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Gustav Adolf in Schweden

Wenn wir Deutschen von Gustav Adolf sprechen, so denken wir an den Retter der Protestanten im Dreißigjährigen Kriege, denken an den Mann, der im Jahre 1630 mit einem kleinen Heere auf der Insel Rügen landete, der in den schweren Glaubenskrieg eingriff, als der Sieg einer Partei gerade entschieden schien und der in zwei kurzen Jahren dem Kriege ein ganz anderes Gesicht gab, um, noch jung, ruhmvoll in der Schlacht sein Leben zu enden. Und je nach der Partei und der Konfession pflegen wir Deutschen von Gustav Adolf zu sprechen: entweder von dem strahlenden Helden, der die berühmtesten Feldherren seiner Zeit in wenigen Schlachten bezwang, oder von dem schrecklichen landfremden Fürsten, der den Krieg, als er gerade zu Ende schien, von neuem begann, der das Elend und die Not sich erneuern ließ, und der sich eine Stelle in Deutschland anmaßte, die dem Fremden nicht zukam.

Von alledem wollen wir nicht sprechen. Wir wollen fragen, warum die Schweden Gustav II. Adolf »den store« (den Großen) nennen, wir wollen fragen, was dieser Fürst für sein Vaterland getan hat, was er den Schweden gewesen ist – und erst wenn wir wissen, wie die Jugendzeit und die ersten Regierungsjahre des Königs aussahen, erst wenn Gustav II. Adolf vor uns steht, dann wollen wir fragen, warum er nach Deutschland zog und was er für Deutschland bedeutet hat.

Und die Männer, die ihn kannten, wollen wir fragen, wie der König ausgesehen und wie er ihnen erschien, damit der große Mann uns wieder lebendig wird mit all seinen großen Eigenschaften und mit all seinen Schwächen.

 

Der König Christian II. war ein harter und strenger Mann. Es war ihm nicht genug, daß auf seinem Wappen stand: Herr der Dänen, der Norweger und der Schweden, er wollte Steuern ziehen aus allen drei Ländern und er mochte es nicht dulden, daß die stolzen Schweden sich ihren Reichsverweser wählten. Im alten Vertrage von Calmar stand geschrieben, daß der Dänenkönig über das ganze Nordreich sollte herrschen können, und Christian mochte kein Herr sein ohne Gewalten und ohne Recht. Da verband er sich mit Gustav Trolle, der Erzbischof in Uppsala in Schweden war und dem Reichsverweser übel wollte. Und Trolle half dem Dänenkönig; sie stellten ein Heer auf und die Adligen in Schweden verbündeten sich ihnen, denn auch sie waren dem Statthalter feind. Es stand damals über den Schweden Sten Sture als Verweser des Reichs, ein starker und gerechter Mann. Der erfuhr von dem Betreiben des Bischofs Trolle und rief seine Bauern zusammen gegen den Verräter und seine Freunde. Ein junger Verwandter stand dem Sten Sture zur Seite, das war Gustav Erichson aus dem Geschlecht Wasa, ein kühner und mutiger Mann, der die schwerste Arbeit getan hat gegen Christian und seine Helfer. Von dem stammt das schwedische Königsgeschlecht, das den Ruhm des kleinen Landes durch die ganze Welt getragen hat; von ihm stammt Karl IX. und Gustav II. Adolf, die gelehrte Christina und der unglückliche große zwölfte Karl, der die Russen besiegt hat und dann elend untergehen mußte.

Gustav Erichson war der Führer im Kampfe; es hatte sich nämlich ein erbitterter Streit erhoben zwischen den Dänen und den Schweden und es floß lange Jahre viel kostbares Blut. Zuerst siegten die Schweden, sie trieben Christian aus dem Lande und setzten den ungetreuen Bischof ab, aber bald erstand den Dänen ein Helfer: der Papst in Rom schützte seinen Diener und tat Sten Sture und seine Leute in den Bann. Und bald darauf wüteten die Dänen im Lande. Sie erschlugen den Sten Sture in der Schlacht und sie zersprengten sein kleines Heer. Dann machten sie Frieden, aber nur zum Schein. Sie ließen den schwedischen Herren alle Güter und Rechte und behielten einzig sechs Geiseln, weil die Stadt Stockholm sich von dem Frieden ausschloß. Ein halbes Jahr darauf – gerade als Martin Luther in Worms stolz und groß seine Lehre vertrat – brachten sie die Geiseln wieder, und dafür öffneten sich ihnen die Tore der Stadt Stockholm. Nun glaubten die Schweden, daß endlich Friede werde, doch Christian brach das Wort, das er als König gegeben, er sagte, wenn er auch die Feinde Dänemarks schone und in ihren Rechten lasse, so müsse er doch die Feinde der Kirche bestrafen, die den Erzbischof abgesetzt und sich zu Luthers Lehre bekannt hätten. Im Jahre 1520, am 8. November ließ der treulose König sechshundert edle Schweden, Reichsräte und Ratsherren vor allem, auf dem großen Marktplatze Stockholms enthaupten. Das war Schwedens traurigster Tag.

Doch Gustav Erichson blieb am Leben. Er war der dänischen Gefangenschaft entflohen und lebte im Herzen Schwedens, in Dalarne, in den unendlichen Wäldern mit den großen Seen, wo das Kupfer verborgen liegt, da irrte er traurig umher, verjagt und getrieben, gehetzt von den Spürhunden des dänischen Königs. Zweimal hätten sie ihn fast gefangen, doch beide Male rettete ihn eine Frau: Beim Bauer Persson hatte eine Magd seinen goldenen Kragen unter der Knechtstracht erkannt, und der Bauer holte den Vogt; da sagte ihm die Bäuerin von dem Verrate ihres Mannes, und Gustav Erichson entfloh. Und ein anderes Mal hat ihn die Frau des Kronschützen Elfson für ihren Knecht ausgegeben und ihn hart gescholten, als die Späher in der Stube waren. Einmal wiederum ist es Gustav ganz schlecht gegangen, da stachen sie mit ihren Schwertern in den Heuwagen, in dem er lag, und verwundeten ihn, doch der Freund Elfson schnitt rasch das Pferd in die Sehne, damit sie meinten, das Blut käme von der Wunde des Tieres.

