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George Dandin (allein).
Dandin. Ach, was ist es doch für ein bedenklicher Fall, eine vornehme Frau zu haben! Und welch eindringliche Lehre ist meine Heirat für alle Landleute, die sich über ihren Stand erheben wollen und sich so wie ich mit einem adligen Hause verkoppeln! Der Adel an sich, dagegen ist nichts zu sagen; eine höchst respektable Erfindung, ohne allen Zweifel; aber es kleben doch so viel schlimme Dinge daran, daß es ratsam ist, ihm nicht zu nah zu kommen. Ich bin auf diesem Gebiet durch Schaden klug geworden und weiß jetzt, auf welche Manier die Adligen unsereinen in ihre Familie aufnehmen. Auf unsere Person legen sie blutwenig Wert; sie heiraten nur unser Geld, und ich hätte tausendmal besser getan, reich wie ich bin, mir ein gutes, redliches Bauernmädchen zu nehmen anstatt einer Frau, die sich über mich erhaben dünkt, der es wider den Strich geht, meinen Namen zu tragen, und die sich einbildet, ich hätte mit all meinem Geld den Vorzug, ihr Mann zu sein, noch nicht voll bezahlt. George Dandin, George Dandin, du hast eine Dummheit gemacht, eine Mordsdummheit. Mein Haus ist mir jetzt verleidet; ich kann nicht über die Schwelle treten, ohne daß ich mich giften muß.
Dandin. Lubin.
Dandin (Lubin bemerkend, der aus seinem Hause tritt, für sich). Was zum Teufel hat der Strick da bei mir zu suchen gehabt?
Lubin (für sich). Wie der Mensch mich anglotzt!
Dandin (für sich). Er kennt mich nicht.
Lubin (für sich). Er scheint Lunte zu riechen.
Dandin (für sich). Oho! Er möchte sich gern drücken, ohne zu grüßen.
Lubin (für sich). Wenn er's nur nicht ausplaudert, daß er mich hier hat herauskommen sehn!
Dandin. Guten Tag.
Lubin. Diener.
Dandin. Du bist wohl nicht von hier?
Lubin. Nein, ich bin nur hergekommen, um morgen das Fest mit anzusehn.
Dandin. Ei, sag mir doch mal gefälligst: du kommst von da drinnen?
Lubin. Pst!
Dandin. Wie?
Lubin. Still!
Dandin. Weshalb?
Lubin. Mäuschenstill! Sie dürfen es niemand sagen, daß Sie mich da haben herauskommen sehn.
Dandin. Warum nicht?
Lubin. Ganz einfach, weil . . .
Dandin. Nun?
Lubin. Leise! Man könnte uns belauschen.
Dandin. Nicht doch, nicht doch.
Lubin. Nämlich, ich hatte der Frau vom Hause etwas auszurichten von einem jungen Herrn, der mit ihr schön tut. Und das darf kein Mensch erfahren. Verstehen Sie?
Dandin. Jawohl.
Lubin. Das ist der Grund. Er hat mir's auf die Seele gebunden, ich soll mich in acht nehmen, daß niemand mich sieht. Also sagen Sie's um Gottes willen nicht weiter, daß Sie mich gesehen haben.
Dandin. Nicht um die Welt.
Lubin. Denn ich möchte doch die Sache heimlich abmachen, wie mir's eingeschärft worden ist.
Lubin. Nämlich, der Ehemann soll ein schrecklich eifersüchtiger Mensch sein, der nicht will, daß man mit seiner Frau eine Liebschaft anfängt. Der würde einen Höllenspektakel machen, wenn's ihm zu Ohren käme. Haben Sie verstanden?
Dandin. Sehr gut.
Lubin. Er darf von alledem keine Ahnung haben.
Dandin. Natürlich.
Lubin. Man will ihn ganz sachte über den Löffel balbieren. Sie begreifen?
Dandin. Vollkommen.
Lubin. Wenn Sie verrieten, daß Sie mich aus seinem Haus haben kommen sehn, dann würden Sie die ganze Geschichte verderben. Sie verstehen doch?
