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San Pedro – Pueblo de los Angeles – Der Weinbau daselbst – Ankunft des Lieutenant Beale mit den Kamelen – Aufbruch von Pueblo de los Angeles – Die Mission San Fernando – General Pico – San-Fernando-Paß – Der texanische Grenzbewohner und seine Erzählung
So waren denn endlich die Seereisen überstanden; vor mir lag ein langer, langer Weg durch unbekannte Wildnisse; ich befand mich am Beginn eines Unternehmens, dessen Ende nicht abzusehen war, um so mehr, als zu jener Zeit die offenen Feindseligkeiten zwischen den Vereinigten Staaten und den Mormonen ausgebrochen waren und der Lauf des Colorado uns allmählich in das Utah-Gebiet führen mußte, wo wir nicht ahnen konnten, welcher Empfang uns von den Mormonen selbst und den ihnen verbündeten zahlreichen Indianerhorden zuteil werden würde. Gedanken dieser ernsten Art finden indessen keinen Raum in einer neu organisierten Expedition, indem die Neulinge zu sehr von jugendlichem, nicht überlegendem Enthusiasmus geleitet werden, diejenigen aber, welche mit dem Leben im Feld schon vertraut sind, auch den Reiz desselben kennengelernt haben – einen Reiz, der den rüstigen Mann immer von neuem hinaustreibt, um zu sehen und zu lernen, den Greis aber so gerne sich in die Erinnerung der Tage seines Reiselebens versenken läßt.
Es wurde uns nicht schwer, in San Pedro einige Wagen aufzutreiben, welche uns noch an demselben Tag nach Los Angeles brachten. Es ist keineswegs meine Absicht, hier Beschreibungen, die ich in meinem ersten Reisewerk»Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 448. gab, zu wiederholen; ich will nur die Verschiedenheit der Eindrücke hervorheben, die der Reisende empfängt, wenn er die ihm im Frühlingsschmuck bekannten Gegenden und Landschaften im anderen Gewand wiedersieht, und zwar aschgrau gefärbt infolge jahrelanger Dürre und der vorgerückten Jahreszeit. Ja wie eine traurige Wildnis dehnte sich die wellenförmige, einst so grüne und blumenreiche Ebene vor uns aus, als unser Wagen leicht auf der felsenfest getrockneten Straße dahinrollte. Versengte Vegetation und verkümmerte Viehherden starrten mir überall entgegen, und da, wo ich mich früher an den Seen über das muntere Treiben einer ganzen Vogelwelt freute, erblickte ich jetzt vielfach geborstenen, lettigen Boden, während in der Ferne die Mirage ihre trügerischen Gewässer ausbreitete und diese mit wunderlichen Figuren und Bäumen schmückte. Nahe der Stadt, wo Kanäle die Gärten und Äcker vielfach durchschnitten und dem Los-Angeles-Fluß sein Wasser zur Befeuchtung des Bodens entführten, da wurde das Auge wieder erquickt durch grüne Weingärten, durch Obst- und Weidenpflanzungen, in denen sich der Herbst erst spärlich durch rotbraune und gelbe Blätter bemerkbar gemacht hatte.
Das Dingen von Packknechten und Maultiertreibern (Koch und Diener waren uns schon in San Franzisko zugeteilt worden) erheischte einen viertägigen Aufenthalt ins Los Angeles. Denn wenn sich auch Leute in großer Anzahl zu unseren Diensten anboten, so mußten wir doch vorsichtig mit der Wahl unter denselben zu Werke gehen, um sicher zu sein, solche Arbeiter mit uns zu führen, die nicht die erste Gelegenheit ergreifen würden, während der Nacht mit einigen unserer Maultiere auf und davon zu gehen. Das Land wimmelte nämlich dort von Räubern, und erst kurz vor unserer Ankunft war es zwischen einer Räuberbande und der Miliz von Los Angeles zum offenen Kampf gekommen, in welchem zuerst der Anführer der Miliz erschossen, später aber die Räuber teils gehängt, teils versprengt wurden. In einer kalifornischen Stadt, in der das mexikanische Element noch vorherrschend ist, wird es dem Reisenden, den nicht Geschäftsbeziehungen an Ort und Leute fesseln, schwer, eine zusagende Unterhaltung zu finden. Zirkus und Wettrennen, wo der größte Teil der Geräusch und wilde Zerstreuungen liebenden Bevölkerung fast fortwährend versammelt war, dienten dazu, uns aus der Stadt zu vertreiben. Wenn uns daher die widerwärtigen Sand- und Staubstürme, die fast an jedem Nachmittag in der Richtung von der Küste her aufsprangen, den Aufenthalt im Freien nicht zu unangenehm machten, dann wanderten wir hinaus in die Weingärten, wo in der Entfernung von einigen Meilen Herr Fröhlich, ein deutscher Weingärtner, uns mit liebenswürdiger Gastfreundschaft erwartete und aufnahm. Derselbe zeigte uns alsdann seine großartigen Anlagen, belehrte uns über den dortigen Weinbau und bewirtete uns mit dem besten von ihm selbst gezogenen, aber in San Franzisko abgelagerten Wein. So herrliche Trauben man auch in der Umgebung von Los Angeles zieht, so ist doch allgemein wahrgenommen worden, daß der dort gekelterte Wein den Trauben nicht entspricht. Um nun dem Los-Angeles-Wein mehr Ruf auf den Märkten zu verschaffen, hatte Herr Fröhlich mit bestem Erfolg einen von ihm längst gehegten Plan in Ausführung gebracht. Er hat sich nämlich mit einem der besten Kellermeister in San Franzisko in Verbindung gesetzt und schickt alljährlich nicht nur den von ihm selbst gewonnenen, sondern auch den aufgekauften Wein, sobald es die erste Gärung erlaubt, in Segelschiffen hinauf nach San Franzisko. Dort muß er ein Jahr und darüber in guten Kellern liegen, ehe er für den Verkauf tauglich erklärt und zurück nach Los Angeles und anderen Städten verschifft wird. Ob nun den Seereisen, der Veränderung des Klimas oder den besseren Kellergewölben der gute Einfluß zuzuschreiben ist, wage ich nicht zu entscheiden; wohl aber entdeckte ich leicht den Unterschied zwischen den in Los Angeles und den in San Franzisko abgelagerten Weinen. Warum sollte ich es übrigens leugnen, daß ich manches Stündchen in der Gesellschaft meiner Kameraden »fröhlich mit dem Herrn Fröhlich«, wie wir scherzweise zu sagen pflegten, vor den vollen Fässern zubrachte? Es waren nur Stunden, doch gern erinnert man sich solcher in harmlosem, geselligem Zusammensein verlebter Stunden, die man, beschäftigt mit ernsten Aufgaben, der Zeit gleichsam entwenden muß. Ich erinnere mich noch recht oft des gastfreien Herrn Fröhlich; in Gedanken sehe ich ihn kniend auf seinen eisenbeschlagenen Fässern, ich sehe in seiner Hand den mit Rostflecken gezierten Heber und den goldenen Strahl, den wir so geschickt in unseren Gläsern aufzufangen wußten.