Doch unermüdlich rief Gustav Erichson die Bauern auf, von neuem gegen die Dänen zu ziehen. Zuerst haben sie nicht gewollt, die Wälder von Dalarne sind so weit ab von den Städten, daß kein Gericht von König Christians Henkern zu ihnen gedrungen war, doch nach und nach haben sie gemerkt, was für ein Regiment der Däne auftun wollte, und da wurden sie dem Gustav Erichson Freunde und Gefolgsmänner. Zwei Jahre noch hat Gustav ringen und kämpfen müssen, und es hat ihn sein ganzes Gut gekostet, aber dann war der letzte Däne vertrieben, und Gustav Erichson aus dem Hause Wasa wurde der Reichsverweser und der König Schwedens. Er hat es nicht leicht gehabt, der König Gustav, denn die Priester und die mächtigen Adligen wollten das Land für sich wiedergewinnen, doch Gustav hat seinen Glauben und seine Bauern wohl verteidigt sein Leben lang. Er hat die Lehre Luthers in Schweden eingeführt und die Bauern haben sie angenommen, da hat den Priestern und den Rittern nichts geholfen: was ein schwedischer Bauer einmal gepackt hat, das läßt er nicht mehr los. Das haben ihm die römischen Priester nicht vergeben können und sie sind ihm feind geblieben sein Leben lang, seit dem Tage, da er den Bischof Trolle abgesetzt hat. Und auch die Adligen wurden nicht froh unter dem neuen König. Der hatte einen Wahlspruch, »alles für Gott und Schwedens Bauernschaft« hieß der, und von den adligen Herren stand nichts darin. Und dann nahm er ihnen viel von ihrem Hab und Gut weg, denn Schweden war immer ein armes Land, durch das viele Kriegen ganz bettelarm geworden, und die Herren mußten ihr Geld geben zum Wohle des Landes. König Gustav ist im Jahre 1560 gestorben und er ließ das Land wohlgeordnet seinen Söhnen. Aber die zwei schweren Sorgen sind über sein Grab hinaus geblieben: die Geistlichen und der Adel waren nicht zufrieden. Ein Lutheraner ist Gustav I. gewesen und ein Volkskönig, aber erst der große Enkelsohn Gustav Adolf hat es vermocht, für eine kurze Zeit die Kämpfe um die Standesrechte und die Kämpfe um die Religion aus dem Reiche zu verbannen.

König Gustav hat vier Söhne gehabt. Einer ist jung gestorben, die anderen drei sind hintereinander Könige von Schweden gewesen. Aber das Land hatte keine frohe Zeit unter ihnen, Neid und Haß waren immerdar im Lande, und die Kriege und Feindschaften wollten nicht enden. Erich, der zuerst regierte, ließ seinen Bruder Johann einkerkern, denn Johann hatte eine polnische Prinzessin zur Frau, und es hieß, er wolle das Land wieder katholisch machen. Dann kam Johann wieder frei, und die beiden jüngeren Brüder – Karl und Johann – setzten den König Erich, der geisteskrank geworden war, ab. Danach regierte Johann, und weil er mit den Polen verschwägert war, gab es immer Kämpfe um den Glauben: Die katholischen Priester drängten nach Macht und Einfluß in dem Lande, das eben dem Luthertum gewonnen war. Und zudem stritten die Brüder untereinander um Steuern, um Hoheitsrechte, vor allem aber um die Religion. Besonders wurde die Feindschaft groß, als Johann die Thronfolge bestimmte und seinen Sohn zum Kronprinzen ernennen ließ. Der Sohn war nämlich katholisch und als ein Kind der Katharina Jagellonica der Thronerbe von Polen. Da starb Johann und nun standen sie gegeneinander: Sigismund, der Sohn Johanns, der König von Polen und von Schweden war, und Karl, der Bruder Johanns, der letzte Sohn des großen Gustav Wasa. Und Karl blieb wirklich Sieger: er hat in harten Kämpfen den König Sigismund gezwungen, das Reich der Schweden aufzugeben und einzig König in Polen zu bleiben. Danach wurde er selbst König. Doch schon vorher war ihm ein Sohn geboren, und das war Gustav Adolf.

König Karl hat dafür gesorgt, daß Gustav Adolf in seiner frühesten Jugend die Kunst des Regierens von Grund auf lerne und begriffe, wie schwer es sei, die widerstrebenden Elemente zusammenzuhalten, die religiösen und die Standeskämpfe zu unterdrücken. Als der junge Prinz 11 Jahre alt war, mußte er schon die Sitzungen des Reichsrates mitmachen, und als er 14 Jahre alt war, bekam er von seinem Vater jenen wichtigen Brief, den »Gedenkzettel für meinen Sohn Gustav Adolf«, in dem der König ihm die Lehren erteilt, die für sein ganzes Leben lang Bedeutung erhalten sollten: »Vor allem fürchte Gott, ehre Vater und Mutter, beweise deinen Geschwistern brüderliche Zuneigung, liebe die treuen Diener Deines Vaters, belohne sie nach Gebühr, sei gnädig gegen Deine Untertanen, strafe das Böse, liebe das Gute und Milde, trau' allen wohl, doch nach Maßgabe, und lerne erst die Personen kennen; halte über dem Gesetz unangesehen der Person, kränke keines Mannes wohlerworbene Privilegien, solange sie mit dem Gesetz übereinkommen; schmälere Deinen fürstlichen Unterhalt nicht, ohne daß die, denen es zugute kommt, mögen dessen eingedenk sein, woher sie es bekommen haben.« Der König war ein praktischer Mann. Er verstand es wohl, sein Land zu verwalten, und er war ein großer Kriegsmann und ein guter Diplomat. Die schönen Künste und die Wissenschaft waren ihm nicht sehr wichtig. Aber doch sah er, daß es notwendig war, seinen Sohn auch in den Wissenschaften wohl zu bilden, und da gab er ihm zwei Lehrer, an denen Gustav Adolf sehr hing und deren Einfluß auf ihn sehr groß gewesen ist, Johann Skytte und Axel Oxenstierna. Skytte unterrichtete ihn im Latein, in der schwedischen Geschichte und in der Gesetzeskunde. Er war ein Mann von der Bauernpartei, ein Demokrat, der beinahe meinte, daß man ohne König regieren könnte, wenn man nur das Volk, den Staat beherrsche. Und er hat es Gustav Adolf immer wieder eingeschärft, daß Gustav Wasa ein Bauernkönig war, daß die Schwedenkönige aus dem Volke kamen und daß sie mit Hilfe der einfachen Leute den Dänenkönig aus dem Lande geschlagen hatten, noch ehe der Adel daran dachte, das Land zu verteidigen. Axel Oxenstierna war ein aristokratischer und ein vornehmer Herr, der immer darauf zielte, dem König zu zeigen, daß es der Adel sei, auf den sich der König stützen müsse, und daß es unter den Ständen Bevorrechtigte und Zurückgesetzte geben müsse. Der junge Gustav Adolf mußte sehr viel lernen. Außer dem Lateinischen sprach er deutsch, holländisch und italienisch wie seine Muttersprache, so gut, daß er sogar in deutscher Sprache Gedichte gemacht haben soll, und außerdem konnte er etwas russisch und polnisch sprechen. Und ein Bericht sagt sogar, daß er auch des Griechischen mächtig gewesen wäre. Zugleich hatte der junge Prinz viel Freude an der Musik, und die Zeitgenossen erzählen immer wieder, daß er sehr schön Laute gespielt und gesungen habe.