Dandin. Ob ich verstehe! Wie heißt denn der Herr, der dich dorthin geschickt hat?
Lubin. Das ist unser Gutsherr, der Herr Vicomte von Dings . . . Wetter, ich kann den sakramentischen Namen mein Lebtag nicht behalten. Herr Cli . . . Cli . . . Clitander.
Dandin. Ist das nicht der junge Edelmann, der da drüben . . .
Lubin. Ganz recht; dort, wo die Bäume stehn, dort wohnt er.
Dandin (für sich). Darum also hat dieser geschniegelte Stutzer sich mir gegenüber eingemietet! Ich hatte eine gute Witterung, als seine Nachbarschaft mir gleich verdächtig vorkam.
Lubin. Schwerebrett, das ist der nobelste Herr, den Sie sich vorstellen können. Drei Goldstücke hat er mir gegeben, nur um der Frau auszurichten, daß er in sie verliebt ist und daß er sich nach der Ehre sehnt, mit ihr sprechen zu dürfen. Als ob das eine große Mühe wäre, die man so teuer bezahlen müßte; was ist das gegen einen ganzen Tag Arbeit, bei der ich nur zehn Sous verdiene!
Dandin. Nun, und hast du deinen Auftrag bestellt?
Lubin. Ja. Ich fand da drinnen eine gewisse Claudine, die gleich beim ersten Wort begriff, wo ich hinaus wollte, und mich geradeswegs zu ihrer Herrin führte.
Dandin (für sich). So ein Rabenaas.
Lubin. Sackerlott! Diese Claudine ist ein hübscher Käfer: sie hat mir's angetan. Sie braucht nur zu wollen, und ich heirate sie vom Fleck weg.
Dandin. Aber was für eine Antwort hat dir denn die Frau für den vornehmen Herrn mitgegeben?
Lubin. Sie hat mir gesagt, ich soll ihm sagen . . . Warten Sie nur, ich weiß nicht, ob ich das alles noch recht zusammbringe . . . Ich soll ihm sagen, sie wäre ihm sehr verbunden für seine Zuneigung, und er sollte von wegen ihres Mannes, der ein wunderlicher Heiliger wäre, sich nur ja nichts davon merken lassen, und man müßte auf irgendeine List sinnen, um miteinander unter vier Augen sprechen zu können.
Dandin (für sich). O du Schlange du!
Lubin. Schwerebrett, das kann lustig werden. Denn der Mann hat keinen Dunst von dem ganzen Handel; das eben ist der Hauptspaß dabei, und sie wird ihm eine Nase drehen mit all seiner Eifersucht. Nicht wahr?
Dandin. Ja gewiß.
Lubin. Also Finger auf den Mund! – Hüten Sie das Geheimnis, daß der Mann nicht dahinter kommt.
Dandin. Jawohl.
Lubin. Ich meinesteils, ich tu' wie ein neugeboren Kind. Ich bin ein feiner Hase: mir wird niemand was anmerken.
Dandin (allein).
Dandin. Da haben wir's! Da siehst du's nun, George Dandin, wie deine Frau mit dir umspringt! Das kommt davon, daß du durchaus ein Fräulein heiraten mußtest! – Man schindet dich nach allen Regeln der Kunst, und du darfst dich nicht einmal rächen: die adlige Sippe hält dir die Hände gebunden. Gleichheit des Standes gibt dem Ehemann wenigstens das Recht, sich seiner Haut zu wehren, und wäre deine Frau eine Bauerntochter, dann hättest du jetzt die schönste Freiheit, mit einer tüchtigen Tracht Prügel Justiz zu üben. Aber du wolltest ja um jeden Preis am Adel schlecken und warst es satt, Herr in deinem Hause zu sein. O, ich bin wütend über mich selbst! Ohrfeigen möcht' ich mir geben! Was! Die Liebeserklärung des ersten besten Stutzers ohne Scham anhören und sofort darauf eingehn! Donner und Hagel, eine solche Gelegenheit will ich mir nicht entwischen lassen. Auf der Stelle werd' ich mich bei ihren Eltern beschweren und sie nach Fug und Billigkeit zu Zeugen anrufen, welchem Kummer und welcher Schmach ihre Tochter mich aussetzt. Ah, da sind sie alle beide. Die kommen mir grade recht.