Am 9. November zur späten Nachmittagsstunde geriet ganz Los Angeles in Aufregung, denn herein ritten in der Richtung von San Bernardino her auf Kamelen und Dromedaren eine Anzahl wettergebräunter Gestalten, welche in ihrem Äußeren die unverkennbaren Spuren einer langen Reise durch unwirtliche Gegenden zeigten. – Es war Lieutenant Beale, früher zur Marine der Vereinigten Staaten gehörend, der auf Befehl seiner Regierung den ersten Versuch einer Reise auf dem afrikanischen »Schiff der Wüste« durch die amerikanischen Steppen und Gebirge unternommen hatte. Die Vorbereitungen zum Aufbruch nahmen unsere Zeit so sehr in Anspruch, und Lieutenant Beale hatte so viel mit dem Entlassen seiner dort überflüssig gewordenen Leute zu tun, daß wir nur kurze Begrüßungen miteinander wechseln konnten. Da indessen unser beiderseitiges Ziel Fort Tejon war, wo am Rande des Tularetals bei einem kalifornischen Schafzüchter die zweiundzwanzig Kamele der Expedition überwintern sollten, so fand ich noch mehrere Male Gelegenheit, genauere Nachrichten über »die Einführung der Kamele in Amerika«Der »ehrenwerte« Jefferson Davis, zur Zeit, als er den Posten des Kriegsministers der Vereinigten Staaten bekleidete (1853-1857), unterstützte am meisten den Plan der Einführung des Kamels. Seinen ernstlichen Bemühungen, die schon in früheren Jahren ihren Anfang nahmen, ist es fast ausschließlich zu verdanken, daß der langgehegte Plan endlich zur Ausführung kam und die Aufmerksamkeit der Regierung, vorzugsweise aber des Kriegsdepartements, immer mehr darauf hingelenkt wurde. Bekannt ist, daß von den Vereinigten Staaten Offiziere nach Ägypten gesandt wurden, und zwar, um nicht nur eine Anzahl Kamele anzukaufen, sondern auch um die Natur und die Vorzüge der verschiedenen Rassen förmlich zu studieren. Die Zahl der im Staate Texas untergebrachten Kamele und Dromedare betrug im Jahre 1857 schon über achtzig. Die mehrfachen Versuche, unter denen die in diesem Werk oftmals erwähnte Expedition des Lieutenant Beale am meisten hervorragt, haben gelehrt, daß das Kamel auch bei der nordamerikanischen, teilweise sehr ungünstigen Bodengestaltung vortrefflich zu militärischen Zwecken verwendet werden kann, sich leicht akklimatisiert und sogar vermehrt. – Natürlich können nur langjährige Erfahrungen über das Resultat dieses Unternehmens entscheiden, doch unterliegt es wohl kaum noch einem Zweifel, daß bei einiger Energie und bei umsichtiger Behandlung der Tiere die unwirtlichen Regionen des nordamerikanischen Kontinents in Zukunft zugänglicher werden müssen. einzuziehen.
Am Morgen des 11. November in aller Frühe waren wir reisefertig. Es hatte in der Nacht seit langer Zeit wieder zum erstenmal auf der Ebene geregnet, während die östlichen Gebirgszüge fast bis zu ihrer Basis hinunter in einer Schneedecke prangten. Der Morgen war kalt, aber klar, so daß wir uns kein besseres Wetter zur Reise wünschen konnten. Ein leichter viersitziger Wagen, von zwei kräftigen Pferden gezogen, war zu unserem eigenen Gebrauch gemietet worden, während unsere Leute – ein Koch, ein Diener und sechs Packknechte – ihre Plätze beim Gepäck auf einem großen vierspännigen Lastwagen fanden. Wir verließen Los Angeles, wohin wir nach vierzehn Tagen zurückzukehren gedachten, und schlugen die Straße ein, die in nordwestlicher Richtung über die Ebene führte und in der Entfernung von sechs englischen MeilenWenn ich mich in diesem Werk bei Angabe von Entfernungen der Bezeichnung Meile bediene, so ist darunter stets die englische Meile zu verstehen, von der 4¾ auf eine deutsche gerechnet werden können. nördlich in einen niedrigen Gebirgszug bog, der sich in westlicher Richtung mit dem Küstengebirge vereinigte. Wir näherten uns wieder dem Ozean, und es war beim Aufsteigen in den Paß, wo ich zum letztenmal den Spiegel der Südsee erblickte und ihm wahrscheinlich auf ewig Lebewohl sagte. Diese Aussicht dauerte wenige Minuten, denn bald waren wir umgeben von Bergen und Felsen, die einen Kessel um uns herum bildeten und, mit der Basis zusammenstoßend, nur eine unbequeme Straße offenließen. Überall, wo niedriges Gestrüpp und Kakteen den Boden nicht bedeckten, war deutlich Sandsteinformation zu erkennen, doch nahm ich auch Proben von Eruptivgestein wahr, das indessen von den Gipfeln der Berge herabgerollt zu sein schien.
Vier Meilen mochten wir wohl in dem Paß zurückgelegt haben, als bei einer Biegung der Straße die nackten Hügel sich öffneten und die Ebene von San Fernando vor uns lag. Diese Ebene hat in allen Richtungen eine Breite von ungefähr sechzehn Meilen, und die Mission, wo wir zu übernachten beabsichtigten, befindet sich am östlichen Rand derselben. Als wir den Paß verließen und am Fuß der Hügel den Los-Angeles-Fluß überschritten, wurden wir von Lieutenant Beale und seinem Assistenten, Lieutenant Torborn, auf ihren schnellen Dromedaren eingeholt; beide eilten nämlich ihrer Expedition voraus, um in Fort Tejon für die Unterbringung der Kamele ihre Vorbereitungen zu treffen, und sie wünschten wie wir noch vor Einbruch der Nacht die Mission zu erreichen. Es war ein langer und zugleich ermüdender Marsch auf dem sandigen Weg, und üppig wuchernde Kakteen, unter deren stachligen Blättern Tausende von Rebhühnern und Hasen eine sichere Zufluchtsstätte fanden, bedeckten den größten Teil der Ebene und verliehen ihr einen unfreundlichen, trostlosen Charakter.
