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Zweiter Akt.

Garten vor dem Schulhause in einem benachbarten Dorfe. Rechts, ziemlich weit nach vorn das Schulhaus mit Eingangstür. Vor demselben noch weiter nach vorn ein Tisch, an dessen Enden je ein Stuhl und hinter demselben drei Stühle. Dem Schulhause gegenüber in der Kulisse links ein kleiner Stall mit Eingangstür. Rechts und links in der Nähe des Theatergrundes je zwei Abgänge, die ins Dorf hineinführen, event. ein solcher auch im Hintergrunde. Etwas weiter zurück, nicht weit von dem Abgange rechts ein Baum. Gesträuch, Bäume, Blumenbeete u.s.w., wo es angebracht erscheint.

Erste Szene.

Lena (Sonntäglicher Anzug, bäuerliche Kleidung, wie im ersten Alt. Um den Hals die Kette mit dem Kreuz. Sie kommt aus dem Hause, ein Teebrett tragend, worauf ein Tischtuch, Kaffeekanne, Zucker- und Rahmnapf, Tassen und ein leerer Teller. Während ihres Monologs ordnet sie den Kaffeetisch) He klöppt wul noch, – awers lang kann't ni mehr dur'n, un denn is he dar! – – Un hüt kriegt wi Fremm, hett he seggt, – Reimer Groth un sin Swester! – Un hüt is denn mal wedder min Geburtsdag! – – Ach, un noch keen betern als dat letzte mal! – Detlef, weg vun sin Vader, un hier! De rike Vullmachtssöhn en arm Deenstknecht! – un dat um mi! – Un op mi noch immer de Schimp un de Schann vun damals! – – Gott in'n Himmel! wo is de Gerechtigkeit denn bleben?

Zweite Szene.

Gudenrath. Lena.

Gudenrath. (Im Schlafrock und mit langer Pfeife, ein Körbchen in der Hand haltend; setzt Korb und Pfeife sogleich hin) Ah süh! – Dar büst ja all, min lütt Geburtsdagskind! (gibt ihr die Hand) Na, hüt wüllt wi denn mal recht vergnögt we'n!

Lena. Vergnögt? Wa kunn ick mi freun? un an'n allerwenigsten an düssen Dag?

Gudenrath. Na, na! Lat nu doch endlich mal de Sak op sick beruhn! Mi dünkt, du hest all Tran genog darum vergaten! –

Lena. Dat is min Ehr, de se mi nahmn hebbt, un so lang als ick de ni wedder heff, kann ick mi ock ni freun!

Gudenrath. Un dochen schast di freun, – un vundag an'n allermeisten, vunwegen Reimer und sin Swester ut Amerika! Du hest se ja noch garnich sehn! un se kamt ja um di!

Lena. Um mi?!

Gudenrath. Um di und din Geburtsdag! – Ick heff se inladen!

Lena. Desto mehr schaneer ick mi! Wer nimmt dat wedder vun mi, wat ich dregen mutt?

Gudenrath. Lat nu doch de Dorheiten! – Dat du't ni da'n hest, wakeen twiefelt daran? Un harr Detlef denn wul sin Vader verlaten, wenn he sowat vun di denken kunn? – – –

Lena. Awers de Vullmacht!

Gudenrath. Ja, de Vullmacht! dat is klar! He müch wul gar to geern, dat du't da'n harrst!

Lena. Un Reimer Groth! – un de annern, dar un hier!

Gudenrath. Reimer?! Do' em doch de Sünn nich an! He hett di ebn so leev als ick! – – Awers de annern! – ja, dar hest du Recht! – So sünd de Menschen! Awers dar is doch nix so fien spunn, dat't ni mal wedder an de Sünn kummt, un denn möt se sick schamen!

Lena. Un dat's ock ja nich alleen! – Min Öllern! – (weinend sich an seine Brust werfend) Wer is min Vader un min Moder?!

Gudenrath. Na, na, – nu ween man ni wedder! Du weetst doch, dat ich di dat ni seggn kann! – Süh, vellicht kummt ock dat noch mal an'n Dag! – Un in'n Öwrigen, wat bün ick di denn we'n in all de Tid?

Lena (ihm beide Hände drückend) Min gude, gude Vader, min alles!

Gudenrath. Na, sühst du? – un du hest likers noch welke vergeten, – – Reimer!

Lena. Reimer! – ja!

Gudenrath. Un Detlef!

Lena (erfreut) Detlef! Ja! ja!

Gudenrath. Un denn noch een, de dar alles weet, un de dar Trost hett för alles!

Lena. Uns' leewe Herrgott!

Gudenrath. Na sühst du? – Awers nu kumm! – Wi hebbt ja noch garnix to'n Instippen! – (greift in die Tasche und gibt ihr Geld) Süh dar! – nu lop na'n Bäcker un hal Backwark, denn probeert wi eerst mal de Schokolad! – Un darbi will ick di denn noch gau mal en lüttje Geschichte vertelln vun en lütt Waisenkind!

Lena (froh und herzlich) Uns' leewe Herrgott, un dree gude Menschen! Ick will ock ni mehr klagen! (nimmt den Korb, rasch rechts oder durch die Mitte ab)

Gudenrath. Dar keem mi meist dat Hart op de Tung! un ick kunn ehr wul wat seggn! – Awers beter is beter! – De Stunn is noch ni dar, un man mutt de Tid ni vörgripen! – De Plan is gud, un so, als he utdacht is, harr de Klökste em ni beter makt! – – – (sich das Kinn streichend) Nu heff ick mi noch garnich mal barbeert! – Dat kunn ick afmaken, bidessen dat se wedderkummt! (ab ins Haus)

Dritte Szene.

Detlef (von links auftretend im Arbeitsanzug; er trägt einen Spaten, den er vor Beginn des Gesangs irgendwo hinstellt) Aha! – se hebbt den Geburtsdagsdisch all deckt! Denn is't ock wul ni mehr to unpassen Tid! – Bit vunabend durt't mi doch to lang. Ick mutt ehr doch gau mal gud'n Dag seggn, un min Glückwunsch bringn! – Awers stehl ick min Burn ni de Tid?! – – – Ick schall na de Koppel rut to walln, un gliks kummt he sülbn achterna, – wenn he mi hier drapen de'! – – – – – – – Ach wat! is't denn en Sünn, mal en leewen Menschen de Tid to beeden, ock wenn se een ni mehr hört?! – Un wakeen harr ick leewer als se; – Denn man rin! – (tut, als wolle er ins Haus gehn) Herin? – ne! – ick mak dat als verleben Jahr! – Dar sung ick se mi achter'n Rosenbusch herut, – – wo schull se nu wul steken? – Ick fang an to singn! (Vorspiel, er singt)

:,: Din steernhell blauen Ogen,
Wa seeg ick se so geern! :,:
Se bargt den ganzen Himmel klar
So wunneibar, als wenn't wul gar,
Als wenn't wul gar
:,: Twee Engelsogen weern! :,:

:,: Din steernhell blauen Ogen,
Wa seeg ick se so geern! :,:
Wa sünd se doch so smuck un schön!
So prächtig flammt keen Edelsteen!