Dandin. Herr von Sotenville. Frau von Sotenville.
Herr von Sotenville. Was ist Ihnen, Herr Schwiegersohn? Sie machen ja einen ganz verstörten Eindruck.
Dandin. Dazu hab' ich auch allen Grund; denn . . .
Frau von Sotenville. Mein Gott, Herr Schwiegersohn, wie wenig Lebensart haben Sie, daß Sie die Leute nicht einmal grüßen, denen Sie in den Weg treten.
Dandin. Wahrhaftig, Frau Schwiegermutter, ich habe jetzt andere Dinge im Kopf; denn . . .
Frau von Sotenville. Auch das noch! Ist es denkbar Herr Schwiegersohn, daß Sie so wenig wissen, was die gute Sitte verlangt, und daß man Ihnen auf keine Weise beibringen kann, wie man sich gegen Standespersonen zu benehmen hat?
Dandin. Wie meinen Sie das?
Frau von Sotenville. Werden Sie sich denn mir gegenüber nie die gemeine Vertraulichkeit abgewöhnen, die in dem Worte Schwiegermutter liegt? Werden Sie sich niemals dazu verstehen, mich Frau Baronin zu nennen?
Dandin. Potz Wetter, wenn Sie mich Schwiegersohn nennen, dann seh' ich nicht ein, warum ich Sie nicht Schwiegermutter nennen soll.
Frau von Sotenville. Darüber ließe sich viel sagen, und es besteht da ein beträchtlicher Unterschied. Sie sollten doch einsehen, daß es Ihnen nicht zukommt, sich dieses Wortes gegen eine Dame von meinem Stande zu bedienen; denn wenn Sie auch zehnmal unser Schwiegersohn sind – der Abstand zwischen Ihnen und uns wird dadurch nicht aufgehoben; das sollten Sie nie vergessen.
Herr von Sotenville. Genug hiervon, meine Teuerste; lassen wir dies Thema.
Frau von Sotenville. Mein Gott, Herr von Sotenville, Sie sind von einer beispiellosen Duldsamkeit und verstehen nicht, den Respekt zu fordern, den man Ihnen schuldig ist.
Herr von Sotenville. Corbleu! Verzeihen Sie, meine Teuerste, in diesem Punkte bedarf ich keiner Belehrung. Ich habe mehr als zwanzigmal in meinem Leben den schneidigsten Beweis geführt, daß ich nicht der Mann bin, auch nur einen Pfifferling von meinen Ansprüchen preiszugeben; aber hier genügt ja ein kleiner Wink. Lassen Sie uns doch nun hören, Herr Schwiegersohn, was Ihnen im Kopf herumgeht.
Dandin. Also, wenn ich frei von der Leber weg reden soll, dann sag' ich Ihnen, Herr von Sotenville, daß ich Anlaß habe . . .
Herr von Sotenville. Mit Verlaub, Herr Schwiegersohn, es verstößt gegen die Höflichkeit, die Leute bei ihrem Namen anzureden; wer mit Höherstehenden spricht, der muß kurzweg »gnädiger Herr« zu ihnen sagen.
Dandin. Meinethalb, gnädiger Herr kurzweg und nicht Herr von Sotenville, ich habe Ihnen zu sagen, daß meine Frau . . .
Herr von Sotenville. Halt! Es schickt sich auch nicht, daß Sie »meine Frau« sagen, wenn Sie von unserer Tochter reden.
Dandin. Das ist ja zum Tollwerden! Was? Meine Frau ist nicht meine Frau?
Frau von Sotenville. Allerdings, Herr Schwiegersohn, sie ist Ihre Frau; aber Sie haben deshalb noch keineswegs das Recht, sie so zu nennen. Dazu wären Sie höchstens befugt, wenn Sie eine Ihresgleichen geheiratet hätten.