Die Sonne verschwand hinter den westlichen Bergen, die Dämmerung ging schnell in Dunkelheit über, und noch immer trennten uns Meilen von unserem Ziel. Der Himmel hatte sich mit schweren Regenwolken überzogen und verdichtete die nächtliche Dunkelheit so sehr, daß wir kaum gewahrten, daß wir auf einer langen Strecke in geringer Entfernung von einer Mauer, der alten Garteneinfriedung der Mission, hingezogen waren. Am Ende der Mauer schimmerte uns ein Licht entgegen, auf das wir zulenkten, und nach einigen Minuten wurden wir unter der langen Kolonnade der Mission von deren jetzigem Besitzer General Pico beim Schein von Laternen mit echt mexikanischer Gastfreundschaft willkommen geheißen. Unsere Leute und Tiere fanden bald ein bequemes Unterkommen in einem der vielen leeren Räume der Mission, meine drei Gefährten und mich dagegen führte der würdige Senor in einen geräumigen Saal, in dem er uns zwei mächtig große Betten zum Nachtlager anwies. Kruzifixe, aus dunkelfarbigem Holz geschnitzt, zierten die weißen Wände dieses altertümlichen Gemachs, dessen ganze Einrichtung noch von den Missionaren herzurühren schien; eine gewisse Einfachheit war in demselben vorherrschend, ohne jedoch den Bequemlichkeiten Abbruch zu tun, die dem müden Reisenden bei seinem Eintritt auf einladende Weise ins Auge fielen. Diese zu erhöhen, hatte der General eine ganze Reihe von Flaschen mit verschiedenen kalifornischen Weinen auf den roh gezimmerten Tisch gestellt, und wo andere vielleicht nach Namen, nach dem Woher und dem Wohin gefragt hätten, da trank der edle Don mit jedem von uns ein Glas von seinem Besten und führte uns dann in den Speisesaal. Dort trafen wir mit Lieutenant Beale und Lieutenant Torborn zusammen, die fast zu gleicher Zeit mit uns die Mission erreicht hatten und gleich uns vor allen Dingen durch die löbliche Zeremonie des Willkommenstrunks gegangen waren. Auch sie schienen sich ganz willig in den guten alten Brauch zu fügen, worauf wir um eine lange Tafel Platz nahmen, die unter einer Last wohlzubereiteter Speisen seufzte. Bis spät in der Nacht hinein saßen wir zusammen; der Wein war gut, die Unterhaltung kam nie ins Stocken, und wie wäre das auch anders möglich gewesen bei Reisenden des »Fernen Westens«, die sich im »Fernen Westen« begegnen. Mr. Peacock, Herr von Egloffstein, Mr. Taylor und ich befanden uns zwar erst am Anfang einer Expedition, Mr. Beale und Mr. Torborn dagegen hatten eben eine Reise, und dazu noch die Probereise auf den Kamelen, beendet, weshalb ihre Erzählungen von größtem Interesse für uns waren, und für mich um so mehr, als ich die von ihnen durchzogenen Landstriche auf meiner zweiten Reise schon teilweise kennengelernt hatte und daher manche Frage über verschiedene Berge und Flüsse, über einzelne Indianerstämme und deren Häuptlinge an die Erzähler richten konnte, die mir zu meiner größten Freude genügend beantwortet wurde. Nicht genug wußten sie die Sicherheit zu rühmen, mit der die Kamele auf gefährlichen Gebirgspfaden ihre Last getragen hatten; wie unschätzbar sie in dürren, wasserarmen Gegenden gewesen seien; mit welcher Leichtigkeit sie die Ströme durchschwömmen und mit welcher Genügsamkeit sie sich in den schrecklichen Kiesebenen und Felsenwüsten von übelriechenden Zweigen des Kreosotstrauchs und der Talgholzpflanze genährt hatten. Auf der ganzen Reise von Texas bis nach Kalifornien war kein einziges Tier zugrunde gegangen; im Gegenteil, die Kamele befanden sich in so gutem Zustand, wie man es nach einer so langen Reise voller Mühseligkeiten und Entbehrungen kaum hätte für möglich halten können. Die Zweifel, die man hegte ob die Kamele sich in Amerika akklimatisieren und fortpflanzen würden, waren schon vor dem Beginn von Beales Expedition geschwunden; nun aber war es auch erwiesen, daß die Idee des früheren Kriegssekretärs der Vereinigten Staaten, Mr. Jefferson Davis, »Kamele auf dem amerikanischen Kontinent zu militärischen Zwecken zu verwenden«, nicht nur ausführbar sei, sondern daß auch der durch die Weitläufigkeit der Militärposten und durch das Terrain erschwerte Dienst im fernen Westen durch die Einführung von Kamelen auf vorteilbringende Weise bedeutend erleichtert werden könne. Es war schon tief in der Nacht, als wir uns im Speisesaal des General Pico trennten und unsere Gemächer, die sich an verschiedenen Enden des langen Hauptgebäudes befanden, aufsuchten. Ich schlief vortrefflich; ich träumte von spanischen Kriegern und wilden Indianern, die Enthaltsamkeit bewiesen, weil es ihnen am Notwendigsten fehlte; ich träumte von weißbärtigen Mönchen und langhaarigen Kamelen, die in vollen Zügen tranken, weil es ihnen geboten wurde; ich träumte aber auch von der Heimat, denn ich glaubte dort zu sein, als Mr. Peacock mich heftig an der Schulter faßte und mir jubelnd ins Ohr sang: »I can't stay in this wilderness, but a few days . . .« Halb träumend rollte ich aus der knarrenden Bettstelle, ich rieb mir die Augen, und mechanisch griff ich nach dem gefüllten Becher, den mir der liebenswürdige Don Pico mit einem verbindlichen »Buenos dias« entgegenhielt. Es hatte während der Nacht geregnet, in den nahen Gebirgen dagegen geschneit. Der Morgen war kalt, heftiger Nordwestwind strich über die Ebene, doch hinderte mich das nicht, sobald es hell genug war, mit meinem Skizzenbuch hinauszueilen, um mir eine Zeichnung von der alten Mission zu sichern, die, umgeben von Trümmern und zerfallenden Hütten, einen eigentümlich malerischen Anblick bot. Ungefähr zwei Meilen vom Fuß der San-Bernardino-Bergkette erhebt sich zwischen umfangreichen Gärten die Mission San Fernando. – Die kleinen Baulichkeiten und massiven Einfriedungen, die einst den geräumigen, mit einer schönen, jetzt aber trockenen Fontäne geschmückten Hof vor dem Hauptgebäude bildeten, zeigen freilich nur noch Haufen von Schutt und Erde, doch sind überall die Spuren früheren Glanzes und Reichtums noch deutlich erkennbar. Das Missionshaus, der jetzige Wohnsitz des Generals, besteht aus einem langen, kolossalen, mit schwerfälliger Architektur verzierten Gebäude, vor dem sich von einem bis zum anderen Ende ein Säulengang hinzieht, dessen zwanzig Bogen dem vorstehenden Dach zur Stütze dienen. Der Boden der Säulenhalle ist zierlich gepflastert, und dadurch wird den Bewohnern nicht nur im heißen Sommer ein schattiger Aufenthaltsort, sondern auch bei unfreundlichem Wetter ein trockener Spazierweg geboten. Mauern sowie Pfeiler sind aus Adobes (an der Luft getrockneten Ziegeln) stark und massiv aufgeführt und erhalten durch den weißen Kalkanstrich ein überaus freundliches Ansehen. An die Nordseite dieses Gebäudes schließen sich von hohen Mauern umgebene Höfe, die jetzt wie früher den vielen häuslichen Arbeiten, welche eine so großartige Einrichtung erheischten, eingeräumt sind. Etwas weiter zurück liegt die alte Kirche; das Dach derselben ist teilweise eingestürzt, die Fenster sind aus den Öffnungen der Mauern verschwunden, und halb geöffnet hängen die schweren, windschiefen Türen in den rostigen Angeln, freien Eintritt gestattend den Ziegen, welche die nächste Umgebung reich bevölkern.