Und diese Erziehung hat reiche Früchte getragen, denn Gustav Adolf ist späterhin als Kriegsmann ebenso groß gewesen wie als Förderer der Künste und Wissenschaften. Wie der große Sterndeuter Tycho de Brahe aus den Sternen vorausgesagt hatte, daß mit Gustav Adolf ein großer Herrscher geboren werden würde, das erfüllte sich, wenn auch in etwas anderem Sinne, als die Geschichtsschreiber lange Zeit hindurch meinten. Den Tag des jungen Prinzen erfüllte Arbeit von früh an. Da mußte er lernen und dann dabei sein, wenn sein Vater Audienz hielt, und dazwischen gab es Kriegsspiele und Übungen, um das Soldatenhandwerk zu lernen, und zudem mußte der junge Prinz mit seinen Gespielen turnen und körperliche Übungen machen, die ihn kräftigten. Gustav Adolf war ein sehr schöner, kräftig gewachsener junger Mensch, der an Klugheit und schneller Auffassungsgabe und zugleich an Kraft und Geschicklichkeit alle seine Freunde überragte. Doch eine Charaktereigenschaft kam bereits in seiner Knabenzeit sehr stark zur Geltung, und diese Eigenschaft hat ihm später schwer zu schaffen gemacht: Seine heftige Art, die sich manchmal bis zum Jähzorn steigerte. Gustav Adolf spielte viel mit seinem Vetter Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg zusammen, und als der Vetter einmal den Ball höher warf als der Kronprinz, da war der in seinem Ehrgeiz so gekränkt, daß er dem Prinzen eine Ohrfeige gegeben haben soll. Späterhin ist der König noch manchmal mit seinem Vetter in Streit geraten, und darum haben manche Menschen törichterweise geglaubt, der Herzog habe seinem Vetter die Ohrfeige in der Knabenzeit so übelgenommen, daß er ihn dafür bei Lützen tötete. Es ist nicht wahr, daß der Herzog den König gemordet hat, aber daß er ihn nicht gern hatte und daß er ihm den Jähzorn übelgenommen hat, das geht doch aus manchem Briefe hervor. Manche berichten auch, daß der König Gustav Adolf mit seinem Vetter einen zweiten und viel ernsteren Streit gehabt habe, als der König sich in die schöne Gräfin Ebba Brahe verliebte, die der Herzog gern für sich gewinnen wollte. Sie haben viel geredet von dem Könige und Ebba, vieles haben sie sich erdacht, was sicher nicht wahr ist, zum Beispiel, wenn gesagt wird, daß der König das Mädchen verlassen habe, weil ein einfacher Landedelmann um sie geworben habe, oder wenn erzählt wird, daß der Herzog de la Gardie sich mit dem König um sie ernsthaft gestritten habe, auch vom Herzog von Lauenburg heißt es, daß er die Ohrfeige vom König bekommen, als er sich gegen die Gräfin unangemessen benommen habe. Dann gibt es wieder viele, die sagen, Ebba habe den König so geliebt, daß sie ihm in Männerkleidung nach Deutschland in den Krieg gefolgt sei. Aber das ist alles nicht wahr. Wir wissen nur eines, daß Gustav Adolf die junge Ebba Brahe kennenlernte, als sie Hofdame bei seiner Mutter war, und wir kennen rührende und schlichte Gedichte, die der König ihr zugeschickt hat. Gustav Adolf mußte dann in den dänischen Krieg ziehen (denn wir haben der Geschichte ein wenig vorgegriffen und dieses spielte sich ab, als der junge Prinz bereits König war), und in dieser Zeit hat die kluge Mutter des Königs die beiden auseinander gebracht. Wie sie es gemacht hat, wissen wir nicht genau. Man sagt, sie hätte die Briefe des Königs auffangen lassen, daß die junge Ebba dachte, er hätte sie vergessen. Und wie Ebba nun böse war und sich in ihrer Liebe verraten glaubte, da richtete die Königin es klug ein, daß Jakob de la Gardie so stürmisch um sie warb, daß sie seine Frau wurde. Jedenfalls, als Gustav zurückkehrte, fand er Ebba als die Gattin seines Freundes und Marschalls wieder vor. Es soll aber nicht verschwiegen werden, daß indessen eine andere Frau, Margarete Cabeljau, ihm einen Sohn geschenkt hatte, die Tochter eines großen holländischen Kaufmanns, der mit den Schweden Geschäfte machte, und vielleicht war das der Anstoß für Ebba, den König zu verlassen. Die Königinmutter wandte viel Mühe darauf, die Heirat ihres Sohnes mit der Tochter des mächtigen Grafen Brahe zu verhindern, denn wenn Ebba Königin geworden wäre, dann wäre das Geschlecht der Brahes mächtig im Lande geworden, und der Enkelsohn Gustav Wasas wäre nicht mehr ein König der Bauern, sondern ein Adelskönig gewesen, und dann hätte er wie Sigismund das Erbe des Großvaters verraten. Gustav Adolf hat sich damals sehr quälen müssen, und er hat es seiner Mutter lange nicht vergessen können, daß sie ihm die Geliebte genommen hat. Aber er sah es doch ein, daß er dem Staate dienen mußte und sein Wohlergehen und seine Wünsche dem Staate opfern mußte, wenn er ein wirklicher König, wenn er ein Regent, wie sein Großvater sein wollte. So hat er mannhaft verzichtet und hat Ebba und ihrem Gatten sein Leben lang eine treue Freundschaft bewahrt. Alle Schweden, die heute an Gustav Adolf denken, nennen das seine erste große Heldentat, und besonders in der Zett Gustavs III., in der sogenannten Aufklärungszeit, so etwa, als Friedrich der Große in Deutschland die letzten Jahre seines Lebens regierte, da hat man immer wieder Gustav Adolf gepriesen, weil er den Staat über sein eigenes Wohl gestellt hat, weil er wie der große Preußenkönig gedacht hat, daß der Fürst der erste Diener des Staates ist, und weil er sich von seinen Beratern wirklich bestimmen ließ. Man hat gemeint – und daran ist sicher manches wahr –, daß Gustav Adolf in der Zeit der absoluten Könige, die nach ihrem eigenen Willen regierten und auf nichts als ihre eigene Größe achteten, daß er da ein Regiment schaffen wollte, bei dem das Volk mitzuregieren und mit zu helfen hätte. Schon damals muß Gustav Adolf ein Mensch gewesen sein, den alle lieben mußten, der auf alle einen starken Eindruck machte. Eine holländische Gesandtschaft, die einmal nach Stockholm kam, berichtete von dem Könige nach Hause: Er sei schlank von Gestalt, wohlgebildet, von weißlicher Gesichtsfarbe und etwas länglichem Angesicht, lichtem Haar und etwas ins Gelbe spielendem Barte; er sei voll Mutes gegen den Feind, aber nicht rachgierig, sondern sehr gutherzig, dabei klug von Verstand, groß von Wuchs, tätig, insbesondere beredt und liebenswürdig im Umgange mit jedermann; bei seiner Jugend seien große Dinge zu erwarten. So sah der König aus: schön und strahlend, jung, klug und weltgewandt, bewußt seiner großen Aufgabe: ein kleines, in sich zerrissenes und von außen bedrohtes Land einigen zu müssen, aber manchmal von einem heftigen und plötzlich über ihn kommenden Jähzorn befallen, daß man ihn kaum wiedererkennen konnte. Ehrgeizig zudem und in seinem Tiefsten überzeugt, daß er zu Großem ausersehen sei und daß er das ausführen müßte, was sein Vater ihm hinterlassen und was er ihm zugetraut hatte, als er von ihm sagte: ille faciet (der wird es schaffen). Und Gustav Adolf hat es geschafft. Es war wirklich keine leichte Aufgabe, die sich ihm bot, es war bitter schwere Arbeit, die seiner harrte, als er in ganz jungen Jahren den Thron Schwedens bestieg und das Land gegen die Dänen und gegen die Russen verteidigen mußte, während die Gefahr des deutschen Krieges schon schwer und drohend näher und näher kam.