Dandin (für sich). O George Dandin, in was bist du da hineingeplumpst! – (Laut) Ei, haben Sie die Güte, Ihren Adelsdusel mal für einen Augenblick beiseite zu lassen, und gestatten Sie mir zu reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist! (Für sich) Der Teufel hole die ganze Schikaniererei! (Laut) Ich muß Ihnen also sagen, daß ich mit meiner Ehe sehr unzufrieden bin.
Herr von Sotenville. Und aus welchem Grund, Herr Schwiegersohn?
Frau von Sotenville. Wie? So reden Sie von einer Verbindung, die Ihnen so außerordentliche Vorteile gebracht hat?
Dandin. Was denn für Vorteile, Frau Baronin – wenn's denn ohne Frau Baronin nicht abgeht! Für Sie beide war es jedenfalls kein übler Handel; denn ohne mich, wenn Sie gütigst erlauben, stand es mit Ihren Geschäften äußerst faul, und mein Geld hat herhalten müssen, recht tüchtige Löcher zu verstopfen. Aber ich, was hab' ich anders davon gehabt, als daß Sie meinen Namen um ein Stück verlängert haben, und daß ich von Ihnen statt George Dandin tituliert werde: Herr von der Dandinière?
Herr von Sotenville. Rechnen Sie denn, Herr Schwiegersohn, den Vorzug, mit dem Hause derer von Sotenville verschwägert zu sein, für nichts?
Frau von Sotenville. Und mit dem Hause derer von der Prudoterie, dem ich entsprungen zu sein die Ehre habe, einem Hause, dessen Adel auch in der weiblichen Linie forterbt, und das durch dieses unschätzbare Privileg Ihre Kinder zu Edelleuten machen wird?
Dandin. Ja, das ist wunderschön; meine Kinder werden Edelleute; aber ich, ich werde Hahnrei, wenn nicht bald Rat geschafft wird.
Herr von Sotenville. Was soll das heißen, Herr Schwiegersohn?
Dandin. Das soll heißen, daß Ihre Tochter sich nicht so beträgt, wie eine Frau sich betragen soll, und daß sie Dinge tut, die der Ehre zuwiderlaufen.
Frau von Sotenville. Nicht weiter! Überlegen Sie, was Sie sagen. Meine Tochter entstammt einem Geschlecht, dessen Tugend viel zu tief wurzelt, um sich jemals zu irgend etwas hinreißen zu lassen, wodurch die Ehrbarkeit verletzt werden könnte. Und was das Haus derer von der Prudoterie betrifft, so hat es in dreihundert Jahren, Gott sei gelobt, keine Frau aufzuweisen gehabt, die ins Gerede gekommen wäre.
Herr von Sotenville. Corbleu! Im Hause derer von Sotenville hat man noch nie von einer leichtfertigen Frau gehört, und die Tapferkeit ist bei seinen männlichen Mitgliedern nicht in höherem Grade erblich als die Keuschheit bei den weiblichen.
Frau von Sotenville. Wir haben eine Jacqueline von der Prudoterie gehabt, die nicht um alles in der Welt die Geliebte eines Herzogs und Pairs werden wollte, welcher der Gouverneur unserer Provinz war.
Herr von Sotenville. Und es hat eine Mathurine von Sotenville gegeben, die einem Günstling des Königs zwanzigtausend Taler zurückschickte, obwohl er sie nur um die Gunst einer Unterredung bat.
Dandin. Oho! Ihre Tochter ist weniger heikel; die ist weichherzig geworden, seit sie bei mir ist.
Herr von Sotenville. Heraus mit der Sprache, Herr Schwiegersohn. Wir sind nicht die Leute, die ihr ein unziemliches Betragen hingehen lassen würden; wir wären die ersten, ihre Mutter und ich, Ihnen zu Ihrem Rechte zu verhelfen.
Frau von Sotenville. Ja, im Punkte der Ehre verstehen wir keinen Spaß, und wir haben sie mit der größtmöglichen Strenge erzogen.
Dandin. Ich kann Ihnen nur sagen, daß ein gewisser Herr vom Hofe, der sich hier herumtreibt, und dem Sie auch schon begegnet sind, dicht vor meiner Nase in sie verliebt ist, und daß er ihr eine zarte Botschaft hat bestellen lassen, die sie mit großer Menschenfreundlichkeit aufgenommen hat.