Die Zeit erlaubte mir nicht, in die Gärten hineinzugehen, doch gewahrte ich Palmen, Oliven- und Orangenbäume, deren grüne Kronen weit über die Adobemauern hinausragten, und zwar mit einer Üppigkeit, die in strengstem Widerspruch mit dem winterlich kalten Klima stand. Nie sah ich früher auf dem amerikanischen Kontinent den Tropen eigentümliche Bäume so weit nördlich gedeihen; freilich befinden sich bei Pueblo de los Angeles ansehnliche Orangenbaumpflanzungen, doch ist auch wieder zwischen diesem Ort und der Mission San Fernando ein Höhenunterschied von beinahe tausend Fuß (letztere befindet sich in einer Höhe von 1048 Fuß über dem Spiegel der Südsee), was in dieser Breite (34°20' n. Br.) gewiß sehr bedeutenden Einfluß hat. Alexander von Humboldt hat indessen schon vor vielen Jahren den 34. Breitengrad auf dem amerikanischen Kontinent als die nördlichste Grenze der bisweilen vierzig Fuß hohen Chamaerops palmetto bezeichnet.
Die Mission San Fernando wurde im Jahre 1797 gegründet und zählte schon im Jahre 1802 gegen 600 Einwohner. Im Jahre 1838 besaß sie noch 14 000 Stück Rindvieh, 5000 Pferde und 7000 Schafe. Die jährliche Ernte betrug zirka 8000 Fanegas Korn, 200 Fässer Wein und Branntwein (Aguardiente), und damals, also fünf Jahre nach der allgemeinen Säkularisierung der Missionen Kaliforniens durch das mexikanische Gouvernement,»Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 446. befanden sich dieselben schon nicht mehr auf ihrem Glanzpunkt. Schneller noch verfiel das Missionswesen in den folgenden Jahren, und nur der aufopfernden Fürsorge des spanischen Missionars R. P. Blás Ordáz verdankte es die Mission San Fernando, daß sie im Jahre 1844 noch 400 Indianer, 1500 Stück Rindvieh, 400 Pferde und 2000 Stück Schafe zählte, bis sie dann endlich im Jahre 1849 als Staatseigentum an den mexikanischen General Pico verkauft wurde.
Gebäude und Gärten blieben zu unserer Rechten liegen, als wir der Straße folgend uns dem östlichen Gebirgszug näherten. Wir erreichten bald einen kleinen Fluß, an welchem der Weg uns aufwärts durch die erste Hügelkette in ein langes, schmales Tal führte, von dessen nördlichem Ende uns das Flüßchen entgegenrieselte. Einige vereinsamte mexikanische Häuser lagen zerstreut umher; kleine Vieh- und Schafherden weideten in verschiedenen Richtungen und verrieten die Anwesenheit von Menschen in dieser wilden Gegend. Am nördlichen Ende des Tals, wo die Berge sich dicht zusammendrängten, bog die Straße gegen Osten in den San-Fernando-Paß, der über die Susannah Range, eine der nördlichen Verlängerungen der San-Bernardino-Kette, führt. Wir stiegen ab, um die steile Höhe vor uns zu erklimmen, doch nur langsam vermochten uns die Tiere mit den erleichterten Wagen auf dem stark ansteigenden Weg zu folgen. Obgleich der höchste Punkt des Passes (1940 Fuß über dem Meeresspiegel) mit bedeutendem Kostenaufwand durchstochen worden ist, so konnten unsere Wagen doch nur durch Vorspannen von dort zufällig bereitstehenden Ochsen auf die Höhe hinaufgeschafft werden. Dieselben auf der andern Seite wieder hinunterzubringen, kostete fast noch mehr Vorsicht und Mühe, indem die Lasten, je nachdem die Sandsteinstraten mit festen Lehmlagen abwechselten, gleichsam von Stufe zu Stufe hart am Rand eines Abgrunds niedergleiten mußten.
Ich wartete nicht auf die Wagen, sondern meine Jagdgeräte ergreifend, folgte ich der Straße abwärts in eine breite, malerische Schlucht, wo im Schatten von Eichen, Platanen und Walnußbäumen zahlreiche Quellen aus dem steinigen Boden rieselnd sich zu einem Bach vereinigten, der in nördlicher Richtung dem Santa-Clara-Fluß zueilte. Große Scharen von gekrönten Rebhühnern schlüpften durch das dichte Unterholz und an den steilen Abhängen der Berge hinauf; ich folgte ihnen nach, und wenig auf die Umgebung achtend, befand ich mich plötzlich unvermutet vor einem eingefriedeten Gartenfeld, von dessen anderem Ende, halb versteckt von hohen Bäumen, mir ein an der Straße gelegenes Blockhaus entgegenschimmerte. Da die Ankunft der Wagen noch über zwei Stunden dauern mußte, so beschloß ich, bei den einsamen Ansiedlern – die, nach der Bauart des Hauses zu schließen, nur Amerikaner sein konnten – vorzusprechen und bei ihnen die Ankunft meiner Gefährten zu erwarten. Ich näherte mich der Hütte; mehrere große Hunde stürmten mir mit drohendem Gebell entgegen, doch wurden sie augenblicklich von zwei jungen, etwas wild aussehenden Burschen zurückgerufen, welche damit beschäftigt waren, die frische blutige Haut eines Grislybären zum Trocknen auszuspannen, während ein zweiter, gleich frischer Pelz in ihrer Nähe zusammengerollt auf der Erde lag. Die beiden Brüder, denn als solche erkannte ich sie auf den ersten Blick, reichten mir zum Gruß die fettigen Hände und luden mich ein, ins Haus zu treten und es mir vor dem Kaminfeuer bequem zu machen. Die Aufforderung war gewiß herzlich gemeint, denn eisigkalt heulte der rauhe Wind, begleitet von feinem Regen, durch die bewaldete Schlucht; ich zog es indessen vor, in der Gesellschaft der beiden Jäger zu bleiben, die mit ihren wettergebräunten und zugleich ehrlichen Gesichtern für mich eine so angenehme, wie in dieser Gegend seltene Erscheinung waren. Natürlich betraf unsere Unterhaltung fast ausschließlich die Jagd, und mit Interesse horchte ich auf die einfachen und zugleich scherzhaften Erzählungen der Brüder, wie sie ihre verschiedenen Kämpfe mit den Bären, ihr Verfolgen der Hirsche, Panther und Wölfe beschrieben.
Nachdem sie ihre Arbeit vollendet hatten, trat ich mit ihnen ins Haus, wo in dem einzigen Gemach, das durch die ganze Hütte reichte, ihr Vater, ein alter, ergrauter Mann, auf einer roh gezimmerten Bank vor dem Kaminfeuer saß und seinem kurzen Tonpfeifchen dichte Rauchwolken entlockte. Derselbe sprach abwechselnd zu seinen beiden jüngsten Söhnen, Knaben von 14 und 16 Jahren, von denen der ältere sich emsig bemühte, einen Feuerstein an das Schloß einer Büchse zu schrauben, der jüngere aber in Decken gehüllt in einem Winkel am Feuer lag und laute Klagen über heftige Schmerzen in seinem Knie ausstieß.