Der junge König hatte kaum Zeit, einen Reichstag zu veranstalten, ja, er war noch kaum richtig zum Könige gewählt worden, da mußte er gleich drei Kriege führen. Die Dänen waren wieder einmal ins Land eingebrochen; sie hatten es den Schweden immer noch nicht verziehen, daß sie sich zu einem eigenen Reiche zusammengeschlossen hatten, und sie hatten die wichtigsten Festungen des Landes eingenommen. Gustav Adolf zog selbst in den Krieg, und sie fochten mit wechselndem Glück. Dabei schlug der junge König seine erste Schlacht und wie in der letzten Schlacht, die er führte, war er ein großer Krieger mehr als ein Feldherr. Er lenkte nicht seine Truppen von einem übersichtlichen Platz aus, sondern stürzte sich selbst mitten in den Kampf hinein und kam in große Gefahr. Die Geschichtsschreiber erzählen, daß Gustav Adolf, als er auf einem Rückzüge über den vereisten Widsjö-See ritt, eingebrochen sei und in das Wasser gefallen wäre, da hätte ihn sein Reitknecht gerettet, und zum Danke dafür soll Gustav Adolf bald darauf den treuen Diener aus einer Menge von Feinden herausgehauen haben. Diese Geschichte ist den Schweden immer eine der liebsten gewesen, wenn sie von Gustav Adolf sprechen, und der Dichter Adlerbeth hat diese Begebenheit in einem schönen Gedicht verherrlicht:

Gustav Adolf, mochtest wagen
Für dein liebes Volk dein Blut,
König, dessen Herz geschlagen
Voller Güte, voller Mut …

Das schien den Späteren das Große an dem Könige: die liebevolle, gütige Milde und der persönliche Mut, das rücksichtslose Einsetzen der eigenen Kraft, die Schonungslosigkeit gegen sich selbst.

In diesem Feldzug lernten die Schweden ihren jungen König lieben. Sie sahen, daß er den Wahlspruch seines Großvaters zu seinem eigenen machen wollte: »Alles für Gott und Schwedens Bauernschaft«, und sie sahen, daß es sein heißes Bemühen war, ein einiges Volk in Frieden zum Wohlstand zu führen. Das merkten sie vor allem, als Gustav Adolf die Friedensverhandlungen mit Dänemark begann. Lieber wollte er ein paar Städte den Feinden überlassen, wenn er nur ruhig in seinen eigenen Grenzen als Herrscher regieren konnte. Um jeden Preis wollte er Schweden als ein freies Land beherrschen, aber nichts lag ihm daran, Eroberungen oder Kämpfe um Macht und Land zu führen. So schloß er ein Bündnis mit den Dänen, halb Sieger im Kampfe und halb besiegt, ein Bündnis, das ihm nicht günstig war, das aber dem schwer heimgesuchten Süden des Landes Ruhe und Frieden brachte. Denn der Süden des schwedischen Reiches ist der reichste Teil des Königtums. Da erstrecken sich fruchtbare Wiesen und Felder über viele Meilen hin, da wohnen arbeitsame Bauern, und Hof steht neben Hof. Weiter oben, im Herzen des Landes, in Dalarne, gibt es ungeheuerliche dichte Wälder, gibt es wenige Menschen und wenig Reichtum. Nur wo sie das Kupfer und das Erz graben, da sammeln sich die Menschen an. Und ganz hoch im Norden, da sieht es sehr traurig und einsam aus. Auf den kahlen Feldern gedeiht keine einzige Frucht, es ist eisig kalt, und noch heute wissen die Städter in Schweden wenig von diesem äußersten Ende ihres Landes, von Lappland und von den kahlen, hohen Bergen. Und auf der anderen Seite der Ostsee, dort wo später die Russen herrschten, in Finnland und in Ingermanland bis zu der Stadt Petersburg hin, dort kämpfte Gustav Adolfs General Jakob de la Gardie gegen die Russen. Rußland war damals ein zerrissenes und geknechtetes Land. Die Polen und die Schweden hatten große Telle des Reiches besetzt, eine Provinz kämpfte gegen die andere, und es gab keinen Fürsten im Lande. Es hatte sich gerade damals ein Abenteurer Boris Godunow auf den russischen Thron gesetzt. Der hatte behauptet, er wäre ein echter Zarensohn. Aber er wurde entlarvt und nun war ein Streit in Rußland, wer Zar werden sollte. Die eine Provinz wollte Gustav Adolfs Bruder zum Zaren. Aber der Schwedenkönig zögerte und da wurden die Romanows erwählt.