Keen Edelstee!
:,: So strahlt keen Abendstern! :,:

:,: Die steernhell blauen Ogen,
Wa seeg ick se so geern! :,:
Un ward min Hart ock nümmer sund,
Un gah ick ock darbt to Grund,
Darbt to Grund,
:,: Wat hölpt't? –Ick kann't ni wehrn!

Vierte Szene.

Gudenrat. Detlef.

Gudenrath (noch im Schlafrock mit einer Serviette vor und das Rasiermesser in der Hand, aus dem Hause tretend)

Detlef. Persepter!

Gudenrath. Dat verdeuwelte Singn! – Dar harr ick mi ja bald in de Näs' sned'n, un denn harrst du de Schuld hatt! – Gud'n Dag, Detlef! (ihm die Hand gebend)

Detlef. Dag, Persepter! – Wo is Lena?

Gudenrath. Ja, dar harrst wat singn kunnt! – De is op'n annern Enn, in't Dörp, na'n Bäcker! – Sett di, wenn se kummt, ward se sick freun!

Detlef. Harr ick man de Tid! wa geern! – Awers ick schall walln, – un gliks kummt min Bur, um mi antowisen! Ick wull se ock man eben mal begröten!

Gudenrath. So? ja! dat's ja denn wat anners! Kannst denn ni tonacher 'n beten herkamn? – Wi kriegt Fremm, – Reimer Groth un sin Swester! –

Detlef (erstaunt) Reimer Groth un sin Swester?!

Gudenrath. Se keem ja all vor korten vun Amerika torüg, un führt em nu den Husstand!

Detlef. Ja, ja! – dat weet ick! – Ick schrief mi mit unsen Grotknecht, – awers dat se hier kamt, dat wuß' ick dochen ni– – ick wull – – – – –

Gudenrath. Dat's ock so'n lüttje Öwerraschung vun mi! – – Na wat wullst du denn?

Detlef. Ick wull Lena ok noch wat vertelln, (zeigt einen Brief) de Grotknecht hett mi wedder schreben!

Gudenrath. Na, wat schrifft he denn?

Detlef. Abel, de bi Reimer afgung, un ja bi min Vader wedder ingung, – is holter kapulter ut'n Deenst lopen! –

Gudenrath. Ne, wat du seggst! – Hebbt se sick denn vertörnt?

Detlef. Dat jüst nich! – Awers se will utwannern, – na Amerika! Wa ward Lena sick wunnern! Will Persepter ehr dat seggn? Hier is de Breef, (hält ihm den Brief hin) ick heff keen Tid länger!

Gudenrath. Behol em man, – ick will ehr't wull vertelln! – Awers kiekst tonacher ni mal wedder vör?

Detlef (den Spaten nehmend) Vor Fierabend wul ni! – Ja, wenn ick noch den Burn sin Söhn weer, so als froher!

Gudenrath. Ach wat, muß em fragen!

Detlef. Wi hebbt alle Hann vull to do'n! un min Tid hört em! – He kann jeden Ogenblick kamn! – Nu. mutt ick maken, dat ick wegkam!

Gundenrath. Denn frag ick em!

Detlef. Adjüs, Persepter! Min Gruß an Lena! (ab nach rechts)

Gudenrath. Will't bestell'n! – – – De arm Jung! wa em dat wul spansch vorkömmt! De rike Vullmachtssöhn nix wider als en simpeln Knecht! – – – Wa leev mutt he Lena hebbn, dat he ehr so vel opfern kunn! – – Awers tonößen, denn mutt he dochen her! – – Hett ock keen Not, wi kriegt em wul! – –

Fünfte Szene.

Hansohm. Gudenrath.

Hansohm (graue Kniehose, Jacke, Weste, trägt eine kurze Pfeife. Mit einem Spaten von links kommend) Gud'n Dag, Persepter!

Gudenrath. Dag, Hansohm!

Hansohm. Dat lat ick mi gefall'n, he, he! – So'n beten in'n Slaprock un mit de lange Piep bi'n Kaffee!

Gudenrath. Sünd ock Ferien, Hansohm!

Hansohm. Unsereen hett keen Ferien!

Gudenrath. Ja, dat seeg ick, Hansohm! Un mit'n Spaden op'n Puckel?

Hansohm. Is sunst ock jüst ni min Wis', he, he! Awers dar is'n Lock in'n Wall, un min Nawer sin Köh sünd in min Hawer we'n,– – heff'n Knecht all vörut schickt!

Gudenrath. Appropo! Is Hansohm mit em tofreden?

Hansohm. So lang als ick Bur bün, hess ick noch keen betern Buknecht hatt, he, he! Dat kann He sin lüttje Lena man wedderseggn!

Gudenrath. Is mi leev to hör'n, Hansohm! – Ick Heff en lütt Anligg'n an Em!

Hansohm. Na, wat is't denn? he, he?

Gudenrath. Vundag is min Lena ehr Geburtsdag!

Hansohm. Deutscher hal! – denn gratleer ick ock, he, he!

Gudenrath. Un vundag kriegt wi Besök ut datsülwige Dörp, wo Detlef Buhmann sin Vader wahnt! En Fründ von mi, Reimer Groth un sin Swester!

Hansohm. Reimer Groth! – denn kenn ick ja! – Hebbt all mal en Paar Köh mit enanner tuscht!

Gudenrath. He höllt noch ümmer so veel vun sin Lena! – Hansohm weet ja wul, vun damals her, als ehr dat Unglück passeer!

Hansohm. Snack man ni davun! Snack man ni davun! Sowat mutt man vergeten!