Ich vernahm noch die letzten Worte des Alten, der, den Rücken der Tür zugewandt, den Eintritt eines Fremden nicht bemerkte. »Ich sage dir, John«, sprach er in belehrendem Ton, »du kannst deine Hand noch nicht an einer wilden Katze oder einem Grisly versuchen, solange du noch den Fehler begehst, zwischen Stein und Schrauben einen Lappen anstatt eines Stückchens Leder zu klemmen. Sei ruhig, mein Sohn«, fuhr er in derselben Weise zu dem sich vor Schmerz krümmenden kranken Knaben fort, »sei ruhig, mein Knabe, es ist weiter nichts als ein Anfall von Rheumatismus, es sind die Folgen des Barfußlaufens; ich habe dir ja vorher gesagt, daß es so kommen würde. Da hängen deine Stiefel schon seit zwei Jahren und sind noch so gut wie neu, sie werden dir wohl schon zu eng geworden sein. – Ah, guten Tag, Fremder«, antwortete er mir jetzt auf meine Begrüßung, »laßt Euch nieder; John, gib mir die Flasche und ein Glas!« Mit diesen Worten reichte er mir seine schwielige Hand und rückte etwas zur Seite, um mir einen Platz auf der Bank vor dem Feuer einzuräumen. Absichtlich beschreibe ich umständlich, vielleicht zu umständlich, kleine Szenen wie diese, doch der Fehler, den ich dadurch begehe, entspringt aus dem natürlichen Wunsch, ein deutliches, getreues Bild aus dem Leben im »Fernen Westen« zu geben, dann aber auch aus dem vielleicht irrtümlichen Glauben, daß alles, was mich in der Wirklichkeit interessierte, auch in der Beschreibung Teilnahme erregen dürfte.
Wenn die Ansiedler des Westens die Gesellschaft der Menschen nicht suchen und sich vor der eindringenden Zivilisation zurückziehen oder, vielleicht richtiger gesagt, derselben den Weg ebnen, so nehmen sie doch stets Wanderer und Reisende gastfreundlich auf und zeigen sich gegen diese gewöhnlich gesprächiger, als man es unter solchen Verhältnissen erwarten sollte. So war es auch mit dem alten Heart, mit dem ich mich bald in die eifrigste Unterhaltung vertiefte und den ich durch einige glückliche Wendungen im Gespräch dahin leitete, mir einiges aus seinem Leben mitzuteilen.
»Ihr fragt mich«, hob er an, »warum ich nach langjährigem Aufenthalt in Texas noch auf meine alten Tage nach Kalifornien gewandert bin und eine wohleingerichtete Farm mit dieser Wildnis hier vertauscht habe? Ich könnte antworten, daß mich der Golddurst wie so viele Tausende dazu bewogen habe, doch ist dies nicht der Fall; ich würde ja auch sonst wohl meine Hütte näher den Goldquellen errichtet haben. Hier lebe ich mit meinen Söhnen nur von dem, was etwas Ackerbau und Viehzucht uns bieten und was wir durch Handel mit den Vorüberreisenden verdienen. Dies ist indessen hinreichend für uns alle, und meine Söhne, lauter gesunde Burschen, werden dereinst schon selbst für sich sorgen.
Es ist schon viele Jahre her, als ich mit meiner Frau, die mir der Tod nur zu früh entriß und die ein so frommes, gutes Weib war, wie nur jemals eins die Prärien betrat, Illinois verließ, um für uns und unsere drei Kinder in Texas eine neue, sorgenfreie Heimat zu gründen. Unser ganzes Hab und Gut befand sich auf einem Wagen, der von zwei Stieren und zwei Pferden gezogen wurde; auf dem Vorderteil desselben, umgeben von zwei jungen Ziegen, Lämmern, Hühnern und einer Katze, saß meine Frau und lenkte das Gespann. Ihr jüngstes Kind saß beständig auf ihren Knien, während die beiden älteren einige Kühe und Schafe langsam nachtrieben. Ich selbst trug meine Büchse, unterstützte bald meine Frau, bald meinen Knaben in ihrer Arbeit und machte gelegentlich einen kleinen Umweg nach den bewaldeten Ufern der Bäche und Flüsse, wo es mir damals nicht schwer wurde, durch das Erlegen von Hirschen und Truthühnern reichlich für unsere Küche zu sorgen. Auf diese Weise zogen wir unsere Straße entlang und hielten uns soviel wie möglich in der Nähe der Ansiedlungen. Wir begegneten vielfach Indianern, doch ließen sie uns unbelästigt, sie scheuten sich vielleicht vor der Nähe der Kolonien; wahrscheinlich waren aber die Gegenstände, die wir mit uns führten, für sie nicht verlockend genug, denn wir legten eine Reise von wenigstens sechshundert Meilen, und dazu noch größtenteils durch unbewohnte Prärien, zurück, ohne irgendwie Verluste zu erleiden. Wochen und Monate hindurch ging uns ein Tag wie der andere hin, das Wild und die Milch unserer Kühe schützten uns vor Mangel, und wenn es regnete, fanden wir Obdach unter der Leinwand, die über dem Wagen aufgespannt war, wo meine Familie auch die Nächte zubrachte. Ich schlief gewöhnlich mit der Büchse im Arm auf dem weichen Rasen unter dem Wagen, von wo aus ich bequem unser an Pflöcken grasendes Vieh beobachten konnte. Wir gelangten endlich auf das Gebiet von Texas und reisten auf demselben noch eine weite Strecke gegen Süden, bis ich endlich den Rauch und den niedrigen Schornstein eines Blockhauses erblickte. Dort hielt ich an und schaute um mich: grüne Prärien wechselten mit kleinen Waldungen ab, kristallklare Bäche rieselten lustig durch die Niederungen, hohes, dunkelfarbiges Gras verriet die Fruchtbarkeit des Bodens – genug, die ganze Umgebung lächelte mir freundlich entgegen und schien mir alles, was ich wünschte, zu bieten. Kein Wunder also, daß ich eine Weile sinnend und überlegend dastand. Meine gute arme Frau mußte meine Gedanken erraten haben, denn auch sie blickte schweigend nach allen Richtungen und endlich mir ins Auge, wobei sie mir freundlich zunickte.«
Hier stockte mein Erzähler, ich schwieg, und nach einigen Minuten trüben Sinnes fuhr er in seiner Erzählung fort: »Auch ich nickte, und ohne ein Wort gesprochen oder beratschlagt zu haben, waren wir übereingekommen, dort unseren Wohnsitz zu gründen. Mit Hilfe zweier Nachbarn, der einzigen weißen Menschen im Umkreis von dreißig Meilen, war bald ein geeignetes Plätzchen an einer nie versiegenden Quelle gefunden, und es dauerte keine drei Wochen, bis dort ein Blockhäuschen stand; freilich war es nicht so groß wie dieses, doch immer groß genug für mich, um mit meiner Familie, die sich im Laufe der Zeit noch um einige Söhne vermehrte, so recht glücklich und zufrieden zu leben.
Mehrere Jahre gingen auf diese Weise dahin, nichts störte die Einigkeit zwischen mir und meinen Nachbarn, deren Zahl ebenfalls durch zwei neuangekommene Familien vermehrt wurde; mein Viehbestand nahm zu, und prächtig gediehen Weizen und Mais, bei deren Bestellung mich meine ältesten Söhne kräftig unterstützten. Alljährlich unternahm ich mehrere Male in Gesellschaft von Nachbarn eine Reise nach dem nächsten Städtchen, wo ich dann für eine Wagenladung Korn oder für einen jungen Stier Kleidungsstücke und sonstige zum Haushalt notwendige Gegenstände eintauschte.