Frau von Sotenville. Allbarmherziger! Mit diesen meinen Händen würde ich sie erwürgen, wenn sie die von ihrer Mutter angeerbte Sittsamkeit verleugnete.
Herr von Sotenville. Corbleu! Meinen Degen würd' ich ihr durch den Leib rennen, ihr und ihrem Liebhaber, wenn sie einen Verrat an ihrer Ehre begangen hätte.
Dandin. Ich habe Ihnen gesagt, was vorgeht; Sie kennen nun meine Beschwerde, und ich verlange, daß Sie mir Genugtuung schaffen.
Herr von Sotenville. Seien Sie unbesorgt: ich schaffe sie Ihnen von allen beiden. Ich bin der Mann dazu, jeden, wer es auch sei, an die Wand zu drücken. Aber sind Sie Ihrer Sache auch ganz sicher?
Dandin. Ganz sicher.
Herr von Sotenville. Erwägen Sie genau! Denn unter Edelleuten sind das kitzlige Dinge, und man muß sich davor hüten, in solchen Angelegenheiten einen Bock zu schießen.
Dandin. Ich hab' Ihnen nichts gesagt als die reine Wahrheit.
Herr von Sotenville. Meine Teuerste, ich überlasse es Ihnen, mit Ihrer Tochter zu sprechen; ich und mein Schwiegersohn werden unterdessen den Herrn zur Rede stellen.
Frau von Sotenville. Halten Sie es denn wirklich für denkbar, mein Sohn, daß sie sich so weit vergessen könnte, nach dem Beispiel von Tugend, welches ich ihr – wie Sie mir bezeugen werden – stets gegeben habe?
Herr von Sotenville. Wir wollen sofort Licht in die Sache bringen. Kommen Sie, Herr Schwiegersohn, und seien Sie ganz ruhig. Sie werden sehen, was wir für eine Klinge schlagen, wenn man sich an denen vergreift, die zu unserer Familie gehören.
Dandin. Da läuft er uns grad in den Weg.
Dandin. Herr von Sotenville. Clitander.
Herr von Sotenville. Ich darf wohl voraussetzen, mein Herr, von Ihnen gekannt zu sein.
Clitander. Nicht daß ich wüßte, mein Herr.
Herr von Sotenville. Ich bin der Baron von Sotenville,
Clitander. Sehr angenehm.
Herr von Sotenville. Mein Name ist bei Hofe bekannt; ich hatte die Ehre, mich in meiner Jugend beim Aufgebot des Heerbanns von Nancy auszuzeichnen.
Clitander. Was Sie nicht sagen!
Herr von Sotenville. Mein Herr Vater, Johann Ägidius von Sotenville, durfte sich rühmen, die große Belagerung von Montauban in Person mitgemacht zu haben.
Clitander. Das freut mich ungemein.
Herr von Sotenville. Und einer meiner Ahnen, Bertrand von Sotenville, genoß zu seiner Zeit eines solchen Ansehens, daß er die Erlaubnis erhielt, all sein Hab und Gut zur Rüstung eines Kreuzzuges zu verkaufen.
Clitander. Allerhand Hochachtung!
Herr von Sotenville. Es wurde mir hinterbracht, mein Herr, daß Sie durch Liebesanträge eine junge Dame belästigen, die meine Tochter ist und daher Anspruch auf mein Interesse besitzt, ebenso wie dieser Mann hier, der die Ehre hat, mein Schwiegersohn zu sein.
Clitander. Wer? Ich?
Herr von Sotenville. Ja. Es muß mir infolgedessen alles daran gelegen sein, Sie mit Ihrer freundlichen Erlaubnis um eine Erklärung über diesen Gegenstand zu ersuchen.
Clitander. Das ist ja eine fabelhafte Verleumdung! Wer hat Ihnen das gesagt, mein Herr?
Herr von Sotenville. Jemand, der es genau zu wissen glaubt.