Gustav Adolf war ein großer Kriegsheld, ein tapferer und unerschrockener Mann, aber ob er auch ein großer Staatsmann gewesen ist? Es war ja nun gewiß sehr klug, daß er seinem Bruder von der Zarenkrone abriet. Und es war auch sehr klug, daß er ein großes Bündnis mit den Niederlanden abschloß, ein Bündnis, durch das er als Herrscher über die Ostsee anerkannt wurde, aber vielleicht war es doch der Kanzler Axel Oxenstierna, der diese Ratschläge gegeben hat. Dieser stolze Edelmann war der Kanzler des Bauernkönigs geworden, und er gab ihm als einziger fast die Ratschläge, deren der junge König bedurfte. Und da wird uns die Größe des Königs klar, der es vermochte, mit einem so adelsstolzen Herrn so zu regieren, daß die Bauern doch zufrieden blieben. Als der König nach Rußland zog, setzte er Jakob de la Gardie, der bisher Schweden gegen die Russen verteidigt hatte, ab. Der General war ihm verhaßt, denn er war der Gemahl der schönen Ebba Brahe, und Gustav Adolf schrieb ihm die Schuld an dem Verluste der Geliebten zu, bis er einsah, daß er um des Staates willen auf Ebba verzichten mußte, bis er sah, daß Jakob de la Gardie unschuldig und nur ein Werkzeug der alten Königin gewesen war. Und ebenso rasch wie er den Haß gefaßt hatte, ebenso rasch verzieh er dem Freunde, ja, er bat ihn um Verzeihung und hat ihm sein Leben lang nichts nachgetragen. Freilich nur als Freund: denn als de la Gardie wieder in seine Würde eingesetzt, im russischen Kriege einen Fehler machte, da schrieb Gustav Adolf ihm als König und Herr: »Es wundert Uns, daß Wir seit dem 16. Oktober nichts von Euch gehört. Wenn es Euch lieb ist, Unserer Ungnade auszuweichen, so müßt Ihr die wichtigen Festungen, die Ihr befehligt, besser verteidigen.« Er schrieb ihm so schroff, unbeschadet ihrer Freundschaft, denn der Staat ging dem König über sein eigenes Wohl und über seine persönlichen Neigungen.

So ist Gustav Adolf eigentlich ein Fürst gewesen, der schon mehr einer neuen Zeit zugehörig ist als seiner eigenen, der schon manches erkannt hatte, was anderen Fürsten zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges noch ganz unbekannt war, was uns der große Friedrich gelehrt hat: daß ein Fürst der Diener des Staates ist. Darum haben die Zeitgenossen auch viele seiner Handlungen nicht begreifen wollen und sie haben ihm magische Kräfte und ein Bündnis mit dem Teufel vorgeworfen, einfach, weil er ganz anders für seine Untertanen sorgte und darum viel treuere Diener hatte als etwa der Kaiser in Wien, dem die Vergrößerung seiner Macht, dem die Streitigkeiten zwischen Fürstentum und Kaisertum, zwischen Kirche und Adel, dem Ränke und Feindschaften den weiten Blick benahmen.

Der König hat den Krieg mit den Russen abgebrochen, so rasch er es vermochte, er hat einen Frieden diktiert, der ehrenvoller war als der im Dänenkriege, und er hat sich dann gegen seine Hauptfeinde, die Polen, gewandt.

Das war der traurigste Familienzwist im Wasahause gewesen, als König Johann, der Oheim Gustav Adolfs, eine polnische Fürstin geheiratet hatte, und als sein Sohn Sigismund König von Polen und als solcher Anhänger der katholischen Religion wurde. Immer wieder hat es Sigismund versucht, Herrscher auch von Schweden zu sein, immer wieder hat er darum gekämpft, rechtmäßiger Nachfolger seines Vaters zu werden. Aber er wurde von den Schweden, die an ihrer Religion festhielten, immer wieder abgewiesen. Gustav Adolfs Vater hat ein furchtbares Blutbad unter den Edlen angerichtet, die mit Sigismund für die katholische Religion in Schweden kämpften, und wir sehen wieder die Größe Gustav Adolfs, der es trotz alledem vermocht hat, die Söhne eben dieser ermordeten Herren zu seinen Freunden zu machen. Oft erzählen die Chroniken und die Dichtungen von dem Edelmut Gustav Adolfs, wie er gefangene Späher des Königs Sigismund freiließ und nach Polen zurücksandte, wie er einem Freunde des Feindes, der in Schweden gefangen wurde, die Freiheit schenkte, weil der angab, er habe sich in Schweden nur seine Braut holen wollen, wie er edle junge Menschen, die durch die Politik und die Familienzwiste in Armut geraten waren, an seinen Hof zog und durch seine Güte versöhnte. Wir wissen nicht, wieviel davon wahr ist. Es mag manches erfunden sein, aber daß Gustav Adolf im Andenken seiner Untertanen als ein gerechter und ein gütiger Herrscher lebt, das sagt uns, daß er diese Eigenschaften besessen haben muß. Freilich, wie leidenschaftlich und wie unberechenbar er war, das haben die Nachkommen auch nicht vergessen. Immer wieder hört man in Schweden die Geschichte von dem Offizier, den der König zu Unrecht vor allen Soldaten beleidigte und den er so schwer kränkte, daß der Beleidigte seinen Abschied erbat und sofort aus dem Lande ging. Aber da wieder erzählen uns die Dichter, daß Gustav Adolf nach wenigen Stunden sein Unrecht eingesehen habe, daß er dem Offizier nachgeritten sei, und daß er ihn außerhalb der Reichsgrenzen getroffen habe. Da ist Gustav Adolf auf ihn zugegangen und hat gesagt: Wir sind nicht mehr in Schweden. Ich bin nicht mehr der Herrscher. Wir sind jetzt zwei gleichgestellte Männer. Sie sollen im Duell Genugtuung von mir fordern. Da fiel der Offizier, so berichten die Dichter, vor dem König nieder und blieb beim Könige als einer der treuesten Freunde. Eine andere Geschichte ist sicherlich wahr und vielleicht ist die Geschichte von dem Offizier nur eine poetische Ausgestaltung dieser wirklichen Begebenheit. Gustav Adolf hatte nämlich von einem jungen Offizier, Erich Rålamb, verlangt, er solle die Tischbedienung machen, weil Diener im Feldlager gerade nicht zur Hand waren. Der junge Rålamb fühlte sich in seinem Stolze gekränkt und weigerte sich. Da schrieb Gustav Adolf an den Rat: »Unser Untertan Erich Rålamb hat sich Uns ungehorsam bewiesen und Unseren Willen und Befehl dermaßen verachtet, daß, die Wir gestern abend mit verschiedenen fremden Fürsten am Nachtessen saßen, und keiner zugegen war, der an den Tisch treten und Uns gebührend bei solchem Gelag wahren konnte, und wie ihm selbst befohlen, damit nicht alles unanständig hergehen solle, an den Tisch zu kommen und da das gewöhnliche Credentzen zu verrichten, so er diesen Unseren Befehl, in solcher Fürsten und Herren Praesenz, in solcher Nothdurft (da kein anderer vorhanden war) so gering gehalten, daß er auf der Stelle den Saal verlassen und Uns während dieser Mahlzeit keinen weiteren Dienst getan.« Weiterhin befahl der König im gleichen herrischen Stile, den jungen Offizier vor ein Gericht zu stellen. Als Rålamb in das Ausland floh, ließ der König seinen Zorn an dessen Vater aus, und der junge Rålamb ist, ohne jemals wieder begnadigt worden zu sein, jung in Frankreich gestorben.