Während meiner Abwesenheit auf einer solchen Reise traf mich sowie mehrere andere Mitglieder unserer Kolonie, das erste Unglück: es wurden uns nämlich von den Indianern während der Nacht einige der besten Pferde geraubt. Der Verlust an sich selbst war, wenn auch fühlbar genug, doch nicht unersetzlich, dagegen war das Vertrauen auf unsere Sicherheit und die aus demselben entspringende glückliche Sorglosigkeit aus unserer kleinen Kolonie gewichen; denn nur zu wohl wußte jeder, daß da, wo Indianer einmal mit Erfolg geplündert haben, man zu jeder Zeit auf eine Wiederholung ihres Besuchs gefaßt sein müsse. Wir trafen infolgedessen solche Vorkehrungen, daß bei erneuten Räubereien wir wenigstens imstande waren, den Wilden ihre Beute abzujagen. Jeder trieb nämlich des Abends seine Herde in den an das Wohnhaus stoßenden, fest eingefriedeten Hof und band die schnellsten und sichersten Pferde dicht an die Haustür, wo auch die Hunde angekettet wurden und einer der Hausbewohner schlafen mußte. Die Jagd ist hinlänglich Ursache, einen Knaben, sobald er die Büchse zu heben vermag, mit dieser Waffe vertraut zu machen; unter solchen Umständen sorgten wir indessen auch dafür, daß nicht nur unsere Jungen, sondern auch unsere Weiber gute Schützen wurden und zur Zeit der Not alle bewaffnet werden konnten, was viel dazu beitrug, daß sich wieder ein Gefühl größerer Sicherheit bei uns einstellte.
Ein Jahr verstrich, ohne daß sich ein Indianer blicken ließ, doch wurden keineswegs Vorsicht und Wachsamkeit, die uns schon zur Gewohnheit geworden waren, dadurch eingeschläfert. Doch was half es uns?
Einst am hellen Tag stürzten einige der auf den Feldern Beschäftigten in die Häuser mit dem Ruf: ›Die Räuber!‹ Es dauerte nur wenige Minuten, und nach der Richtung hin, wo die Wilden bemerkt worden waren, liefen die mit ihren Büchsen bewaffneten Männer unserer Ansiedlung. Wir kamen zu spät, denn in weiter Ferne erblickten wir nur noch wie Punkte die Räuber, die in voller Jagd mit dem größten Teil unsere Pferde und Rinder davonjagten. Nur Kälber und schwerfällige Kühe waren zurückgeblieben, wo einige Stunden vorher noch unser irdischer Reichtum weidete.
Sie wissen«, schaltete der alte Heart hier ein, »daß der Grenzbewohner sein Reitpferd immer in seiner Nähe oder doch wenigstens unter seinen Augen hat. Diese Gewohnheit gereichte uns damals zum Glück, denn wir wurden dadurch in die Lage versetzt, ein halbes Dutzend guter Schützen beritten zu machen und den Indianern nachzusenden. Ich war natürlich einer der ersten, die im Sattel saßen, doch sah ich zu meinem Leidwesen, daß mein ältester Sohn sich ebenfalls mit seiner Büchse aufs Pferd schwang. Mein Wunsch, er möge zurückbleiben, wurde unbeachtet gelassen; und wenn ich auch besorgt war um ihn, so konnte ich doch meine Freude über den ungestümen Mut des Jungen nicht ganz unterdrücken.
Die Indianer mochten um diese Zeit einen Vorsprung von zehn Meilen haben; der Abend war nicht mehr fern, und wir konnten darauf rechnen, daß vor Mittag des folgenden Tages die Räuber nicht an ein Halten denken würden. Wir folgten daher langsam ihren Spuren; als aber die Kühle der Nacht sich einstellte, gebrauchten wir die Peitschen, und dahin ging es über die stille Ebene, als hätten wir ums Leben reiten sollen. Zweimal kamen wir an Rindern vorbei, die auf der wilden Flucht ermüdet waren und dafür von den boshaften Räubern einige Pfeile in den Leib erhalten hatten; wir ließen uns indessen dadurch nicht aufhalten, denn deutlicher schon vernahmen wir vor uns aus der Ferne den gellenden Ruf der Indianer, mit dem sie die geängstigte Herde vor sich her trieben.
Wir wußten jetzt, daß wir mit Tagesanbruch die Wilden einholen würden, doch kannten wir nicht ihre Stärke und durften uns ihnen deshalb nur vorsichtig nähern. Vielleicht um zu tränken, vielleicht aber auch, um weicheren Boden für die Hufe des Rindviehs zu gewinnen, waren die Indianer von der Ebene hinab in das niedriger gelegene Tal eines Baches gezogen, wo sie den Lauf desselben zu ihrer Richtung wählten. Um unbemerkt zu bleiben, was in jedem anderen Fall bei dem anbrechenden Morgen unmöglich gewesen wäre, brauchten wir uns also nur auf der Höhe zu halten.
Die Sonne war schon aufgegangen, als wir uns in gleicher Linie mit unseren Feinden befanden und sogleich bemerkten, daß sechzehn bis achtzehn Komantschen uns die Beute streitig machen würden. Ein Entschluß war schnell gefaßt; wir folgten einer vom Regen ausgespülten Schlucht, die hinab ins Tal führte, und in demselben angekommen, stürzten wir in vollem Lauf vor die Herde, die, erschreckt durch unser Dazwischenfahren und durch das Wutgeheul der Indianer, sich nach allen Richtungen zerstreute. Wenn auch die Indianer eine Verfolgung vorhergesehen hatten, so schienen sie diese doch nicht so früh erwartet zu haben, denn unschlüssig in ihrem Handeln und auch im Ungewissen über unsere Stärke, wendeten sich die meisten zur Flucht, während andere ihre Waffen ergriffen und den geängstigten Tieren Pfeile nachsandten.
Um nicht die Rache dieser Wilden herauszufordern, war unter uns ausgemacht worden, nur im nötigsten Fall Blut zu vergießen und deshalb nur einige Schüsse über ihre Köpfe hinwegzufeuern; das Geschick wollte es indessen anders.
Mein Sohn hatte einen Indianer erblickt, der vom Pferd herab mit Pfeilen nach einem Ochsen schoß und sich dann wie die übrigen aus dem Bereich unserer Büchsen über den Bach zurückzuziehen beabsichtigte. Entrüstet über das grausame und zugleich feige Benehmen, jagte der Junge sein Pferd dem Wilden nach, wobei er in drohender Weise sein Gewehr schwang. Ich wollte ihn zurückrufen, doch ein jäher Schrecken machte mich sprachlos, als ich aus dem Bett des Flüßchens, halb versteckt von Weiden, einen berittenen Indianer hervorragen sah, der, die Büchse an der Schulter, mit dem Auge den schnellen Bewegungen meines Sohnes folgte, der sich ihm mit jeder Sekunde näherte. Mir blieb keine Zeit mehr zum Rufen oder Denken, aber schneller als ein Gedanke sprang ich vom Pferd, und fast in demselben Augenblick krachte auch meine Büchse. Es war ein gewagter Schuß, doch das Glück hatte meine Kugel in ihrem Lauf gelenkt, denn die Waffe, welche das Leben meines Sohnes bedrohte, entglitt den Händen des Wilden und verschwand, sich im Fall entladend, in den Wellen des Baches. Der Indianer riß sein Pferd herum, und als dasselbe am jenseitigen Ufer hinaufsprang, wankte er im Sattel, griff mit den Händen in der Luft umher und stürzte dann lautlos auf die Erde.