Gudenrath. Mutt man ock! – Awers wil nu Detlef ehr Frier is, wull ick Hansohm beden, ob sin Knecht ni vundag ock en beten darbi Wesen kunn, – – – –

Hansohm (sich hinterm Ohr krauelnd) Ja! – au! au! – he! he! Wenn'ck, der Deutscher hal, man ni so veel to do'n harr! – Ja, denn mutt ick man, wil he so'n prächtigen Knecht is, un vunwegen sin lüttje Lurk vun Lena ehr'n Geburtsdag, he, he! Sobald als wi dat Lock to hebbt, will ick em Verlöf geben! – Adjüs, Persepter!

Gudenrath. Adjüs, Hansohm! – Ock veel'n Dank!

Hansohm (im Abgehen) Nix to danken! Nix to danken! (rechts ab.)

Gudenrath. Prächtig! Prächtig! Nu harrn wi dat ja denn ock all in den Reeg! – Awers nu ock man rut ut den Slapsamar! Bi Reimer sünd se fröh op de Been! – Wer weet, waneer se hier sünd! Un man mutt sin Gäst doch anständig begröten! (ab ins Haus)

Sechste Szene.

Lena (von rechts oder durch die Mitte kommend mit dem Korbe) Je neeger de Tid rückt, desto mehr sleit mi dat Hart! – Eigentlich schaneer ick mi, – un doch, wa freut mi dat, dat ick min olen guden Reimer Groth mal wedder to sehn krieg! – He is ja man eerst eenmal sit den grulichen Dag wedder hier we'n, un dar is all en lange Tid öwer hingahn! Un nu kummt he mit sin Swester! Bader seggt, se hett eb'n so'n gudes Hart, als Reimer! – Ja, na ehr Bild to reken, mutt se't hebbn! – Dar keck se mi ja rein so fründlich un so hartlich an, als wenn se seggn wull: »Wie kennt uns all lang! un eb'n so leev als di Reimer hett, heff ick di ock, denn he is ja min Broder!« – – (seufzend) He harr dat gut mit mi in'n Sinn! – Ick verget dat nümmermehr, als he mi dat Bild wis' un sä: »Ick denk, ju beiden ward sick wul verdregen!« (seufzend) Ach, wa so ganz anners is dat dochen kamen!

Siebente Szene.

Gudenrath. Lena.

Gudenrath (im schwarzen Rock aus dem Hause kommend) Na, büst du wedder dar, min Kind?

Lena Mit'n ganzen Korf vull Plätten un Kringeln, (nimmt etwas Backwert aus dem Korb, und legt es auf den Teller.)

Gudenrath (sich setzend) Na, denn schenk man gau mal in! Denn wüllt wi se ock doch forts mal smecken!

Lena (sich setzend) Un Bader wul mi ja ock noch en lüttje Geschichte vertelln! –

Gudenrath. Ja, dat is wahr! vun en lütt Waisenkind! Awers, wat ick man noch seggen wull, – ick schall di ock noch veelmals gröten vun Detlef.

Lena. (interessiert) Vun Detlef? – Is he hier we'n?

Gudenrath. Als du na'n Bäcker weerst! – He harr keen Tid, he muß hin to walln. –

Lena. Dat verdrütt mi!

Gudenrath. Hett keen Not, he kummt noch wedder! – He hett ock'n Breef kregen vun sin Vader sin Knecht, – wo dar wat insteiht vun Abel! –

Lena (interessiert) Vun Abel?! – wat denn?

Gudenrath. Ja, denk di mal, se is all wedder weg vun'n Vullmacht! – Se will utwannern na Amerika!

Lena. (verwundert) Utwannern?! Abel?!

Gudenrath. Awers dat man nebenbi! – Un nu hör mal to, nu will ick di de lüttje Geschicht vertelln, de ick sülbn mal belevt heff.

Lena. Vader sä vun en lütt Waisenkind.

Gudenrath (Von hier an und solange überhaupt die Erzählung Gudenraths währt, muß der Dialog etwas rascher vorwärts gehen.) Ganz richtig! vun en lütt Waisenkind! – Süh, in dat Dörp, wo damals min Öllern wahn'n, dar wahn'n ock twee grote Burn, – un de eene harr man een Söhn, – un de anner man een Dochder, beid' en Paar prächtige, junge Lud! – De Bur, wo de Dochder weer, seet frilich swar davör,– De Lüd munkeln davun, dat he in Schulden seet, awers daran kehrt sick de Leevde ja ni!

Lena (interessiert) Ne, seker ni!

Gudenrath. Un als denn nu dat Sprichwort heet: »Gleich und gleich gesellt sich gern!« so keem dat denn ock hier! – Se wurrn Brut un Brüdigam! un bald schull ock all de Hochtid we'n, awers dar keem dar wat twischen, wat wul keen Mensch sick vermoden wesen kunn!

Lena (interessiert) Wat denn? Wat denn?

Gudenrath. Ja, denk di mal! – Malinst det Nachts, dar reep dat mit eenmal: »Füer! Füer!«

Lena (erstaunt und erschrocken) Füer?! –

Gudenrath. Un als wi dar ut'n Bett sprungn, stunn dat Hus, wo de Brut ehr Öllern wahn'n, in hellichen Flamm!

Lena O, Gott!

Gudenrath. Dat ganze Dörp keem op de Been, – awers dar weer nix mehr to hölpen! – – – Den annern Morgen weer dar nix wider vun öwer, als en Hupen Steen un verkahlte Balken. Wat'n Glück, dat't in'n Sommer weer! – Dar leeve Veeh keem doch mit'n Leben davun – un ock de Menschen!

Lena Ja, wat'n Glück!

Gudenrath. Bi en fründlichen Nawer keem'n se wedder ünner Dack! Un vun alle Kanten wurr dar holpen, – un natürlich to'n minnsten ock ni vun den Brüdigam un sin Öllern!

Lena Dat lett sick denken!

Gudenrath. Awers als denn nu tonösten en paar Dag naher de Bur na de Stadt wull, um sick dat Geld to haln ut de Brandkass' för sin afbrennt Hus, un de Möbeln, un alles, wat he versekert harr – – –

Detlef (von rechts kommend mit Spaten, den er schnell hinstellt) Hurra, Lena!

Lena (aufspringend, freudig erregt) Detlef! (Beide drücken sich die Hände)

Gudenrath. (aufstehend, ärgerlich) Dat is schad! Nu warr ick stört!

Detlef

Lena

  (zugleich)   

Min Lena!

Min Detlef!

Achte Szene.

Hansohm. Die Vorigen.

(Hansohm von rechts kommend.)

Detlef. Hansohm hett mi fri geben! – Bedank di bi em!