Immer wieder hat Gustav Adolf gegen die Polen streiten müssen. Aber dazwischen blieb dem rastlos tätigen Manne genug Zeit, um sein Reich im Innern ganz neu zu ordnen und umzugestalten. Als Gustav Adolf die Regierung antrat, tat er es noch nicht als König. Die Wasas waren noch nicht dem Gesetz nach ein Erbfolge-Königtum, und der alte König Karl hatte den Ständen die Wahl gelassen, ob sie seinen Sohn Gustav Adolf oder seinen Neffen, den Herzog Johann, regieren lassen wollten. Und darüber hinaus war noch bestimmt, daß Gustav Adolf, wenn er zur Regierung kommen sollte, bis zu seinem 24. Lebensjahr zusammen mit seiner Mutter und seinem Vetter Johann und einigen Vormündern regieren solle. Da ist es eine der ersten Taten, eine der bedeutendsten Taten Gustav Adolfs, daß er im Kampf mit Sigismund die Erbfolge im Schwedenreich geregelt hat. Dann hat er der Beamtenschaft seines Landes ganz neue Grundlagen gegeben, hat eine neue Ordnung in der Verwaltung eingeführt, er hat Gesetze entworfen, die die Rechte und Pflichten des Reichsrates, die Mitarbeit des Volkes in der Regierung festsetzten, er hat den Ungerechtigkeiten bei der Aushebung der Soldaten gesteuert, er hat die ungerechte Verteilung der Steuern geändert, und er ist vor allen Dingen der Schöpfer und der Begründer des schwedischen Schulwesens und der schwedischen Anstalten für die Wissenschaft und für die Kunst.

Zuerst hat der König das Schulwesen geändert, er hat ordentliche Gymnasien gegründet, und er hat darauf gesehen, daß er immer eine Aufsicht über das, was in den Schulen geschah und gelehrt wurde, behielt. Freilich, es ist ihm schwer geworden, dort immer die notwendige Aufsicht zu führen, denn die Geistlichkeit mochte sich die Gewalt über das Schulwesen nicht entgehen lassen. Im Mittelalter waren es ja die Mönche gewesen, die einzig darauf gesehen hatten, daß das alte Kulturgut, daß römische Dichtertradition weitergetragen würde. Und in der sogenannten Renaissancezeit, in der Zeit, als man wieder zu den Quellen, zu den Dichtern selbst zurückging und sich nicht mehr auf die Bücher der Mönche berief, zu der Zeit, als man die Größe des Griechentums wieder entdeckte, da hat es erbitterte Kämpfe gegeben, die Wissenschaft von der Kirche zu lösen. In das kleine Schweden waren diese neuen Bewegungen nur sehr schwach eingedrungen. Der Strom kam ja aus dem Süden, kam aus Italien und in Deutschland wurde er abgeschwächt, weil er mit der religiösen Bewegung, der Reformation Luthers zusammenfiel. Diese deutsche Bewegung traf auf das kleine Land im Norden. Renaissance und Reformation fielen dort noch mehr zusammen als in Deutschland, und es war immer mehr die religiöse Bewegung gewesen, die ihren Einfluß geltend gemacht hatte, als die wissenschaftliche. Den Schweden kam es auf die religiöse Seite der Bewegung, auf den protestantischen Gottesglauben, auf das gewaltige und lebensfreudige Bekenntnis Martin Luthers an. So war der Kampf gegen die Geistlichkeit, die immer noch zum Tell dem katholischen Glauben anhing, Gustav Adolfs wichtigste Aufgabe. Es ist ihm ja gelungen, die Gymnasien in seine Gewalt zu bekommen, aber was ihm so sehr wichtig war, die geistlichen Ämter von sich aus zu besetzen, das ist ihm sein Leben lang nicht geglückt. Immer wieder machte er Eingaben an seinen Reichsrat, man möchte ein Kollegium einsetzen, das die Ämter der Priester zu bestätigen habe, denn, so sagte Axel Oxenstierna, es existiert ja gar keine Instanz, an die der König einen Menschen weisen kann, der in geistlichen Dingen zu ihm kommt. Kommt einer in Justizsachen, so weist er ihn an das Hofgericht, in Steuersachen an die Rentkammer, aber, was er mit klagenden Geistlichen tun soll, das wisse er nicht. Doch der Reichsrat mochte von einem Kollegium in geistlichen Dingen nichts hören. Der König wollte es so geschickt einrichten, daß immer eine Anzahl geistlicher Mitglieder in diesem Kollegium mit weltlichen Beamten zusammensitzen sollte, und diese weltlichen Beamten wollte er so geschickt auswählen, daß die ihm ergebenen immer in der Mehrzahl waren. Das merkte der Reichsrat und lehnte wieder und wieder die Gesetzentwürfe des Königs ab. Erst Gustav Adolfs Tochter Christine hat es durchgesetzt, einen Einfluß auf die Wahl der Geistlichen zu bekommen, wie ja überhaupt erst am Hofe der Christine der Humanismus, der schon zu Gustav Adolfs Zeit angebahnt wurde, sich entfalten konnte. Am Hofe der Christine lebte Descartes, der große Philosoph, dort lebten bedeutende Wissenschaftler und Künstler, dort wurde die neue Kunst Schwedens begründet, und der erste große moderne schwedische Dichter Stiernhjelm feierte die Königin. Und doch, alle diese Vollendung des Humanistischen geschah auf Kosten des Religiösen. Christine wurde wieder katholisch, und alle die Arbeit, die Gustav Adolf darauf verwandt hatte, aus seinem Lande ein einiges und einheitliches Königreich zu machen, wurde vertan. Schweden, das Land, das auf dem Wege war, eine Großmacht zu werden, verlor immer mehr Einfluß, bis endlich Niederlage und Tod des unglücklichen zwölften Karl das Schicksal des Landes besiegelte, daß es ein kleines, ein außerhalb der Welt gelegenes Reich blieb.

