Respekt von ihr zu sprechen.
Dandin. Warum ist denn sie nicht darauf bedacht, mich mit etwas mehr Anstand zu behandeln? Was! Weil sie ein Fräulein ist, darum soll es ihr frei stehen, mit mir zu verfahren, wie es ihr beliebt, und ich darf nicht einmal mucksen?
Herr von Sotenville. Was liegt denn vor, und was können Sie behaupten? Haben Sie nicht erst heute morgen gehört, daß sie jede Beziehung zu dem betreffenden Herrn ausdrücklich in Abrede stellt?
Dandin. Ja. Aber Sie, was werden Sie dazu sagen, wenn ich Sie mit eigenen Augen sehen lasse, daß der Liebhaber bei ihr ist?
Frau von Sotenville. Bei ihr?
Dandin. Ja, bei ihr, und in meinem Hause.
Herr von Sotenville. In Ihrem Hause?
Dandin. Ja, in meinem eigenen Hause,
Frau von Sotenville. Wenn es sich so verhält, dann erklären wir uns mit Ihnen gegen sie.
Herr von Sotenville. Ja. Die Ehre unserer Familie geht uns über alles, und wenn Sie die Wahrheit sagen, verleugnen wir in ihr unser Fleisch und Blut und geben sie Ihrem Zorne preis.
Dandin. Sie brauchen nur mitzukommen.
Frau von Sotenville. Hüten Sie sich vor einem Irrtum,
Herr von Sotenville. Machen Sie's nicht wieder wie heute früh.
Dandin. Lieber Gott, Sie werden es ja sehen, (Er zeigt auf Clitander, der mit Angelique aus dem Hause tritt) Nun also, hab' ich gelogen?
(Alle drei ziehen sich in den Hintergrund zurück)
Vorige. Angelique. Clitander. Claudine.
Angelique (zu Clitander). Auf Wiedersehn! Ich habe Angst, daß man uns hier überrascht; ich muß mich in acht nehmen.
Clitander. So versprechen Sie mir wenigstens, daß ich Sie heute nacht sprechen darf.
Angelique. Ich werde mein Möglichstes tun,
Dandin zu Herrn und Frau von Sotenville. Schleichen wir uns ganz leise von hinten heran, damit man uns nicht bemerkt.
Claudine (zu Angelique). Ach, gnädige Frau, wir sind verloren. Da stehn Ihre Eltern mit Ihrem Mann!
Clitander. Himmel!
Angelique (leise). Tut nicht dergleichen und laßt mich nur machen. (Laut zu Clitander) Wie? Nach dem, was heute vorgefallen ist, haben Sie die Dreistigkeit, mir das zu bieten? Das nennen Sie Ihre Gefühle verbergen? Man erzählt mir, Sie wären in mich verliebt und hätten im Sinn, es mir zu erklären; ich bezeuge Ihnen meine Entrüstung darüber und lasse Sie unzweideutig vor aller Welt abfallen; Sie leugnen auf das bestimmteste, geben mir Ihr Wort, daß Sie nicht entfernt daran gedacht haben, mich zu beleidigen, und trotz alledem entblöden Sie sich nicht, noch am selben Tage mich in meinem Hause aufzusuchen, mir Ihre Liebe zu gestehen und mich mit einem Schock alberner Redensarten zu überhäufen, die mich verleiten sollen, auf Ihren Wahnwitz einzugehen? Halten Sie mich für eine Frau, die fähig wäre, ihrem Mann das Gelöbnis der Treue zu brechen? Glauben Sie, daß ich je vom Pfade der Tugend abweichen könnte, den meine Eltern mir gewiesen haben? Wenn mein Vater eine Ahnung davon hätte, er würde Ihnen Ihre Unternehmungslust ein für allemal vertreiben! Aber eine anständige Frau scheut den Skandal; nur deshalb sehe ich davon ab, es ihm zu sagen. (Sie winkt Claudine, ihr einen Stock zu bringen) Ihnen aber will ich zeigen, daß, wenn ich auch nur ein schwaches Weib bin, mir der Mut nicht mangelt, um mich selbst für die Beleidigungen zu rächen, die man mir zufügt. Da Sie sich nicht wie ein Edelmann betragen haben, so will ich Sie auch nicht wie einen Edelmann behandeln. (Sie nimmt den Stock und erhebt ihn gegen Clitander; dieser weicht aus, und die Schläge treffen Dandin)
Clitander (schreit, als wäre er getroffen worden). Au! Au! Au! Gnade, Gnade! (Ab)
Vorige ohne Clitander.