Clitander. Dieser Jemand hat gelogen. Ich bin ein Ehrenmann. Halten Sie mich einer so niederträchtigen Handlung für fähig, mein Herr? Ich sollte eine schöne junge Dame lieben, welche die Ehre hat, die Tochter des Herrn Baron von Sotenville zu sein? Dazu ist meine Achtung vor Ihnen viel zu hoch, meine Ergebenheit viel zu tief. Wer Ihnen das gesagt hat, ist ein Einfaltspinsel!
Herr von Sotenville. Nun, Herr Schwiegersohn?
Dandin. Was?
Clitander. Ein Schuft! Ein Lumpenkerl!
Herr von Sotenville (zu Dandin). Wollen Sie ihm nicht antworten?
Dandin. Antworten Sie ihm selbst.
Clitander. Wüßte ich, wer es ist, ich würde ihm vor Ihren Augen den Degen in den Leib rennen.
Herr von Sotenville (zu Dandin). Stützen Sie Ihre Behauptung!
Dandin. Sie ist schon gestützt genug. Es ist die Wahrheit.
Clitander. War es etwa Ihr Schwiegersohn, der . . .
Herr von Sotenville. Allerdings; er selbst hat sich bei mir beklagt.
Clitander. Nun fürwahr, er mag seinem Schöpfer danken, daß er mit Ihnen verwandt ist. Denn sonst würd' ich ihn lehren, über einen Mann wie mich solche Dinge auszusprengen.
Vorige. Frau von Sotenville. Angelique. Claudine.
Frau von Sotenville. Da sieht man wieder einmal, was die Eifersucht für eine wunderliche Sache ist! Hier bringe ich meine Tochter mit, um den Fall vor aller Welt aufzuklären.
Clitander (zu Angelique). Sind Sie es also gewesen, gnädige Frau, die Ihrem Manne gesagt haben, ich sei in Sie verliebt?
Angelique. Ich? Wie hätte mir so etwas einfallen können? Hat es denn seine Richtigkeit damit? Das möcht' ich doch wahrhaftig erleben, daß Sie in mich verliebt wären! Bitte, versuchen Sie's nur, das rate ich Ihnen; Sie werden dann sehen, mit wem Sie es zu tun haben! Lassen Sie zur Probe alle Künste eines Liebhabers spielen: schicken Sie mir spaßeshalber Botschaften zu; schreiben Sie mir heimlich kleine Liebesbriefe; erkunden Sie die Augenblicke, wo mein Mann nicht zu Hause ist, oder die Zeit, wo ich ausgehe, um mir von Ihrer Liebe zu reden: Sie brauchen nur das Ihrige zu tun, und meinerseits, das verspreche ich Ihnen, wird es an der gebührenden Erwiderung nicht fehlen.
Clitander. O, o, meine gnädige Frau, beruhigen Sie sich. Es ist gar nicht nötig, mir so viel gute Lehren zu geben und sich so zu ereifern. Wer sagt Ihnen, daß ich in Sie verliebt bin?
Angelique. Was weiß ich, was hier geschwatzt worden ist?
Clitander. Mag man schwatzen, was man will; Sie selbst wissen am besten, ob ich jemals von Liebe zu Ihnen sprach.
Angelique. Hätten Sie's doch nur getan; Sie wären gut angekommen.
Clitander. Ich versichere Ihnen, Sie haben von mir nichts zu fürchten. Ich bin nicht der Mann dazu, schöne Frauen in Ungelegenheiten zu bringen, und ich habe viel zu hohen Respekt vor Ihnen und Ihren verehrten Eltern, als daß es mir in den Sinn kommen könnte, mich in Sie zu verlieben.
Frau von Sotenville (zu Dandin). Nun, da hören Sie's.
Herr von Sotenville. Damit ist Ihnen vollständig Genüge geschehen, Herr Schwiegersohn. Was sagen Sie dazu?
Dandin. Ich sage, das ist lauter haarsträubendes Geflunker; ich weiß, was ich weiß, und wenn ich das Kind beim rechten Namen nennen soll – sie hat eine Botschaft von ihm erhalten.
Angelique. Ich eine Botschaft erhalten?