Vielleicht ist es ein Versuch gewesen, die Geistlichkeit an den Fragen der Bildung und Ausbildung nicht mehr teilnehmen zu lassen, vielleicht ist die Tat wirklich aus edlen Motiven entsprungen, jedenfalls hat Gustav Adolf die Umbildung, eigentlich die Neugründung, der Universität Uppsala in der großzügigsten Weise durchgeführt. Den Grund dafür gab ihm der Streit von zwei Professoren, Rudbeck und Messenius, deren Feindschaft so arg wurde, daß sie sich nicht mehr wissenschaftlich bekämpften, sondern auf häßliche Weise beschimpften und sogar zum Zweikampf forderten. Rudbeck hatte den Messenius einen Esel genannt. Darauf zog der Beleidigte, als sie sich vor dem Hofgericht verantworten sollten, eine hebräische Bibel hervor, auf der, wie es in manchen Büchern dieser Sprache ist, die Vokale nicht durch Zeichen angedeutet waren, und sagte, das solle sein Gegner einmal lesen, und wenn er es nicht könnte, dann wäre er der Esel; er hätte außerdem gern noch ein Mathematikbuch mitgebracht, um einmal zu zeigen, daß er auch in dieser Wissenschaft mehr verstünde als der, der ihn aus Unrecht beleidigt hätte. Man kann sich denken, wie es unter den Studenten zuging, wenn sogar die Professoren so voneinander sprachen und über ihren Händeln die Wissenschaft vergaßen. Gustav Adolf wollte Ruhe schaffen, und er gab den beiden Kampfhähnen andere Posten, sehr ehrenvolle und große, möglichst weit von Uppsala entfernt. In der herrlichen kleinen Stadt aber mit ihrem wundervollen Dom und mit ihrem alten wilden Schloß, in dem Gustav Wasa geschworen hatte, den Schweden alle Zeit ein getreuer König zu sein, da gründete Gustav Adolf eine neue Universität, die der Wissenschaft dienen sollte in eifriger, stiller und ungestörter Arbeit. Er schenkte der Hochschule fast alle seine privaten Güter und Besitzungen, um sie unabhängig und reich zu machen und ihr zu ermöglichen, ständig eine große Anzahl von Lehrern zu besolden. Und er selbst bestimmte 17 Professoren: 4 für die Theologie und 2 für die Rechte, 2 für die Medizin, 3 für die Mathematik und 6 für die verschiedenen Fächer der Weltweisheit. Zudem schuf er für die Studenten Freitische und Unterstützungen in reichem Maße. Die Vornehmen des Landes wetteiferten darin, nun auch Unterstützungen für die Universität zu geben, und Oxenstierna besoldete gar aus seiner eigenen Kasse einen Professor als Lehrer der Beredsamkeit. So hat Gustav Adolf mitten im Sturm des Krieges ein segensreiches Werk geschaffen. Und wenn seine Nachfolger von ihm sprechen, wenn die Schweden sich an den großen König erinnern, so sprechen sie nicht von dem Kriegshelden, der in Dänemark, Rußland, Polen und Deutschland Lorbeeren erwarb, sondern sie sprechen von dem Förderer der Wissenschaften, von dem Manne, der es fertig gebracht hat, inmitten sturmgewaltiger Zeiten für Schüler und für Studenten, für Wissenschaft und Religion, dann auch für die Verwaltung, für das Recht und für die Staatsverfassung Unvergängliches zu tun.

Noch im gleichen Jahre, in dem Ebba geheiratet hatte, beschloß Gustav Adolf, seinem Lande eine Königin zu geben. Es wurden mancherlei Verhandlungen gepflogen, um eine staatsmännisch kluge Verbindung zu schließen, und schließlich entschied man sich für die Prinzessin Marie Eleonore von Brandenburg, die Tochter des Kurfürsten Johann Sigismund, die Tante des Großen Kurfürsten. Es werden nun sehr sonderbare Geschichten erzählt von der Bekanntschaft zwischen dem Könige und der Prinzessin und davon, wie das staatsmännische Interesse mit den Wünschen zweier Menschen, die sich sofort bei dem ersten Sehen liebten, zusammentraf. Gustav Adolf, und das ist sicherlich wahr, fuhr unter einem falschen Namen heimlich nach Deutschland. Er nannte sich Kapitän Gars, indem er die Anfangsbuchstaben seines Namens Gustavus Adolfus rex Suecorum (König der Schweden) zusammenstellte. Am brandenburgischen Hofe offenbarte er sich zwar der Kurfürstin, nicht aber der Prinzessin und dem übrigen Hofe. Im Tagebuche des Königs finden wir ein paar Zeilen, aus denen man sieht, wie schlecht man den unbekannten Offizier zuerst behandelte: »Sonnabends kamen wir nach Berlin; die vorhergehende Nacht lagen wir in einem Dorfe, heißt Blisendorf, von da folgte mein Schwager (der Pfalzgraf Johann Casimir) zuerst nach Potsdam, und da bekamen wir Briefe vom jungen Kurfürsten, und wie wir sie bekamen, ritten wir nach Säldop – trennten uns von dem Pfalzgrafen. Uns war ein Losement auf Retzlou genannt; als wir dahin kamen, sah man uns für englische Soldaten an und wollte uns nicht herbergen; ebenso gings bei einem anderen. Endlich kamen wir auf Arnheimbs Losement und da wurden wir aufgenommen.« Nachdem der König sich mit der Kurfürstin ausgesprochen hatte, reiste er nach dem Süden Deutschlands. In Heidelberg lernte Gustav Adolf den Minister Rusdorf kennen, der den angeblichen schwedischen Offizier begleitete und sich viel mit ihm unterhielt. »Es wird Ihrem Herrn schwer sein,« sagte Rusdorf, »für den protestantischen König Friedrich V. von Böhmen Partei zu nehmen, ich glaube, daß Schweden zu weit von Böhmen entfernt liegt, und da werden Sie dem armen Fürsten, den der Kaiser hart bedrängt, kaum zu Hilfe kommen können.« Er wollte nämlich gern wissen, wie die Schweden über eine Vermählung ihres Königs mit der Schwester Friedrich V. dächten. Und wirklich antwortete der Kapitän Gars, er glaube wohl, daß der Böhmenkönig viel von Schweden erwarten könne, denn Schweden habe die reichsten und ergiebigste n Bergwerke von ganz Europa. Dann sprach der schwedische Kapitän sehr erregt und böse von der katholischen Religion, die er sehr hasse. – Andern Tags war der Herr von Rusdorf sehr erstaunt, als er erfuhr, mit wem er sich so ausgiebig unterhalten hatte.