Hansohm. Nix to danken! – Nix to danken! He, he! Awers kumm, giff mi likers din Hand! (Lena tut es.) Süh, ick gratleer di ock to din Geburtsdag! – Un dat du vundag ock din Detlef hest, dat kannst denn so quanzwis' anseh'n als en lüttj Geschenk vun mi! (sich an Gudenrath wendend.) Na, Persepter, heff ick't so ni recht makt?! He, he!

Gudenrath. Büst'n Goldkerl, Hansohm! – Nu sett di un probeer dat Backwark mal! Lena, schenk in!

Hansohm (sich hinterm Ohr krauelnd) Ne, he, he! – Jo ni, jo ni! Ick mutt maken, dat ick wegkam! – Vundag speelt Detlef mal den Burn, he, he! Un Hansohm mutt sin Arbeid do'n! – Allns vun wegen den lüttjen Vagel dar! (auf Lena zeigend) – Na, adjüs denn, wünsch ock veel Vergnügen!

Gudenrath

Detlef

Lena

  (zugleich)   

Adjüs, adjüs, Hansohm!

Adjüs, uns' Bur!

Adjüs, Hansohm!

(Hansohm nach links abgehend)

Detlef. Ja, eegentlich müß ick mit, – ick stek ja noch in min Arbeitstüg!

Fena. Du büst ock so min Freud'!

Detlef. Awers umtrecken mutt ick mi doch!

Gudenrath. Na, na, ob en paar Minuten fröher oder ni, dat's ja keen Gegenstand! Nu snack doch man eerst noch mal en beten mit dat lüttje Geburtsdagskind, ju hebbt sick ja man noch knapp mal sehn!

Detlef. Dat hebbt wi ock, Persepter!

Lena. Un wi hebbt uns doch so leev!

Gudenrath. Ick will denn noch eb'n mal lanks de Strat kieken, ob dar noch nix kummt! – Se lat dat Fohrwark wul in'n Krog! – Vun darher möt se röwer kam'n, (nach rechts zeigend) un dar eb'n buten op de Höchden kann ick bit ganz na'n Krog hinsehn! (ab nach rechts)

Detlef (herzlich) Du Lena, ick heff ock noch en lüttj' Geschenk för di! (gibt ihr ein Geschenk in Papier)

Lena. Dusend Dank! (es öffnend und vier Zwanzig-Markstücke haltend) Ah ne! wa kunn ick dat wul annehm'n!

Detlef. Dat eerste, wat ick verdeent heff! – Min Halvjahrslohn! –

Lena. Denn eerst recht ni!

Detlef. Du mußt! – Du hest mit Deel daran!

Lena. Ja, wenn ick denn mutt, – denn behol' ick dat to'n Andenken an düsse Stunn!

Detlef. Un als Heckpennings!

Lena. De wi wahren wüllt als en Heiligdom! Min Detlef! (küßt ihn)

Detlef. Du Lena, för twee, de sick leev hebbt, so ünner veer Ogen, is't doch ümmer dat schönste! Weest du noch, den Sündagabend in de Luv?! – – –

Lena. Als de lüttjen Steerns dör de Telgen blinkern!

Detlef. Min Arm leeg um din Nack! (tut es)

Lena. Min Kopp an din Bossen! (tut es)

Detlef. Un ick strakel di dat Gesicht! (tut es)

Lena. Un denn sungen wi!

Detlef. Ja, denn sungn wi! Un wat sungn wi man noch? Töf mal! (er singt)

(Während des Gesanges muß beider Spiel dem Text des Liedes entsprechen.)

Nu lang mi de Hand her
Un kumm mit din Kopp!
Un dar, wo dat Hart sleit,
Dar legg em man op!

Beide.

Un dar, wo dat Hart fleit,
Dar legg em man op!

Detlef.

Denn hang ick di lisen
Min Alm um de Nack
Un küß di de Ogen
Un strakel den Back!

Beide.

Un küß di de Ogen
Un strakel din Back!

Lena.

Denn sitt wi to snacken,
Denn sitt wi to dröm.
Un buten, dar bunkert
De Steerns dör' de Böm!

Beide.

Un buten, dar blinkert
De Steerns dör' de Böm!

Beide.

Un buten is't düster
Un Fred op de Eer!– –
:,: Un schull 'ck noch wat wünschen,

(Legt ihren Kopf wieder an seine Brust)

Ick wüß ni, wat't weer! :,:

Neunte Szene.

Gudenrath. Die Vorigen.

Gudenrath (von rechts kommend) Noch nix to sehn!

Detlef. Un ick bün noch ümmer hier!

Lena (Gudenrath das Geld zeigend) Süh, wat Detlef mi schenkt hett!

Gudenrath.Gott's Deutscher! Ja, vun mi kriggst du ock noch wat, – – un vun Reimer ock! – Awers ick töf damit, bit Reimer kummt, wi gevt di't denn tohopen! – Gott's Deutscher! – dat sünd ja luter Goldstücken!

Lena. Sin Halvjahrslohn!

Detlef. De schüllt uns' Heckpennings we'n!

Gudenrath. Ju guden Kinner! – Ja, min Söhn, din Sweet fitt mit daran!

Detlef. Un ock doch min Glück un min Freud'!

Gudenrath. Un allns, wat du um ehr verlaten hest – din Heimat un din Vaderhus! – Ja, de ward se di hegen!

Lena. Als min besten Schatz.

Gudenrath. Un wenn dat keen Glück bringt, denn bringt ock nix wat mehr! – Awers wa is't? Wullt nu ni leewer eerst mal to Hus? Du stickst ja noch in din Arbeitstüg. Vellicht kunnst noch so tidig wedder kamen, dat du hier büst, wenn se ankamt!

Detlef. Als Persepter dat meent! – Denn gah ick! –

Lena. Ick gah mit!

Gudenrath. Un wenn se bidessen nu keemen, un du weerst ni hier!? – –

Lena. Ick bün ock gliks wcdder dar! Man ebn de Strat hindal!