Clitander. Ich ihr eine Botschaft geschickt?
Angelique. Claudine!
Clitander (zu Claudine). Ist das wahr?
Claudine. Meiner Treu, so eine Lüge ist mir noch nicht vorgekommen!
Dandin. Still, du Racker! Dich kenn' ich durch und durch; du bist's gewesen, die den Boten ins Haus geführt hat.
Claudine. Wer? Ich?
Dandin. Ja, du. Die Duckmäuserei kannst du dir sparen.
Claudine. Ach, die Welt ist doch gar zu schlecht! – So angeschwärzt zu werden, wenn man die Unschuld selbst ist!
Dandin. Schweig, du falsches Stück! Trotz deiner Scheinheiligkeit weiß ich, was ich von dir zu halten habe. Du bist eine Ausgelernte.
Claudine (zu Angelique). Gnädige Frau, soll ich . . .
Dandin. Halt's Maul, sag' ich dir. Es könnte sonst geschehen, daß du ganz allein die Geschichte auszubaden hättest. Dein Vater ist kein Edelmann.
Angelique. Diese bodenlose Anschuldigung hat mich so erschüttert, daß ich nicht einmal die Kraft finde, darauf zu antworten. Es ist ja einfach entsetzlich, so von einem Manne angeklagt zu werden, gegen den man sich nicht das Geringste zuschulden kommen läßt! Ach, wenn ich mir irgendeinen Vorwurf machen kann, so ist es nur der, daß ich zu gut gegen ihn bin.
Claudine. Ja, das stimmt.
Angelique. Mein ganzes Unglück kommt daher, daß ich immer zu rücksichtsvoll gegen ihn war. O, wenn ich's doch nur über mich brächte, mir, wie er behauptet, von irgend jemand den Hof machen zu lassen: dann wäre ich weniger beklagenswert! Ich räume das Feld', denn ich kann es nicht länger aushalten, so schwer beleidigt zu werden.
Vorige ohne Angelique.
Frau von Sotenville (zu Dandin). Schämen Sie sich! Sie verdienen die brave Frau nicht, die Sie durch uns bekommen haben.
Claudine. Meiner Treu, er würde verdienen, daß sie seine falsche Behauptung in eine wahre verwandelt; ich an ihrer Stelle, ich machte kurzen Prozeß. (Zu Clitander) Ja, Herr Vicomte, Sie sollten ihr jetzt auf Mord und Tod den Hof machen, nur um ihn zu bestrafen. Frisch drauf los, sag' ich Ihnen: das wird sehr wohl an ihm angebracht sein, und ich erbiete mich, Ihnen beizustehen, da er mich nun doch mal in diesem Verdacht hat! (Ab)
Herr von Sotenville. Sie haben es sich selbst zuzuschreiben, Herr Schwiegersohn, wenn Sie derartiges zu hören bekommen. Ihre Handlungsweise muß jedermann gegen Sie aufbringen.
Frau von Sotenville. Ja, seien Sie künftig darauf bedacht, eine Frau aus adligem Hause besser zu behandeln, und hüten Sie sich, einen so groben Fehlgriff zu wiederholen.
Dandin (für sich). Ich könnte rasend werden, daß ich Unrecht haben soll, wo ich Recht habe.
Herr von Sotenville. Clitander. Dandin.
Clitander (zu Herrn von Sotenville). Herr Baron, Sie sehen, wie fälschlich ich angeschuldigt worden bin. Als Edelmann kennen Sie die Vorschriften des Ehrenkodex, und ich verlange, daß Sie für die mir widerfahrene Kränkung mir Genugtuung verschaffen,
Herr von Sotenville. Dies Verlangen ist durchaus berechtigt. Nun denn, Herr Schwiegersohn, leisten Sie dem Herrn Abbitte.
Dandin. Was? Abbitte?
Herr von Sotenville. Allerdings, so gehört es sich, nachdem Sie ihn mit Unrecht angeklagt haben.
Dandin. Aber gerade in diesem Punkt bin ich anderer Meinung; ich hab' ihn nicht mit Unrecht angeklagt. Ich weiß, was ich davon zu denken habe.