Aus Süddeutschland fuhr der König direkt nach Schweden zurück, und von Stockholm aus schickte er dann Gesandte nach Berlin und um die Hand der Prinzessin Marie Eleonore angehalten. Hier erzählen nun die Dichter, daß die Prinzessin sich beim ersten Aufenthalte des Königs in den Kapitän Gars sehr verliebte. Bei einer Jagd sah sie ihn und bewunderte seinen großen Mut, als er sich allein einem Eber entgegenstellte; und der König schenkte ihr sein Bild. Als dann die Kurfürstin ihrer Tochter sagte, daß der König von Schweden um ihre Hand anhielte, da weigerte sich die Prinzessin, weil sie nur den Kapitän Gars liebe.

Die Prinzessin ist schön gewesen, aber sie war nicht klug und auch nicht phantasiebegabt. Sie war dem König eine treue Gefährtin und hat ihn wirklich sehr lieb gehabt; aber sie hat ihm durch ihre Eifersucht und durch ihren Stolz manche schwere Stunde bereitet. Er hat wohl gesehen, daß die Frau, der er in aller Herzlichkeit zugetan war, keine große Persönlichkeit war; darum hat er sie auch nicht zur Erbin seines Thrones gemacht. Die Königin lebte ganz für ihren Gemahl, ihr Leben endete in ihm, aber er sah in Weiten, die ihr verschlossen waren; da mag er manches Mal gedacht haben, daß ihn die junge Ebba Brahe besser verstanden hätte und ihm eine wirkliche Vertraute gewesen wäre.

Die Vermählung wurde in feierlicher Weise vollzogen, und als der König sich gerade auf dem dritten und letzten der polnischen Feldzüge aufhielt, da wurde ihm die Nachricht gebracht, daß seine Gemahlin ihm eine Tochter, Christine, geboren habe. Es war das einzige Kind des Königs, und er ließ ihre Erziehung sorgsam überwachen. Doch hat er es nicht verhindern können, daß, während er in Deutschland weilte, von seiten geschickter Jesuiten der kleinen Prinzessin die Größe und die Schönheit der katholischen Religion gepriesen wurde, und es wäre ein großer Schmerz für den König gewesen, hätte er es noch erlebt, wie seine Tochter und Nachfolgerin sein Werk, zumindest sein politisches Werk, vernichtete.

Gustav Adolf stand im Jahre 1629 auf dem Höhepunkt seiner Macht. Er hat es vermocht, ein von drei Feinden bedrohtes, ein uneiniges und zerrissenes Land zu einen. Er hatte die äußeren Feinde durch Kämpfe und kluge Verträge aus seinem Gebiete zurückgedrängt, er hatte wirtschaftliche Beziehungen, die seinem Lande bedeutsame neue Einnahmen eröffneten, mit Holland angeknüpft, er hatte die Religion gesichert, zugleich die Herrschaft seines Hauses, er hatte sich ein mustergültiges Heer und eine ausgezeichnete Beamtenschaft geschaffen, und er hatte die Kunst und die Wissenschaft zu einer bis dahin unerreichten Höhe gebracht. Alles dies war ihm geglückt, weil er aus einem ganz eindeutigen und klaren Geist heraus sein Werk geschaffen hatte; es war ihm geglückt, weil er in sich selbst klar war, weil er ein ganz bestimmtes Ziel und immer um dieses eine verfolgte: Einigung um des Friedens willen. Durch Milde und Vermittlung, durch Entgegenkommen allen Wünschen und Bitten gegenüber, durch gemeinsame Arbeit mit den streitenden Parteien war ihm das Werk der Einigung geglückt. Und wenn er es mit solcher Schnelligkeit und mit solcher Größe vollbrachte, wenn er aus dem armen und durch ewige Fehden und Streitigkeiten an den Rand des Abgrundes gebrachten Lande ein von ruhigen und frohen Menschen bewohntes Reich gemacht hat, so war daran sein unbeirrbares Gottvertrauen und seine ganz tiefe und echte Religiosität nicht zum Kleinsten der Grund. Gustav Adolf war von seiner göttlichen Sendung, war von der Heiligkeit des Königtums so tief überzeugt, er fühlte sich so als ein Werkzeug des Höchsten, daß es für ihn Zweifel, Schwierigkeiten und inneren Zwiespalt nicht gab. Er wußte, was er erstrebte, und er verfolgte seine Ziele mit dem tiefen Ernste des Mannes, der im Dienste des Herrn handelt: Das macht die Macht seiner Persönlichkeit aus, das hat ihn befähigt, zu vergessen, wer Freund und wer Feind war, das hat ihn befähigt, allen zu helfen und allen Genüge zu tun. Unzählig sind die Anekdoten, die sich an seine Güte, an seinen Jähzorn und an seine ebenso rasch wieder umschlagende Ehrlichkeit anschließen. Wenn wir seine Kriegsartikel oder seine Instruktionen lesen und daneben seine persönlichen Briefe und Bekenntnisse, wie die Gedichte an Ebba Brahe, so wissen wir, daß er davon durchdrungen war: Der Mensch Gustav Adolf könne irren, der König könne es nicht.

Gustav Adolf hat durch die Macht seiner Persönlichkeit, hat durch die Kraft seiner Frömmigkeit, seiner Ehrlichkeit und seiner Geradheit, endlich auch durch seinen persönlichen Mut ein Königreich vom Rande des Abgrundes gerettet und zum Wohlstand geführt. Als er jedoch mit diesen Eigenschaften und mit dieser Art den Beruf des Königs zu erfassen, die europäischen Verhältnisse umzuändern strebte, als er in die Händel der Diplomaten verstrickt wurde, da wurde er unsicher und seinem Ziele untreu.


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