Gudenrath. Ja, denn man to! – Denn makt man, dat ju wegkamt! –

Detlef. (den Spaten nehmend) Kumni, min Lena! (legt den Arm um sie, beide gehen singend nach links ab, der Gesang in der Ferne verhallend)

Nu lang mi de Hand her
Un kumm mit din Kopp!
:,: Un dar, wo dat Hart sleit,
Dar legg em man op! :,:

Gudenrath. Twee glückliche Menschen! Wat'giff't wul schöneres als dat? Dar ward een dat ole Hart ja ordentlich wedder jung bi! – – Wo heff ick denn min Piep laten? Dar steiht se! (nimmt die Pfeife.) Nu will ick ock noch gau mal'n beten paffen! (steckt die Pfeife an) Tonößen, wenn Reimer kummt, denn geiht se ja all Nun sülbn wedder ut! – Awers sunnerbar is dat doch, dat se noch ümmer ni kamt! (Abel tritt auf von rechts, fast wie ein Bettelweib, dunkel gekleidet und elend aussehend) Wenn dar man nix passeert is! – Wer weet't! Wenn nu jüst de Vullmacht vundag ni to Hus weer! – Ja, denn nütz dat ja allns nix! (sieht Abel) En arm' Beddelfru! (greift in die Tasche) Na, vundag kunn ick doch ni »Ne« seggn! – (gebend) Dar! (Abel erkennend, sehr erstaunt) Abel?! wat seeg ick?!

Zehnte Szene.

Abel. Gudenrath.

Abel (schmerzlich) Ja, ja! – ick bün't!

Gudenrath. Wat führt di her?

Abel. De Not!

Gudenrath. Warum deenst denn nich, un geihst to beddeln?

Abel. To beddeln? – – Ni de Not, de dar beddeln geiht, – – un dochen wedder de! – – Ick kam ni, um en Almosen to beddeln, sondern um en mitleidig Hart, um en fründlich Wort, – um Trost un Hölp, dat ick mi baben hol!

Gudenrath. Hett dat Schicksal di drapen? Wat heft verlarn?

Abel. Allns! Allns! – Min Glück! Min Freden! Min gut Geweten!

Gudenrath (mit besonderer Betonung) Denn hest du' Sünn da'n?! –

Abel. Ick weer so slecht!

Gudenrath. Denn gifft man een Rat!

Abel (schnell) O, seggt mi em! Seggt mi em!

Gudenrath (mit besonderer Betonung) Gah hin, mak dat wedder gut, un do't ni wedder!

Abel. Ja süh, un darum bün ick hier! Denn hier, un anners narms, krieg ick de Last vun'n Harten!

Gudenrath. Hier, seggst du? Schall ick di hölpen?

Abel. Persepter kann't! – Wo is Lena?

Gudenrath (verwundert, erregt) Lena?! Lena?! – Wat hest du mit ehr?!

Abel. Ick heff mi swar an ehr vergahn!

Gudenrath (ebenso, wie vorhin) Denn weerst du dat? Denn hest du dat Geld! – – – –

Abel. Eifersucht, – Neid, – un Mißgunst – – ja, – ick de' de Sünn!

Gudenrath (erregt) O, Gott in'n Himmel, wa dank ick Di! – Nu ward ja noch allns, allns wedder gut! – Weet Reimer dat?

Abel. He weet vun nix! Awers wo is Lena? Ick will ehr um Vergebung bedn, – un denn, – wit, wit weg vun hier, dat nüms mi wedder süht!

Gudenrath. Du wullt utwannern?

Abel. Sobald ick da'n heff, wat ick kunn, de Sünn wedder gut to maken!

Gudenrath. Awers noch een Frag: De Vullmacht?!

Abel (wie erschrocken) De Vullmacht!

Gudenrath. Wuß de davun?

Abel. So wahr en Gott in'n Himmel is – keen Starbenswort! –

Gudenrath. Du de'st alleen?

Abel. Ick ganz alleen!

Gudenrath. Gut, denn kann ick di bruken, un du dei'st en gudes Wark!

Abel. En gudes Wark! Um ehr, um Lena?

Gudenrath. Um Lena! – Awers se dörf di noch ni sehn! – Süh, kumm hier herin (zeigt aufs Nebengebäude) Dar steiht en Bank, dar sett di! – un wenn ick di rop, denn kummst du! – – –

Abel (im Abgehen) Ick dank di, Gott! Wat de' ick ni um ehr! (ab ins Nebengebäude)

Gudenrath (bewegt, erregt) O, wat för'n Steen is mi vun't Hart fulln! – un wat för'n Freud bringt de uns all- tohopen! Und dochen is't ja de grötste noch ni! – Is't denn ock wahr, ock allns wahr? un is't keen Drom?! – Wa fat ick mi! Wa hol ick mi, wenn Lena kummt? (Lena tritt von links auf) Dar kummt se! – –

Elfte Szene.

Lena. Gudenrath.

Lena. Dar bün ick wedder! – De arm' Abel!

Gudenrath (erregt) Abel?! – Wat is dar mit Abel?!

Lena. Detlef hett mi den Breef wiest, dat dei't mi dochen leed um ehr! –

Gudenrath. Ja, ja, dat kummt mitunner wunnerbar!

Lena. Wunnerbar? – wa so? – wa denn? weet Vader denn noch mehr?

Gudenrath (aufgeregt) Ick?! – ne! o ne! – Wat schull ick wul weten?! – nix! nix! – Awers kumm, wi wüllt uns setten! Un denn stek ick mi de Piep an, un vertell di noch gau de lüttje Geschicht to Enn!

Lena (sich setzend) Vun dat lüttje Waisenkind?

Gudenrath (die Pfeife nehmend, sich setzend) Ja, wanem weer ick noch, als Detlef keem?

Lena. Wie de Bur, de dar afbrennt weer, na de Stadt wull, – –

Gudenrath. (Die Pfeife anzündend. Der Dialog bis zu Ende der Erzählung wieder etwas rascher vorwärts gehend) Ganz recht! – um sick dat Geld to haln ut de Brandkaß, för allns, wat he versekert harr! – Awers dar drop em eerst de swarste Slag!

Lena. En frisches Unglück?! De arm' Lüd!

Gudenrath. Ja wul, de arm' Lüd! – Dar keem'n dar welke, dree Mann hoch vun de Polizei, un nehm'n em mit!

Lena. O, Gott, ni möglich!

Gudenrath. Sä ick ni vörhin, dat he in Schulden seet?

Lena. Vader sä dat.

Gudenrath (gedämpft und mit besonderer Betonung) He harr sin Hof in Brand steken, um sick vör'n Konkurs to retten!

Lena. Gott in'n Himmel!

Gudenrath. Awers nu wurr em de Prozeß makt, – he sülbn keem in't Tuchthus, un all sin Hab un Gut in'n Bankerott!

Lena. Un de Moder un ehr Dochder?! De arme Brut?!

Gudenrath. Ja, dat magst wul fragen! – Awers en riken Burnsöhn un en Brut, de dar nix mehr hett, als en arme Moder, un en Vader, de in't Tuchthus sitt, süh, dat paßt man slecht tohopen! –

Lena. Denn hett he ehr verlaten? – Dat weer slecht!