Der Tod eines der Ihrigen führte eine schnelle Entscheidung herbei; zwei Indianer ritten schleunigst zu ihrem gefallenen Gefährten, hoben ihn vor den einen aufs Pferd, der sich sogleich in größter Eile mit seiner Last entfernte, während der andere, ein alter, einäugiger Krieger, sich mir zuwandte und mit gräßlich verzerrten Gesichtszügen drohend die mit dem Tomahawk bewaffnete Faust zeigte. So weit es auch hin war, so vermochte ich doch den Rachedurst zu erkennen, der aus seinem einzigen Auge glühte; ja ich gestehe es, ich fürchtete mich vor dem Menschen, der mir auf seine Weise zu fluchen schien, und ich zweifle nicht, daß der erschossene Indianer der Sohn dieses alten Kriegers war. Vor meinem Gewissen fühlte ich mich vollständig gerechtfertigt über meine Tat, denn mein rasches Handeln hatte ja meinem Sohn das Leben gerettet; doch der Fluch des Wilden ist an mir in Erfüllung gegangen, und zwar in höherem Grade, als er es selbst jemals ahnen konnte.
Als dieser letzte wie seine Gefährten auf der weiten Ebene verschwunden war, begannen wir sogleich unsere Herde zu sammeln; mit dem Aufbruch zögerten wir indessen, um den ermatteten Tieren einige Ruhe zu gönnen, bis gegen Abend. Mit raschem Schritt begaben wir uns alsdann auf den Heimweg und kamen bald an den getöteten Rindern vorbei, welche von den Wölfen und Geiern in einen solchen Zustand versetzt worden waren, daß wir das Fleisch als unbrauchbar zurücklassen mußten. Gegen Morgen rasteten wir abermals einige Stunden und erreichten endlich gegen Abend unsere Kolonie, wo wir mit unbeschreiblichem Jubel von den Unsrigen empfangen wurden, die während unserer Abwesenheit in Verzweiflung und Besorgnis geschwebt hatten.
Von nun an wurde unsere Wachsamkeit womöglich noch verstärkt; Blut war vergossen worden, und mit Sicherheit konnten wir auf die Rache der Indianer rechnen. Der Winter verstrich indessen, ohne daß uns Grund zu größerer Besorgnis gegeben worden wäre; der Frühling kleidete Wiesen und Felder in neues Grün, und nur durch die Aufrechterhaltung der Vorsichtsmaßregeln wurden wir an die früheren Unfälle erinnert. Mit froher Zuversicht bestellten wir unsere Äcker, und mit Stolz beobachteten wir das Gedeihen unserer Herden. Außer einigen Feldmessern und Kettenträgern bekamen wir weder rote noch weiße Menschen zu Gesicht, und von diesen erfuhren wir, daß das Staatseigentum, auf dem wir uns angebaut hatten, nunmehr bald in die Hände der Spekulanten übergehen würde, wenn wir es nicht vorziehen sollten, als zuerst Berechtigte den Boden unserer Ansiedlung direkt vom Staat für den gewöhnlichen Preis von 1¼ Dollar für den Morgen käuflich an uns zu bringen. Geringe Sorgen entsprangen uns aus dieser Nachricht, denn soviel Geld oder Geldeswert hatte jeder von uns schon erübrigt, um sich einen gültigen Besitztitel über 80 oder 120 Morgen Land verschaffen zu können, und die Aussicht auf eine dichtere Bevölkerung in unserer Nachbarschaft konnte nur erfreulich und erwünscht sein. –
Ich komme jetzt zu dem traurigsten Teil meiner Geschichte und zugleich zu dem, was mich zur Auswanderung nach Kalifornien veranlaßte«, fuhr der Erzähler mit gedämpfter Stimme fort.
»Ein neuer Ansiedler war wieder bei uns angelangt, und es verstand sich von selbst, daß wir alle ihm bei der Errichtung eines Blockhauses hilfreiche Hand leisteten. Bei der Anzahl von kräftigen Armen, die wir schon zu stellen vermochten, kostete es uns nur die Arbeit von einigen Tagen, um der angekommenen Familie ein Obdach zu verschaffen. – Da jeder Zuziehende sich nur an der äußersten Grenze unserer Farmen anbauen konnte und dabei auch auf die Lage des Bodens und die Nähe des Wassers Rücksicht zu nehmen hatte, so befanden sich die letzten Häuser schon in ziemlicher Entfernung vom Mittelpunkt oder vielmehr von den ältesten Wohnungen unserer Kolonie. Um daher beim Bau eines neuen Hauses Zeit und einen weiten Weg zu sparen, übernachteten die meisten der Arbeiter im Freien zwischen den gefällten Baumstämmen, während ein anderer Teil abends dem heimatlichen Herd zueilte.
Es war am Abend des zweiten Tages harter Arbeit, als ich, die Axt auf der Schulter, begleitet von meinem ältesten Sohn, den nächsten Weg durch die Wiesen nach unserer Hütte einschlug. Wie immer freute ich mich auch an diesem Abend auf den Empfang meiner Familie und beschleunigte deshalb meine Schritte. Ungefähr die Hälfte des Weges hatte ich zurückgelegt, als einer meiner jüngeren Söhne, der mit den anderen Knaben den Tag bei den Herden zugebracht hatte, mir atemlos entgegenkam und ausrief: ›Die Mutter ist krank, und die beiden Pferde sind von den Indianern geraubt worden!‹
Anfangs stand ich wie versteinert, ich fürchtete, dem Kind Fragen vorzulegen, sammelte mich aber gleich wieder und lief, so schnell mich meine Füße zu tragen vermochten, meiner Wohnung zu. In wenigen Minuten war ich dort, sprang an der Stelle vorbei, wo meine besten Pferde, die ich nie zur Herde ließ, zu stehen pflegten – sie waren verschwunden. Dies nicht beachtend, stürzte ich in die Stube, wo ich mich durch einen Blick überzeugte, daß keiner der Meinigen fehlte. Ohne ein Wort zu sprechen, aber innig beglückt, reichte ich meiner Frau, die den jüngsten, zweijährigen Sohn auf ihren Knien hielt, die Hand, und dann erst gewahrte ich die schreckliche Blässe, welche ihre sonst so lebensfrischen Gesichtszüge bedeckte. Ich war tiefbewegt und beobachtete sie traurig, als sie mir mit leidender Stimme die Erlebnisse des Tages erzählte.