Herr von Sotenville. Einerlei. Was auch immer Sie davon denken, er hat geleugnet: das genügt. Man hat kein Recht, sich über jemand zu beschweren, der widerruft.
Dandin. So? Wenn ich ihn also bei meiner Frau im Bett fände, dann hätte er nur nötig zu widerrufen?
Herr von Sotenville. Kein wenn und aber! Bitten Sie ihn um Entschuldigung, sag' ich.
Dandin. Ich? Ihn noch obendrein um Entschuldigung bitten, obwohl . . .
Herr von Sotenville. Keine Umstände, sag' ich. Da gibt es kein Überlegen! Sie haben nicht zu befürchten, daß Sie sich irgend etwas vergeben, da ich selbst Sie dazu veranlasse.
Dandin. Ich kann doch unmöglich . . .
Herr von Sotenville. Corbleu, Herr Schwiegersohn, bringen Sie mich nicht in Harnisch! Ich müßte mich sonst auf seine Seite schlagen. Folgen Sie unbedenklich meiner Weisung!
Dandin (für sich). O, George Dandin!
Herr von Sotenville. Nehmen Sie Ihre Mütze ab – Sie zuerst: denn der Herr ist ein Edelmann, und Sie sind es nicht.
Dandin (die Mütze abnehmend, für sich). Ich berste!
Herr von Sotenville. Und sprechen Sie mir nach. Herr Vicomte . . .
Dandin. Herr Vicomte . . .
Herr von Sotenville. Ich bitte Sie um Verzeihung . . . (Er bemerkt, daß Dandin sich sträubt) Vorwärts!
Dandin. Ich bitte Sie um Verzeihung . . .
Herr von Sotenville. Daß ich Sie in so schlimmem Verdacht hatte.
Dandin. Daß ich Sie in so schlimmem Verdacht hatte.
Herr von Sotenville. Dies war nur möglich, weil ich nicht die Ehre hatte, Sie zu kennen.
Dandin. Dies war nur möglich, weil ich nicht die Ehre hatte, Sie zu kennen.
Herr von Sotenville. Und ich bitte Sie, versichert zu sein . . .
Dandin. Und ich bitte Sie, versichert zu sein . . .
Herr von Sotenville. Daß ich Ihr ergebener Diener bin.
Dandin. Ich soll der ergebene Diener eines Menschen sein, der mich zum Hahnrei machen will?
Herr von Sotenville. Vorwärts!
Clitander. Es ist schon gut.
Herr von Sotenville. Nein, ich bestehe darauf, daß er es vollendet. Alles nach Form und Regel. – Daß ich Ihr ergebener Diener bin.
Dandin. Daß ich Ihr ergebener Diener bin.
Clitander (zu Dandin). Mein Herr, ich bin ganz der Ihrige, und der Vorfall ist für mich abgetan. (Zu Hern von Sotenville) Herr Baron, ich empfehle mich Ihnen und bedaure aufrichtig, daß Sie eine kleine Verdrießlichkeit gehabt haben.
Herr von Sotenville. Ich küsse Ihnen die Hand, und falls es Ihnen Vergnügen macht, an einer Hasenjagd teilzunehmen . . .
Clitander. Zu viel Güte, Herr Baron. Ab
Herr von Sotenville. Sehen Sie, lieber Schwiegersohn, das ist die Art, wie man einen solchen Handel erledigt. Guten Morgen. Sie dürfen sich sagen, daß die Familie, in die Sie eingetreten sind, Ihnen eine sichere Stütze gewährt und nie und nimmer dulden wird, daß man Sie beleidigt.
Dandin (allein).
Dandin. Ei, da soll doch gleich . . . Du hast's ja gewollt, du hast's ja gewollt, George Dandin; du hast's ja gewollt. Dir geschieht ganz recht; wie man sich's einbrockt, muß man's essen; dir wird nur, was du verdienst. Aber nur Mut! Jetzt kommt es darauf an, dem Vater und der Mutter den Star zu stechen, und vielleicht find' ich das Mittel, das mir dazu verhilft!