Gudenrath. He ni! He harr allns da'n! Awer se verleet em, dat he man sin Öllern un den Hof beheel! Sin Vader un Moder wulln em arflos maken, wenn he ni vun dat Maden leet!

Lena. Wa künnt Menschen doch so hart wesen!

Gudenrath. Griep mal en groten Burn an sin Stolz un sin Ehr!

Lena. Ja, ja, Vader het Recht!

Gudenrath. Awers nu kummt eegentlich eerst de Geschichte vun dat lüttje Waisenkind? Süh, dar storv ehr Vader, noch eh' dat Jahr to Enn'. – Un dat dur ni lang, da storv ehr Moder vör luter Kummer! Un ehr Dochder weer verswunn, keen Mensch wuß, wohen. Un dar wurr malinst en lütt Kind utsett', keen Mensch wuß, vun wakeen! wat segg ick? keen Mensch? En Paar doch, awers de kunn'n swigen! – Un dat lütt Mäden wuß heran, un tonößen denn storben sin Öllern, un he kreeg allns, – – awers dar verköff he den Hof, un köff sick annerswo een wedder!

Lena. Un dat Kind, dat arm lütt Kind?!

Gudenrath. O, dat wurr en grotes, hübsches Mäden.

Lena (stützt traurig den Kopf und fängt an zu weinen)

Gudenrath. Süh, dat heff ick sülbn mal belevt! – (sieht, daß sie weint) Awers warum warrst denn mit eenmal so trurig? Ick wull di ja ni trurig maken, im Gegendeel, ick wull ja man seggn, uns' Herrgott sin Weg', de sünd mennigmal wunnerbar! Awers nu kumm, un sing mi mal dat Leed vör vun den olen Baldamus, wat ick di in din Gesangbook schreben, als du kunfermeert wurrst, dat't di trösten schull, wenn du mal trurig büst. – – – – – Na, – na, wullt denn ni? – – – kumm, do' mi't to Gefall'n!

Lena (nach kurzem Besinnen, freudig und rasch aufstehend) Ob ick't will? – Em to Gefall'n? Vun Harten geern! (Sie singt)

Nich ümmer schient de Sünn un blaut de Heben,
Un vun Bestand is nix op düsse Eer!
Allns wesselt af un ännert sick in'n Leben,
Dat weer ock nümmer gut, wenn't anners weer.
Ahn' Unglück giff't keen Glück – dartwischen steiht
Dat Schicksal, dat för beides sorgen dei't.

Beide.

Ahn' Unglück gifft keen Glück – dartwischen steiht
Dat Schicksal, dat för beides sorgen dei't.

Lena.

Frag man herum, du finnst dat allerwegen,
Dar is en Krüz för jedereen bestellt; –
Doch denn dat gröt'st uns' Herrgott gifft to dregen,
De is't, wovun he jüst am meisten hölt!
Du awers, nimm in acht di vör de Schuld!
Hol ut! un dreeg din Krüz man in Geduld!

Beide.

Du awers, nimm in acht di vor de Schuld!
Hol ut! un dreeg din Krüz man in Geduld!

Lena.

Keen Nacht so swart, dar kummt doch mal en Morgen,
Keen Sturm so wild, – dat ward mal wedder still!
Lat du getrost den leewen Gott man sorgen,
Denn Segen is ja alles, wat he will!
Un weer ock noch so kummervull din Hart,
Dar kummt doch mal en Tid, wo't anners ward!

Beide.

Un weer ock noch so kummervull din Hart,
Dar kummt doch mal en Tid, wo't anners ward!

Lena.

Un meenst du gar, din Gott harr di vergeten?
O, glöv dat ni, he weet vun allns Bescheed;
He gifft de lüttjen Bageln all ehr Eten
Un gifft de lüttjen Blomen all ehr Kleed!
He sorgt för dat Geringste op de Eer!
Un di schull he vergeten? – Nümmermehr!

Beide.

He sorgt för dat Geringste op de Eer,
Un di schull he vergeten? – Nümmermehr!

(Während beide die Schlußzeile singen, treten Reimer und die Fremde von rechts kommend im Hintergrunde auf).

Zwölfte Szene.

Reimer. Die Fremde. Die Vorigen.

Gudenrath

Lena

  (sie gewahr werdend zugleich)  

Reimer!

Uns' Bur!

Reimer. Dar sind wi denn!

Gudenrath (Reimer die Hand drückend) Reimer, min Fründ! (ihn etwas nach vorn ziehend, heimlich und hastig) Den Breef, – he kreeg em doch?

Reimer (ebenso) Na uns' Affahrt! Dör' min Knecht!

Gudenrath (sich zu der Fremden wendend und ihr die Hand drückend) Veel dusend mal willkamen!

Reimer (zu Lena, die Arme ausbreitend) Lena! Du lütt Waisenkind!

Lena (auf Reimer zustürzend, froh und gerührt) Uns' Bur! Uns´ Bur! (verbirgt ihren Kopf an seiner Brust)

Reimer (sie sanft von sich schiebend) Na, na! warum verbargst di denn? – Kumm, un begröt doch ock min Swester!

Die Fremde (mit dem Augenblick entsprechender Rührung) Ja, kumm! – giff mi de Hand! (die Hände an die Brust legend) Un hier, – hier, – dar legg den Kopp ock man mal hin,– eben als bi em! –

Gudenrath. Na, Lena?!

Lena (freudig gerührt) Hier is min Hand (gibt der Fremden die Hand), un hier, hier, min Kopp! (legt ihren Kopf an der Fremden Brust)

Die Fremde (wie vorher) Un hier min Arm, – ick legg em um di! (tut es)

Lena (weich und bewegt) So fast un warm, als weer't en Moderarm!

Die Fremde (bewegt) En Moderarm, seggst du?

Lena (von ihr loslassend) Wat sä ick?! ne! Ick heff ja keen Moder!

Die Fremde (Lena die Hände drückend) Min Kind! – Ick segg »min Kind« to di, ebn als Reimer! Du weetst, wa veel he nun di hölt!

Reimer (schnell) Ja, ja!

Gudenrath (rasch) Dat weet se!

Die Fremde. Un ebn als Reimer, will ick di leev hebbn, wil he min Broder is! Un ebn als Reimer muß du mi leev hebbn, wil ick sin Swester bün!

Reimer. Na, wullst dat wul?

Lena (herzlich) Ob ick't will? Ach, mehr als geern!