Als nämlich nach Beendigung der Mittagsmahlzeit die größeren Knaben, jeder von ihnen ausgerüstet mit einem tüchtigen Stück Brot, der ältere auch noch mit einer Büchse bewaffnet, fröhlich lärmend wieder zu den Herden geeilt waren, hatte sich meine Frau in den ans Haus stoßenden Garten begeben, um dort Unkraut auszujäten. Unseren jüngsten Sohn hatte sie in den Schatten einiger junger Maisstauden gelegt, wo derselbe bald in Schlaf verfiel. Nach Verlauf einer kurzen Zeit ging die fleißige Hausfrau in die Hütte, um auch dort ihre Arbeiten nicht zu vernachlässigen, und da sie den fest schlummernden Kleinen nicht wecken wollte, die Stelle aber, wo er schlief, vom Haus aus vollständig übersehen konnte, so ließ sie ihn ungestört auf seinem schattigen Lager. Plötzlich rief ein leises Schnauben der Pferde sie ans Fenster, und einen Blick durch dasselbe werfend, gewahrte sie zu ihrem namenlosen Schrecken den Kopf eines Indianers, der kaum zehn Schritte von dem schlafenden Kind aus dem Maisfeld kroch. Was die arme Frau bei diesem Anblick empfand, brauche ich Ihnen wohl nicht zu beschreiben, sie blieb indessen vollkommen im Besitz ihrer Überlegung. Um das Versteck des Kindes dem Wilden, dessen Absicht sie nicht kannte, nicht zu verraten und es ihm dadurch preiszugeben, hütete sie sich wohl, ihre Wachsamkeit durch die geringste Bewegung kund werden zu lassen; ja noch mehr, sie schlich leise in den Winkel, wo unsere Hunde schnarchten, und fesselte diese an einen Block, worauf sie meine Büchse ergriff und sich hinter der Tür so aufstellte, daß sie das Kind überwachen konnte.
Der Indianer war unterdessen kriechend bis in die Mitte des Hofes gelangt, wo dichte Klettenbüsche ihn verbargen, als ein zweiter Kopf sich aus dem Maisfeld schob, der, nach dem Haus hinüberblickend, meiner Frau ein gräßlich bemaltes einäugiges Gesicht zeigte. – Da sie mein früheres Zusammentreffen mit einem auf diese Weise gezeichneten Indianer kannte, so wurde ihr Entsetzen jetzt noch gesteigert; doch mit Aufbietung ihrer ganzen Kraft vermochte es die treue Mutter, ihre Gefühle zu unterdrücken. Es war ihr nicht fremd, daß das Erwachen des Kindes dieses in die Hände der Räuber liefern mußte, die sich an diesem Tag freilich nur das Stehlen von Pferden zur Aufgabe gemacht zu haben schienen, aber auch gewiß nicht die Gelegenheit versäumt haben würden, ein weißes Kind mit zu ihrem Stamm zu bringen. In Todesangst also bewachte meine Frau mit der Büchse in der Hand den schlummernden Knaben, wobei sie durch den Türspalt die Bewegungen der Wilden beobachtete oder leise den Hunden drohte, die unruhig zu werden begannen.
Die beiden Indianer hatten sich vorsichtig den Pferden genähert; diese schnaubten anfangs wild und ungefügig, ließen sich dann aber ruhig den Lasso um den Hals schnüren und folgten willig den Räubern, die geräuschlos in das Bett des nahen Baches glitten und samt ihrer Beute hinter dem dichten Buschwerk verschwanden. Um nicht durch voreiliges Geräusch die Gefahr zurückzurufen oder die Aufmerksamkeit von vielleicht noch in der Nähe weilenden Indianern zu erregen, veränderte meine Frau nicht eher ihre Stellung, als bis das Kind erwachte und nach ihr rief. Die Büchse fallen lassend, stürzte sie zu demselben hin, und schnell wie ein Gedanke war sie mit ihm ins Haus zurückgekehrt, hatte die Tür hinter sich verschlossen, und nun erst stellten sich die Folgen der Todesangst ein, der meine Frau so lange ausgesetzt gewesen war. Eine schmerzhafte Lähmung befiel ihren ganzen Körper, doch schleppte sie sich mit dem Kind und den Waffen noch auf den Hausboden, von wo aus sie durch die Öffnung im Dach die nächste Umgebung genau übersehen konnte. Erst gegen Abend, als das Vieh und hinter diesem unsere mutwilligen Söhne, um die sie ebenfalls in größter Sorge geschwebt hatte, heimkehrten, hielt sie die Gefahr für abgewendet; sie stieg hinab, öffnete das Haus und sandte mir sogleich den Knaben entgegen.
Trotz unserer großen Vorsicht waren mir und einigen meiner Nachbarn also wieder Pferde geraubt worden. Diesmal schloß ich mich den Nachsetzenden – und wie sich auswies, den vergeblich Nachsetzenden – nicht an; der Zustand meiner Frau bekümmerte mich zu sehr. Die Angst um ihr Kind hatte den Keim einer tödlichen Krankheit in ihre Brust gelegt, wodurch sie auf mehrere Wochen ans Bett gefesselt wurde; sie erholte sich zwar wieder etwas, doch nach vier Monaten ging der Fluch des Wilden an mir in Erfüllung, ich stand mit meinen fünf Söhnen am Sarg meiner braven, getreuen Lebensgefährtin. Ich begrub sie auf einer Schwellung der Prärie, die ich von meiner Haustür aus übersehen konnte. Um das Grab zog ich aus starken Pfosten eine Einfriedung, befestigte an derselben ein Brett, und da ich selbst nicht gut schreiben kann, so zeichnete ein Nachbar den Vor- und Zunamen meiner Frau auf dasselbe. Auch den Tag ihrer Geburt und ihres Todes ließ ich aufschreiben sowie einen schönen Spruch aus der Bibel. Ich bin kein Meister im Lesen, doch wenn ich jeden Morgen von meiner Hütte aus die Blicke nach der Ruhestätte meiner so braven Frau hinübersandte, dann las ich wie in einem Buch die Beschreibung der glücklichen Tage, die ich mit ihr verlebte, aber auch der Einsamkeit, in die ich durch ihren Tod versetzt war.«
Hier seufzte der alte Mann, rieb sich mit der Rückseite der gebräunten Hand die Augen und fuhr dann fort: »Nur noch einmal sah ich die Prärieblumen auf dem Grab blühen. Besorgt um meine Söhne, die schon anfingen, ihre Rachepläne zu schmieden, den Komantschen ewige Feindschaft gelobt hatten und dadurch sehr leicht hätten zugrunde gehen können, verkaufte ich eines Tages mein Eigentum an einen einwandernden Geistlichen. Die Sachen, von denen ich mich ungern trennen mochte, packte ich auf einen von vier tüchtigen Pferden gezogenen Wagen und trat dann auf der Gila-Straße die lange Landreise nach Kalifornien an. Seit Jahren bin ich nun schon hier, doch kann ich nicht verhehlen, daß ich vor meinem Ende noch gern einmal das Grab meiner Frau wiedersehen möchte; wahrscheinlich aber sind schon Häuser auf demselben und um dasselbe herum gebaut worden«, schloß mit rauher Stimme der alte Grenzbewohner seine Erzählung.
Der kranke Knabe, der, den Worten seines Vaters lauschend, so lange ruhig gelegen hatte, begann nun wieder zu klagen; ich untersuchte ihn und fand, daß von starkem Rheumatismus Knie und Lende angeschwollen waren. Ich riet daher zu einem Hausmittel, nämlich heiße Steine an die schmerzenden Teile zu legen, was auch wirklich etwas Linderung zu bewirken schien.