Claudine. Drauf los, gnädige Frau! Gerben Sie ihm ordentlich das Fell!
Angelique (als ob sie glaubte, noch mit Clitander zu sprechen). Sollten Sie noch was auf dem Herzen haben, ich werd' Ihnen die Antwort nicht schuldig bleiben.
Claudine (ebenso). Ja, nun merken Sie's wohl, mit wem Sie zu tun haben.
Angelique (die Erstaunte spielend). Ah, mein Vater! Sie sind hier?
Herr von Sotenville. Ja, meine Tochter, und ich sehe, daß du in bezug auf Mut und Sittsamkeit dich als würdigen Sprößling des Hauses Sotenville bewährst. Komm her zu mir, damit ich dich umarme.
Frau von Sotenville. Umarme auch mich, mein Kind. Ach, ich muß weinen vor Freude: denn ich erkenne mein Blut in allem, was ich eben von dir gesehen habe.
Herr von Sotenville. Wie selig muß Ihnen zumute sein, lieber Schwiegersohn! Welche himmlische Erleichterung müssen Sie angesichts dieser Wendung empfinden! Sie hatten gerechten Grund, sich zu beunruhigen: aber Ihr Verdacht löst sich so angenehm wie möglich in Wohlgefallen auf.
Frau von Sotenville. Ja wahrhaftig, Herr Schwiegersohn, Sie dürfen sich jetzt den glücklichsten aller Menschen nennen.
Claudine. Ganz unbedingt. So eine Frau gibt's nicht wieder. Die sind Sie gar nicht wert: den Staub müßten Sie küssen, den ihre Füße berührt haben.
Dandin (für sich). Kanaille!
Herr von Sotenville. Was soll das heißen, Herr Schwiegersohn? Sie danken Ihrer Frau nicht einmal für all die Liebe und Treue, die sie Ihnen so augenfällig bewiesen hat?
Angelique. Nein, nein, lieber Vater, dessen bedarf es nicht. Er schuldet mir keinerlei Erkenntlichkeit für das, was er eben hier gesehen hat. Das alles tu' ich lediglich mir selbst zuliebe.
Herr von Sotenville. Wohin, mein Kind?
Angelique. Ich geh' ins Haus, damit ich mir nicht Verbindlichkeiten von ihm sagen lassen muß. (Ab)
Claudine (zu Dandin). Sie hat ganz Recht, wenn sie empört ist. So eine Frau verdient, daß man vor ihr auf den Knieen liegt, und Sie behandeln sie nicht, wie sich's gebührt. Ab
Herr und Frau von Sotenville. Dandin.
Herr von Sotenville. Das ist eine kleine Empfindlichkeit, die von heute früh zurückgeblieben ist, aber bald vergehen wird, wenn Sie ihr ein paar zärtliche Worte geben. Auf Wiedersehen, lieber Schwiegersohn; nun dürfen Sie ja vollkommen beruhigt sein. Eilen Sie zu ihr, um Frieden zu schließen, und bemühen Sie sich, sie zu besänftigen, indem Sie wegen Ihrer Heftigkeit um Entschuldigung bitten.
Frau von Sotenville. Sie müssen bedenken, daß Sie eine musterhaft erzogene Frau vor sich haben, die es nicht gewöhnt ist, irgend einer Niedrigkeit verdächtigt zu werden. Auf Wiedersehen! Ich bin herzlich froh, daß Ihre Verstimmung zu Ende ist, und gönne Ihnen den innerlichen Jubel, den ihr Betragen in Ihnen wachrufen muß.
Dandin (allein).
Dandin. Ich sage kein Wort mehr; denn das Reden hilft mir doch nichts. Hat es wohl jemals einen solchen Pechvogel gegeben wie mich? Ja, mein Unglück ist ebenso erstaunlich wie die abgefeimte Verschmitztheit, mit der meine Frau, dieses Rabenaas, allemal Recht behält und mich ins Unrecht setzt. Soll ich denn immerzu von ihr abgetrumpft werden? Soll der Schein immerzu gegen mich zeugen? Wird es mir nie gelingen, das unverschämte Weibsbild zu überführen? Lieber Gott im Himmel, steh mir bei und gewähre mir die Gnade, daß ich meine Schande vor aller Augen beweisen kann!