Reimer. Un als ick't malinst seggt heff, so ward dat doch noch kamn: Ju beiden föhrt mi den Husstand tohopen!

Lena. Nümmermehr!

(Detlef von links auftretend)

Dreizehnte Szene.

Detlef. Die Vorigen.

(Hier muß der Dialog bis sie sich setzen, wieder rasch vorwärts gehen.)

Reimer. Süh, Detlef! – (ihm die Hand gebend) Gudn Dag, Detlef!

Detlef (erwidernd) Willkamn, Reimer Groth!

Gudenrath (auf die Fremde zeigend) Reimer Groth sin Swester, Detlef!

Detlef (ihr die Hand gebend) Willkamn! Willkamn! (sich an Lena wendend) Min Lena!

Die Fremde (Lena und Detlef die Hand gebend) Un min hartlichen Glückwunsch!

Detlef. Danke!

Lena. Danke!

Reimer. Na Detlef, wa geiht't?

Detlef. Mutt sick hölpen!

Gudenrath. Sin Bur het em fri geben! – He fiert mit!

Reimer. Dat is nett vun Hansohm!

Gudenrath. He hett em noch vör korten dat beste Tügnis geben!

Detlef (abwehrend), Ah! ah! – – –

Reimer. Is mi en Freud to hören! – Ja Detlef, du hest das Hart op'n rechten Placken! Du büst en braven Menschen!

Lena (froh, schnell), Sühst du! Sühst du?!

Reimer. Un de dar gud is, denn kann dat ock ni slecht gahn, – ni wahr, Persepter?

Gudenrath. Dat schull ick meen'n! Holt ju den Kopp man baben! Ward noch allns mal wedder gut! – Awers nu kamt Kinners, nu wüllt wi uns setten, un eerst mal'n Tass' drinken!

Reimer. Dat meen ick ock!

(Alle, bis auf Lena setzen sich, diese will einschenken).

Vierzehnte Szene.

Hansohm. Die Vorigen.

Hansohm (von links kommend, schnell) Wa bün ick lopen! Wa bün ick lopen! Der Deutscher hal! he! he! – (zu Reimer) Gudn Dag, Reimer! – Nu radt mal, wakeen als dar gliks achter mi herkummt? – – De Vullmacht! – –

(Alle verwundert und schnell aufstehend. Der Dialog muß bis zum Ende der Szene rasch vorwärts gehen)

Gudenrath und Reimer (zugleich, schnell) De Vullmacht!

Detlef und Lena (zugleich, schnell) O, Gott!

Gudenrath (schnell) Man sacht! Man sacht!

Reimer (schnell) Ja, man sacht!

Hansohm. Kummt dar een angejagt, de Peer vull Schum un Sweet! – Un op de Hofsted baller he herop, als wenn he seggn wull: »Allns min!« – – De Lüttknecht stört herut, – he smeet dat Lei'd em hin un schreeg: »Detlef! – Wo is Detlef, min Söhn? Un levt he, oder is he dod?!«

Lena (schnell) Ni möglich!

Detlef (schnell) Wat is dat?

Reimer (schnell) Hett nix to seggn! Man wider!

Hansohm. Min Fru weer jüst in de Kök! – Ick als en Deutscher na de Kök! »Lop du man rut«, reep ick ehr to, – un segg em, wo he is! Bidessen lop ick vörut, un segg Bescheed!« – Un een, twee, dree, bün ick hier! – – Ick hör em noch ümmer, wa hereep: »Detlef, wo is Detlef, min Söhn?! Levt he, oder is he dod?!«

Detlef (schnell) Unbegrieplich!

Lena (schnell) Ick starv vor Angst!

Gudenrath (schnell) Geiht allns mit rechten Dingen to!

Reimer (schnell) Ward sick allns klaren. –

Gudenrath (schnell) Ick heff den Breef schieben!

Reimer (schnell) Un ick heff em hinschickt! Ebn vör uns' Affahrt!

Lena (schnell) Uns' Bur?!

Detlef (schnell) Un in den Breef stunn, dat ick krank weer?

Hansohm (schnell) Ja, wat denn? warum? woto?

Gudenrath (schnell) Dodenskrank! un dat he kamen schull, so gau, als möglich!

Detlef (schnell) Wat schall passeern?

Lena (schnell) Mi ahnt nix Gudes!

Gudenrath (schnell) Lat uns man maken!

(Vollmacht tritt auf von links)

Reimer. Dar is he! He kummt! (Alle stummes Spiel).

Fünfzehnte Szene.

Vollmacht. Die Vorigen.

Vollmacht. Dar bün ick! (zu Gudenrath, sehr gereizt) Warum hest du mi den Breef schreben?

Gudenrath. Nu sett di doch man eerst, un lat mit di snacken!

Vollmacht. Hier schull ick mi setten? in so'n Gesellschaft?! Warum hest du mi den Breef schreben? (zu Reimer) Un du büst mit in't Komplott! – Din Knecht hett mi em bröcht!

Reimer. Dat hett he ock! – Gudenrath hett em schreben, un ick heff em besorgt! – Ahn' dat gung't nu mal ni!

Gudenrath. Sunst weerst ock wul ni kamn! Un her mußt du!

Vollmacht. So! – her muß ick? Dat fangt ja verdeuwelt an! – – Heff ick denn min sief Sinn ni mehr, dat ju meent, ju künnt jüm Spott mit mi drieben? Als Vullmacht stah ick hier, ick, Peter Buhmann! Un hebbt ju Peter Buhmann narrt, denn hebbt ju ock den Vullmacht narrt, un desto leeger ward ju dat gahn, wenn wi för Gericht staht!

Gudenrath. Denn wullst du uns verklagen?

Vollmacht. Torügg betaln, – dree doppelt, – di un Reimer!

Reimer. Dat hett ja Tid, bit't sowit is!

Gudenrath. Wi hebbt di wat mittodeelen!

Vollmacht. Ju? mi? – Wat heff ick mit ju to schaffen?!

Gudenrath. Wi dachen, du un Detlef, ju schulln sick wedder verdregen!

Detlef. Wes', Vader, mi ni mehr bös'!

Vollmacht. Swig! Ick kenn di ni!

Lena (schnell) O Gott!

Hansohm. Na! na! na!

Reimer. Wat he da'n hett, dat de' he ja dochen ni ut Groll gegen di!

Detlef. Ja, weet Gott!

Gudenrath. He de' dat ja ut Leevde to ehr! – Un hüt is ehr Geburtsdag!

Lena. Vullmacht, wes' he Detlef wedder gut!

Vollmacht. He is min Kind ni mehr!

Detlef und Lena (zugleich, schnell) Vader! Vullmacht!

Hansohm. A, pfui! A, pfui!

Gudenrath. So, he is din Kind ni mehr? Weerst du denn wul hier? – – Harrst du denn wul jagt, dat de Schum vun de Peer streek? Harrst du denn wul ropen: »Detlef! Wo is Detlef, min Söhn?! Levt he oder is he dod?! – – – Awers gut, he blifft ja dochen, wat he is! – Un dar steiht Lena!

Vollmacht. Wat scheert se mi?!

Reimer. Detlef is ehr Brüdigam!

Vollmacht. Verflu – – – – –

Detlef

Lena

  (zugleich, schnell)  

Vader!

Herr des Himmels!

Hansohm. Gott bewahr uns! Wer verflucht denn wul sin Kind? – Un noch darto, wenn he man dat eene hett?! – –

Vollmacht. Hett he mi ni verlaten?! Is he ehr ni nalopen, ehr, dat utsette Findelkind?! Un hett se ni stahln?

Lena (schreit auf, lehnt sich an Detlef, der stützend seinen Arm um sie legt)

Hansohm (schnell) A, pfui, Vullmacht!

Gudenrath (schnell) Wat seggst du?

Vollmacht. Ja, stahln hett se! – Un wenn se hüt nich in't Tuchthus sitt, so kann se mi dat danken!

Reimer (schnell) Se hett ni da'n! – Nümmermehr!

Gudenrath (erregt) Se is unschullig!

Vollmacht (höhnisch) Ha! Unschullig?! – Wakeen kunn dat bewiesen?

Gudenrath (schnell) Ick! – (nach der Stalltür gehend) Dat's Tid! Kumm herut! –

Sechzehnte Szene.

Abel. Die Vorigen.

(Rascher Fortgang des Dialogs bis zur Schlußstrophe.)

Lena

Detlef

Reimer

Vollmacht

  (zugleich, verwundert)  

Abel?!

Abel?!

Abel?!

Abel?!

Vollmacht (erregt, sie an der Hand fassend und nach vorn ziehend) Wat wullt du? Warum büst du hier?

Abel. Um min Sünn to bichten! – Ja, ick heff ehr weh da'n! Fürchterlich weh da'n! Uns' Herrgott mag mi dat vergeben!

Lena

Reimer

  (zugleich)  

Abel! Abel!

Wat för'n Öweraschung!

Vollmacht. Du lüggst!

Abel. So wahr en Gott in'n Himmel is, ick segg de Wahrheit! Se is unschullig! – Ick sülbn heff min Geld in ehr Kommod leggt! (vor Lena niederknieend) Vergiff mi de Sünn!

Lena. Vun Harten geern! (stummes Spiel)

Die Fremde. Stah op, min Kind!

(Abel steht auf, stellt sich seitwärts in die Nähe des Baumes.)

Gudenrath (zum Vollmacht) Na, wat seggst du nu?

Reimer. Na, Vullmacht?!

Vollmacht. Wat ick segg? Ick segg, wat ick seggt heff! – Hett se denn ock ni stahln, so is se doch en utsett Findelkind, dat keen Vader un keen Moder hett! (Lena, Detlef, stummes Spiel)

Reimer. Dat lüggst du, wenn du dat noch eenmal seggst! So wahr, als en Gott in'n Himmel is, ick bün ehr Vader!

Detlef. Reimer?!

Lena (sich ihm an die Brust werfend.) Vader! min Vader!

(Die andern stummes Spiel.)

Reimer. Un so wahr als en Gott in'n Himmel is! – De dar als min Swester steiht, is ehr Moder!

Lena (sich der Fremden an die Brust werfend) Min Moder!

Die Fremde. Min Kind! Min hartleev Kind!

Reimer (die Arme ausbreitend) Un nu man hier her! In min Arm un an min Hart, ju alle beide! (sie gehn zu ihm, er zwischen ihnen stehend, legt seine Arme um sie) Un binnen korten is Hochtid! Un dat lütte Waisenkind hett sin Vader un Moder, – un is en rike Burndochder!

Hansohm. Ah ne! is't en Möglichkeit?!

Gudenrath (zum Vollmacht.) Na, wat seggst du nu, Vullmacht? – Un dar steiht Detlef, ehr Brüdigam!

Detlef (schnell) Segg »Ja«, Vader! Segg »Ja«!

Lena (schnell) Segg He »Ja«!

Reimer (schnell) Segg »Ja« Vullmacht!

Abel. Vullmacht, do' He keen Sünn, do' He keen Sünn! Segg He »Ja«!

Vollmacht (nach sichtlichem, inneren Kampfe mit besonderem Spiel und besonderer Betonung) Heff ick ehr denn nich all da'n?! – – Detlef un Lena, min Kinner!

Detlef

Lena

  (zugleich und in seine Arme eilend)  

Min Vader!

Vader!

Vollmacht. Min Kinner!

Gudenrath (zu Lena) Na, wat seggst du nu, min lütt Waisenkind?! – Weetst du de Geschichte ock noch? Süh (auf die Fremde zeigend) dar steiht de arm lütt' verlaten Brut! –

Reimer (schnell) Un ick muß ehr verlaten!

Gudenrath (schnell) Un dat lütt' utsett' Waisenkind? Waneem steiht dat wul?!

Reimer

die Fremde

  (zugleich, schnell)  

Min Dochder!

Min Kind!

Gudenrath. Ja, dat büst du! – Un hüt is din Geburtsdag! – Un vun'n leewen Gott, – wat för Geschenke! Din Vader! Din Moder! Din Brüdigam! Süh, süh! Uns´ Herrgott, de vergitt doch keen Waisenkind!

Abel. Un de sick betert, den vergifft He de Sünn!

Lena. Abel, Abel! Kumm! – Schaft wedder bi uns dee'n!

Gudenrath (zu Lena) Un dat Leed? Wat sungst du noch toletzt?

Lena (singt)

Un meenst du gar, din Gott harr di vergeten?
O, glöv' dat ni, He weet vun allns Bescheed!
He gifft de lüttjen Vageln all ehr Eeten
Un gifft de lüttjen Blomen all ehr Kleed!
He sorgt för dat Geringste op de Eer
Un di schull he vergeten? – Nümmermehr!

Alle.

He sorgt för dat Geringste op de Eer,
Un di schull he vergeten? – Nümmermehr!

(Der Vorhang fällt.)


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